Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 349/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei dem Arzneimittel Aggrenox handelt es sich um eine Wirkstoffkombination aus Acetylsalicylsäure und Dipyridamol. Das Arzneimittel unterfällt damit den Regelungen zum Ausschluss fixer Wirkstoffkombinationen und kann nur in Ausnahmefällen verordnet werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.06.2016 - L 7 KA 16/14 KL - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
2. Es besteht eine besondere sozialrechtliche Dokumentationspflicht, nicht aber eine besondere Pflicht zur Bekanntgabe der Begründung.
3. Die Behandlungsdokumentation kann in Verfahren, in denen die Prüfungsstelle abschließend entscheidet, im Gerichtsverfahren nachgereicht werden.
2. Es besteht eine besondere sozialrechtliche Dokumentationspflicht, nicht aber eine besondere Pflicht zur Bekanntgabe der Begründung.
3. Die Behandlungsdokumentation kann in Verfahren, in denen die Prüfungsstelle abschließend entscheidet, im Gerichtsverfahren nachgereicht werden.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Arzneikostenregress für die Quartale I/15 bis III/15 wegen der Verordnung des Arzneimittels Aggrenox in einem Behandlungsfall in Höhe von insgesamt 406,02 EUR netto.
Die Klägerin ist als Fachärztin für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beigeladene stellte für die streitbefangenen Quartale am 26.02.2016 wegen der Verordnung der strittigen Arzneimittel im Behandlungsfall ihres Versicherten P1, geb. 1941, mit insgesamt sechs Verordnungen bei der Beklagten einen Antrag auf Festsetzung eines Regresses, weil für das Arzneimittel Aggrenox gem. Anlage III Nr. 53 der Arzneimittel-Richtlinie ein Verordnungsausschluss bestehe.
Die Beklagte übersandte der Klägerin den Prüfantrag. Die Klägerin äußerte sich nicht zum Prüfantrag.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 22.06.2016, zugestellt am 04.07.2016, für die streitbefangenen Quartale den strittigen Regress in Höhe von 406,02 EUR (netto) fest, und zwar für die einzelnen Quartale wie folgt:
Quartal Regress in EUR
I/15 135,34
II/15 135,34
III/15 135,34
Zur Begründung führte sie aus, nach der Lauer Taxe handele es sich bei den beanstandeten Medikamenten um eine Wirkstoffkombination aus Acetylsalicylsäure und Dipyridamol. Nach Anlage III Nr. 53 der Arzneimittel-Richtlinie unterliege Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS) einem Verordnungsausschluss. Eine Ausnahmeregelung habe der GBA nicht festgelegt. Der GBA habe zur Begründung auf den fehlenden Zusatznutzen und den Beleg für einen größeren Schaden hingewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 25.07.2016 die Klage erhoben. Sie trägt vor, die Begründung des GBA sei medizinisch nicht gesichert und kritisch zu hinterfragen. In der Leitlinie der American College of Chest Physicians werde Aggrenox (bei ischämischen Schlaganfall) sogar der Monotherapie vorgezogen. Es gebe weitere britische Studien mit entsprechendem Ergebnis. In der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie werde Aggrenox mit mittlerer Empfehlungsstärke für Schlaganfallpatienten mit Rückfallrisiko beschrieben. Sie habe den Patienten seit September 2007 bei der Diagnose "Hirninfarkt" mit dem strittigen Präparat behandelt. Hierzu überreiche sie Auszüge aus den Patientenunterlagen. Sie überreiche ferner ein Schreiben der AAF. Klinik VM. vom 11.09.207, dem auch die Therapieempfehlung Aggrenox zu entnehmen sei. Auch in der Nachsorge werde diese Empfehlung aufrechterhalten (Arztbriefe vom 25.02.2014 und 13.04.2015). Am 24.01.2014 habe die Klinik die Verordnung von Aggrenox neben ASS empfohlen, was sie im Arztbrief vom 08.10.2015 wiederholt habe. Dieser Empfehlung sei sie nicht gefolgt. Medizinisch bestehe eine Einigkeit bzgl. der Verordnung. Die Therapie sei bereits vor dem Verordnungsausschluss begonnen worden. Eine Umstellung verursache eine nachteilige Symptomatik. Sie habe bei zweifelhaftem Verordnungsausschluss höchst ausnahmsweise mit ausreichender und dokumentierter Begründung zum Wohle des Patienten das strittige Präparat zulässigerweise verordnet. Die alleinige Gabe von ASS oder Clopidrogel hätte die unmittelbare Gefahr einer wiederholten Apoplexie mit sich gebracht. Nachdem sie Aggrenox seit 2007 verordnet habe, habe keine Veranlassung bestanden, die Arzneimittelgabe umzustellen. Bis zum Ausschluss des Arzneimittels habe keine Veranlassung zur Dokumentation bestanden. Soweit im Moment des Ausschlusses der Gesundheitszustand des Patienten stabil sei und eine Änderung die Gefahr eines Rezidivs bestehe, bestehe keine Veranlassung zu einer weitergehenden Dokumentation. Im Hinblick auf die Stabilität des Gesundheitszustandes habe keine Alternative bestanden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.06.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, die Verordnung von Aggrenox sei nach der Arzneimittel-Richtlinie mit nachvollziehbarer Begründung des GBA ausgeschlossen. Die von der Klägerin angeführten Leitlinien seien nicht geeignet, die tragenden Gründe des GBA zu widerlegen. Eine Begründung für einen Ausnahmefall müsse zeitnah abgegeben werden und nach außen kundgegeben werden. Eine Begründung sei weder dem Verordnungsvordruck enthalten gewesen noch sei sie diesem beigefügt gewesen oder der Krankenkasse übermittelt worden. Im Regressverfahren könne die Begründung nicht nachgereicht werden. Der Vertragsarzt sei für seine Verordnung verantwortlich und nicht an Vorgaben der Klinik, aus der der Patient entlassen worden sei, gebunden. Eine vorherige Beratung sei nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen verweist sie auf ihren angefochtenen Bescheid. Für die Setzung eines Vertrauenstatbestands sei nichts ersichtlich. Allein die Kenntnis der Krankenkasse von der Verordnung begründe keinen Vertrauenstatbestand.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache schriftsätzlich nicht geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 07.09.2016 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Krankenkassen sowie einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie konnte dies trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Der Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss bedurfte es nicht. Die Prüfungsstelle war abschließend zuständig.
Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 SGG). Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt. Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V a. F. (in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG), gültig bis zum 31.12.2016, aktuell § 105c Abs. 3 Satz 6 SGB V i. d. F. d. Art. 2 Nr. 8 GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG)) geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V a.F. - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist, wie ihre Auslegung ergibt, auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt. Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben. Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind" (vgl. BSG, Urt. v. 11.05.2011 - B 6 KA 13/10 R - BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 32, juris Rdnr. 18 ff.). Ein Vorverfahren vor dem Beschwerdeausschuss ist auch dann ausgeschlossen, wenn Gegenstand des Regresses Arzneimittel sind, deren Verordnung grundsätzlich durch das Gesetz oder die Arzneimittelrichtlinie ausgeschlossen ist, die aber in besonderen Ausnahmefällen mit Begründung verordnet werden dürfen (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2014 - B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 14 ff.).
Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit folgt aus den Vorschriften des SGB V und aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (s. im Einzelnen nachfolgend).
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 22.06.2016 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht den strittigen Arzneikostenregress festgesetzt.
Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, gesetzliche Krankenversicherung nicht erbringen.
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nach geltender Rechtslage berechtigt, Arzneikostenregresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise festzusetzen. Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Verordnungsregressen ist § 106 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 SGB V a. F. Danach können die Landesverbände der Krankenkasse und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt werden können. Von dieser Kompetenz haben die Partner der Gesamtverträge in Hessen Gebrauch gemacht. Nach der hier maßgeblichen Prüfvereinbarung (im Folgenden: PV) vom 12.06.2008, mit Wirkung ab 01.01.2008 in Kraft getreten, prüft die Prüfungsstelle auf Antrag, ob der Arzt im Einzelfall mit seinen Arzneiverordnungen oder Verordnungen über Heilmittel gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat (§ 13 Abs. 1 PV). Anträge müssen innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals vorliegen (§ 13 Abs. 2 S. 1 PV).
Prüfgegenstand ist die Arznei- bzw. verordnungsbezogene Überprüfung der Verordnungsweise nach den gesetzlichen Bestimmungen bzw. nach dem Arzneimittel-Richtlinien oder Heil-Richtlinien, insbesondere hinsichtlich
- Preiswürdigkeit der verordneten Arzneimittel/Heilmittel unter Berücksichtigung des therapeutischen Nutzens
- Mehrfachverordnungen für pharmakologisch oder therapeutisch gleichsinnig wirkende Arzneimittel
- Verordnung von Arzneimitteln und Arzneimittelgruppen mit umstrittener Wirksamkeit
- Mehrfachverordnung bei med. therap. gleichsinnig wirkenden Heilmitteln und deren Zielsetzung
- Verordnungsmengen, Verordnungsabständen, Verordnungsumfang
- Durchführung bzw. Veranlassung der weiterführenden Diagnostik
- Beachtung der Vorschriften innerhalb/außerhalb des Regelfalls
- Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots hinsichtlich der Verordnung von Hausbesuchen
- Wirtschaftlichkeit der Verordnungen im Einzelfall (§ 13 Abs. 4 PV).
Soweit die Prüfungsstelle im Einzelfall eine Unwirtschaftlichkeit festgestellt hat, setzt sie den vom Arzt erstatteten Regressbetrag fest. Es scheint eine gezielte schriftliche oder persönliche Beratung ausreichend, ist diese nur zulässig, wenn innerhalb von 24 Monaten vor dem Quartal für das der Prüfantrag gestellt wurde, keine derartige Maßnahme verfügt wurde (§ 13 Abs. 5 PV). Ein Verfahren ist ausgeschlossen, wenn der vermutete Regressbetrag je Arzt im Quartal nicht mehr als 50,00 Euro beträgt (§ 13 Abs. 6 S. 1 PV).
Die erfolgte Zuweisung der Sanktionierung unzulässiger bzw. rechtswidriger Verordnungen an die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben in § 106 SGB V a. F., mit den Bestimmungen der §§ 48 ff. BMV-Ä in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung (n. F.) sowie mit der langjährigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. hierzu eingehend BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 SGB V Nr. 52, juris Rdnr. 11 ff., s. a. LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2005 - L 12 KA 107/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
Unter Beachtung der PV ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Eine mündliche Verhandlung des Beklagten war nicht notwendig. Das Verfahren vor den Prüfgremien ist grundsätzlich schriftlich (§ 18 Abs. 1 Satz 1 PV). Soweit der Antrag auf Prüfung bzgl. der Verordnungen im Quartal II/14 nicht innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals und damit nicht innerhalb der Prüfantragsfrist nach § 13 Abs. 2 S. 1 PV gestellt worden ist, ist dies unerheblich. Die Prüfantragsfrist dient (nur) dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden kann. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn durchgeführt wird, dient eine andere Frist, nämlich die Vier-Jahres-Frist. Hat mithin die Nichteinhaltung der Frist für die Stellung des Prüfantrags nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt dieser Frist im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zu (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 14/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 29, juris Rdnr. 21 m.w.N.).
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise den strittigen Arzneikostenregress festgesetzt. Das strittige Arzneimittel durfte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden.
Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit folgt aus den Vorschriften des SGB V und aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Er soll insbesondere u. a. Richtlinien beschließen über die Verordnung von Arzneimitteln (§ 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und 3 und Satz 2 Nr. 6 SGB V).
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Rechtsgrundlage des §§ 31 Abs. 1 Satz 1 und 4, 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und 3 und Satz 2 Nr. 6 SGB V die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL) erlassen. Die nach den Absätzen 1 und 2 des § 16 AM-RL in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel sind in einer Übersicht als Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie zusammengestellt (§ 16 Abs. 3 AM-RL). Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt kann die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 16 Abs. 5 AM-RL). Soweit die Verordnung von Arzneimitteln oder bei Arzneimittelgruppen die Verordnung für einzelne Arzneimittel aufgrund der jeweils genannten Ausnahmetatbestände zulässig ist, ist die Therapieentscheidung nach den Vorgaben der Übersicht nach § 16 Abs. 3 zu dokumentieren (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AM-RL). Die Dokumentation erfolgt im Sinne von § 10 (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte. Im Regelfall genügt die Angabe der Indikation und gegebenenfalls die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen, soweit sich aus den Bestimmungen der Richtlinie nichts anderes ergibt (§ 10 Abs. 2 AM-RL). Nach Nr. 53 Anlage III AM-RL besteht für "Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure" ein Verordnungsausschluss. Nr. 53 Anlage III AM-RL wurde durch Beschluss des GBA vom 16.05.2013 (veröffentlicht: BAnz AT 25.02.2014 B2) mit Wirkung zum 01.04.2014 eingefügt.
