L 4 R 5292/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2550/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5292/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1951 geborene Klägerin hat von Oktober 1965 bis Oktober 1968 eine Ausbildung zur Damenschneiderin durchlaufen, diesen Beruf jedoch nur bis Juli 1969 ausgeübt. Ab Januar 1970 war sie ohne förmliche Ausbildung in Verwaltungen beschäftigt. Nach Arbeitslosigkeit von Januar 1984 bis Januar 1988 (unterbrochen durch eine Beschäftigung vom 15. bis 26. April 1985) war die Klägerin ab 01. Februar 1988 beim Landratsamt als Verwaltungsangestellte angestellt. Dort war sie seit Juni 2000 arbeitsunfähig und bezog vom 08. Dezember 2000 bis 22. November 2001 Krankengeld, anschließend Arbeitslosengeld. Das Arbeitsverhältnis wurde förmlich mit Februar 2002 beendet. Während des Bezugs von Arbeitslosengeld durchlief die Klägerin vom 03. März bis 30. April 2003 eine PC-Weiterbildungsmaßnahme und bezog schließlich ab 14. Oktober 2003 Arbeitslosenhilfe. Vom 06. Mai bis 27. Juni 2003 nahm die Klägerin an einer Maßnahme der ambulanten Rehabilitation in K. teil (Bericht Arzt für Chirurgie Dr. D. vom 27. Juni 2003). Sie bezieht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Seit dem 21. Januar 2008 ist ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt (Bescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 20. März 2009).

Am 16. Januar 2004 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung, begründet mit Rückenbeschwerden und Depressionen. Sie legte den genannten Bericht über eine ambulante Rehabilitation vor, außerdem den Bericht der Fachärztin für Orthopädie Dr. M.-L. vom 17. November 2003 über die Behandlung einer adhäsiven Kapsulitis der Schulter links. Arzt für Orthopädie Dr. T. erstattete das Gutachten vom 17. Februar 2004. Er beschrieb ein mittelgradiges chronisches Lumbalsyndrom mit Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, jedoch ohne Nervenbeteiligung bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule. Leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne schweres Heben in geschlossenen Räumen, ohne Einfluss von Nässe, Kälte sowie ohne Bücken seien bis zu sechs Stunden täglich (angekreuzt "drei bis unter sechs Stunden") möglich. Neurologe und Psychiater/Psychotherapeut Dr. S. bestätigte im Gutachten vom 27. Februar 2004 für sein Fachgebiet eine Lumboischialgie links, die jedoch keine gegenüber dem orthopädischen Gutachten weitergehenden Einschränkungen bedinge. Durch Bescheid vom 06. April 2004 lehnte die Beklagte (damals noch Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) den Rentenantrag ab. Im Rahmen der gutachterlich geforderten Einschränkungen sei auch eine Beschäftigung als Verwaltungsangestellte noch möglich, so dass auch Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht komme.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Der orthopädische Gutachter Dr. T. habe die Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule als schwer bezeichnet und eine Leistungsfähigkeit unter sechs Stunden angekreuzt. Praktischer Arzt Dr. Pf. verwies im Befundbericht vom 14. September 2004 auf eine zu bemerkende kontinuierliche Verschlechterung in den vergangenen zwölf Monaten, die allein auf orthopädischem Gebiet zu beurteilen sei. Orthopädin Dr. M.-L. legte im Bericht vom 20. September 2004 dar, wegen der starken Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule könne keine Arbeitshaltung lange eingenommen werden. Facharzt für Orthopädie Dr. M. nannte im Gutachten vom 17. November 2004 degeneratives Syndrom der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie Cervicocephalsyndrom; es falle auf, dass die Klägerin stets unruhig sitze und ständige Positionswechsel vornehme. Eine stationäre Reha-Maßnahme sei zu empfehlen, während der dann eine präzisere Beurteilung des verbleibenden Leistungsvermögens möglich sei. Die Tätigkeit als Büroangestellte sowie Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten bis zur Rehabilitationsmaßnahme drei bis unter sechs Stunden verrichtet werden. Auf Wunsch der Klägerin nahm diese vom 07. März bis 05. April 2005 teilstationär an einer ambulanten Rehabilitation im bereits genannten Zentrum in K. teil (vgl. Bericht Dr. Ho. vom 06. April 2005). Die Diagnosen des Gutachtens Dr. M. wurden bestätigt, zusätzlich Verdacht auf Somatisierungsstörung genannt. Leichte Tätigkeiten im Wechsel bei ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung seien sechs Stunden und mehr möglich. Die Vorstellung in einer Schmerzambulanz sei dringend erforderlich. Auch Psychotherapie wäre sinnvoll. Nach beratungsärztlicher Stellungnahme erließ die Widerspruchsstelle der Beklagten den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 07. Juni 2005. Es bestehe noch ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich.

