L 6 U 1307/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1278/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1307/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob als Folge des vom Kläger am 8. November 1991 erlittenen Arbeitsunfalls weitere Gesundheitsstörungen festzustellen sind und dem Kläger deshalb Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 vom Hundert (v.H.) zu gewähren ist.

Der 1947 geborene Kläger wurde am 8. November 1991 gegen 11.00 Uhr im Rahmen seiner Außendiensttätigkeit für die H. GmbH in einen Verkehrsunfall verwickelt, als er als Fahrzeugführer nach links abbiegen wollte und ein von hinten herannahender PKW, der ihn überholen wollte, mit seinem Fahrzeug zusammenstieß.

Ausweislich des Durchgangsarztberichts des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. A. vom 8. November 1991 stellte sich der Kläger am Unfalltag um 17.50 Uhr vor. Dr. A. fand bei seiner Untersuchung im Bereich des Schädels und der Halswirbelsäule (HWS) keinen Kalottenklopfschmerz, keine Hirnnervenausfälle, jedoch an der HWS einen deutlichen Druckschmerz der rechten, geringer auch der linken Seite, eine deutliche Verspannung der cervicalen und der Schultergürtelmuskulatur sowie eine endgradige Beweglichkeitseinschränkung des Kopfes in alle Richtungen. Im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) fand er einen deutlichen Druck- und Klopfschmerz der oberen LWS vor allem in Projektion auf den zweiten Lendenwirbel sowie eine Verspannung der paralumbalen Muskulatur. Die Röntgenuntersuchungen von HWS und LWS erbrachten keine Hinweise auf eine Fraktur oder Subluxation. Dr. A. diagnostizierte eine Distorsion der HWS, eine Prellung der LWS sowie weitere Prellungen und Schürfungen (Ellenbogen rechts, linker Unterschenkel). In seinem Arztbrief an Dr. A. berichtete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. unter dem 6. Dezember 1991 von der Wiedervorstellung des Klägers an diesem Tag, wobei er angegeben habe, die Beschwerden von Seiten des Schleudertraumas im HWS-Bereich hätten allmählich nachgelassen, anhaltend bestünden jedoch Kopfschmerzen in Form eines Druckgefühls; auch könne er sich seit dem Unfall schlechter konzentrieren. Er berichtete dann von der durchgeführten neurologischen Untersuchung, bei der er eine relativ gute HWS-Beweglichkeit, wobei die Antiflexion noch endgradig schmerzhaft gewesen sei, sowie einen Kalottenklopfschmerz rechts-occipital und temporal erhoben habe. Die Hirnnervenfunktionen seien regelrecht und der Reflexstatus - abgesehen von einer Abschwächung des ASR beidseits - unauffällig gewesen. Er verneinte das Vorliegen pathologischer Reflexe und latenter Paresen oder sensibler Ausfallserscheinungen; auch die Koordination sei intakt gewesen. Insgesamt ging er noch von Kopfschmerzen nach einem HWS-Schleudertrauma aus, wobei sich beim Fehlen einer initialen Bewusstseinsstörung und äußerer Schädelverletzung kein Anhalt für eine Commotio cerebri ergeben habe. In einem Postscrptum wurde ausgeführt, bei der Wiedervorstellung am 9. Dezember 1991 habe der Kläger über eine Besserung der Kopfschmerzen berichtet, nunmehr jedoch über ein vermehrtes Ziehen im unteren HWS- und mittleren BWS-Bereich. Hierfür ergebe sich keine cerebral- oder spinalneurologische Erklärung. Die Beschwerden deutete er als spannungsbedingt und von der HWS-Distorsion rührend. In seinem Nachschaubericht vom 9. Juli 1992 berichtete Dr. A., dass die Behandlung des Klägers am 10. März 1992 habe abgeschlossen werden können, allerdings seit dem Unfall ein Ohrgeräusch rechts (Tinnitus) bestehe und deshalb eine Hals-Nasen-Ohren (HNO)-ärztliche Vorstellung bei den Dres. B. und Sch. erfolgt sei. Trotz der dort durchgeführten Maßnahmen habe sich der Tinnitus nicht beeinflussen lassen. Seines Erachtens stehe außer Zweifel, dass dieser im Zusammenhang mit dem Unfall vom 8. November 1991 stehe, da zuvor niemals Ohrgeräusche bestanden hätten. Seitens der im Übrigen verletzten Körperteile bestehe derzeit Beschwerdefreiheit, so dass von chirurgisch-unfallchirurgischer Seite keine besonderen Maßnahmen erforderlich seien. Mit dem Kläger sei besprochen worden, dass er sich wegen der Durchführung der vorgeschlagenen therapeutischen Maßnahmen wieder mit den erwähnten HNO-Ärzten in Verbindung setzen möge, wenn er den Tinnitus als sehr lästig empfinde. Im weiteren Nachschaubericht vom 28. Oktober 1992 berichtete Dr. A. vom Fortbestehen der Ohrgeräusche trotz hno-fachärztlicher Behandlung weshalb jetzt noch eine Infusionstherapie und eventuell eine Therapie mit hyperbarer Oxygenierung vorgesehen sei.