Grund für den Ausschluss fixer Wirkstoffkombinationen ist nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts, dass Arzneimittel mit fixer Wirkstoffkombination sich u. U. gegenseitig behindern bzw. in ihrer Wirkung neutralisieren können, sodass kein voller Nutzeffekt aller Wirkstoffe zu verzeichnen ist. Die "fixe" Kombination kann auch in den Ausnahmefällen, in denen die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Wirkungen doch einen gewissen Sinn macht, problematisch sein; denn deren Zusammenspiel kann dann nicht je nach dem konkreten Krankheitsstadium und der individuellen Befindlichkeit variiert werden, weil die Mengen der verschiedenen Wirkstoffe im Verhältnis zueinander in unveränderlicher Weise feststehen. Auf dieser Basis hat der Gemeinsame Bundesausschuss zur Schlussfolgerung kommen dürfen, dass statt fixer Wirkstoffkombinationen im Regelfall das Behandlungsziel medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger durch die Verordnung von Monopräparaten erreicht werden kann (vgl. - inhaltsgleich - die allgemeinen Vorgaben des § 16 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 5 AM-RL, die gemäß § 16 Abs. 3 AM-RL durch die Anlage III AM-RL konkretisiert wird). Zwar ist nicht auszuschließen, dass in Einzelfällen die Verabreichung einander entgegengesetzter Wirkstoffe medizinisch indiziert sein kann; solchen Fällen ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass generell bestimmt ist, dass der Vertragsarzt in medizinisch begründeten Einzelfällen derartige Arzneimittel ausnahmsweise mit Begründung verordnen darf (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V, § 16 Abs. 5 AM-RL, ebenso Präambel Abs. 3 der Anlage III AM-RL). Für den Regelfall aber durfte der Gemeinsame Bundesausschuss davon ausgehen, dass Verordnungen fixer Kombinationen medizinisch problematisch sind, und dies deshalb als unwirtschaftlich bzw. unzweckmäßig bewerten und ihre Verordnungsfähigkeit beschränken (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr. 13, juris Rdnr. 39 f. für Arzneimittel mit fixen Kombinationen von hustenhemmenden Antitussiva einerseits und andererseits auswurffördernden und schleimlösenden Expektorantien).
Bei dem strittigen Arzneimittel Aggrenox handelt es sich um eine Wirkstoffkombination aus Acetylsalicylsäure und Dipyridamol. Das Arzneimittel unterfällt damit den Regelungen zum Ausschluss fixer Wirkstoffkombinationen. Der GBA hat mit von der Kammer nicht zu beanstandendem Beschluss vom 16.05.2013 (BAnz AT 25.02.2014 B2) die Wirkstoffkombination aus Acetylsalicylsäure und Dipyridamol in die Ausschlussregelung aufgenommen. In den Tragenden Gründen führt der GBA zur Begründung aus, der Unterausschuss Arzneimittel habe die IQWiG-Empfehlung zur Nutzenbewertung von Dipyridamol plus ASS zur Sekundärprävention nach Schlaganfall oder TIA überprüft und die Plausibilität festgestellt. Der Unterausschuss Arzneimittel sei nach Würdigung des Abschlussberichts des IQWiG, der Beratungen der Arbeitsgruppe Nutzenbewertung und der Auswertung der schriftlichen Stellungnahmen sowie der mündlichen Anhörung zu dem Ergebnis gekommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Verordnungsausschluss von Dipyridamol plus ASS gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz SGB V erfüllt seien. Die Bewertung des IQWiG im Abschlussbericht A09-01 habe für Dipyridamol plus ASS keinen Beleg dafür ergeben, dass die Kombinationsbehandlung mit Dipyridamol plus ASS einen Zusatznutzen gegenüber einer Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (ASS oder Clopidogrel) habe. Dem fehlenden Zusatznutzen stehe ein Beleg für einen größeren Schaden unter der Kombinationsbehandlung gegenüber. Dieser größere Schaden ergebe sich insb. aufgrund häufiger auftretender schwerwiegender Blutungen in der Langzeittherapie. In der Langzeittherapie gebe es darüber hinaus einen Beleg für häufigere Studienabbrüche wegen unerwünschter Ereignisse unter der Kombinationsbehandlung sowie für einen größeren Schaden bei der Gesamtrate unerwünschter Ereignisse gegenüber ASS. Dies rechtfertige die Schlussfolgerung, dass Dipyridamol plus ASS gegenüber der Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (ASS oder Clopidogrel) als therapierelevant unterlegen und damit als unzweckmäßig einzustufen sei (vgl. Tragende Gründe des GBA, https://www.g-ba.de).
Von daher hält auch LSG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 28.06.2016 - L 7 KA 16/14 KL - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision zugelassen, aber nicht eingelegt) den vom GBA vorgenommenen Ausschluss der Wirkstoffkombination Dipyridamol und Acetylsalicylsäure aus dem Leistungskatalog der GKV für rechtmäßig (s. auch SG Marburg, Gerichtsb. v. 13.04.2016 - S 12 KA 474/15 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 188/16 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 59/16 -; Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 167/16 -).
Die Voraussetzungen für einen Ausnahmetatbestand liegen nicht vor. Es besteht eine besondere sozialrechtliche Dokumentationspflicht, nicht aber eine besondere Pflicht zur Bekanntgabe der Begründung.
Soweit nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V, dessen Inhalt § 16 Abs. 5 AM-RL wiederholt, der Vertragsarzt Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen kann, liegt eine Arzneimittelverordnung "mit Begründung" nicht vor. Weil der Gesetzgeber die Durchbrechung des vom GBA vorgenommenen Verordnungsausschlusses nur unter sehr engen Voraussetzungen zulassen will ("ausnahmsweise", "in medizinisch begründeten Einzelfällen", "mit Begründung"), ist davon auszugehen, dass die Begründung i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 4 SGB V in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Verordnung abgegeben werden muss. Eine Kundgabe nach außen war auch vor Änderung der Arzneimittelrichtlinie durch den Beschluss des GBA vom 24.11.2016 (BAnz AT 27.01.2017 B3, in Kraft getreten am 28.01.2017) nicht erforderlich. Mit dem Beschluss hat der GBA klargestellt, dass die Begründung für die ausnahmsweise Therapieentscheidung in der Patientenakte zu dokumentieren ist (§§ 10 Abs. 1 Satz 3, 16 Abs. 5 Satz 2 AM-RL in der Neufassung). Damit reagiert der GBA auf unterschiedliche Auffassungen zu den Anforderungen an die Dokumentation der Therapieentscheidung eines Arzneimittels in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Insb. das LSG Berlin-Brandenburg hatte in einer Entscheidung die Auffassung vertreten, die Begründung müsse auch nach außen kundgetan werden, z. B. indem sie auf dem Verordnungsvordruck selbst enthalten ist oder diesem beigefügt oder zeitnah der betroffenen Krankenkasse übermittelt wird. Würde es hingegen genügen, dass bei einer auf § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V gestützten vertragsärztlichen Verordnung die gesetzlich vorgeschriebene Begründung z. B. erstmals in einem viel später durchgeführten Regressverfahren gegeben wird, unterschiede sich der Fall nicht von anderen Einzelverordnungsregressen, in denen typischerweise die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels erstmals im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) geklärt wird. Das Tatbestandsmerkmal "mit Begründung" liefe dann leer (so LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.02.2012 - L 9 KR 292/10 - juris Rdnr. 41). Soweit die Kammer diese Ausführungen in vergangenen Entscheidungen aufgenommen hat, war die Frage einer Kundgabe nicht streiterheblich. Die Kammer stellt jedoch jetzt klar, dass sie der Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg nicht folgt.
Die allgemeine medizinische Dokumentationspflicht ist eine dem Arzt dem Patienten gegenüber obliegende Pflicht. Die weitere Behandlung des Patienten sowohl durch den selben Arzt als auch durch dessen zwangsläufigen oder frei gewählten Nachfolger kann durch unzulängliche Dokumentation entscheidend erschwert werden (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.1978 - VI ZR 183/76 - BGHZ 72, 132, juris Rdnr. 27; OLG München, Urt. v. 18.01.2017 - 3 U 5039/13 - juris Rdnr. 33, Nichtzulassungsbeschwerde anhängig: BGH VI ZR 49/17 -; OLG Bamberg, Beschl. v. 27.11.2015 - 4 U 82/15 - GesR 2016, 492 = KHE 2015/156, juris Rdnr. 22; OLG Köln, Urt. v. 06.08.2014 - I-5 U 137/13 - juris Rdnr. 28). Daraus folgt eine Bedeutung der ärztlichen Dokumentation für die Beweislastverteilung im Arztfehlerprozess (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.1978, a.a.O., Rdnr. 28; BGH, Urt. v. 18.03.1986 - VI ZR 215/84 - NJW 1986, 2365, juris Rdnr. 10; BGH, Urt. v. 02.06.1987 - VI ZR 174/86 - NJW 1986, 2365, juris Rdnr. 12). Die Dokumentation bestimmt sich nach rein medizinischen Notwendigkeiten, die ihrerseits sachverständiger Überprüfung zugänglich sind. Auf die Dokumentation können sich sowohl Patient als auch Behandler zu ihren Gunsten berufen: was nicht dokumentiert ist, aber hätte dokumentiert werden müssen, gilt als nicht geschehen; umgekehrt ist einer zeitnahen und vollständigen, äußerlich unverdächtigen ärztlichen Dokumentation grundsätzlich Glauben zu schenken (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.08.2014 - 5 U 57/14 - juris Rdnr. 2).
Der durch das Patientenrechtegesetz eingeführte § 630f BGB verpflichtet den Behandelnden, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen. Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen. Aus § 630f Abs. 1 Satz 1 BGB folgt, dass die Eintragungen jeweils in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung vorgenommen werden. Aus der Formulierung ist ersichtlich, dass es keiner "unverzüglichen" oder "sofortigen" Eintragung bedarf, sondern dass sich der Zeitrahmen nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insb. der Art und des Umfangs der Maßnahme bestimmt (vgl. K. Schmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 630f BGB, Rdnr. 9 unter Hinweis auf Rehborn, GesR 2013, 257, 266; M. Rehborn/S. Gescher in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 630f BGB, Rdnr. 6).
Entsprechend sieht § 23 Nr. 4 hessisches Heilberufsgesetz und § 10 Berufsordnung der hessischen Ärztekammer (v. 02.09.1998, zuletzt geändert am 07.10.2015, zitiert nach www.laekh.de) eine Dokumentationspflicht vor. Die berufsrechtliche Norm statuiert eine Pflicht zur ausführlichen und sorgfältigen Dokumentation der ärztlichen Behandlung. Sie obliegt demjenigen Arzt, der die Behandlung des Patienten verantwortlich übernommen hat. Jeder Arzt, der eine dokumentationspflichtige Maßnahme durchführt, trägt demnach auch die Verantwortung für deren Dokumentation. Zweck der Dokumentationspflicht ist die Therapiesicherung, daneben auch die Beweissicherung und Rechenschaftslegung. Die Dokumentation soll insb. eine sachgerechte (Weiter-)Behandlung des Patienten gewährleisten, indem sie jeden mit- und nachbehandelnden Arzt in die Lage versetzt, sich über durchgeführte Maßnahmen und die angewandte Therapie kundig zu machen. Dies gilt in besonderer Weise für Berichte über durchgeführte Operationen, die wichtige Informationen über das gebotene postoperative Vorgehen vermitteln. In zeitlicher Hinsicht hat die Dokumentation in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung oder dem Eingriff zu erfolgen, jedenfalls aber in einem Zeitraum, in dem dem Arzt die Einzelheiten der Behandlung noch präsent sind (vgl. LandesberufsG für Heilberufe Münster, Urt. v. 25.11.2015 - 6t A 2679/13.T - juris Rdnr. 39 ff.). Eine inhaltlich unrichtige Darstellung der (zahn-)ärztlichen Maßnahmen verletzt die Dokumentationspflicht. Die Aufzeichnungen haben Urkundencharakter und müssen oftmals noch nach Jahren nachvollziehbar und beweiskräftig sein (vgl. Berufsgericht für Heilberufe Berlin, Urt. v. 25.06.2014 - 90 K 2.12 T - juris Rdnr. 20). Eine Dokumentation ist berufsrechtlich unzureichend, wenn sie ohne Erläuterungen des Arztes aus sich heraus für einen anderen Arzt (hier: den Gutachter) nicht verständlich ist (vgl. VG Berlin, Urt. v. 23.05.2012 - 90 K 1.10 T - juris Rdnr. 41).
