Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1381/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 986/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1952 geborene Kläger hat eine Berufsausbildung zum Kfz-Mechaniker absolviert und bis 1974 ausgeübt. Seitdem war er als Fahrer und Lagerarbeiter, zuletzt als Lagerverwalter bis Ende 2001 versicherungspflichtig beschäftigt. Ab November 2000 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und bezog bis zu seiner Aussteuerung im April 2002 Krankengeld. Seit dem 26. April 2002 ist er arbeitslos gemeldet. Vom 25. Oktober 1999 bis 24. Oktober 2004 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezuges von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden (Versicherungsverlauf vom 08.12.2004).
Ein erster im April 2001 bei der Beklagten gestellter Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos (Bescheid vom 05. Dezember 2001, Widerspruchsbescheid vom 22. August 2002). Der Kläger könne bei degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule (HWS und LWS), des linken Schultergelenkes und der Hüft- und Kniegelenke noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich auf dem für ihn maßgeblichen allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Die Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) nahm der Kläger nach weiterer medizinischer Sachverhaltsermittlung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2004 zurück (S 8 RJ 2320/02).
Bereits am 25. Oktober 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut unter Vorlage verschiedener Arztberichte von der Neurologin und Psychiaterin L. (Zustand nach peripherer Fazialisparese links 06/04) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 11. November 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, es liege weder eine teilweise noch volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vor. Gleichzeitig wurde dem Kläger die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme angeboten.
Der Kläger legte Widerspruch ein und führte die Rehabilitationsmaßnahme vom 28. Dezember 2004 bis 18. Januar 2005 in der Reha-Klinik Ü. durch. Er wurde als arbeitsfähig mit den Diagnosen eines chronisch rezidivierenden HWS- und LWS-Syndroms bei degenerativen Veränderungen, muskulärer Dysbalance und Dekonditionierung, einem chronisch sensiblen C7/C6 und S1/L5-Syndrom links sowie einem grenzwertigen metabolischen Syndrom entlassen. Als Lagerarbeiter könne der Kläger nicht mehr arbeiten, da diese Tätigkeit mittelschwer bis schwer gewesen sei. Er könne nur noch körperlich leichte Arbeiten sechs Stunden und mehr bevorzugt im Wechselrhythmus, in allen Schichten, ohne Überkopfarbeit sowie ohne Tätigkeiten in belasteter Rumpfvorhalte verrichten. Der Kläger trug vor, dass die Feststellungen im Entlassungsbericht nicht zutreffend wären, deswegen sei die Leistungsbeurteilung im Wesentlichen unbegründet. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger könne nach dem Entlassungsbericht noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten und sei deswegen nicht erwerbsgemindert. Seinen erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker habe er nicht aus zwingenden gesundheitlichen Gründen aufgegeben, so dass er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.
Mit seiner dagegen am 04. Mai 2005 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Entlassungsbericht gebe seinen gegenwärtigen Gesundheitszustand und den Krankheitsverlauf nicht richtig wieder.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und den Kläger anschließend von Amts wegen fachorthopädisch und auf Antrag und Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) neurochirurgisch/orthopädisch begutachten lassen.
Die Neurologin und Psychiaterin L. hat den Kläger bei chronischen HWS- und LWS-Veränderungen mit einhergehenden Schmerzen und Sensibilitätsstörungen, ohne Hinweis auf motorische Ausfälle, für in der Lage erachtet, sechs Stunden und mehr erwerbstätig zu sein. Der Orthopäde Dr. E. sah den Kläger demgegenüber nur noch in der Lage, drei Stunden am Tag bedingt durch die segmentale Instabilität und die muskuläre Dysbalance mit unter Belastung zunehmender Schmerzsymptomatik arbeiten zu können.
Der gerichtliche Sachverständige, der Orthopäde Dr. W., hat 1. ein chronisches LWS-Syndrom bei Bandscheibenteilaufbrauch L4/5 und L5/S1 ohne periphere Nervenwurzelreizsymptomatik mit leichter Bewegungseinschränkung, 2. ein chronisches HWS-Syndrom mit mäßiger Bewegungseinschränkung bei monosegmentalem Bandscheibenteilaufbrauch HWK5/6, ohne periphere Nervenwurzelreizsymptomatik und 3. Kniegelenksarthrose rechts mit mäßig- bis mittelgradiger Knorpelerweichung, vorwiegend im außenseitigen Gelenksanteil, bei Zustand nach Außenmeniskusoperation 1981, ohne äußere Reizerscheinungen mit geringer Bewegungseinschränkung diagnostiziert. Die nachweisbaren degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule schritten alterstypischen degenerativen Veränderungen nur unwesentlich bis leicht voraus. Darüber hinaus finde sich eindeutig keine manifeste Nervenwurzelreizsymptomatik in Form von Lähmungen oder Reflexauffälligkeiten. Auch die Arthrose des rechten Kniegelenkes sei erst mäßig bis eben mittelgradig ausgeprägt. Der Kläger könne damit insgesamt noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt acht Stunden unter Vermeidung von regelmäßigem Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, Arbeiten in der Vorbeuge oder im Bücken, ganztägigem Stehen oder Gehen, Akkord- und Fließbandarbeiten, Haltungskonstanzen am Bildschirm oder Schreibarbeitsplatz, häufigem Arbeiten im Knien oder in der Hocke, regelmäßigem Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie auf unsicheren Untergrund oder mit erhöhter Sturzgefahr verrichten.