Mit der am 05. Juli 2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage trug die Klägerin vor, die ambulante Reha habe zu keiner Verbesserung, sondern eher zu einer Verschlechterung der Befundsituation geführt. Inzwischen sei ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert. Nunmehr werde die Schmerzambulanz im Klinikum H. aufgesucht. Lohnbringende Tätigkeiten seien nicht mehr in einem Umfang von sechs Stunden täglich möglich.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG befragte die benannten behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Ärztin Dr. M.-L. nannte in der Aussage vom 28. September 2005 Beschwerden aller Abschnitte der Wirbelsäule, hielt eine Beschäftigung in wechselnder Haltung mit der erforderlichen Regelmäßigkeit nur unter drei Stunden für möglich und gab ein inzwischen entwickeltes chronisches Schmerzsyndrom an. Prof. Dr. B. vom Zentrum für Schmerztherapie und Palliativmedizin des Universitätsklinikums H. berichtete in der Aussage vom 29. September 2005 über die bisher einmalige Vorstellung am 04. August 2005 und wollte weitere Fragen nicht beantworten.

Arzt für Orthopädie Dr. Bu. erstattete auf Anforderung von Amts wegen das Gutachten vom 19. Dezember 2005. Es bestünden eine chronisch rezidivierende degenerative Lumboischialgie, ein degeneratives Cervikal- und Thorakalsyndrom, ferner eine Heberdenarthrose sowie eine Somatisierungsstörung. Die radikuläre Symptomatik sei derzeit nicht auffällig. Es fehlten motorische oder sensible Störungen. Sitzen sei über längere Zeit möglich. Den Angaben der Ärztin Dr. M.-L. sei zuzustimmen, es sei aufgrund der Somatisierungsstörung zu einem isolierten chronischen Schmerzsyndrom gekommen. Rein orthopädisch sei eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Haltung unter Vermeidung ungünstiger Körperhaltung sowie von Arbeiten auf Leitern und Gerüsten mit Kälte- oder Wärmeeinfluss und im Freien noch vollschichtig möglich.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstattete zunächst Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. das Gutachten vom 20. April 2006. Zu diagnostizieren seien eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine generalisierte Angststörung leichteren Grades. Die Klägerin sei trotz Ängsten vor Publikumsverkehr als Schalterangestellte eingesetzt worden. Der neurologische Status sei regelrecht. Zu vermuten sei, dass die Klägerin an der letzten Arbeitsstelle an einem wunden Punkt ihrer Persönlichkeitsstruktur getroffen worden sei. Diffuse und sozialphobisch wirkende Ängste hätten in subjektiv auswegloser Situation die Akzentuierung ihrer körperlichen Beschwerden gefördert. Die therapeutischen Möglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. Tätigkeiten ohne ständigen Publikumsverkehr ebenso wie in Akkordarbeit, Schicht-, Nachtarbeit, unter Zeitdruck oder mit erhöhter Eigenverantwortung seien nicht zu fordern. Andere Tätigkeiten müsste die Klägerin dagegen aus rein nervenärztlicher Sicht sechs Stunden und mehr täglich leisten können.