Das Vertragsarztrecht baut auf den allgemeinen Dokumentationspflichten auf und begründet weitere Dokumentationspflichten. Insofern kann insb. das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz 2, 92. Abs. 1 Satz 1, 106 SGB V) und die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung (§§ 2 Abs. 1 Satz 3, 135 SGB V ff.) Grundlage weitergehender Dokumentationspflichten sein. Allgemein bestimmt § 294 SGB V als Pflichten der Leistungserbringer: Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und die übrigen Leistungserbringer sind verpflichtet, die für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen sowie der Kassenärztlichen Vereinigungen notwendigen Angaben, die aus der Erbringung, der Verordnung sowie der Abgabe von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und gemäß den nachstehenden Vorschriften den Krankenkassen, den Kassenärztlichen Vereinigungen oder den mit der Datenverarbeitung beauftragten Stellen mitzuteilen.
Der Umfang der Aufzeichnungsflicht nach § 294 ist zu unterscheiden und kann wegen der unterschiedlichen Regelungszwecke (einerseits versicherungsrechtliche Zwecke wie Abrechnung, Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung - anderseits berufsrechtliche Zwecke der fachlich qualifizierten Behandlung der Patienten) abweichen von berufsrechtlich vorgeschriebenen Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflichten (vgl. Kranig in: Hauck/Noftz, SGB, 12/07, § 294 SGB V, Rdnr. 7; Didong in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 294 SGB V, Rdnr. 10; Hess in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 92. EL Dezember 2016, Rdnr. 3). Bei den in § 294 SGB V genannten "Angaben" handelt es sich u. a. um Sozialdaten i. S. v. § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X, die im Zusammenhang mit der Erbringung, der Verordnung oder der Abgabe von Versicherungsleistungen anfallen. Hierbei handelt es sich um die Angaben, die von den Krankenkassen zur Erfüllung der in § 284 SGB V genannten Aufgaben oder von den Kassenärztlichen Vereinigungen für die in § 285 SGB V genannten Aufgaben benötigt werden. Konkretisiert werden die notwendigen Angaben für die jeweiligen Leistungserbringer in den §§ 295 ff. SGB V (vgl. Didong in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 294 SGB V, Rdnr. 8). Nach § 284 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürfen die Krankenkassen Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung nur erheben und speichern, soweit diese erforderlich sind u. a. für die Prüfung der Leistungspflicht und der Erbringung von Leistungen an Versicherte einschließlich der Voraussetzungen von Leistungsbeschränkungen, die Bestimmung des Zuzahlungsstatus und die Durchführung der Verfahren bei Kostenerstattung, Beitragsrückzahlung und der Ermittlung der Belastungsgrenze (Nr. 4) und die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung (Nr. 9).
Nach § 295 Abs. 1 SGB V gilt für die Abrechnung ärztlicher Leistungen eine Verpflichtung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen, an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen aufzuzeichnen und zu übermitteln, u. a.
2. in den Abrechnungsunterlagen für die vertragsärztlichen Leistungen die von ihnen erbrachten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung, bei ärztlicher Behandlung mit Diagnosen, bei zahnärztlicher Behandlung mit Zahnbezug und Befunden,
3. in den Abrechnungsunterlagen sowie auf den Vordrucken für die vertragsärztliche Versorgung ihre Arztnummer, in Überweisungsfällen die Arztnummer des überweisenden Arztes sowie die Angaben nach § 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 maschinenlesbar.
§ 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 SGB V bezieht sich auf die elektronische Gesundheitskarte als Versicherungsnachweis und die darin normierten - hier unerheblichen - personenbezogenen Daten des Versicherten. § 295 Abs. 3 SGB V ermächtigt die Bundesmantelvertragsparteien und den Bewertungsausschuss zu weitergehenden Regelungen. Danach vereinbaren die Vertragsparteien der Verträge nach § 82 Abs. 1 und § 87 Abs. 1 als Bestandteil dieser Verträge das Nähere über
1. Form und Inhalt der Abrechnungsunterlagen für die vertragsärztlichen Leistungen,
2. Form und Inhalt der im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Vordrucke,
3. die Erfüllung der Pflichten der Vertragsärzte nach Absatz 1,
4. die Erfüllung der Pflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen nach Absatz 2, insbesondere auch Form, Frist und Umfang der Weiterleitung der Abrechnungsunterlagen an die Krankenkassen oder deren Verbände,
5. Einzelheiten der Datenübermittlung einschließlich einer einheitlichen Datensatzstruktur und der Aufbereitung von Abrechnungsunterlagen nach den §§ 296 und 297.
Nach § 57 Abs. 1 Bundesmantelvertrag (BMV-Ä) hat der Vertragsarzt die Befunde, die Behandlungsmaßnahmen sowie die veranlassten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung in geeigneter Weise zu dokumentieren. Besondere Dokumentationsanforderungen für Verordnung von veranlassten Leistungen bestimmt § 25a BMV-Ä:
(1) Näheres über die Verordnung von Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, spezialisierter ambulanter Palliativversorgung, Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln, medizinischer Rehabilitation, Soziotherapie und Krankentransport (veranlasste Leistungen) bestimmen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesauschusses.
(2) Die Verordnung von veranlassten Leistungen ist auf den jeweils dafür vorgesehenen Vordrucken gemäß der Vordruckvereinbarung (Anlage 2 dieses Vertrages) vorzunehmen. Die gilt auch, wenn der Versicherte die ärztlichen Leistungen im Wege der Kostenerstattung erhält.
§ 34 Abs. 1 BMV-Ä bestimmt für Vordrucke:
(1) Abrechnungs- und Verordnungsvordrucke sowie Vordrucke für schriftliche Informationen werden als verbindliche Muster in der Vordruckvereinbarung (Anlage 2) festgelegt. Gegenstand der Vordruckvereinbarung sind auch die Erläuterungen zur Ausstellung der Vordrucke. Die Vordrucke können gemäß der Vereinbarung über den Einsatz des Blankoformularbedruckungs-Verfahrens zur Herstellung und Bedruckung von Vordrucken für die vertragsärztliche Versorgung (Anlage 2a) mittels zertifizierter Software und eines Laserdruckers vom Vertragsarzt selbst in der Praxis erzeugt werden.
Nach Abschnitt 2.16 Muster 16: Arzneiverordnungsblatt der Vordruck-Vb (Anl. 2 zum BMV-Ä) ist für die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln sowie Hilfsmitteln mit Ausnahme von Sehhilfen und Hörhilfen das anliegende Muster 16 zu verwenden. Muster 16 sieht keine besonderen Angaben oder Begründungen vor. Dies folgt auch aus den gleichfalls verbindlichen Erläuterungen. Die Erläuterungen zur Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung, Stand: Januar 2017, die insofern unverändert im hier strittigen Zeitraum formuliert waren, bestimmen zu Muster 16: Arzneiverordnungsblatt unter Nr. 17: Das Feld "Begründungspflicht" ist zurzeit nicht besetzt und wird vorerst zur Kennzeichnung von zahnärztlichen Verordnungen verwendet.
Damit fehlte es auch bereits vor der Änderung der Arzneimittelrichtlinie an einer Pflicht zur Kundgabe der Begründung nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V (so auch SG Dresden, Urt. v. 27.02.2013 - S 18 KA 141/11 - juris Rdnr. 49; LSG Sachsen, Urt. v. 10.12.2014 L 8 KA 15/13 - juris Rdnr. 49). Weder das Gesetz noch der Bundesmantelvertrag noch die Vordruckvereinbarung sahen (und sehen) eine solche Verpflichtung vor. Maßgebend ist allein, dass der Vertragsarzt aufgrund der gesetzlichen und bundesmantelvertraglichen Anforderungen, zu denen auch die Vorgaben der Arzneimittelrichtlinie gehören, seine ausnahmsweise Therapieentscheidung begründet und dies in seinen Aufzeichnungen, d. h. der Patientendokumentation, festhält.
Bereits die gesetzliche Vorgabe einer Begründung in § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V bedeutet, dass die Angabe der bloßen Diagnose und der Verordnungsentscheidung selbst nicht ausreichen. So verlangt § 10 Abs. 1 Satz 2 AM-RL, dass die Therapieentscheidung nach den Vorgaben der Übersicht nach § 16 Abs. 3 zu dokumentieren ist, soweit die Verordnung von Arzneimitteln oder bei Arzneimittelgruppen die Verordnung für einzelne Arzneimittel aufgrund der jeweils genannten Ausnahmetatbestände zulässig ist. Nach § 16 Abs. 5 AM-RL kann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Damit verlangt die Arzneimittelrichtlinie, anders als z. B. für die in der Anlage I aufgeführten Indikationsgebiete, bei denen zur Begründung der Verordnung lediglich die zugrunde liegende Diagnose in der Patientendokumentation aufzuzeichnen ist (§ 12 Abs. 6 Satz 2 AM-RL; siehe auch § 12 Abs. 9 AM-RL), eine über die Angabe der Diagnose hinausgehende Begründung für die Verordnungsentscheidung in der Dokumentation.
Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts betrifft § 10 AM-RL nicht allgemeine Dokumentationspflichten des Vertragsarztes, sondern regelt speziell die Dokumentation in den Ausnahmefällen. Für diese gilt, dass ein medizinisch begründeter "Einzelfall" nicht nur objektiv gegeben sein, sondern auch dokumentiert sein muss. Bei der Dokumentation handelt es sich um eine formelle Anforderung hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Ausnahmefalls (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2014 B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 24 und 29). Nach dem Bundessozialgericht soll es nicht darauf ankommen, ob der Vertragsarzt sich selbst gegenüber der Prüfungsstelle auf die Ausnahmebestimmung beruft. Maßgeblich ist allein, ob er die erforderliche Begründung seiner Verordnungen gegeben hat. Wenn die umstrittenen Verordnungen objektiv von einem Ausnahmetatbestand erfasst werden und der Vertragsarzt - gleichgültig aus welchen Gründen - auch den formellen Anforderungen dieses Tatbestandes - insb. im Hinblick auf die Begründung seiner Verordnungen - entsprochen hat, scheitert die Berücksichtigung dieses Umstandes im gerichtlichen Verfahren nicht von vornherein daran, dass der Vertragsarzt den Ausnahmetatbestand nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren gar nicht gekannt hat (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2014 - B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 28 f.; vgl. auch SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 33).
Eine nachträglich angefertigte Einzelfallbegründung genügt dem Begründungserfordernis nicht. Bei der Begründungspflicht handele es sich um eine Dokumentationsobliegenheit. Die Dokumentation der medizinischen Begründung soll zum einen den Prüfgremien ermöglichen, die Einhaltung der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V zu kontrollieren und so einer Umgehung des grundsätzlichen Verordnungsausschlusses in der Arzneimittelrichtlinie entgegenzuwirken. Zum anderen dient die Begründung der Verordnung aber auch der Selbstkontrolle des behandelnden Arztes, um in den zugelassenen Ausnahmefällen eine strenge Indikationsstellung zu gewährleisten (vgl. SG Dresden, Urt. v. 27.02.2013 - S 18 KA 141/11 - juris Rdnr. 48 f.; SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 24;
Wegen der Beweis- und Warnfunktion der Begründung muss diese jedoch im zeitlichen Zusammenhang mit der Verordnung dokumentiert sein, eine erst mit erheblichem zeitlichem Abstand im Nachhinein angefertigte Begründung genügt nicht. Zu dokumentieren sind die Umstände, aus denen der Arzt den Schluss zieht, dass die für den Verordnungsausschluss in der Arzneimittelrichtlinie tragenden Erwägungen im konkreten Einzelfall nicht eingreifen. Formeller Maßstab für eine ausreichende Dokumentation ist der Verständnishorizont eines Fachkollegen. Spätere Erläuterungen oder Zusammenfassungen, um die Nachvollziehbarkeit der Dokumentation in der Patientenakte für die fachkundigen Prüfgremien zu erleichtern, können zwar auch noch nachträglich angefertigt und im Prüfungsverfahren vorgelegt werden. Sie können die zeitnahe und vollständige Dokumentation der für die Anerkennung einer Einzelfallindikation ausschlaggebenden Gründe jedoch nicht ersetzen. Es müssen sich die für die medizinische Begründung der Verordnung im Einzelfall ausreichenden Angaben zum bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlauf sowie den Behandlungsalternativen ergeben (vgl. SG Dresden, Urt. v. 27.02.2013 - S 18 KA 141/11 - juris Rdnr. 52 f.; SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 24; LSG Sachsen, Urt. v. 10.12.2014 - L 8 KA 15/13 - juris Rdnr. 49; LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2016 - L 12 KA 107/14 - juris Rdnr. 23 f.). Bei einem auf Dauer verschriebenen Arzneimittel genügt die Dokumentation der Gründe zu Beginn der Behandlung, wenn diese Gründe im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verordnungen noch fortwirkten (vgl. SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 38). Die Begründung muss sich insb. auf die Auswahl des grundsätzlich ausgeschlossenen Arzneimittels unter den in Betracht kommenden Behandlungsalternativen erstrecken, wenn auch verordnungsfähige oder von vornherein nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in Betracht kommen (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2016 - L 12 KA 107/14 - juris Rdnr. 23 f.). Aus der Dokumentation muss hervorgehen, welche zusätzlichen Komplikationen und Risiken bestehen, die Anlass sind, nicht andere verfügbare Arzneimittel zu verordnen (vgl. Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 106, Rdnr. 124).