Dieser Leistungsbeurteilung schloss sich auch der nach § 109 SGG angehörte Sachverständige Dr. S. an, der die Diagnosen noch um einen Zustand nach peripherer Fazialisparese links 06/2004, Carpaltunnelsyndrom beidseits, links mehr als rechts, und Verschleißerscheinungen des linken Schultergelenkes mit Reizerscheinungen in der Rotatorenmanschette ergänzte. Auf anderen Fachgebieten lägen noch eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, ein Zustand nach Gelbsucht und Keuchhusten 1955, ein Zustand nach mehrfacher Leistenoperation, eine Allergie auf Haselnuss sowie auf Penicillin, eine Hypercholesterinämie, ein Verdacht auf Hyperurikämie (Gicht) sowie ein grenzwertiges metabolisches Syndrom vor.
Im Hinblick auf die Schilddrüsenerkrankung hat das SG noch zusätzlich Dr. W. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mitgeteilt, dass sich aus der Diagnose keine grundsätzliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit ergebe. Allenfalls kurzfristige Krankheitsphasen könnten durch starke Schmerzen bedingt sein, diese seien aber prinzipiell vorübergehender Natur und einer medikamentösen Behandlung gut zugänglich.
Der Kläger hat zudem noch Bericht über eine am 18. September 2007 in der Orthopädischen Klinik M. gGmbH durchgeführte Meniskusteilresektion am linken Kniegelenk vorgelegt (postoperativ regelrechter Verlauf, Belastung ist nicht limitiert). Die Operation war notwendig geworden, weil sich der Kläger bei einem Sturz auf der Treppe eine Distorsion des linken Kniegelenks zugezogen hatte.
Mit Urteil vom 15. Januar 2008, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 12. Februar 2008, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei in Auswertung der durchgeführten medizinischen Ermittlungen nicht erwerbsgemindert. Seine maßgeblichen Erkrankungen lägen auf orthopädischem Fachgebiet, da er im Wesentlichen durch ein rezidivierendes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom sowie die Kniegelenke eingeschränkt sei. Aufgrund des Wurzelreiz- und Wurzelkompressionssyndroms bestünden zwar Sensibilitätsstörungen, die behandelnde Nervenärztin habe aber keine radikulären motorischen Ausfälle feststellen können. Auch ein Anhalt für eine Reflexabschwächung bestehe nicht. Dies habe die Untersuchung durch Dr. W. bestätigt. Die Entfaltbarkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule liege, wie die durch den Gutachter erhobenen Messwerte nach Ott mit 29/32 cm und Schober mit 9/15 cm zeigten, im Normbereich. Auch die neurologische Untersuchung sei unauffällig gewesen. Die Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten sei nicht eingeschränkt gewesen. Dem Kläger sei sowohl der Schürzenband- als auch der Nackengriff und der Zehenspitzen- und Hackengang jeweils beidseits möglich gewesen. Nur im Bereich des rechten Kniegelenkes sei aufgrund der Arthroseerkrankung eine im Vergleich zu den Normalmaßen leicht eingeschränkte Beweglichkeit festgestellt worden. Ihm sei die Streckung/Beugung lediglich bis zu 125° im Vergleich zum Normalmaß von 140 bis 150° möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund sei die Leistungseinschätzung des Sachverständigen nachvollziehbar. Diese sei auch im Wesentlichen durch Dr. S. bestätigt worden. Die weiteren Diagnosen bedingten lediglich, dass der Kläger keine Tätigkeiten mit dauerhafter Belastung der Hände und Finger sowie Vor- und Überkopfarbeiten verrichten könne. Eine quantitative Leistungseinschränkung werde hingegen nicht begründet. Auch aus der in der Klinik M. durchgeführten Operation ergebe sich nichts anderes. Man habe den Kläger nach der Operation zügig an Unterarmgehstützen wieder mobilisieren können. Bereits bei der Entlassung habe der Bewegungsumfang des operierten Kniegelenkes bei 0-0-100° gelegen. Die Belastung sei nicht limitiert gewesen. Es sei ihm empfohlen worden, nach der ersten postoperativen Woche die Unterarmgehstützen wieder abzutrainieren. Schließlich führe auch die Schilddrüsenerkrankung zu keiner anderen Wertung, wie die Befragung von Dr. W. ergeben habe. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig, denn er könne sozial zumutbar auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden. Er habe zwar den erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker bis 1974 ausgeübt, habe sich von diesem jedoch nicht aus gesundheitlichen Gründen gelöst und sei somit aufgrund seines zuletzt ausgeübten Berufs als Lagerarbeiter als ungelernter Arbeiter einzustufen.
Mit seiner dagegen am 28. Februar 2008 eingelegten Berufung hat der Kläger geltend gemacht, die Stellungnahme seines Arztes Dr. E. sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Er müsse sich nunmehr einer antidepressiven Therapie unterziehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Januar 2008 sowie den Bescheid vom 11. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 19. Januar 2005 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und ab 01. Mai 2005 eine zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat eine ärztliche Stellungnahme von Dr. J. vorgelegt.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Neurologin und Psychiaterin L. sowie Dr. E. erneut als sachverständige Zeugen gehört und den Kläger anschließend auf nervenärztlichem und orthopädischem Gebiet begutachten lassen.