Mit Schreiben vom 14. November 1994 wandte sich der Kläger an die Beklagte, bezog sich auf die Unfallanzeige seines Arbeitgebers und übersandte den an den G. Konzern gerichteten Arztbrief der Dres. B. und Sch. vom 23. September 1992 und machte geltend, als Folge des Unfalls vom 8. November 1991 sei ein permanentes Ohrgeräusch zurückgeblieben. Er mache hiermit seine Ansprüche geltend und bat um Mitteilung, in welcher Höhe ihm Unfallrente zustehe. Die Beklagte veranlasste sodann das hno-ärztliche Gutachten des Dr. d. V. vom 19. Dezember 1994, der anlässlich seiner Untersuchungen einen Hochtonabfall ohne Hörminderung beidseits sowie einen Tinnitus rechts diagnostizierte und dies durch den Unfall verursacht ansah. Der Kläger könne seinen Beruf ohne Ausfälle und Verdiensteinbußen ausüben, jedoch werde der Tinnitus als psychisch belastend geschildert, weshalb vorgeschlagen werde, eine MdE um 10 v.H. anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 13. Januar 1995 erkannte die Beklagte den Unfall vom 8. November 1991 als Arbeitsunfall an, verneinte jedoch einen Anspruch auf Rente wegen der Unfallfolgen. Als Unfallfolgen anerkannte sie einen Hochtonabfall ohne bleibende Hörminderung beidseits sowie ein dauerndes Ohrgeräusch rechtsseitig. Die Unfallfolgen begründeten keine MdE in einem rentenberechtigenden Grade. Der dagegen vom Kläger ohne Begründung eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 1995 zurückgewiesen.

Die dagegen beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage S 3 U 803/95 begründete der Kläger damit, dass er monatelang wahnsinnige Kopfschmerzen gehabt habe, die sich nach und nach verloren hätten. In gleichem Maße wie die Kopfschmerzen weggegangen seien, sei das Ohrgeräusch zum Tragen gekommen. Hierdurch sei er unheimlich beeinträchtigt. Auf Grund des Unfalls leide er auch heute noch unter Halsschmerzen, Schmerzen im Bereich der HWS und des Rückens. Das SG hörte Dr. A. unter dem 26. Mai 1995 schriftlich als sachverständigen Zeugen, der berichtete, den Kläger letztmals anlässlich einer Nachschau am 28. Oktober 1992 gesehen zu haben. Seinerzeit habe der Kläger über einen anhaltenden Tinnitus berichtet und sei deshalb wiederum an den HNO-Arzt überwiesen worden. Bei der zuvor erfolgten Nachschau am 9. Juli 1992 habe der Kläger lediglich über den Tinnitus geklagt, Schmerzen seitens der Wirbelsäule jedoch nicht mehr vorgebracht. Der ebenfalls schriftlich als sachverständiger Zeuge gehörte Dr. B. teilte unter dem 6. Juni 1995 mit, den Kläger letztmals am 25. März 1994 gesehen zu haben, wobei dieser weiterhin unverändert über das Ohrgeräusch geklagt habe. Das Ohrgeräusch sei als Unfallfolge anzusehen und durch das Gutachten des Dr. d. V. zutreffend mit einer MdE um 10 v.H. bewertet worden. Der Internist Dr. Sch., der unter dem 20. Juni 1995 schriftlich als sachverständiger Zeuge gehört worden war, berichtete von einer Konsultation des Klägers am 23. November 1993, bei der er über Schmerzen im Bereich der HWS und des Brustkorbs sowie über Verspannungsbeschwerden im Bereich des Schultergürtels beidseits geklagt habe. Über einen vorausgegangen Unfall habe er nicht berichtet. Hinsichtlich der Brustkorbbeschwerden sei von Seiten des Herz-Kreislauf-Systems eine Ursache ausgeschlossen worden. Wegen wohl haltungsbedingter und möglicherweise degenerativ bedingter Beschwerden habe er eine krankengymnastische Übungsbehandlung empfohlen und wegen der anhaltenden Beschwerdesymptomatik ein leichtes Analgetikum und muskelentspannendes Medikament verordnet. Nach einer weiteren Vorstellung am 26. Januar 1994 habe der Kläger