An einer solchen Begründung fehlt es in dem streitgegenständlichen Behandlungsfall. Eine zeitnah angelegte Dokumentation wurde im Prüfverfahren nicht vorgelegt.
Weitergehende Ausnahmeregelungen sind nicht ersichtlich. Eben so wenig kommt es auf die Vorgaben im Entlassungsbericht einer Klinik oder eines überweisenden Arztes an, da jeder Arzt seine eigene Verordnung zu verantworten hat (§ 29 Abs. 1 BMV-Ä). Der Aussteller des Rezepts ist allein verantwortlich. An Empfehlungen der Fachärzte ist er nicht gebunden. Im Einzelfall besteht auch die Möglichkeit zur Rücksprache unter Hinweis auf den Verordnungsausschluss. Auf Vertrauensschutz kann die Klägerin sich nicht berufen, da weder die Prüfungsstelle noch die Beigeladene in der Vergangenheit die strittige Verordnungsweise gutgeheißen haben. Eine Ablehnung des Patienten begründet keinen Verordnungsgrund zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Soweit ein Patient nach Hinweis auf einen Verordnungsschluss darauf besteht, das Medikament weiterhin verordnet zu erhalten, ist er auf die Möglichkeit eines Privatrezepts hinzuweisen und kann ggf. dann ein solches ausgestellt werden.
Soweit die Kammer bisher die Auffassung vertreten hat, es komme wesentlich auf die Angaben bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens an (vgl. zuletzt Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 188/16 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 59/16 -; Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 167/16 -), so hält sie an dieser Auffassung nicht mehr fest.
Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren vor dem Beschwerdeausschuss begründet das Bundessozialgericht den Einwendungsausschluss des Vertragsarztes im gerichtlichen Verfahren damit, dass die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes sachverständigen Ausschüssen übertragen wird. Den Gerichten ist es zudem grundsätzlich verwehrt, eine umfassende Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen; ihnen obliegt lediglich die Kontrolle, ob die - im Rahmen des Beurteilungs- und Ermessensspielraums getroffenen - Entscheidungen der Prüfungsausschüsse mit Gesetz und Recht in Einklang stehen. Den Prüfungsausschüssen kann aber eine unvollständige Berücksichtigung des Sachverhalts nicht vorgeworfen werden, soweit entscheidungserhebliche Umstände nur dem Vertragsarzt bekannt sind, von diesem aber nicht im Prüfverfahren geltend gemacht werden (vgl. BSG, Urt. v. 20.09.1988 - 6 RKa 22/87 - SozR 2200 § 368n Nr. 57, juris Rdnr. 33).
Für die Verfahren, in denen die Prüfungsstelle abschließend zuständig ist, kommt ihr weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum zu, auch handelt es sich nicht um ein fachlich besetztes Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung, die zudem mit unterschiedlichen Interessenvertretern besetzt ist. Die Prüfungsstelle ist eine monokratische Behörde (§ 106c Abs. 3 SGB V bzw. § 106 Abs. 4a SGB V a.F.). Die Prüfungsstelle hat in diesen Verfahren keinen Beurteilungsspielraum. Sie entscheidet nur bei Leistungen, die aufgrund rechtlicher Vorschriften ausgeschlossen sind (§ 106c Abs. 3 Satz 6 SGB V bzw. § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V a. F.). Die abschließende Entscheidungskompetenz der Prüfungsstelle ist auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des GBA ergibt (BSG, Urt. v. 02.07.2014 - B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 16). Von daher ist kein Grund ersichtlich, abweichen von allgemeinen Verfahrensanforderungen den Vertragsarzt auf seinen Sachvortrag vor der Prüfungsstelle zu beschränken (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 20.03.2013 - L 4 KA 60/10 - juris Rdnr. 30 f.; LSG Hessen, Urt. v. 27.05.2015 - L 4 KA 50/12 - nicht veröffentlicht; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.03.2016 - B 6 KA 60/15 B - BeckRS 2016, 68302; SG Marburg, Urt. v. 18.03.2015 - S 12 KA 616/14 - juris Rdnr. 30 f.).
Soweit das Bundessozialgericht in Bezug auf Mitwirkungspflichten des Vertragsarztes in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht zwischen der Prüfungsstelle und dem Beschwerdeausschuss unterscheidet, sondern hinsichtlich der Darlegungsobliegenheiten des Vertragsarztes davon ausgeht, dass die erforderlichen Darlegungen grundsätzlich "gegenüber den Prüfgremien" (und nicht erst im nachfolgenden Gerichtsverfahren) zu erfolgen haben (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.2013 - B 6 KA 46/12 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 42 juris Rdnr. Rdnr. 32 mit Hinweis auf BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3, juris Rdnr. 41, zu Untersuchungsgrundsatz und Mitwirkungspflicht vgl. Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, 08/14, § 106 SGB V, Rdnr. 543 ff.), beziehen sich diese Ausführungen nicht auf das einstufige Verwaltungsverfahren. Der Einwendungsausschluss für das gerichtliche Verfahren gilt auch nur für solche Umstände, die sich aus der Atypik der Praxis ergeben, aus der Sicht des Arztes auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen. Nicht gefordert werden können von einem Arzt hingegen Einwände, die das Prüfungsverfahren selbst betreffen, also etwa Bedenken gegen die Größe und richtige Zusammensetzung der Vergleichsgruppe. Dasselbe gilt für Aspekte, die auf der Basis der im Prüfverfahren vorliegenden Unterlagen so offenkundig sind, dass die Gremien dem schon von Amts wegen nachgehen müssen bzw. die anhand der bei der Kassenärztlichen Vereinigung vorhandenen Unterlagen oder den Angaben des Arztes zumindest erkennbar sind. So muss ein Arzt im Rahmen einer statistischen Vergleichsprüfung der veranlassten Leistungen der physikalischen Therapie nicht um den Preis einer Präklusion von sich aus darauf hinweisen, wenn in seiner Praxis physikalisch-medizinische Leistungen nicht oder nur unterdurchschnittlich erbracht werden (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3, juris Rdnr. 42 f.). Liegen besondere offenkundige Anhaltspunkte vor, so müssen die Prüfgremien diese auch ohne besonderen Hinweis aufgreifen (BSG, Urt. v. 27.06.2001 - B 6 KA 66/00 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 53, juris Rdnr. 28). Besteht allerdings Anlass zu der Annahme, dass der Vertragsarzt seinen bisherigen Vortrag ergänzen kann, so müssen die Prüfgremien ihm dazu Gelegenheit geben. In einem solchen Fall empfiehlt es sich, dem Kassenarzt zur Ergänzung seines Vortrages eine Frist zu setzen und ihn darauf hinzuweisen, dass nach Ablauf der Frist entschieden wird und ein späteres Vorbringen keine Berücksichtigung mehr findet (vgl. BSG, Urt. v. 20.09.1988 - 6 RKa 22/87 - SozR 2200 § 368n Nr. 57, juris Rdnr. 34).
Für den Nachweis der Begründung kann die maßgebliche Dokumentation in den Krankenunterlagen auch noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgelegt werden, ohne mit diesem Sachvortrag präkludiert zu sein. Zu unterscheiden ist der Zeitpunkt der Anfertigung der Dokumentation vom Zeitpunkt der Vorlage (vgl. SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 30 f.; siehe auch LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2016 - L 12 KA 107/14 - juris Rdnr. 25). Hinsichtlich der Begründungspflicht kommt es wesentlich auf die ausreichende Niederlegung in der Dokumentation an. Dies hat die Prüfungsstelle grundsätzlich im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht zu überprüfen. Reicht der Vertragsarzt trotz Anfrage der Prüfungsstelle die Dokumentation nicht ein, so läuft er Gefahr, mit einem Verordnungsregress belastet zu werden. Reicht der Vertragsarzt die Dokumentation erst im anschließenden Gerichtsverfahren ein, so kann er mit den Verfahrenskosten belastet werden (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 156 VwGO).
Die Klägerin hat im Gerichtsverfahren ihre Patientendokumentation vorgelegt. Diese beschränkt sich im Wesentlichen auf die Angabe der Diagnose "Hirninfarkt" und der Verordnung. Allein aus der Diagnose "Hirninfarkt" erschließt sich aber der fachkundig mit einem Allgemeinmediziner besetzten Kammer nicht, dass die Verordnung von ASS allein, das auch gering dosiert werden kann, nicht ausreichend gewesen wäre. Soweit die Klägerin eine bereits vor dem Verordnungsausschluss zum Quartal II/14 begonnene Therapie fortsetzt, hätte sie nach dem Verordnungsausschluss, spätestens aber in den streitbefangenen Quartalen die Gründe für das Festhalten an der Therapie mit Aggrenox dokumentieren müssen. Auf die Empfehlungen anderer Fachärzte kommt es nicht an, da die Klägerin als verordnende Ärztin ihre Verordnungen allein zu verantworten hat. Die später erfolgte Umstellung der Therapie zeigt im Übrigen, dass eine Umstellung möglich war.
Eine verpflichtende vorherige Beratung vor Festsetzung eines Regresses war nicht erforderlich.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, ist die Festsetzung eines Regresses nicht davon abhängig, dass die Prüfgremien die Klägerin zuvor über die Unwirtschaftlichkeit ihrer Verordnungsweise beraten haben (vgl. BSG, Urt. v. 15.08.2012 - B 6 KA 45/11 R - juris Rdnr. 12). Soweit in § 106 Abs. 5e Satz 2 SGB V a. F. in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung des GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) bestimmt ist - nunmehr für alle Verfahren, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (Gesetz v. 19.10.2012, BGBl. I 2192) -, die Festsetzung von Erstattungsbeträgen bei Überschreitung des Richtgrößenvolumens (§ 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V a. F.) könne erst für Zeiträume nach einer individuellen Beratung erfolgen, findet diese Regelung hier bereits aus sachlichen Gründen keine Anwendung. Die Abs. 5a und 5c bis 5e des § 106 SGB V a. F. befassen sich allein mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Überschreitung von Richtgrößenvolumina i. S. des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V a. F. und finden auf andere Prüfungen keine Anwendung. Auch nach der Neufassung der §§ 106 ff. SGB V zum 01.01.2017 durch Art. 2 Nr. 6 bis 8 GKV-VSG, gilt der Grundsatz "Beratung vor Regress" nur bei statistischen Prüfungsmethoden (§ 106b Abs. 2 S. 3 SGB V).
Auf ein Verschulden des Klägers kommt es nicht an.
Das Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfungen ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass es auf ein "Verschulden" des betroffenen Arztes bzw. auf eine besondere Vorwerfbarkeit für die festgestellte unwirtschaftliche Behandlungsweise - anders als z. B. im Falle eines echten Schadensregresses - nicht ankommt. So führt selbst die fehlerhafte ärztliche Verordnung von Mitteln, die nicht der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu Ersatzansprüchen gegen den Vertragsarzt, und zwar auch dann, wenn er in "gutem Glauben" von ihrer Verordnungsfähigkeit ausging (vgl. BSG, Urt. v. 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -SozR 4-2500 § 106 Nr. 1, juris Rdnr. 36; BSG, Urt. v. 14.03.2001 -B 6 KA 19/00 R - a.a.O., juris Rdnr. 15). Ist einem Vertragsarzt eine unwirtschaftliche Verordnungsweise anzulasten, so ist ein Regress gegen ihn berechtigt, wobei dieser in Höhe des der Krankenkasse entstandenen Schadens festzusetzen ist. Ein Verschuldenserfordernis besteht im Rahmen von Honorarkürzungen oder Verordnungsregressen gemäß § 106 SGB V nicht (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 21, juris Rdnr. 28 m. w. N.). Im Übrigen schließt eine Unkenntnis vom Verordnungsausschluss ein Verschulden nicht aus. Jeder Arzt ist für seine Verordnungen selbst verantwortlich. Von daher ist es unerheblich, ob er lediglich eine von anderen Ärzten vorgeschlagene oder verordnete Medikation fortführt.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung war zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür vorliegen (§ 144 SGG).