Die Neurologin und Psychiaterin L. hat den Kläger vor dem Hintergrund eines chronischen Schmerzsyndroms nur noch für in der Lage erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten drei bis weniger als sechs Stunden auszuüben. Zusätzlich sei eine mittelschwere reaktive Depression aufgetreten. Der Orthopäde Dr. E. bestätigte seine Leistungseinschätzung mit degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bei segmentaler Instabilität und muskulärer Überbelastung sowie zunehmender Wurzelreizsymptomatik.
Der Neurologe und Psychiater Dr. H. hat in seinem nervenärztlichen Gutachten neurologische Ausfallerscheinungen wie Paresen, Athropien oder auf eine umschriebene Nervenwurzel beziehbare Sensibilitätsstörungen als Folge der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ausgeschlossen. Beschwerden des in der Vorgeschichte diagnostizierten Carpaltunnelsyndroms würden jetzt nicht beklagt. Diesbezüglich ließen sich auch keine funktionellen Leistungseinschränkungen nachweisen. Die beklagte mittellinienbegrenzte Hypästhesie und Hypalgesie der gesamten linken Körperhälfte habe sich nicht auf eine Störung des zentralen oder peripheren Nervensystems beziehen lassen. Eine funktionelle Bedeutung komme ihr somit nicht zu. Weiterhin leide der Kläger an einer leichten depressiven Episode, die sich durch eine insgesamt leicht gedrückte Stimmungslage und eine leichte Verminderung der affektiven Schwingungsfähigkeit äußere, wobei es zwischendurch immer wieder zu einer deutlichen Lockerung gekommen sei. Der Antrieb sei leicht reduziert. Die Kriterien für das Vorliegen einer somatoformen Störung seien hingegen eindeutig nicht erfüllt. Der Kläger könne daher seines Erachtens noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten.
Der Senat hat nach Vertagung der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2009 ein weiteres Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet eingeholt. Dr. D. hat eine leichtgradige Bewegungseinschränkung der HWS bei radiologisch und kernspintomographisch dokumentierten deutlich vermehrten Verschleißerscheinungen im Bewegungssegment C5/C6 und daraus resultierenden Zervikobrachialgien (Ausstrahlen der Schmerzen von der HWS in den linken Arm), eine leichtgradige Beweglichkeitseinschränkung der Brust und der Brustwirbelsäule bei radiologisch dokumentierten altersentsprechenden Verschleißerscheinungen, eine 50 %ige Entfaltbarkeitshemmung der LWS bei radiologisch dokumentierten vermehrten Verschleißerscheinungen in den Bewegungssegmenten L4/5 und L5/S1 ohne derzeitigen Hinweis für sensible oder motorische Nervenwurzelreizerscheinungen seitens lumbaler (die LWS betreffender) Spinalnerven mit rezidivierenden Schmerzen im linken Kreuz-Darmbeingelenk mit pseudo-radikulärerer Schmerzausstrahlung ins linke Bein sowie daraus resultierender endgradig eingeschränkter Beugung in den Hüftgelenken, eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit im linken Schultergelenk bei klinisch bestehender Impingement-Symptomatik, eine endgradig eingeschränkte Beugung in den Kniegelenken, derzeit links stärker ausgeprägt als rechts bei röntgenologisch nachgewiesener deutlich ausgeprägter lateraler Kniegelenksarthrose rechts und beginnender medialer Kniegelenksarthrose links, diagnostiziert. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von regelmäßigem Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 5 kg, Arbeiten in gebückter Zwangshaltung und verbunden mit häufigem Bücken, Überkopfarbeiten sowie in die Hocke gehen verrichten. Der Kläger sei mit dem eigenen Auto zur Untersuchung gefahren und habe berichtet, dass er täglich seinen Hund ausführe und in 20 Minuten etwa einen halben Kilometer schaffe.
Der Kläger hat noch in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2009 einen weiteren Befundbericht von der Neurologin und Psychiaterin L. vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst. Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 61 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften sind nicht erfüllt. Dies hat das SG zutreffend festgestellt. Der Senat weist die Berufung deshalb aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass der Kläger zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, wie sich aus dem Versicherungsverlauf der Beklagten vom 8. Dezember 2004 ergibt. Der Senat ist aber in Auswertung der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme wie auch der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Verwaltungsgutachten der Beklagten und des Rehabilitationsentlassungsberichts davon überzeugt, dass der Kläger noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr unter Beachtung der eingangs dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten kann. Dies hat das SG ausführlich begründet dargestellt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren haben zu keinem anderen Ergebnis geführt. Der Senat stützt sich insoweit auf die eingeholten Gutachten. Dr. H. hat im Wesentlichen auf seinem Fachgebiet eine leichte depressive Episode beschrieben. Diese äußert sich in einer leicht gedrückten Stimmungslage und einer leichten Verminderung der affektiven Schwingungsfähigkeit, wobei es immer wieder zu einer leichten Auflockerung kommt. Die Kriterien für das Vorliegen einer somatoformen Störung sind hingegen nicht eindeutig erfüllt. Der Kläger beklagt allerdings Schmerzen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das linke Bein und den linken Arm. Die beklagte mittellinienbegrenzte Hypästhesie und Hypalgesie der gesamten linken Körperhälfte kann aber nicht auf eine Störung des zentralen oder peripheren Nervensystems zurückgeführt werden. Ihr kommt deswegen keine funktionelle Bedeutung zu. Die Schmerzen können gegenwärtig adäquat mit Schmerzmittel behandelt werden.