anlässlich der letzten Konsultation am 19. Mai 1995 über multiple Beschwerden (anhaltende Schmerzzustände im Bereich der HWS mit Ausstrahlung in beide Arme, Oberbauchbeschwerden mit Reflux, Stressbelastung, Symptome eines analen Ekzems) geklagt. Die angebotene eingehende internistische Untersuchung habe der Kläger nicht in Anspruch genommen. Eindeutige Aussagen zu einem kausalen Zusammenhang der Beschwerdesymptomatik mit dem Unfall könne er wegen der seltenen Konsultationen und der bisher nicht durchgeführten weiteren Diagnostik und Therapie nicht machen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. teilte im Rahmen seiner schriftlichen Auskunft als sachverständiger Zeuge unter dem 24. Juni 1996 mit, der Kläger habe sich erstmals 1990 bei ihm vorgestellt, nachdem der damalige Hausarzt ihm wohl aufgrund einer Überforderungssituation zu einer Verhaltenstherapie geraten habe. Eine erneute Vorstellung habe dann am 10. Januar 1996 stattgefunden. Als psychiatrischen Befund teilte Dr. S. mit, der Kläger sei durch den Tinnitus erheblich belastet und in seiner Lebensqualität deutlich beeinträchtigt. Er sei rational betont, leistungsorientiert und weise eine depressive Grundstimmung auf. Seiner Beurteilung nach liege im Rahmen eines chronischen Tinnitus eine deutliche Anpassungsstörung vor. Nach Einholung des hno-ärztlichen Gutachtens der Dr. B.-Z. vom 11. November 1997, die als Folge des Unfalls einen Tinnitus rechts sowie einen Schwankschwindel unter Belastungssituationen beschrieb, woraus eine MdE um mindestens 15 v.H. seit November 1994 resultiere, wies das SG die Klage mit Urteil vom 27. Januar 1998 ab. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren (L 2 U 688/98) äußerte sich Dr. B.-Z. ergänzend unter dem 21. April 1998 dahingehend, dass sie die unfallbedingte MdE auf hno-ärztlichem Gebiet mit 15 v.H. bewerte und zur Klärung der psychischen Beeinträchtigungssituation die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens eingeholt werden sollte. Der daraufhin mit einer Begutachtung beauftragte Dr. K., Ärztlicher Direktor im Psychiatrischen Landeskrankenhaus Z., diagnostizierte in seinem Gutachten vom 20. Juli 1998 keine Störung auf psychiatrischem Fachgebiet von Krankheitswert. Soweit der Kläger anlässlich der gutachtlichen Untersuchung neben dem seit dem Arbeitsunfall bestehenden dA.nden Ohrgeräusch von verschiedenen Veränderungen in seiner beruflichen Situation und in seinem Freizeitverhalten berichtet habe, was er, der Kläger, auf den unfallbedingten Tinnitus zurückführe, könnten diese Erscheinungen mit gleicher Wahrscheinlichkeit auch auf die Zunahme der beruflichen Arbeitsbelastung zurückgeführt werden. Da eine psychische Störung des Klägers nicht vorliege, seien die geäußerten Beschwerden einerseits Folge einer beruflichen Mehrbelastung sowie der biologischen Alterung und andererseits direkte Folge der Beeinträchtigung durch den hno-ärztlich zu beurteilenden Tinnitus. Es finde sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anpassungsstörung im Sinne einer längeren depressiven Reaktion. Soweit sechseinhalb Jahre nach dem Unfall überhaupt nachvollziehbar, habe eine solche psychiatrische Störung zu keinem Zeitpunkt bestanden. Der Kläger sei vielmehr seiner Arbeit kontinuierlich nachgegangen. Die deutlichere Beeinträchtigung durch den Tinnitus sei wahrscheinlich persönlichkeitsbedingt. Mit Urteil vom 14. Oktober 1998 wies das LSG die Berufung des Klägers zurück. Die dagegen beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (B 2 U 293/98 B) wurde mit Beschluss vom 25. Februar 1999 als unzulässig verworfen.