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Arzneikostenregress für die Quartale I/15 bis III/15 wegen der Verordnung des Arzneimittels Aggrenox in einem Behandlungsfall in Höhe von insgesamt 406,02 EUR netto.
Die Klägerin ist als Fachärztin für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beigeladene stellte für die streitbefangenen Quartale am 26.02.2016 wegen der Verordnung der strittigen Arzneimittel im Behandlungsfall ihres Versicherten P1, geb. 1941, mit insgesamt sechs Verordnungen bei der Beklagten einen Antrag auf Festsetzung eines Regresses, weil für das Arzneimittel Aggrenox gem. Anlage III Nr. 53 der Arzneimittel-Richtlinie ein Verordnungsausschluss bestehe.
Die Beklagte übersandte der Klägerin den Prüfantrag. Die Klägerin äußerte sich nicht zum Prüfantrag.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 22.06.2016, zugestellt am 04.07.2016, für die streitbefangenen Quartale den strittigen Regress in Höhe von 406,02 EUR (netto) fest, und zwar für die einzelnen Quartale wie folgt:
Quartal Regress in EUR
I/15 135,34
II/15 135,34
III/15 135,34
Zur Begründung führte sie aus, nach der Lauer Taxe handele es sich bei den beanstandeten Medikamenten um eine Wirkstoffkombination aus Acetylsalicylsäure und Dipyridamol. Nach Anlage III Nr. 53 der Arzneimittel-Richtlinie unterliege Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS) einem Verordnungsausschluss. Eine Ausnahmeregelung habe der GBA nicht festgelegt. Der GBA habe zur Begründung auf den fehlenden Zusatznutzen und den Beleg für einen größeren Schaden hingewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 25.07.2016 die Klage erhoben. Sie trägt vor, die Begründung des GBA sei medizinisch nicht gesichert und kritisch zu hinterfragen. In der Leitlinie der American College of Chest Physicians werde Aggrenox (bei ischämischen Schlaganfall) sogar der Monotherapie vorgezogen. Es gebe weitere britische Studien mit entsprechendem Ergebnis. In der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie werde Aggrenox mit mittlerer Empfehlungsstärke für Schlaganfallpatienten mit Rückfallrisiko beschrieben. Sie habe den Patienten seit September 2007 bei der Diagnose "Hirninfarkt" mit dem strittigen Präparat behandelt. Hierzu überreiche sie Auszüge aus den Patientenunterlagen. Sie überreiche ferner ein Schreiben der AAF. Klinik VM. vom 11.09.207, dem auch die Therapieempfehlung Aggrenox zu entnehmen sei. Auch in der Nachsorge werde diese Empfehlung aufrechterhalten (Arztbriefe vom 25.02.2014 und 13.04.2015). Am 24.01.2014 habe die Klinik die Verordnung von Aggrenox neben ASS empfohlen, was sie im Arztbrief vom 08.10.2015 wiederholt habe. Dieser Empfehlung sei sie nicht gefolgt. Medizinisch bestehe eine Einigkeit bzgl. der Verordnung. Die Therapie sei bereits vor dem Verordnungsausschluss begonnen worden. Eine Umstellung verursache eine nachteilige Symptomatik. Sie habe bei zweifelhaftem Verordnungsausschluss höchst ausnahmsweise mit ausreichender und dokumentierter Begründung zum Wohle des Patienten das strittige Präparat zulässigerweise verordnet. Die alleinige Gabe von ASS oder Clopidrogel hätte die unmittelbare Gefahr einer wiederholten Apoplexie mit sich gebracht. Nachdem sie Aggrenox seit 2007 verordnet habe, habe keine Veranlassung bestanden, die Arzneimittelgabe umzustellen. Bis zum Ausschluss des Arzneimittels habe keine Veranlassung zur Dokumentation bestanden. Soweit im Moment des Ausschlusses der Gesundheitszustand des Patienten stabil sei und eine Änderung die Gefahr eines Rezidivs bestehe, bestehe keine Veranlassung zu einer weitergehenden Dokumentation. Im Hinblick auf die Stabilität des Gesundheitszustandes habe keine Alternative bestanden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.06.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, die Verordnung von Aggrenox sei nach der Arzneimittel-Richtlinie mit nachvollziehbarer Begründung des GBA ausgeschlossen. Die von der Klägerin angeführten Leitlinien seien nicht geeignet, die tragenden Gründe des GBA zu widerlegen. Eine Begründung für einen Ausnahmefall müsse zeitnah abgegeben werden und nach außen kundgegeben werden. Eine Begründung sei weder dem Verordnungsvordruck enthalten gewesen noch sei sie diesem beigefügt gewesen oder der Krankenkasse übermittelt worden. Im Regressverfahren könne die Begründung nicht nachgereicht werden. Der Vertragsarzt sei für seine Verordnung verantwortlich und nicht an Vorgaben der Klinik, aus der der Patient entlassen worden sei, gebunden. Eine vorherige Beratung sei nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen verweist sie auf ihren angefochtenen Bescheid. Für die Setzung eines Vertrauenstatbestands sei nichts ersichtlich. Allein die Kenntnis der Krankenkasse von der Verordnung begründe keinen Vertrauenstatbestand.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache schriftsätzlich nicht geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 07.09.2016 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Krankenkassen sowie einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie konnte dies trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Der Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss bedurfte es nicht. Die Prüfungsstelle war abschließend zuständig.
Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 SGG). Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt. Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V a. F. (in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG), gültig bis zum 31.12.2016, aktuell § 105c Abs. 3 Satz 6 SGB V i. d. F. d. Art. 2 Nr. 8 GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG)) geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V a.F. - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist, wie ihre Auslegung ergibt, auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt. Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben. Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind" (vgl. BSG, Urt. v. 11.05.2011 - B 6 KA 13/10 R - BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 32, juris Rdnr. 18 ff.). Ein Vorverfahren vor dem Beschwerdeausschuss ist auch dann ausgeschlossen, wenn Gegenstand des Regresses Arzneimittel sind, deren Verordnung grundsätzlich durch das Gesetz oder die Arzneimittelrichtlinie ausgeschlossen ist, die aber in besonderen Ausnahmefällen mit Begründung verordnet werden dürfen (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2014 - B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 14 ff.).
Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit folgt aus den Vorschriften des SGB V und aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (s. im Einzelnen nachfolgend).
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 22.06.2016 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht den strittigen Arzneikostenregress festgesetzt.
Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, gesetzliche Krankenversicherung nicht erbringen.
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nach geltender Rechtslage berechtigt, Arzneikostenregresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise festzusetzen. Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Verordnungsregressen ist § 106 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 SGB V a. F. Danach können die Landesverbände der Krankenkasse und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt werden können. Von dieser Kompetenz haben die Partner der Gesamtverträge in Hessen Gebrauch gemacht. Nach der hier maßgeblichen Prüfvereinbarung (im Folgenden: PV) vom 12.06.2008, mit Wirkung ab 01.01.2008 in Kraft getreten, prüft die Prüfungsstelle auf Antrag, ob der Arzt im Einzelfall mit seinen Arzneiverordnungen oder Verordnungen über Heilmittel gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat (§ 13 Abs. 1 PV). Anträge müssen innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals vorliegen (§ 13 Abs. 2 S. 1 PV).
Prüfgegenstand ist die Arznei- bzw. verordnungsbezogene Überprüfung der Verordnungsweise nach den gesetzlichen Bestimmungen bzw. nach dem Arzneimittel-Richtlinien oder Heil-Richtlinien, insbesondere hinsichtlich
- Preiswürdigkeit der verordneten Arzneimittel/Heilmittel unter Berücksichtigung des therapeutischen Nutzens
- Mehrfachverordnungen für pharmakologisch oder therapeutisch gleichsinnig wirkende Arzneimittel
- Verordnung von Arzneimitteln und Arzneimittelgruppen mit umstrittener Wirksamkeit
- Mehrfachverordnung bei med. therap. gleichsinnig wirkenden Heilmitteln und deren Zielsetzung
- Verordnungsmengen, Verordnungsabständen, Verordnungsumfang
- Durchführung bzw. Veranlassung der weiterführenden Diagnostik
- Beachtung der Vorschriften innerhalb/außerhalb des Regelfalls
- Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots hinsichtlich der Verordnung von Hausbesuchen
- Wirtschaftlichkeit der Verordnungen im Einzelfall (§ 13 Abs. 4 PV).
Soweit die Prüfungsstelle im Einzelfall eine Unwirtschaftlichkeit festgestellt hat, setzt sie den vom Arzt erstatteten Regressbetrag fest. Es scheint eine gezielte schriftliche oder persönliche Beratung ausreichend, ist diese nur zulässig, wenn innerhalb von 24 Monaten vor dem Quartal für das der Prüfantrag gestellt wurde, keine derartige Maßnahme verfügt wurde (§ 13 Abs. 5 PV). Ein Verfahren ist ausgeschlossen, wenn der vermutete Regressbetrag je Arzt im Quartal nicht mehr als 50,00 Euro beträgt (§ 13 Abs. 6 S. 1 PV).
Die erfolgte Zuweisung der Sanktionierung unzulässiger bzw. rechtswidriger Verordnungen an die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben in § 106 SGB V a. F., mit den Bestimmungen der §§ 48 ff. BMV-Ä in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung (n. F.) sowie mit der langjährigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. hierzu eingehend BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 SGB V Nr. 52, juris Rdnr. 11 ff., s. a. LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2005 - L 12 KA 107/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
Unter Beachtung der PV ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Eine mündliche Verhandlung des Beklagten war nicht notwendig. Das Verfahren vor den Prüfgremien ist grundsätzlich schriftlich (§ 18 Abs. 1 Satz 1 PV). Soweit der Antrag auf Prüfung bzgl. der Verordnungen im Quartal II/14 nicht innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals und damit nicht innerhalb der Prüfantragsfrist nach § 13 Abs. 2 S. 1 PV gestellt worden ist, ist dies unerheblich. Die Prüfantragsfrist dient (nur) dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden kann. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn durchgeführt wird, dient eine andere Frist, nämlich die Vier-Jahres-Frist. Hat mithin die Nichteinhaltung der Frist für die Stellung des Prüfantrags nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt dieser Frist im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zu (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 14/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 29, juris Rdnr. 21 m.w.N.).
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise den strittigen Arzneikostenregress festgesetzt. Das strittige Arzneimittel durfte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden.
Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit folgt aus den Vorschriften des SGB V und aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Er soll insbesondere u. a. Richtlinien beschließen über die Verordnung von Arzneimitteln (§ 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und 3 und Satz 2 Nr. 6 SGB V).
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Rechtsgrundlage des §§ 31 Abs. 1 Satz 1 und 4, 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und 3 und Satz 2 Nr. 6 SGB V die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL) erlassen. Die nach den Absätzen 1 und 2 des § 16 AM-RL in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel sind in einer Übersicht als Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie zusammengestellt (§ 16 Abs. 3 AM-RL). Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt kann die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 16 Abs. 5 AM-RL). Soweit die Verordnung von Arzneimitteln oder bei Arzneimittelgruppen die Verordnung für einzelne Arzneimittel aufgrund der jeweils genannten Ausnahmetatbestände zulässig ist, ist die Therapieentscheidung nach den Vorgaben der Übersicht nach § 16 Abs. 3 zu dokumentieren (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AM-RL). Die Dokumentation erfolgt im Sinne von § 10 (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte. Im Regelfall genügt die Angabe der Indikation und gegebenenfalls die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen, soweit sich aus den Bestimmungen der Richtlinie nichts anderes ergibt (§ 10 Abs. 2 AM-RL). Nach Nr. 53 Anlage III AM-RL besteht für "Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure" ein Verordnungsausschluss. Nr. 53 Anlage III AM-RL wurde durch Beschluss des GBA vom 16.05.2013 (veröffentlicht: BAnz AT 25.02.2014 B2) mit Wirkung zum 01.04.2014 eingefügt.