Für die Richtigkeit der daraus resultierenden Leistungseinschätzung eines mehr als sechsstündigen Leistungsvermögens spricht auch zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger noch über einen strukturierten Tagesablauf verfügt. Er kann seine Frau noch im Wesentlichen bei Haushaltstätigkeiten unterstützen, kümmert sich auch um das Haustier, pflegt seine Hobbys und Interessen (insbesondere Hunde und Autos) sowie seinen Freundes- und Bekanntenkreis. Auch der Kontakt zum Sohn besteht regelmäßig. Dieses Freizeitverhalten lässt sich mit dem Vorliegen eines vollschichtigen Leistungsvermögens bei Berücksichtigung bestehender qualitativer Leistungseinschränkungen in Einklang bringen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 11. November 2008, L 11 R 3387/08) wird nämlich der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. Ausgehend hiervon kann nicht von einer schwerwiegenden Schmerzerkrankung bei dem Kläger gesprochen werden.
Insofern war für den Senat die abweichende Einschätzung von der Neurologin und Psychiaterin L. nicht überzeugend, die ihrer Beurteilung ein chronisches Schmerzsyndrom angenommen hat, welches aber durch die Begutachtung von Dr. H. nicht belegt werden konnte.
Nichts anderes gilt für die abweichende Einschätzung von Dr. E ... Hiermit hat sich bereits das SG aufgrund der eingeholten Gutachten von Dr. W. und Dr. S. ausführlich auseinander gesetzt. Daraus, dass aus den degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bei segmentaler Instabilität und muskulärer Überlastung keine quantitative Leistungsminderung resultiert, spricht, dass neurologische Ausfallerscheinungen wie Paresen, Atrophien oder auf eine umschriebene Nervenwurzel beziehbare Sensibilitätsstörungen bei der Untersuchung durch Dr. H. nicht nachweisbar waren, auch Beschwerden aufgrund des diagnostizierten Karpaltunnelsyndroms weder beklagt noch Einschränkungen oder Sensibilitätsstörungen nachweisbar waren.
Auch aus dem im Hinblick auf das von Dr. H. geschilderte deutlich hinkende Gangbild linksseitig eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. D. ergibt sich nichts Neues. Es müssen lediglich die Belastungen für die HWS und LWS sowie beider unterer Extremitäten so gering wie möglich gehalten werden. Diesem Umstand kann durch die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkung ausreichend Rechnung getragen werden. Die Richtigkeit der von Dr. D. erhobenen Befunde wird auch dadurch belegt, dass die Muskulatur im Bereich beider Ober- und Unterschenkel sowie im Bereich beider Füße regelrecht kräftig ausgeprägt ist, neurologische Ausfallerscheinungen nicht festgestellt werden konnten, lediglich die Beugung in beiden Kniegelenken endgradig eingeschränkt war, links mehr als rechts. Für das angedeutete Schonhinken links sind die Schmerzen im linken Kniegelenk, die in einer geringfügigen Retropatellararthrose sowie einer Außenmeniskusschädigung begründet sind, ursächlich. Diese schränken den Kläger aber nicht nennenswert ein, welches auch durch die dem Sachverständigen Dr. D. gegenüber geäußerte Freizeitgestaltung belegt wird. Der Kläger ist danach noch in der Lage, regelmäßige Spaziergänge mit dem Hund durchzuführen, die durchaus eine halbe Stunde betragen können, auch kann er noch kürzere Autofahrten unproblematisch bewältigen, was auch durch die gelungene Fahrt zum Sachverständigen in S. belegt wird.
Aus dem neuen Befundbericht von der Neurologin und Psychiaterin L. ergibt sich ebenfalls kein neuer medizinischer Sachverhalt. Der von ihr geäußerte Verdacht auf eine Polyneuropathie hat weder durch die vorangegangenen Untersuchungen von Dr. D. und Dr. H. bestätigt werden können, wobei die Untersuchung bei Dr. D. zeitlich erst später stattgefunden hat und Frau L. selbst äußert, dass nur diskrete Hinweise auf das Krankheitsbild vorlägen. Gleiches gilt für den von ihr geäußerten Verdacht auf ein Restless legs-Syndrom, das noch nicht einmal konkret im neurologischen Befund beschrieben wird, und selbst wenn es vorläge, keinerlei Anhaltspunkte für Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen aufwiese. Denn bei einer Verdachtsdiagnose müssen zunächst weitere diagnostische Maßnahmen durchgeführt, dann therapeutische Optionen ergriffen werden und erst bei einer Therapieresistenz kann - sofern der Zustand länger als sechs Monate andauert - ernsthaft über eine zeitliche Limitierung diskutiert werden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1952 geborene Kläger hat eine Berufsausbildung zum Kfz-Mechaniker absolviert und bis 1974 ausgeübt. Seitdem war er als Fahrer und Lagerarbeiter, zuletzt als Lagerverwalter bis Ende 2001 versicherungspflichtig beschäftigt. Ab November 2000 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und bezog bis zu seiner Aussteuerung im April 2002 Krankengeld. Seit dem 26. April 2002 ist er arbeitslos gemeldet. Vom 25. Oktober 1999 bis 24. Oktober 2004 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezuges von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden (Versicherungsverlauf vom 08.12.2004).