Mit Schreiben vom 12. Februar 2002 wandte sich der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. mit dem Antrag an die Beklagte, die Kosten der dringend für erforderlich erachteten stationären Behandlung des Klägers in der Tinnitus-Klinik in Bad A. (Tinnitus-Klinik) zu übernehmen. Beigefügt war dessen Anmeldung in der genannten Klinik, in der als Diagnosen Tinnitus sowie Anpassungsstörung aufgeführt sind. Die vom 28. Mai bis 9. Juli 2002 durchgeführte stationäre Behandlung erfolgte ausweislich des Entlassungsberichts vom 5. August 2002 u.a. unter den Diagnosen eines chronisch komplexen, dekompensierten Tinnitusleidens sowie einer depressiven Episode mit erheblicher Erschöpfungssymptomatik, wobei sich ausweislich des Befundberichts zum Verlängerungsantrag (ohne Datum) zwischenzeitlich der Verdacht auf eine Panikstörung ergeben hatte. Nach den Ausführungen in dem erwähnten Entlassungsbericht konnte beim Kläger durch die Behandlung eine veränderte Tinnitusakzeptanz erreicht werden, ebenso ein Rückgang der depressiven Symptomatik und der Erschöpfung. Während sich die Qualität des Schlafes zunächst verbessert habe, sei es parallel mit den während des Aufenthalts aufgetretenen Herzrhythmusstörungen und der damit verbundenen inneren Unruhe des Klägers erneut zu Durchschlafstörungen gekommen. Da zwar ein verbesserter Umgang mit den Ängsten habe erreicht werden können, diese jedoch mit den Herzrhythmusstörungen immer wieder aufträten, wurde die Weiterbehandlung im Rahmen einer ambulanten Psychotherapie empfohlen. Eine poststationäre Krankschreibung wurde bis einschließlich 16. Juli 2002 empfohlen.

Da der Kläger seine berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnahm, vielmehr durch den Hausarzt Dr. Sch. weiterhin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde, wandte sich die Beklagte zur Klärung der Frage, ob die Arbeitsunfähigkeit unfallbedingt sei, u. a. an diesen, der unter dem 3. September 2002 ausführte, das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit sei weiter durch die anerkannten Unfallfolgen bedingt, werde jedoch zusätzlich überlagert durch eine nicht adäquate Krankheitsverarbeitung mit zusätzlicher depressiver Symptomatik. Bedingt durch das komplexe Krankheitsbild, überlagert durch eine reaktive depressive Verstimmung mit chronischer Erschöpfungssymptomatik fühle sich der Kläger weiterhin nicht in der Lage, seiner bisherigen Tätigkeit nachzugehen.