Grund für den Ausschluss fixer Wirkstoffkombinationen ist nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts, dass Arzneimittel mit fixer Wirkstoffkombination sich u. U. gegenseitig behindern bzw. in ihrer Wirkung neutralisieren können, sodass kein voller Nutzeffekt aller Wirkstoffe zu verzeichnen ist. Die "fixe" Kombination kann auch in den Ausnahmefällen, in denen die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Wirkungen doch einen gewissen Sinn macht, problematisch sein; denn deren Zusammenspiel kann dann nicht je nach dem konkreten Krankheitsstadium und der individuellen Befindlichkeit variiert werden, weil die Mengen der verschiedenen Wirkstoffe im Verhältnis zueinander in unveränderlicher Weise feststehen. Auf dieser Basis hat der Gemeinsame Bundesausschuss zur Schlussfolgerung kommen dürfen, dass statt fixer Wirkstoffkombinationen im Regelfall das Behandlungsziel medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger durch die Verordnung von Monopräparaten erreicht werden kann (vgl. - inhaltsgleich - die allgemeinen Vorgaben des § 16 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 5 AM-RL, die gemäß § 16 Abs. 3 AM-RL durch die Anlage III AM-RL konkretisiert wird). Zwar ist nicht auszuschließen, dass in Einzelfällen die Verabreichung einander entgegengesetzter Wirkstoffe medizinisch indiziert sein kann; solchen Fällen ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass generell bestimmt ist, dass der Vertragsarzt in medizinisch begründeten Einzelfällen derartige Arzneimittel ausnahmsweise mit Begründung verordnen darf (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V, § 16 Abs. 5 AM-RL, ebenso Präambel Abs. 3 der Anlage III AM-RL). Für den Regelfall aber durfte der Gemeinsame Bundesausschuss davon ausgehen, dass Verordnungen fixer Kombinationen medizinisch problematisch sind, und dies deshalb als unwirtschaftlich bzw. unzweckmäßig bewerten und ihre Verordnungsfähigkeit beschränken (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr. 13, juris Rdnr. 39 f. für Arzneimittel mit fixen Kombinationen von hustenhemmenden Antitussiva einerseits und andererseits auswurffördernden und schleimlösenden Expektorantien).
Bei dem strittigen Arzneimittel Aggrenox handelt es sich um eine Wirkstoffkombination aus Acetylsalicylsäure und Dipyridamol. Das Arzneimittel unterfällt damit den Regelungen zum Ausschluss fixer Wirkstoffkombinationen. Der GBA hat mit von der Kammer nicht zu beanstandendem Beschluss vom 16.05.2013 (BAnz AT 25.02.2014 B2) die Wirkstoffkombination aus Acetylsalicylsäure und Dipyridamol in die Ausschlussregelung aufgenommen. In den Tragenden Gründen führt der GBA zur Begründung aus, der Unterausschuss Arzneimittel habe die IQWiG-Empfehlung zur Nutzenbewertung von Dipyridamol plus ASS zur Sekundärprävention nach Schlaganfall oder TIA überprüft und die Plausibilität festgestellt. Der Unterausschuss Arzneimittel sei nach Würdigung des Abschlussberichts des IQWiG, der Beratungen der Arbeitsgruppe Nutzenbewertung und der Auswertung der schriftlichen Stellungnahmen sowie der mündlichen Anhörung zu dem Ergebnis gekommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Verordnungsausschluss von Dipyridamol plus ASS gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz SGB V erfüllt seien. Die Bewertung des IQWiG im Abschlussbericht A09-01 habe für Dipyridamol plus ASS keinen Beleg dafür ergeben, dass die Kombinationsbehandlung mit Dipyridamol plus ASS einen Zusatznutzen gegenüber einer Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (ASS oder Clopidogrel) habe. Dem fehlenden Zusatznutzen stehe ein Beleg für einen größeren Schaden unter der Kombinationsbehandlung gegenüber. Dieser größere Schaden ergebe sich insb. aufgrund häufiger auftretender schwerwiegender Blutungen in der Langzeittherapie. In der Langzeittherapie gebe es darüber hinaus einen Beleg für häufigere Studienabbrüche wegen unerwünschter Ereignisse unter der Kombinationsbehandlung sowie für einen größeren Schaden bei der Gesamtrate unerwünschter Ereignisse gegenüber ASS. Dies rechtfertige die Schlussfolgerung, dass Dipyridamol plus ASS gegenüber der Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (ASS oder Clopidogrel) als therapierelevant unterlegen und damit als unzweckmäßig einzustufen sei (vgl. Tragende Gründe des GBA, https://www.g-ba.de).
Von daher hält auch LSG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 28.06.2016 - L 7 KA 16/14 KL - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision zugelassen, aber nicht eingelegt) den vom GBA vorgenommenen Ausschluss der Wirkstoffkombination Dipyridamol und Acetylsalicylsäure aus dem Leistungskatalog der GKV für rechtmäßig (s. auch SG Marburg, Gerichtsb. v. 13.04.2016 - S 12 KA 474/15 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 188/16 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 59/16 -; Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 167/16 -).
Die Voraussetzungen für einen Ausnahmetatbestand liegen nicht vor. Es besteht eine besondere sozialrechtliche Dokumentationspflicht, nicht aber eine besondere Pflicht zur Bekanntgabe der Begründung.
Soweit nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V, dessen Inhalt § 16 Abs. 5 AM-RL wiederholt, der Vertragsarzt Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen kann, liegt eine Arzneimittelverordnung "mit Begründung" nicht vor. Weil der Gesetzgeber die Durchbrechung des vom GBA vorgenommenen Verordnungsausschlusses nur unter sehr engen Voraussetzungen zulassen will ("ausnahmsweise", "in medizinisch begründeten Einzelfällen", "mit Begründung"), ist davon auszugehen, dass die Begründung i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 4 SGB V in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Verordnung abgegeben werden muss. Eine Kundgabe nach außen war auch vor Änderung der Arzneimittelrichtlinie durch den Beschluss des GBA vom 24.11.2016 (BAnz AT 27.01.2017 B3, in Kraft getreten am 28.01.2017) nicht erforderlich. Mit dem Beschluss hat der GBA klargestellt, dass die Begründung für die ausnahmsweise Therapieentscheidung in der Patientenakte zu dokumentieren ist (§§ 10 Abs. 1 Satz 3, 16 Abs. 5 Satz 2 AM-RL in der Neufassung). Damit reagiert der GBA auf unterschiedliche Auffassungen zu den Anforderungen an die Dokumentation der Therapieentscheidung eines Arzneimittels in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Insb. das LSG Berlin-Brandenburg hatte in einer Entscheidung die Auffassung vertreten, die Begründung müsse auch nach außen kundgetan werden, z. B. indem sie auf dem Verordnungsvordruck selbst enthalten ist oder diesem beigefügt oder zeitnah der betroffenen Krankenkasse übermittelt wird. Würde es hingegen genügen, dass bei einer auf § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V gestützten vertragsärztlichen Verordnung die gesetzlich vorgeschriebene Begründung z. B. erstmals in einem viel später durchgeführten Regressverfahren gegeben wird, unterschiede sich der Fall nicht von anderen Einzelverordnungsregressen, in denen typischerweise die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels erstmals im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) geklärt wird. Das Tatbestandsmerkmal "mit Begründung" liefe dann leer (so LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.02.2012 - L 9 KR 292/10 - juris Rdnr. 41). Soweit die Kammer diese Ausführungen in vergangenen Entscheidungen aufgenommen hat, war die Frage einer Kundgabe nicht streiterheblich. Die Kammer stellt jedoch jetzt klar, dass sie der Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg nicht folgt.
Die allgemeine medizinische Dokumentationspflicht ist eine dem Arzt dem Patienten gegenüber obliegende Pflicht. Die weitere Behandlung des Patienten sowohl durch den selben Arzt als auch durch dessen zwangsläufigen oder frei gewählten Nachfolger kann durch unzulängliche Dokumentation entscheidend erschwert werden (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.1978 - VI ZR 183/76 - BGHZ 72, 132, juris Rdnr. 27; OLG München, Urt. v. 18.01.2017 - 3 U 5039/13 - juris Rdnr. 33, Nichtzulassungsbeschwerde anhängig: BGH VI ZR 49/17 -; OLG Bamberg, Beschl. v. 27.11.2015 - 4 U 82/15 - GesR 2016, 492 = KHE 2015/156, juris Rdnr. 22; OLG Köln, Urt. v. 06.08.2014 - I-5 U 137/13 - juris Rdnr. 28). Daraus folgt eine Bedeutung der ärztlichen Dokumentation für die Beweislastverteilung im Arztfehlerprozess (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.1978, a.a.O., Rdnr. 28; BGH, Urt. v. 18.03.1986 - VI ZR 215/84 - NJW 1986, 2365, juris Rdnr. 10; BGH, Urt. v. 02.06.1987 - VI ZR 174/86 - NJW 1986, 2365, juris Rdnr. 12). Die Dokumentation bestimmt sich nach rein medizinischen Notwendigkeiten, die ihrerseits sachverständiger Überprüfung zugänglich sind. Auf die Dokumentation können sich sowohl Patient als auch Behandler zu ihren Gunsten berufen: was nicht dokumentiert ist, aber hätte dokumentiert werden müssen, gilt als nicht geschehen; umgekehrt ist einer zeitnahen und vollständigen, äußerlich unverdächtigen ärztlichen Dokumentation grundsätzlich Glauben zu schenken (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.08.2014 - 5 U 57/14 - juris Rdnr. 2).
Der durch das Patientenrechtegesetz eingeführte § 630f BGB verpflichtet den Behandelnden, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen. Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen. Aus § 630f Abs. 1 Satz 1 BGB folgt, dass die Eintragungen jeweils in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung vorgenommen werden. Aus der Formulierung ist ersichtlich, dass es keiner "unverzüglichen" oder "sofortigen" Eintragung bedarf, sondern dass sich der Zeitrahmen nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insb. der Art und des Umfangs der Maßnahme bestimmt (vgl. K. Schmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 630f BGB, Rdnr. 9 unter Hinweis auf Rehborn, GesR 2013, 257, 266; M. Rehborn/S. Gescher in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 630f BGB, Rdnr. 6).
Entsprechend sieht § 23 Nr. 4 hessisches Heilberufsgesetz und § 10 Berufsordnung der hessischen Ärztekammer (v. 02.09.1998, zuletzt geändert am 07.10.2015, zitiert nach www.laekh.de) eine Dokumentationspflicht vor. Die berufsrechtliche Norm statuiert eine Pflicht zur ausführlichen und sorgfältigen Dokumentation der ärztlichen Behandlung. Sie obliegt demjenigen Arzt, der die Behandlung des Patienten verantwortlich übernommen hat. Jeder Arzt, der eine dokumentationspflichtige Maßnahme durchführt, trägt demnach auch die Verantwortung für deren Dokumentation. Zweck der Dokumentationspflicht ist die Therapiesicherung, daneben auch die Beweissicherung und Rechenschaftslegung. Die Dokumentation soll insb. eine sachgerechte (Weiter-)Behandlung des Patienten gewährleisten, indem sie jeden mit- und nachbehandelnden Arzt in die Lage versetzt, sich über durchgeführte Maßnahmen und die angewandte Therapie kundig zu machen. Dies gilt in besonderer Weise für Berichte über durchgeführte Operationen, die wichtige Informationen über das gebotene postoperative Vorgehen vermitteln. In zeitlicher Hinsicht hat die Dokumentation in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung oder dem Eingriff zu erfolgen, jedenfalls aber in einem Zeitraum, in dem dem Arzt die Einzelheiten der Behandlung noch präsent sind (vgl. LandesberufsG für Heilberufe Münster, Urt. v. 25.11.2015 - 6t A 2679/13.T - juris Rdnr. 39 ff.). Eine inhaltlich unrichtige Darstellung der (zahn-)ärztlichen Maßnahmen verletzt die Dokumentationspflicht. Die Aufzeichnungen haben Urkundencharakter und müssen oftmals noch nach Jahren nachvollziehbar und beweiskräftig sein (vgl. Berufsgericht für Heilberufe Berlin, Urt. v. 25.06.2014 - 90 K 2.12 T - juris Rdnr. 20). Eine Dokumentation ist berufsrechtlich unzureichend, wenn sie ohne Erläuterungen des Arztes aus sich heraus für einen anderen Arzt (hier: den Gutachter) nicht verständlich ist (vgl. VG Berlin, Urt. v. 23.05.2012 - 90 K 1.10 T - juris Rdnr. 41).