Ein erster im April 2001 bei der Beklagten gestellter Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos (Bescheid vom 05. Dezember 2001, Widerspruchsbescheid vom 22. August 2002). Der Kläger könne bei degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule (HWS und LWS), des linken Schultergelenkes und der Hüft- und Kniegelenke noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich auf dem für ihn maßgeblichen allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Die Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) nahm der Kläger nach weiterer medizinischer Sachverhaltsermittlung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2004 zurück (S 8 RJ 2320/02).
Bereits am 25. Oktober 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut unter Vorlage verschiedener Arztberichte von der Neurologin und Psychiaterin L. (Zustand nach peripherer Fazialisparese links 06/04) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 11. November 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, es liege weder eine teilweise noch volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vor. Gleichzeitig wurde dem Kläger die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme angeboten.
Der Kläger legte Widerspruch ein und führte die Rehabilitationsmaßnahme vom 28. Dezember 2004 bis 18. Januar 2005 in der Reha-Klinik Ü. durch. Er wurde als arbeitsfähig mit den Diagnosen eines chronisch rezidivierenden HWS- und LWS-Syndroms bei degenerativen Veränderungen, muskulärer Dysbalance und Dekonditionierung, einem chronisch sensiblen C7/C6 und S1/L5-Syndrom links sowie einem grenzwertigen metabolischen Syndrom entlassen. Als Lagerarbeiter könne der Kläger nicht mehr arbeiten, da diese Tätigkeit mittelschwer bis schwer gewesen sei. Er könne nur noch körperlich leichte Arbeiten sechs Stunden und mehr bevorzugt im Wechselrhythmus, in allen Schichten, ohne Überkopfarbeit sowie ohne Tätigkeiten in belasteter Rumpfvorhalte verrichten. Der Kläger trug vor, dass die Feststellungen im Entlassungsbericht nicht zutreffend wären, deswegen sei die Leistungsbeurteilung im Wesentlichen unbegründet. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger könne nach dem Entlassungsbericht noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten und sei deswegen nicht erwerbsgemindert. Seinen erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker habe er nicht aus zwingenden gesundheitlichen Gründen aufgegeben, so dass er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.
Mit seiner dagegen am 04. Mai 2005 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Entlassungsbericht gebe seinen gegenwärtigen Gesundheitszustand und den Krankheitsverlauf nicht richtig wieder.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und den Kläger anschließend von Amts wegen fachorthopädisch und auf Antrag und Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) neurochirurgisch/orthopädisch begutachten lassen.
Die Neurologin und Psychiaterin L. hat den Kläger bei chronischen HWS- und LWS-Veränderungen mit einhergehenden Schmerzen und Sensibilitätsstörungen, ohne Hinweis auf motorische Ausfälle, für in der Lage erachtet, sechs Stunden und mehr erwerbstätig zu sein. Der Orthopäde Dr. E. sah den Kläger demgegenüber nur noch in der Lage, drei Stunden am Tag bedingt durch die segmentale Instabilität und die muskuläre Dysbalance mit unter Belastung zunehmender Schmerzsymptomatik arbeiten zu können.
Der gerichtliche Sachverständige, der Orthopäde Dr. W., hat 1. ein chronisches LWS-Syndrom bei Bandscheibenteilaufbrauch L4/5 und L5/S1 ohne periphere Nervenwurzelreizsymptomatik mit leichter Bewegungseinschränkung, 2. ein chronisches HWS-Syndrom mit mäßiger Bewegungseinschränkung bei monosegmentalem Bandscheibenteilaufbrauch HWK5/6, ohne periphere Nervenwurzelreizsymptomatik und 3. Kniegelenksarthrose rechts mit mäßig- bis mittelgradiger Knorpelerweichung, vorwiegend im außenseitigen Gelenksanteil, bei Zustand nach Außenmeniskusoperation 1981, ohne äußere Reizerscheinungen mit geringer Bewegungseinschränkung diagnostiziert. Die nachweisbaren degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule schritten alterstypischen degenerativen Veränderungen nur unwesentlich bis leicht voraus. Darüber hinaus finde sich eindeutig keine manifeste Nervenwurzelreizsymptomatik in Form von Lähmungen oder Reflexauffälligkeiten. Auch die Arthrose des rechten Kniegelenkes sei erst mäßig bis eben mittelgradig ausgeprägt. Der Kläger könne damit insgesamt noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt acht Stunden unter Vermeidung von regelmäßigem Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, Arbeiten in der Vorbeuge oder im Bücken, ganztägigem Stehen oder Gehen, Akkord- und Fließbandarbeiten, Haltungskonstanzen am Bildschirm oder Schreibarbeitsplatz, häufigem Arbeiten im Knien oder in der Hocke, regelmäßigem Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie auf unsicheren Untergrund oder mit erhöhter Sturzgefahr verrichten.