Ebenfalls nach § 109 SGG erstattete Orthopäde Dr. C. das Gutachten vom 25. Mai 2006. Zu finden seien jetzt ein degeneratives Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit zeitweiligen Nervenwurzelirritationen links ohne permanente Ausfallerscheinung, mit end- bis mittelgradiger Funktionseinschränkung sowie degenerative Veränderungen an der unteren Halswirbelsäule ohne wesentliche Funktionsminderung und ohne neurologische Störungen. Leichte Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis fünf kg im Wechsel unter Vermeidung der bekannten qualitativen Erschwernisse seien sechs Stunden und mehr möglich. Bei bedarfsweise möglichem Wechsel der Körperhaltung seien keine besonderen Arbeitsbedingungen erforderlich und betriebsübliche Pausen ausreichend; ein wirbelsäulengerechter Bürostuhl oder ein Stehpult seien zu empfehlen. Eine wesentliche Änderung sei nicht mehr festzustellen. Die Prognose sei derzeit eher günstig.

Durch Gerichtsbescheid vom 27. September 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung verwies es auf die Ergebnisse des von Amts wegen eingeholten orthopädischen Gutachtens Dr. Bu. sowie der nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. D. und Dr. C ... Die Klägerin könne vollschichtig in dem bisherigen Beruf der Verwaltungsangestellten erwerbstätig sein. Auf die Entscheidungsgründe wird im Einzelnen Bezug genommen.

Gegen den am 29. September 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20. Oktober 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie hat zunächst geltend gemacht, es hätte wiederum eine Zeugenauskunft von Prof. Dr. B. eingeholt werden müssen. Aus dieser hätten sich wohl neue Erkenntnisse gegenüber den Gutachtensergebnissen herausgestellt. Der genannte Arzt könne sich nunmehr umfassend und substantiiert aus schmerztherapeutischer Sicht äußern. Die Klägerin hat ferner Arztbriefe vorgelegt. Prof. Dr. B. hat unter dem 20. September 2007 über eine Vorstellung am 05. September 2007 berichtet, wegen rasch sich verstärkender Schmerzen in der Lendenwirbelsäule und im linken Bein sei längeres Stehen und Sitzen nicht möglich gewesen. Nach dem Attest der Ärztin Dr. M.-L. vom 20. September 2007 habe die Klägerin oft stärkste Schmerzen, so dass sie - nicht wegen der orthopädischen Erkrankungen - nicht regelmäßig drei Stunden oder mehr arbeiten könne. Im Bericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 11. September 2007 ist das degenerative Wirbelsäulenleiden mit Wurzelreizung L5 links genannt. Dr. W. vom Zentrum für Radiologie und Nuklearmedizin K.-D. berichtet unter dem 28. September 2007 über ein MR der Lendenwirbelsäule vom 27. September 2007 (flacher mediolateraler Diskusprolaps Brustwirbelkörper 11/12 und medialer linksbetonter kräftiger Bandscheibenvorfall im Segment Brustwirbelkörper 12/Lendenwirbelkörper 1). Schließlich ist im Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 13. November 2007 eine aktuelle Diagnose "Angst und Depression gemischt", chronisches Schmerzsyndrom genannt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. September 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Juni 2005 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Januar 2004 zu zahlen, weiter hilfsweise zum Beweis dessen, dass die Klägerin zu einer Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts nicht mehr in der Lage sei, ein schmerztherapeutisches Gutachten von Amts wegen, weiter hilfsweise nach § 109 SGG einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.

In der schriftlichen Auskunft vom 25. August 2008 hat Facharzt Dr. E. im Wesentlichen auf sein Attest vom 13. November 2007 Bezug genommen; es bestehe eine Schmerzsituation, die es schwer mache, längere Zeit sitzend oder stehend zu verbringen. Im Übrigen werde die antidepressive Medikation fortgesetzt.