Das Vertragsarztrecht baut auf den allgemeinen Dokumentationspflichten auf und begründet weitere Dokumentationspflichten. Insofern kann insb. das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz 2, 92. Abs. 1 Satz 1, 106 SGB V) und die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung (§§ 2 Abs. 1 Satz 3, 135 SGB V ff.) Grundlage weitergehender Dokumentationspflichten sein. Allgemein bestimmt § 294 SGB V als Pflichten der Leistungserbringer: Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und die übrigen Leistungserbringer sind verpflichtet, die für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen sowie der Kassenärztlichen Vereinigungen notwendigen Angaben, die aus der Erbringung, der Verordnung sowie der Abgabe von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und gemäß den nachstehenden Vorschriften den Krankenkassen, den Kassenärztlichen Vereinigungen oder den mit der Datenverarbeitung beauftragten Stellen mitzuteilen.
Der Umfang der Aufzeichnungsflicht nach § 294 ist zu unterscheiden und kann wegen der unterschiedlichen Regelungszwecke (einerseits versicherungsrechtliche Zwecke wie Abrechnung, Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung - anderseits berufsrechtliche Zwecke der fachlich qualifizierten Behandlung der Patienten) abweichen von berufsrechtlich vorgeschriebenen Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflichten (vgl. Kranig in: Hauck/Noftz, SGB, 12/07, § 294 SGB V, Rdnr. 7; Didong in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 294 SGB V, Rdnr. 10; Hess in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 92. EL Dezember 2016, Rdnr. 3). Bei den in § 294 SGB V genannten "Angaben" handelt es sich u. a. um Sozialdaten i. S. v. § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X, die im Zusammenhang mit der Erbringung, der Verordnung oder der Abgabe von Versicherungsleistungen anfallen. Hierbei handelt es sich um die Angaben, die von den Krankenkassen zur Erfüllung der in § 284 SGB V genannten Aufgaben oder von den Kassenärztlichen Vereinigungen für die in § 285 SGB V genannten Aufgaben benötigt werden. Konkretisiert werden die notwendigen Angaben für die jeweiligen Leistungserbringer in den §§ 295 ff. SGB V (vgl. Didong in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 294 SGB V, Rdnr. 8). Nach § 284 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürfen die Krankenkassen Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung nur erheben und speichern, soweit diese erforderlich sind u. a. für die Prüfung der Leistungspflicht und der Erbringung von Leistungen an Versicherte einschließlich der Voraussetzungen von Leistungsbeschränkungen, die Bestimmung des Zuzahlungsstatus und die Durchführung der Verfahren bei Kostenerstattung, Beitragsrückzahlung und der Ermittlung der Belastungsgrenze (Nr. 4) und die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung (Nr. 9).
Nach § 295 Abs. 1 SGB V gilt für die Abrechnung ärztlicher Leistungen eine Verpflichtung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen, an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen aufzuzeichnen und zu übermitteln, u. a.
2. in den Abrechnungsunterlagen für die vertragsärztlichen Leistungen die von ihnen erbrachten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung, bei ärztlicher Behandlung mit Diagnosen, bei zahnärztlicher Behandlung mit Zahnbezug und Befunden,
3. in den Abrechnungsunterlagen sowie auf den Vordrucken für die vertragsärztliche Versorgung ihre Arztnummer, in Überweisungsfällen die Arztnummer des überweisenden Arztes sowie die Angaben nach § 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 maschinenlesbar.
§ 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 SGB V bezieht sich auf die elektronische Gesundheitskarte als Versicherungsnachweis und die darin normierten - hier unerheblichen - personenbezogenen Daten des Versicherten. § 295 Abs. 3 SGB V ermächtigt die Bundesmantelvertragsparteien und den Bewertungsausschuss zu weitergehenden Regelungen. Danach vereinbaren die Vertragsparteien der Verträge nach § 82 Abs. 1 und § 87 Abs. 1 als Bestandteil dieser Verträge das Nähere über
1. Form und Inhalt der Abrechnungsunterlagen für die vertragsärztlichen Leistungen,
2. Form und Inhalt der im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Vordrucke,
3. die Erfüllung der Pflichten der Vertragsärzte nach Absatz 1,
4. die Erfüllung der Pflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen nach Absatz 2, insbesondere auch Form, Frist und Umfang der Weiterleitung der Abrechnungsunterlagen an die Krankenkassen oder deren Verbände,
5. Einzelheiten der Datenübermittlung einschließlich einer einheitlichen Datensatzstruktur und der Aufbereitung von Abrechnungsunterlagen nach den §§ 296 und 297.
Nach § 57 Abs. 1 Bundesmantelvertrag (BMV-Ä) hat der Vertragsarzt die Befunde, die Behandlungsmaßnahmen sowie die veranlassten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung in geeigneter Weise zu dokumentieren. Besondere Dokumentationsanforderungen für Verordnung von veranlassten Leistungen bestimmt § 25a BMV-Ä:
(1) Näheres über die Verordnung von Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, spezialisierter ambulanter Palliativversorgung, Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln, medizinischer Rehabilitation, Soziotherapie und Krankentransport (veranlasste Leistungen) bestimmen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesauschusses.
(2) Die Verordnung von veranlassten Leistungen ist auf den jeweils dafür vorgesehenen Vordrucken gemäß der Vordruckvereinbarung (Anlage 2 dieses Vertrages) vorzunehmen. Die gilt auch, wenn der Versicherte die ärztlichen Leistungen im Wege der Kostenerstattung erhält.
§ 34 Abs. 1 BMV-Ä bestimmt für Vordrucke:
(1) Abrechnungs- und Verordnungsvordrucke sowie Vordrucke für schriftliche Informationen werden als verbindliche Muster in der Vordruckvereinbarung (Anlage 2) festgelegt. Gegenstand der Vordruckvereinbarung sind auch die Erläuterungen zur Ausstellung der Vordrucke. Die Vordrucke können gemäß der Vereinbarung über den Einsatz des Blankoformularbedruckungs-Verfahrens zur Herstellung und Bedruckung von Vordrucken für die vertragsärztliche Versorgung (Anlage 2a) mittels zertifizierter Software und eines Laserdruckers vom Vertragsarzt selbst in der Praxis erzeugt werden.
Nach Abschnitt 2.16 Muster 16: Arzneiverordnungsblatt der Vordruck-Vb (Anl. 2 zum BMV-Ä) ist für die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln sowie Hilfsmitteln mit Ausnahme von Sehhilfen und Hörhilfen das anliegende Muster 16 zu verwenden. Muster 16 sieht keine besonderen Angaben oder Begründungen vor. Dies folgt auch aus den gleichfalls verbindlichen Erläuterungen. Die Erläuterungen zur Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung, Stand: Januar 2017, die insofern unverändert im hier strittigen Zeitraum formuliert waren, bestimmen zu Muster 16: Arzneiverordnungsblatt unter Nr. 17: Das Feld "Begründungspflicht" ist zurzeit nicht besetzt und wird vorerst zur Kennzeichnung von zahnärztlichen Verordnungen verwendet.
Damit fehlte es auch bereits vor der Änderung der Arzneimittelrichtlinie an einer Pflicht zur Kundgabe der Begründung nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V (so auch SG Dresden, Urt. v. 27.02.2013 - S 18 KA 141/11 - juris Rdnr. 49; LSG Sachsen, Urt. v. 10.12.2014 L 8 KA 15/13 - juris Rdnr. 49). Weder das Gesetz noch der Bundesmantelvertrag noch die Vordruckvereinbarung sahen (und sehen) eine solche Verpflichtung vor. Maßgebend ist allein, dass der Vertragsarzt aufgrund der gesetzlichen und bundesmantelvertraglichen Anforderungen, zu denen auch die Vorgaben der Arzneimittelrichtlinie gehören, seine ausnahmsweise Therapieentscheidung begründet und dies in seinen Aufzeichnungen, d. h. der Patientendokumentation, festhält.
Bereits die gesetzliche Vorgabe einer Begründung in § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V bedeutet, dass die Angabe der bloßen Diagnose und der Verordnungsentscheidung selbst nicht ausreichen. So verlangt § 10 Abs. 1 Satz 2 AM-RL, dass die Therapieentscheidung nach den Vorgaben der Übersicht nach § 16 Abs. 3 zu dokumentieren ist, soweit die Verordnung von Arzneimitteln oder bei Arzneimittelgruppen die Verordnung für einzelne Arzneimittel aufgrund der jeweils genannten Ausnahmetatbestände zulässig ist. Nach § 16 Abs. 5 AM-RL kann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Damit verlangt die Arzneimittelrichtlinie, anders als z. B. für die in der Anlage I aufgeführten Indikationsgebiete, bei denen zur Begründung der Verordnung lediglich die zugrunde liegende Diagnose in der Patientendokumentation aufzuzeichnen ist (§ 12 Abs. 6 Satz 2 AM-RL; siehe auch § 12 Abs. 9 AM-RL), eine über die Angabe der Diagnose hinausgehende Begründung für die Verordnungsentscheidung in der Dokumentation.
Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts betrifft § 10 AM-RL nicht allgemeine Dokumentationspflichten des Vertragsarztes, sondern regelt speziell die Dokumentation in den Ausnahmefällen. Für diese gilt, dass ein medizinisch begründeter "Einzelfall" nicht nur objektiv gegeben sein, sondern auch dokumentiert sein muss. Bei der Dokumentation handelt es sich um eine formelle Anforderung hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Ausnahmefalls (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2014 B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 24 und 29). Nach dem Bundessozialgericht soll es nicht darauf ankommen, ob der Vertragsarzt sich selbst gegenüber der Prüfungsstelle auf die Ausnahmebestimmung beruft. Maßgeblich ist allein, ob er die erforderliche Begründung seiner Verordnungen gegeben hat. Wenn die umstrittenen Verordnungen objektiv von einem Ausnahmetatbestand erfasst werden und der Vertragsarzt - gleichgültig aus welchen Gründen - auch den formellen Anforderungen dieses Tatbestandes - insb. im Hinblick auf die Begründung seiner Verordnungen - entsprochen hat, scheitert die Berücksichtigung dieses Umstandes im gerichtlichen Verfahren nicht von vornherein daran, dass der Vertragsarzt den Ausnahmetatbestand nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren gar nicht gekannt hat (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2014 - B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 28 f.; vgl. auch SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 33).
Eine nachträglich angefertigte Einzelfallbegründung genügt dem Begründungserfordernis nicht. Bei der Begründungspflicht handele es sich um eine Dokumentationsobliegenheit. Die Dokumentation der medizinischen Begründung soll zum einen den Prüfgremien ermöglichen, die Einhaltung der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V zu kontrollieren und so einer Umgehung des grundsätzlichen Verordnungsausschlusses in der Arzneimittelrichtlinie entgegenzuwirken. Zum anderen dient die Begründung der Verordnung aber auch der Selbstkontrolle des behandelnden Arztes, um in den zugelassenen Ausnahmefällen eine strenge Indikationsstellung zu gewährleisten (vgl. SG Dresden, Urt. v. 27.02.2013 - S 18 KA 141/11 - juris Rdnr. 48 f.; SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 24;
Wegen der Beweis- und Warnfunktion der Begründung muss diese jedoch im zeitlichen Zusammenhang mit der Verordnung dokumentiert sein, eine erst mit erheblichem zeitlichem Abstand im Nachhinein angefertigte Begründung genügt nicht. Zu dokumentieren sind die Umstände, aus denen der Arzt den Schluss zieht, dass die für den Verordnungsausschluss in der Arzneimittelrichtlinie tragenden Erwägungen im konkreten Einzelfall nicht eingreifen. Formeller Maßstab für eine ausreichende Dokumentation ist der Verständnishorizont eines Fachkollegen. Spätere Erläuterungen oder Zusammenfassungen, um die Nachvollziehbarkeit der Dokumentation in der Patientenakte für die fachkundigen Prüfgremien zu erleichtern, können zwar auch noch nachträglich angefertigt und im Prüfungsverfahren vorgelegt werden. Sie können die zeitnahe und vollständige Dokumentation der für die Anerkennung einer Einzelfallindikation ausschlaggebenden Gründe jedoch nicht ersetzen. Es müssen sich die für die medizinische Begründung der Verordnung im Einzelfall ausreichenden Angaben zum bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlauf sowie den Behandlungsalternativen ergeben (vgl. SG Dresden, Urt. v. 27.02.2013 - S 18 KA 141/11 - juris Rdnr. 52 f.; SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 24; LSG Sachsen, Urt. v. 10.12.2014 - L 8 KA 15/13 - juris Rdnr. 49; LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2016 - L 12 KA 107/14 - juris Rdnr. 23 f.). Bei einem auf Dauer verschriebenen Arzneimittel genügt die Dokumentation der Gründe zu Beginn der Behandlung, wenn diese Gründe im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verordnungen noch fortwirkten (vgl. SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 38). Die Begründung muss sich insb. auf die Auswahl des grundsätzlich ausgeschlossenen Arzneimittels unter den in Betracht kommenden Behandlungsalternativen erstrecken, wenn auch verordnungsfähige oder von vornherein nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in Betracht kommen (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2016 - L 12 KA 107/14 - juris Rdnr. 23 f.). Aus der Dokumentation muss hervorgehen, welche zusätzlichen Komplikationen und Risiken bestehen, die Anlass sind, nicht andere verfügbare Arzneimittel zu verordnen (vgl. Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 106, Rdnr. 124).