Dieser Leistungsbeurteilung schloss sich auch der nach § 109 SGG angehörte Sachverständige Dr. S. an, der die Diagnosen noch um einen Zustand nach peripherer Fazialisparese links 06/2004, Carpaltunnelsyndrom beidseits, links mehr als rechts, und Verschleißerscheinungen des linken Schultergelenkes mit Reizerscheinungen in der Rotatorenmanschette ergänzte. Auf anderen Fachgebieten lägen noch eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, ein Zustand nach Gelbsucht und Keuchhusten 1955, ein Zustand nach mehrfacher Leistenoperation, eine Allergie auf Haselnuss sowie auf Penicillin, eine Hypercholesterinämie, ein Verdacht auf Hyperurikämie (Gicht) sowie ein grenzwertiges metabolisches Syndrom vor.
Im Hinblick auf die Schilddrüsenerkrankung hat das SG noch zusätzlich Dr. W. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mitgeteilt, dass sich aus der Diagnose keine grundsätzliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit ergebe. Allenfalls kurzfristige Krankheitsphasen könnten durch starke Schmerzen bedingt sein, diese seien aber prinzipiell vorübergehender Natur und einer medikamentösen Behandlung gut zugänglich.
Der Kläger hat zudem noch Bericht über eine am 18. September 2007 in der Orthopädischen Klinik M. gGmbH durchgeführte Meniskusteilresektion am linken Kniegelenk vorgelegt (postoperativ regelrechter Verlauf, Belastung ist nicht limitiert). Die Operation war notwendig geworden, weil sich der Kläger bei einem Sturz auf der Treppe eine Distorsion des linken Kniegelenks zugezogen hatte.
Mit Urteil vom 15. Januar 2008, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 12. Februar 2008, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei in Auswertung der durchgeführten medizinischen Ermittlungen nicht erwerbsgemindert. Seine maßgeblichen Erkrankungen lägen auf orthopädischem Fachgebiet, da er im Wesentlichen durch ein rezidivierendes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom sowie die Kniegelenke eingeschränkt sei. Aufgrund des Wurzelreiz- und Wurzelkompressionssyndroms bestünden zwar Sensibilitätsstörungen, die behandelnde Nervenärztin habe aber keine radikulären motorischen Ausfälle feststellen können. Auch ein Anhalt für eine Reflexabschwächung bestehe nicht. Dies habe die Untersuchung durch Dr. W. bestätigt. Die Entfaltbarkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule liege, wie die durch den Gutachter erhobenen Messwerte nach Ott mit 29/32 cm und Schober mit 9/15 cm zeigten, im Normbereich. Auch die neurologische Untersuchung sei unauffällig gewesen. Die Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten sei nicht eingeschränkt gewesen. Dem Kläger sei sowohl der Schürzenband- als auch der Nackengriff und der Zehenspitzen- und Hackengang jeweils beidseits möglich gewesen. Nur im Bereich des rechten Kniegelenkes sei aufgrund der Arthroseerkrankung eine im Vergleich zu den Normalmaßen leicht eingeschränkte Beweglichkeit festgestellt worden. Ihm sei die Streckung/Beugung lediglich bis zu 125° im Vergleich zum Normalmaß von 140 bis 150° möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund sei die Leistungseinschätzung des Sachverständigen nachvollziehbar. Diese sei auch im Wesentlichen durch Dr. S. bestätigt worden. Die weiteren Diagnosen bedingten lediglich, dass der Kläger keine Tätigkeiten mit dauerhafter Belastung der Hände und Finger sowie Vor- und Überkopfarbeiten verrichten könne. Eine quantitative Leistungseinschränkung werde hingegen nicht begründet. Auch aus der in der Klinik M. durchgeführten Operation ergebe sich nichts anderes. Man habe den Kläger nach der Operation zügig an Unterarmgehstützen wieder mobilisieren können. Bereits bei der Entlassung habe der Bewegungsumfang des operierten Kniegelenkes bei 0-0-100° gelegen. Die Belastung sei nicht limitiert gewesen. Es sei ihm empfohlen worden, nach der ersten postoperativen Woche die Unterarmgehstützen wieder abzutrainieren. Schließlich führe auch die Schilddrüsenerkrankung zu keiner anderen Wertung, wie die Befragung von Dr. W. ergeben habe. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig, denn er könne sozial zumutbar auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden. Er habe zwar den erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker bis 1974 ausgeübt, habe sich von diesem jedoch nicht aus gesundheitlichen Gründen gelöst und sei somit aufgrund seines zuletzt ausgeübten Berufs als Lagerarbeiter als ungelernter Arbeiter einzustufen.
Mit seiner dagegen am 28. Februar 2008 eingelegten Berufung hat der Kläger geltend gemacht, die Stellungnahme seines Arztes Dr. E. sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Er müsse sich nunmehr einer antidepressiven Therapie unterziehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Januar 2008 sowie den Bescheid vom 11. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 19. Januar 2005 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und ab 01. Mai 2005 eine zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat eine ärztliche Stellungnahme von Dr. J. vorgelegt.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Neurologin und Psychiaterin L. sowie Dr. E. erneut als sachverständige Zeugen gehört und den Kläger anschließend auf nervenärztlichem und orthopädischem Gebiet begutachten lassen.