Der Berichterstatter des Senats hat am 18. November 2008 den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

Das Gericht hat auf Anregung der Klägerin die Schwerbehindertenakten des Landratsamts Karlsruhe beigezogen und den Bericht der Ärztin Dr. M.-L. vom 20. Januar 2009 den Beteiligten zur Kenntnis gegeben.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 27. September 2006 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 06. April 2004 (Widerspruchsbescheid vom 07. Juni 2005) erweist sich auch nach jetzigem Stand als rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Organpathologisch bestehen bei der Klägerin leistungseinschränkende Befunde im Bereich der gesamten Wirbelsäule. Diese sind im von Amts wegen eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. Bu. vom 19. Dezember 2005 zusammenfassend formuliert als chronisch rezidivierende degenerative Lumboischialgie sowie degeneratives Zervical- und Thorakalsyndrom. Der gemäß § 109 SGG gehörte Orthopäde Dr. C. hat im Gutachten vom 25. Mai 2006 zusätzlich temporäre Nervenwurzelirritationen links, jedoch ohne permanente sensomotorische Ausfallerscheinungen genannt. Die Sachverständigen Dres. Bu. und C. und die von der Beklagten gehörten Gutachtern Dres. T. und M. haben übereinstimmende Diagnosen und Befunde genannt. Der objektiv zu erhebende Befund ist zuletzt weiter präzisiert worden in den Berichten des Neurologen Dr. R. vom 11. September 2007 (Wurzelreizung L5 links bei Verschmälerung des Bandscheibenraums L4/5 und insbesondere L5/S1), des Prof. Dr. B. vom Universitätsklinikum H. vom 20. September 2007 (Bandscheibenvorfall L3/4 und 4/5, S10/11 und 11/12) und des Dr. W. vom Zentrum für Radiologie und Nuklearmedizin K.-D. vom 28. September 2007 (flacher Vorfall im Segment S11/12 und kräftiger Vorfall S12/L1). Eine wesentliche Befundänderung ist insoweit im Verlauf des Verfahrens nicht erkennbar geworden. Hierauf nimmt auch der Bericht der langjährig behandelnden Orthopädin Dr. M.-L. vom 20. Januar 2009 für das Schwerbehindertenverfahren Bezug. Genannt werden Dauerschmerzen der Wirbelsäule, die massiv würden "nach Sitzen von länger als einer Stunde, Tragen von zu schweren Einkäufen, zu langem Laufen, zu langem Stehen".

Von diesem Befund ist die Beurteilung im Gutachten Dr. Bu. vom 19. Dezember 2005, nicht abweichend geteilt im Gutachten Dr. C. vom 25. Mai 2006 sowie bereits in dem Gutachten der Dres. T. und M. schlüssig. Jedenfalls leichte Arbeiten in wechselnder Haltung ohne Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über fünf kg, ohne Einfluss von Nässe, Kälte sowie ohne häufiges Bücken sind hiernach bis zu sechs Stunden täglich möglich. Diese Umschreibung wurde bereits im Gutachten Dr. M. vom 17. November 2004 im Widerspruchsverfahren so formuliert. Soweit Ärztin Dr. M.-L. im Bericht vom 20. September 2004 ausführte, die Klägerin könne wegen starker Schmerzen keine Arbeitshaltung länger einnehmen, sowie zuletzt im Bericht vom 20. Januar 2009 auf massive Schmerzen nach Sitzen von länger als einer Stunde, Tragen von zu schweren Einkäufen, zu langem Laufen, zu langem Stehen verwiesen hat, können derartige Belastungen auch bei leichter beruflicher Tätigkeit unter den von den orthopädischen Sachverständigen übereinstimmend genannten Bedingungen vermieden werden. Dr. C. hat insoweit auf die Möglichkeit hingewiesen, den Arbeitsplatz mit einem wirbelsäulengerechten Bürostuhl und/oder einem Stehpult auszustatten. Ebenso hat Dr. Ho. im Bericht über die teilstationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 06. April 2005 die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung genannt.