An einer solchen Begründung fehlt es in dem streitgegenständlichen Behandlungsfall. Eine zeitnah angelegte Dokumentation wurde im Prüfverfahren nicht vorgelegt.
Weitergehende Ausnahmeregelungen sind nicht ersichtlich. Eben so wenig kommt es auf die Vorgaben im Entlassungsbericht einer Klinik oder eines überweisenden Arztes an, da jeder Arzt seine eigene Verordnung zu verantworten hat (§ 29 Abs. 1 BMV-Ä). Der Aussteller des Rezepts ist allein verantwortlich. An Empfehlungen der Fachärzte ist er nicht gebunden. Im Einzelfall besteht auch die Möglichkeit zur Rücksprache unter Hinweis auf den Verordnungsausschluss. Auf Vertrauensschutz kann die Klägerin sich nicht berufen, da weder die Prüfungsstelle noch die Beigeladene in der Vergangenheit die strittige Verordnungsweise gutgeheißen haben. Eine Ablehnung des Patienten begründet keinen Verordnungsgrund zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Soweit ein Patient nach Hinweis auf einen Verordnungsschluss darauf besteht, das Medikament weiterhin verordnet zu erhalten, ist er auf die Möglichkeit eines Privatrezepts hinzuweisen und kann ggf. dann ein solches ausgestellt werden.
Soweit die Kammer bisher die Auffassung vertreten hat, es komme wesentlich auf die Angaben bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens an (vgl. zuletzt Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 188/16 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 59/16 -; Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 167/16 -), so hält sie an dieser Auffassung nicht mehr fest.
Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren vor dem Beschwerdeausschuss begründet das Bundessozialgericht den Einwendungsausschluss des Vertragsarztes im gerichtlichen Verfahren damit, dass die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes sachverständigen Ausschüssen übertragen wird. Den Gerichten ist es zudem grundsätzlich verwehrt, eine umfassende Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen; ihnen obliegt lediglich die Kontrolle, ob die - im Rahmen des Beurteilungs- und Ermessensspielraums getroffenen - Entscheidungen der Prüfungsausschüsse mit Gesetz und Recht in Einklang stehen. Den Prüfungsausschüssen kann aber eine unvollständige Berücksichtigung des Sachverhalts nicht vorgeworfen werden, soweit entscheidungserhebliche Umstände nur dem Vertragsarzt bekannt sind, von diesem aber nicht im Prüfverfahren geltend gemacht werden (vgl. BSG, Urt. v. 20.09.1988 - 6 RKa 22/87 - SozR 2200 § 368n Nr. 57, juris Rdnr. 33).
Für die Verfahren, in denen die Prüfungsstelle abschließend zuständig ist, kommt ihr weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum zu, auch handelt es sich nicht um ein fachlich besetztes Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung, die zudem mit unterschiedlichen Interessenvertretern besetzt ist. Die Prüfungsstelle ist eine monokratische Behörde (§ 106c Abs. 3 SGB V bzw. § 106 Abs. 4a SGB V a.F.). Die Prüfungsstelle hat in diesen Verfahren keinen Beurteilungsspielraum. Sie entscheidet nur bei Leistungen, die aufgrund rechtlicher Vorschriften ausgeschlossen sind (§ 106c Abs. 3 Satz 6 SGB V bzw. § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V a. F.). Die abschließende Entscheidungskompetenz der Prüfungsstelle ist auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des GBA ergibt (BSG, Urt. v. 02.07.2014 - B 6 KA 25/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 45, juris Rdnr. 16). Von daher ist kein Grund ersichtlich, abweichen von allgemeinen Verfahrensanforderungen den Vertragsarzt auf seinen Sachvortrag vor der Prüfungsstelle zu beschränken (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 20.03.2013 - L 4 KA 60/10 - juris Rdnr. 30 f.; LSG Hessen, Urt. v. 27.05.2015 - L 4 KA 50/12 - nicht veröffentlicht; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.03.2016 - B 6 KA 60/15 B - BeckRS 2016, 68302; SG Marburg, Urt. v. 18.03.2015 - S 12 KA 616/14 - juris Rdnr. 30 f.).
Soweit das Bundessozialgericht in Bezug auf Mitwirkungspflichten des Vertragsarztes in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht zwischen der Prüfungsstelle und dem Beschwerdeausschuss unterscheidet, sondern hinsichtlich der Darlegungsobliegenheiten des Vertragsarztes davon ausgeht, dass die erforderlichen Darlegungen grundsätzlich "gegenüber den Prüfgremien" (und nicht erst im nachfolgenden Gerichtsverfahren) zu erfolgen haben (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.2013 - B 6 KA 46/12 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 42 juris Rdnr. Rdnr. 32 mit Hinweis auf BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3, juris Rdnr. 41, zu Untersuchungsgrundsatz und Mitwirkungspflicht vgl. Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, 08/14, § 106 SGB V, Rdnr. 543 ff.), beziehen sich diese Ausführungen nicht auf das einstufige Verwaltungsverfahren. Der Einwendungsausschluss für das gerichtliche Verfahren gilt auch nur für solche Umstände, die sich aus der Atypik der Praxis ergeben, aus der Sicht des Arztes auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen. Nicht gefordert werden können von einem Arzt hingegen Einwände, die das Prüfungsverfahren selbst betreffen, also etwa Bedenken gegen die Größe und richtige Zusammensetzung der Vergleichsgruppe. Dasselbe gilt für Aspekte, die auf der Basis der im Prüfverfahren vorliegenden Unterlagen so offenkundig sind, dass die Gremien dem schon von Amts wegen nachgehen müssen bzw. die anhand der bei der Kassenärztlichen Vereinigung vorhandenen Unterlagen oder den Angaben des Arztes zumindest erkennbar sind. So muss ein Arzt im Rahmen einer statistischen Vergleichsprüfung der veranlassten Leistungen der physikalischen Therapie nicht um den Preis einer Präklusion von sich aus darauf hinweisen, wenn in seiner Praxis physikalisch-medizinische Leistungen nicht oder nur unterdurchschnittlich erbracht werden (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3, juris Rdnr. 42 f.). Liegen besondere offenkundige Anhaltspunkte vor, so müssen die Prüfgremien diese auch ohne besonderen Hinweis aufgreifen (BSG, Urt. v. 27.06.2001 - B 6 KA 66/00 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 53, juris Rdnr. 28). Besteht allerdings Anlass zu der Annahme, dass der Vertragsarzt seinen bisherigen Vortrag ergänzen kann, so müssen die Prüfgremien ihm dazu Gelegenheit geben. In einem solchen Fall empfiehlt es sich, dem Kassenarzt zur Ergänzung seines Vortrages eine Frist zu setzen und ihn darauf hinzuweisen, dass nach Ablauf der Frist entschieden wird und ein späteres Vorbringen keine Berücksichtigung mehr findet (vgl. BSG, Urt. v. 20.09.1988 - 6 RKa 22/87 - SozR 2200 § 368n Nr. 57, juris Rdnr. 34).
Für den Nachweis der Begründung kann die maßgebliche Dokumentation in den Krankenunterlagen auch noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgelegt werden, ohne mit diesem Sachvortrag präkludiert zu sein. Zu unterscheiden ist der Zeitpunkt der Anfertigung der Dokumentation vom Zeitpunkt der Vorlage (vgl. SG Dresden, Urt. v. 25.11.2015 - S 18 KA 210/11 - juris Rdnr. 30 f.; siehe auch LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2016 - L 12 KA 107/14 - juris Rdnr. 25). Hinsichtlich der Begründungspflicht kommt es wesentlich auf die ausreichende Niederlegung in der Dokumentation an. Dies hat die Prüfungsstelle grundsätzlich im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht zu überprüfen. Reicht der Vertragsarzt trotz Anfrage der Prüfungsstelle die Dokumentation nicht ein, so läuft er Gefahr, mit einem Verordnungsregress belastet zu werden. Reicht der Vertragsarzt die Dokumentation erst im anschließenden Gerichtsverfahren ein, so kann er mit den Verfahrenskosten belastet werden (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 156 VwGO).
Die Klägerin hat im Gerichtsverfahren ihre Patientendokumentation vorgelegt. Diese beschränkt sich im Wesentlichen auf die Angabe der Diagnose "Hirninfarkt" und der Verordnung. Allein aus der Diagnose "Hirninfarkt" erschließt sich aber der fachkundig mit einem Allgemeinmediziner besetzten Kammer nicht, dass die Verordnung von ASS allein, das auch gering dosiert werden kann, nicht ausreichend gewesen wäre. Soweit die Klägerin eine bereits vor dem Verordnungsausschluss zum Quartal II/14 begonnene Therapie fortsetzt, hätte sie nach dem Verordnungsausschluss, spätestens aber in den streitbefangenen Quartalen die Gründe für das Festhalten an der Therapie mit Aggrenox dokumentieren müssen. Auf die Empfehlungen anderer Fachärzte kommt es nicht an, da die Klägerin als verordnende Ärztin ihre Verordnungen allein zu verantworten hat. Die später erfolgte Umstellung der Therapie zeigt im Übrigen, dass eine Umstellung möglich war.
Eine verpflichtende vorherige Beratung vor Festsetzung eines Regresses war nicht erforderlich.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, ist die Festsetzung eines Regresses nicht davon abhängig, dass die Prüfgremien die Klägerin zuvor über die Unwirtschaftlichkeit ihrer Verordnungsweise beraten haben (vgl. BSG, Urt. v. 15.08.2012 - B 6 KA 45/11 R - juris Rdnr. 12). Soweit in § 106 Abs. 5e Satz 2 SGB V a. F. in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung des GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) bestimmt ist - nunmehr für alle Verfahren, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (Gesetz v. 19.10.2012, BGBl. I 2192) -, die Festsetzung von Erstattungsbeträgen bei Überschreitung des Richtgrößenvolumens (§ 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V a. F.) könne erst für Zeiträume nach einer individuellen Beratung erfolgen, findet diese Regelung hier bereits aus sachlichen Gründen keine Anwendung. Die Abs. 5a und 5c bis 5e des § 106 SGB V a. F. befassen sich allein mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Überschreitung von Richtgrößenvolumina i. S. des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V a. F. und finden auf andere Prüfungen keine Anwendung. Auch nach der Neufassung der §§ 106 ff. SGB V zum 01.01.2017 durch Art. 2 Nr. 6 bis 8 GKV-VSG, gilt der Grundsatz "Beratung vor Regress" nur bei statistischen Prüfungsmethoden (§ 106b Abs. 2 S. 3 SGB V).
Auf ein Verschulden des Klägers kommt es nicht an.
Das Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfungen ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass es auf ein "Verschulden" des betroffenen Arztes bzw. auf eine besondere Vorwerfbarkeit für die festgestellte unwirtschaftliche Behandlungsweise - anders als z. B. im Falle eines echten Schadensregresses - nicht ankommt. So führt selbst die fehlerhafte ärztliche Verordnung von Mitteln, die nicht der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu Ersatzansprüchen gegen den Vertragsarzt, und zwar auch dann, wenn er in "gutem Glauben" von ihrer Verordnungsfähigkeit ausging (vgl. BSG, Urt. v. 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -SozR 4-2500 § 106 Nr. 1, juris Rdnr. 36; BSG, Urt. v. 14.03.2001 -B 6 KA 19/00 R - a.a.O., juris Rdnr. 15). Ist einem Vertragsarzt eine unwirtschaftliche Verordnungsweise anzulasten, so ist ein Regress gegen ihn berechtigt, wobei dieser in Höhe des der Krankenkasse entstandenen Schadens festzusetzen ist. Ein Verschuldenserfordernis besteht im Rahmen von Honorarkürzungen oder Verordnungsregressen gemäß § 106 SGB V nicht (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 21, juris Rdnr. 28 m. w. N.). Im Übrigen schließt eine Unkenntnis vom Verordnungsausschluss ein Verschulden nicht aus. Jeder Arzt ist für seine Verordnungen selbst verantwortlich. Von daher ist es unerheblich, ob er lediglich eine von anderen Ärzten vorgeschlagene oder verordnete Medikation fortführt.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung war zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür vorliegen (§ 144 SGG).
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