Die Neurologin und Psychiaterin L. hat den Kläger vor dem Hintergrund eines chronischen Schmerzsyndroms nur noch für in der Lage erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten drei bis weniger als sechs Stunden auszuüben. Zusätzlich sei eine mittelschwere reaktive Depression aufgetreten. Der Orthopäde Dr. E. bestätigte seine Leistungseinschätzung mit degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bei segmentaler Instabilität und muskulärer Überbelastung sowie zunehmender Wurzelreizsymptomatik.
Der Neurologe und Psychiater Dr. H. hat in seinem nervenärztlichen Gutachten neurologische Ausfallerscheinungen wie Paresen, Athropien oder auf eine umschriebene Nervenwurzel beziehbare Sensibilitätsstörungen als Folge der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ausgeschlossen. Beschwerden des in der Vorgeschichte diagnostizierten Carpaltunnelsyndroms würden jetzt nicht beklagt. Diesbezüglich ließen sich auch keine funktionellen Leistungseinschränkungen nachweisen. Die beklagte mittellinienbegrenzte Hypästhesie und Hypalgesie der gesamten linken Körperhälfte habe sich nicht auf eine Störung des zentralen oder peripheren Nervensystems beziehen lassen. Eine funktionelle Bedeutung komme ihr somit nicht zu. Weiterhin leide der Kläger an einer leichten depressiven Episode, die sich durch eine insgesamt leicht gedrückte Stimmungslage und eine leichte Verminderung der affektiven Schwingungsfähigkeit äußere, wobei es zwischendurch immer wieder zu einer deutlichen Lockerung gekommen sei. Der Antrieb sei leicht reduziert. Die Kriterien für das Vorliegen einer somatoformen Störung seien hingegen eindeutig nicht erfüllt. Der Kläger könne daher seines Erachtens noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten.
Der Senat hat nach Vertagung der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2009 ein weiteres Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet eingeholt. Dr. D. hat eine leichtgradige Bewegungseinschränkung der HWS bei radiologisch und kernspintomographisch dokumentierten deutlich vermehrten Verschleißerscheinungen im Bewegungssegment C5/C6 und daraus resultierenden Zervikobrachialgien (Ausstrahlen der Schmerzen von der HWS in den linken Arm), eine leichtgradige Beweglichkeitseinschränkung der Brust und der Brustwirbelsäule bei radiologisch dokumentierten altersentsprechenden Verschleißerscheinungen, eine 50 %ige Entfaltbarkeitshemmung der LWS bei radiologisch dokumentierten vermehrten Verschleißerscheinungen in den Bewegungssegmenten L4/5 und L5/S1 ohne derzeitigen Hinweis für sensible oder motorische Nervenwurzelreizerscheinungen seitens lumbaler (die LWS betreffender) Spinalnerven mit rezidivierenden Schmerzen im linken Kreuz-Darmbeingelenk mit pseudo-radikulärerer Schmerzausstrahlung ins linke Bein sowie daraus resultierender endgradig eingeschränkter Beugung in den Hüftgelenken, eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit im linken Schultergelenk bei klinisch bestehender Impingement-Symptomatik, eine endgradig eingeschränkte Beugung in den Kniegelenken, derzeit links stärker ausgeprägt als rechts bei röntgenologisch nachgewiesener deutlich ausgeprägter lateraler Kniegelenksarthrose rechts und beginnender medialer Kniegelenksarthrose links, diagnostiziert. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von regelmäßigem Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 5 kg, Arbeiten in gebückter Zwangshaltung und verbunden mit häufigem Bücken, Überkopfarbeiten sowie in die Hocke gehen verrichten. Der Kläger sei mit dem eigenen Auto zur Untersuchung gefahren und habe berichtet, dass er täglich seinen Hund ausführe und in 20 Minuten etwa einen halben Kilometer schaffe.
Der Kläger hat noch in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2009 einen weiteren Befundbericht von der Neurologin und Psychiaterin L. vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst. Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 61 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften sind nicht erfüllt. Dies hat das SG zutreffend festgestellt. Der Senat weist die Berufung deshalb aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass der Kläger zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, wie sich aus dem Versicherungsverlauf der Beklagten vom 8. Dezember 2004 ergibt. Der Senat ist aber in Auswertung der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme wie auch der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Verwaltungsgutachten der Beklagten und des Rehabilitationsentlassungsberichts davon überzeugt, dass der Kläger noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr unter Beachtung der eingangs dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten kann. Dies hat das SG ausführlich begründet dargestellt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren haben zu keinem anderen Ergebnis geführt. Der Senat stützt sich insoweit auf die eingeholten Gutachten. Dr. H. hat im Wesentlichen auf seinem Fachgebiet eine leichte depressive Episode beschrieben. Diese äußert sich in einer leicht gedrückten Stimmungslage und einer leichten Verminderung der affektiven Schwingungsfähigkeit, wobei es immer wieder zu einer leichten Auflockerung kommt. Die Kriterien für das Vorliegen einer somatoformen Störung sind hingegen nicht eindeutig erfüllt. Der Kläger beklagt allerdings Schmerzen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das linke Bein und den linken Arm. Die beklagte mittellinienbegrenzte Hypästhesie und Hypalgesie der gesamten linken Körperhälfte kann aber nicht auf eine Störung des zentralen oder peripheren Nervensystems zurückgeführt werden. Ihr kommt deswegen keine funktionelle Bedeutung zu. Die Schmerzen können gegenwärtig adäquat mit Schmerzmittel behandelt werden.