Soweit über die aus den orthopädischen Befunden zu erklärenden Einschränkungen hinaus weitergehende Störungen bestehen, ist der Sachverhalt ebenfalls geklärt und die Erforderlichkeit weiterer Gutachten zu verneinen. Den im Bericht vom 06. April 2005 über die ambulante Rehabilitation vom 07. März bis 05. April 2005 von Dr. Ho. geäußerten Verdacht auf eine Somatisierungsstörung hat Orthopäde Dr. Bu. im Gutachten vom 19. Dezember 2005 aufgenommen. Hieran anknüpfend spricht Neurologe und Psychiater Dr. D. im Gutachten vom 20. April 2006 von einer psychogenen Akzentuierung des Beschwerdebilds. Ängste und Unsicherheit waren insbesondere bei der letzten Arbeitsstelle mit häufigem Publikumsverkehr ausgeprägt. Der Wegfall der Arbeitspflicht 2002 hatte zu einer gewissen psychischen Stabilisierung geführt. Dennoch verblieb (vgl. Berichte Prof. Dr. B. vom 29. September 2005 und vom 20. September 2007) die Diagnose einer chronischen Schmerzerkrankung. Diese ist zwar im letzten Bericht der Orthopädin Dr. M.-L. vom 20. Januar 2009 nicht ausdrücklich genannt, jedoch die Diagnosen reaktive Depression und Angststörung. Diese Diagnosen waren dem neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. D. bei dessen Begutachtung vom 20. April 2006 bekannt. Der Sachverständige hat dennoch leichte Arbeiten für möglich gehalten, soweit zusätzlich zu den von orthopädischer Seite geforderten Einschränkungen kein ständiger Publikumsverkehr, Akkordarbeit, Schicht- oder Nachtarbeit, erhöhter Zeitdruck oder erhöhte Eigenverantwortung gefordert wären. Den langfristig gesicherten Status hat Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. in der schriftlichen Auskunft vom 25. August 2008 schlüssig dargelegt. Hiernach war durch eine entsprechende Behandlung (Medikation und Psychotherapie) eine Linderung bezüglich der ursprünglich sehr ängstlichen und depressiven Grundstimmung eingetreten. Es besteht eine Schmerzsituation fort, die es schwer macht, längere Zeit sitzend oder stehend zu verbringen. Dies wiederum steht in Übereinstimmung mit den von Ärztin Dr. M.-L. unter dem 20. Januar 2009 formulierten Einschränkungen. Diese sind im qualitativen Bereich unstreitig.

Für eine zeitliche Einschränkung der arbeitstägigen Leistungsfähigkeit, von der Ärztin Dr. M.-L. seit Beginn des Verfahrens (Zeugenaussage vom 28. September 2005 sowie Bescheinigung vom 20. September 2007) ausgegangen ist, ist aufgrund der Darlegungen der Sachverständigen, insbesondere auch der nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. C. und Dr. D. keine Grundlage erkennbar. Werden die qualitativen Einschränkungen und insbesondere der mögliche Wechsel der Körperhaltung beachtet, ist für eine vorzeitige Ermüdung im Verlauf eines sechsstündigen Arbeitstages bei betriebsüblichen Pausen keine Begründung zu finden. Leichte Tätigkeiten sind der Klägerin ohne zeitliche Einschränkung möglich; eine Gebrauchsminderung der Arme und Hände oder eine Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten ist nicht bekannt.

Der Sachverhalt ist als geklärt zu erachten, weshalb es keines weiteren Gutachtens von Amts wegen bedarf.

Da die Klägerin von dem Antragsrecht nach § 109 SGG Gebrauch gemacht hat, war auch kein weiteres Gutachten nach § 109 SGG zu erheben. Das Antragsrecht nach § 109 SGG steht grundsätzlich nur einmal in den beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung. Dies entspricht dem Grundsatz des Beweisrechts, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG SozR 3-1500 § 109 Nr. 1; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06. Februar 2006 - L 1 U 2572/05 -, veröffentlicht in juris). Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich nur bei Vorliegen besonderer Umstände (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109 Rdnr. 10b; LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Solche sind nicht gegeben. Die Beweislage hat sich nach den auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG erhobenen Gutachten der Dres. D. und C. nicht geändert. Die im Berufungsverfahren zu den Akten gelangten medizinischen Stellungnahmen haben wie dargelegt keine Befundänderung ergeben. Bei unverändertem Sachverhalt muss im Berufungsverfahren kein neues Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden (BSG SozR Nr. 18 zu § 109 SGG; LSG Baden-Württemberg a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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