Für die Richtigkeit der daraus resultierenden Leistungseinschätzung eines mehr als sechsstündigen Leistungsvermögens spricht auch zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger noch über einen strukturierten Tagesablauf verfügt. Er kann seine Frau noch im Wesentlichen bei Haushaltstätigkeiten unterstützen, kümmert sich auch um das Haustier, pflegt seine Hobbys und Interessen (insbesondere Hunde und Autos) sowie seinen Freundes- und Bekanntenkreis. Auch der Kontakt zum Sohn besteht regelmäßig. Dieses Freizeitverhalten lässt sich mit dem Vorliegen eines vollschichtigen Leistungsvermögens bei Berücksichtigung bestehender qualitativer Leistungseinschränkungen in Einklang bringen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 11. November 2008, L 11 R 3387/08) wird nämlich der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. Ausgehend hiervon kann nicht von einer schwerwiegenden Schmerzerkrankung bei dem Kläger gesprochen werden.
Insofern war für den Senat die abweichende Einschätzung von der Neurologin und Psychiaterin L. nicht überzeugend, die ihrer Beurteilung ein chronisches Schmerzsyndrom angenommen hat, welches aber durch die Begutachtung von Dr. H. nicht belegt werden konnte.
Nichts anderes gilt für die abweichende Einschätzung von Dr. E ... Hiermit hat sich bereits das SG aufgrund der eingeholten Gutachten von Dr. W. und Dr. S. ausführlich auseinander gesetzt. Daraus, dass aus den degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bei segmentaler Instabilität und muskulärer Überlastung keine quantitative Leistungsminderung resultiert, spricht, dass neurologische Ausfallerscheinungen wie Paresen, Atrophien oder auf eine umschriebene Nervenwurzel beziehbare Sensibilitätsstörungen bei der Untersuchung durch Dr. H. nicht nachweisbar waren, auch Beschwerden aufgrund des diagnostizierten Karpaltunnelsyndroms weder beklagt noch Einschränkungen oder Sensibilitätsstörungen nachweisbar waren.
Auch aus dem im Hinblick auf das von Dr. H. geschilderte deutlich hinkende Gangbild linksseitig eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. D. ergibt sich nichts Neues. Es müssen lediglich die Belastungen für die HWS und LWS sowie beider unterer Extremitäten so gering wie möglich gehalten werden. Diesem Umstand kann durch die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkung ausreichend Rechnung getragen werden. Die Richtigkeit der von Dr. D. erhobenen Befunde wird auch dadurch belegt, dass die Muskulatur im Bereich beider Ober- und Unterschenkel sowie im Bereich beider Füße regelrecht kräftig ausgeprägt ist, neurologische Ausfallerscheinungen nicht festgestellt werden konnten, lediglich die Beugung in beiden Kniegelenken endgradig eingeschränkt war, links mehr als rechts. Für das angedeutete Schonhinken links sind die Schmerzen im linken Kniegelenk, die in einer geringfügigen Retropatellararthrose sowie einer Außenmeniskusschädigung begründet sind, ursächlich. Diese schränken den Kläger aber nicht nennenswert ein, welches auch durch die dem Sachverständigen Dr. D. gegenüber geäußerte Freizeitgestaltung belegt wird. Der Kläger ist danach noch in der Lage, regelmäßige Spaziergänge mit dem Hund durchzuführen, die durchaus eine halbe Stunde betragen können, auch kann er noch kürzere Autofahrten unproblematisch bewältigen, was auch durch die gelungene Fahrt zum Sachverständigen in S. belegt wird.
Aus dem neuen Befundbericht von der Neurologin und Psychiaterin L. ergibt sich ebenfalls kein neuer medizinischer Sachverhalt. Der von ihr geäußerte Verdacht auf eine Polyneuropathie hat weder durch die vorangegangenen Untersuchungen von Dr. D. und Dr. H. bestätigt werden können, wobei die Untersuchung bei Dr. D. zeitlich erst später stattgefunden hat und Frau L. selbst äußert, dass nur diskrete Hinweise auf das Krankheitsbild vorlägen. Gleiches gilt für den von ihr geäußerten Verdacht auf ein Restless legs-Syndrom, das noch nicht einmal konkret im neurologischen Befund beschrieben wird, und selbst wenn es vorläge, keinerlei Anhaltspunkte für Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen aufwiese. Denn bei einer Verdachtsdiagnose müssen zunächst weitere diagnostische Maßnahmen durchgeführt, dann therapeutische Optionen ergriffen werden und erst bei einer Therapieresistenz kann - sofern der Zustand länger als sechs Monate andauert - ernsthaft über eine zeitliche Limitierung diskutiert werden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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