Zur Prüfung der Frage, ob die nach Abschluss der stationären Behandlung in der Tinnitus-Klinik bestehende Arbeitsunfähigkeit in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfall vom 8. November 1991 stehe, veranlasste die Beklagte das Gutachten des Prof. Dr. St. vom 11. Februar 2003, der das psychologische Zusatzgutachten der Dipl.-Psych. A. vom 14. Februar 2003 berücksichtigte. Von Seiten des psychiatrischen Fachgebietes ging Prof. Dr. St. von einer Panikstörung aus, die sich unfallunabhänig 1999 manifestiert habe, möglicherweise ausgelöst durch die tatsächlich vorliegende Herzrhythmusstörung, bei der es zu unvorhersehbaren Attacken plötzlichen Herzrasens mit dem subjektiven Gefühl der vitalen Gefährdung komme. Darüber hinaus bestünden depressive Symptome, die jedoch nicht das Ausmaß einer depressiven Episode nach den diagnostischen Kriterien des DSM IV erreichten. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der geringfügigen HWS-Distorsion und der beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit und dem rechtsseitigen Ohrgeräusch sah der Gutachter nicht. Dagegen spreche die unzureichende Gewalteinwirkung auf die HWS, das Fehlen entsprechender Initialbefunde, das beidseitige Vorliegen der Störung und schließlich der Umstand, dass diese erstmals sechs Monate nach dem Unfallereignis aufgetreten seien. Gegen die Einschätzung des Prof. Dr. St. in seinem dem Kläger sodann zur Kenntnis gegebenen Gutachten wandte der Kläger ein, nicht nur der Tinnitus sei - wie von Beklagtenseite auch anerkannt - Unfallfolge, vielmehr habe sich dadurch auch ein chronischer psychischer Erschöpfungszustand entwickelt und mittelbar durch den entsprechenden Stressfaktor auch die Herzrhythmusstörungen. Da Prof. Dr. St. schon den Tinnitus nicht als Unfallfolge sehe, sei in erster Linie dieser Unfallzusammenhang abzuklären.

Am 25. Juni 2003 beantragte der Kläger wegen einer Verschlimmerung der Unfallfolgen als weitere Unfallfolgen eine reaktive depressive Störung, einen Schwankschwindel sowie eine Belastungssituation anzuerkennen. Die Beklagte veranlasste sodann das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. Sch., Ärztlicher Leiter im Bereich Psychotherapie der Kliniken Sch. in K., vom 3. Februar 2004. Dieser diagnostizierte einen chronischen Tinnitus rechts, Anteile einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsreaktion, einen arteriellen Hypertonus sowie einen Zustand nach Angststörung mit Panikattacken, HWS-Schleudertrauma und LWS-Prellung. Er führte aus, eine neurologisch fassbare unfallbedingte Schädigung, die den Tinnitus verursachen könne, liege nicht vor. Auch psychische Folgeerkrankungen des Tinnitus hätten zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht bestanden; ein klinisch relevantes depressives Syndrom habe nicht vorgelegen. Von psychiatrischer Seite sei die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung unmittelbar kausal auf das Unfallerlebnis zurückzuführen. Die Angststörung mit Panikattacken, die 2002/2003 zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit geführt habe, sei als unfall-unabhängig zu betrachten, ebenso der arterielle Hypertonus. Eine MdE durch neurologische Unfallfolgen bestehe nicht. Die MdE durch die residualen Symptome im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung liege aktuell nicht über 10 v.H. In dem darüber hinaus von der Beklagten eingeholten HNO-ärztlichen Gutachten vom 13. April 2004 kam Prof. Dr. J., Leiter der Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie der Universitäts-HNO-Klinik U., zu der Beurteilung, dass allein der Tinnitus rechts Folge des Unfalls vom 8. November 1991 sei, dieser jedoch nicht als Ursache der weiteren Folgestörungen anzusehen sei. Dies werde dadurch gestützt, dass der Tinnitus mit schon 5 bis 10 dB über der subjektiven Schwelle vertäubbar und demnach relativ geringgradig ausgeprägt sei, die Behandlung der Ohrgeräusche im Folgejahr nach dem Unfall völlig inkonsequent durchgeführt worden sei und der Kläger bis 1999 keine weiteren Bemühungen nach spezifischer Behandlung unternommen habe. Demgegenüber habe der Kläger bereits im Jahr 1990 eine Überforderungssymptomatik gezeigt und den ärztlichen Rat erhalten, eine Verhaltenstherapie aufzunehmen. Es sei hinreichend belegt, dass die anerkannten Unfallfolgen überlagert würden durch eine nicht adäquate Krankheitsverarbeitung mit zusätzlicher depressiver Symptomatik und reduzierter psychophysischer Belastbarkeit, wobei zusätzlich eine Herzkreislauferkrankung aufgetreten sei. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass diese Veränderungen Folgen des Tinnitus seien. Die MdE für die anerkannten Unfallfolgen sei angemessen mit 10 v.H. bewertet. Die Beklagte holte noch die beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie B. vom 8. April 2004 ein, der sich den Beurteilungen des Prof. Dr. St. und des Prof. Dr. J. anschloss und weiter ausführte, die im Gutachten des Dr. Sch. gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsreaktion lasse sich nicht aufrecht erhalten, da als auslösende Faktoren Ereignisse von katastrophenähnlichem Ausmaß gefordert würden, bei dem Unfall vom 8. November 1991 dieses Kriterium jedoch sicher nicht erfüllt sei. Demgegenüber könne die in dem angesprochenen Gutachten beschriebene Symptomatik am ehesten einer depressiven Anpassungsstörung zugeordnet werden. Eine zusätzliche unfallbedingte MdE resultiere hieraus jedoch nicht.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2004 lehnte es die Beklagte ab, aus Anlass des Unfalls vom 8. November 1991 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Eine wesentliche Änderung der mit Bescheid vom 13. Januar 1995 anerkannten Unfallfolgen sei nicht eingetreten, so dass auch weiterhin kein Anspruch auf eine Rente bestehe. Anerkannt seien als Unfallfolgen ein Hochtonabfall ohne bleibende Hörminderung beiderseits, ein dauerndes Ohrgeräusch am rechten Ohr sowie eine leichte depressive Anpassungsstörung. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger im Wesentlichen geltend, neben dem Tinnitus sei eine posttraumatische Belastungsstörung mit einer MdE um mindestens 10 v.H. anzuerkennen, so dass eine Verletztenrente zu gewähren sei. Die Beklagte holte zur Frage von Widersprüchen im Gutachten des Dr. Sch. dessen ergänzende Stellungnahme vom 11. September 2004 ein. Darin führte er aus, dass beim Kläger nicht alle, jedoch eine nennenswerte Anzahl der für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung notwendigen diagnostischen Kriterien erfüllt seien. Das Vollbild der posttraumatischen Belastungssituation sei mangels Vermeidungsverhalten jedoch nicht ausgeprägt, weshalb ausdrücklich nur von Anteilen einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung gesprochen worden sei. Diesem Umstand sei bei dem vorhandenen Beschwerdebild mit geringgradiger Ausprägung dadurch Rechnung getragen worden, dass eine MdE im rentenberechtigenden Ausmaß verneint worden sei. Die Bewertung des Beschwerdebildes als depressive Anpassungsstörung sei seines Erachtens unzutreffend, da dieses beim Kläger weder durch eine ausschließlich depressive Symptomatik charakterisiert sei, noch sich eine identifizierbare länger anhaltende Belastungssituation finde. Auch überschreite die klar abgrenzbare Symptomatik den angegebenen Zeitraum von zwei Jahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 22. April 2005 beim SG Klage, machte die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsreaktion, von Schwindelerscheinungen, seiner Psoriasiserkrankung und Herzrhythmusstörungen als weitere Unfallfolgen geltend sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 20 v.H. Er legte die an seinen Bevollmächtigten gerichteten Ausführungen des psychologischen Psychotherapeuten Dr. F. vom 22. Juni 2005 vor, bei dem er von Februar 2003 bis Februar 2005 in psychotherapeutischer Behandlung stand. Darin ist ausgeführt, dass bei ihm sowohl eine affektive Störung als auch eine Angststörung sekundär zur posttraumatischen Belastungsstörung aufgetreten sei, zu denen es seiner Einschätzung nach ohne Traumatisierung durch den Unfall und deren Folgen nicht gekommen wäre. Es erscheine ihm auch wahrscheinlich, dass es sowohl durch die Konfrontation mit Hinweisreizen bezüglich des Unfalls als auch durch das anhaltende Hyperarousal immer wieder zu Herzklopfen, Herzjagen bzw. unregelmäßigem Herzrhythmus gekommen sei, was der Kläger subjektiv als gefährlich gewertet und zu einem Aufschaukelungsprozess geführt habe, der in Panikattacken gemündet sei. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes mit dem Hinweis entgegen, durch die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten sei nachvollziehbar belegt, dass die bei dem Kläger bestehende Angststörung mit Panikattacken vermutlich durch die anlagebedingt vorliegenden Herzrhythmusstörungen ausgelöst worden seien. Diese Angststörung sei unfallunabhängig. Dahingestellt bleiben könne, ob es sich bei der festgestellten Fehlverarbeitung des Unfallereignisses um Anteile einer posttraumatischen Belastungsstörung handle oder um eine Anpassungsstörung. Denn ein solches Beschwerdebild sei weder früher noch bei der jetzt durchgeführten Untersuchung von klinischer und sozialmedizinischer Relevanz gewesen. Zu den durchgeführten Ermittlungen des SG legte sie die Stellungnahmen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie B. vom 10. April 2006 und 13. September 2006 vor. Das SG hörte Dr. S. unter dem 23. August 2005 und den Dipl.-Psych. Dr. F. unter dem 21. August 2005 schriftlich als sachverständige Zeugen. Es erhob ferner das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. N., Chefarzt der Neurologischen Abteilung in der Klinik für Psychiatrie, Gerontopsychiatrie, Psychotherapie und Neurologie im V. v. P. Hospital R., vom 27. Februar 2006. Dieser sah als Unfallfolge auf psychiatrischem Fachgebiet eine ängstlich-depressive Symptomatik im Sinne einer Anpassungsstörung und bewertete diese mit einer MdE um 20 v.H. Zu der von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie B. vom 10. April 2006 äußerte sich Dr. N. unter dem 27. Juli 2006 ergänzend. Mit Urteil vom 13. Februar 2007 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, als Unfallfolge sei eine posttraumatische Belastungsreaktion nicht festzustellen, da eine derartige Diagnose nicht zu stellen sei. Eine depressive Anpassungsstörung sei mit Bescheid vom 6. Juli 2004 bereits als Unfallfolge anerkannt. Schwindelerscheinungen, die Psoriasiserkrankung sowie die Herzrhythmusstörungen seien nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den in Rede stehenden Arbeitsunfall zurückzuführen, wie Prof. Dr. St. und Prof. Dr. J. übereinstimmend ausgeführt hätten. Da die psychischen Unfallfolgen lediglich leichtgradiger Natur seien und allenfalls eine MdE um 10 v.H. rechtfertigten, resultiere im Rahmen einer Gesamtschau keine MdE in einem rentenberechtigenden Grad. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigenden des Klägers am 7. März 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 12. März 2007 beim LSG Berufung eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, seine psychische Erkrankung und der Tinnitus verstärkten sich gegenseitig, so dass eine MdE um zumindest 20 v.H. erreicht werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 6. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2005 zu verurteilen, als weitere Unfallfolgen posttraumatische Belastungsreaktion, Schwindelerscheinungen und Herzrhythmusstörungen anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Insbesondere sei der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit unfallbedingt nicht in einem rentenberechtigenden Grade gemindert. Auch der Sachverständige Dr. N., auf dessen Einschätzung sich der Kläger stütze, habe seine Beeinträchtigungen lediglich als leicht bezeichnet, so dass sich Hinweise auf eine MdE in einem rentenberechtigenden Grade nicht ergäben. Die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsreaktion seien nicht erfüllt.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das nervenärztlich-psychosomatische Gutachten des Dr. W., Oberarzt in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin im Klinikum E., vom 7. März 2008 erhoben. Dieser hat als Unfallfolge einen Tinnitus sowie eine depressive Verarbeitungsstörung bei Tinnitus aurium angesehen und die unfallbedingte MdE auf 10 v.H. geschätzt. Infolge des Tinnitus habe sich beim Kläger eine vorbestehende Neigung zu depressiven Verstimmungen vor dem Hintergrund einer Persönlichkeit mit narzisstischen und zwanghaften Merkmalen verstärkt. Die geklagten Beeinträchtigungen der Lebensqualität und die geltend gemachten weiteren Leiden seien jedoch nicht ursächlich mit dem Unfallereignis verknüpft und auch nicht unmittelbare Folge der Verarbeitung des Unfallereignisses und der anerkannten Schädigungsfolgen in Gestalt eines Tinnitus aurium.

Gegen das Gutachten des Dr. W. hat der Kläger zahlreiche Einwendungen vorgebracht, da dieses teilweise Unrichtigkeiten enthalte oder seine Äußerungen unvollständig wiedergebe. Zu diesen Einwendungen hat sich Dr. W. ergänzend unter dem 19. September 2008 geäußert.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die beim Kläger als Folgen des Unfalls vom 8. November 1991 aufgetretenen Gesundheitsstörungen zutreffend festgestellt und angemessen mit einer MdE um weniger als 20 v.H. bewertet. Darüber hinaus sind als Unfallfolgen weder eine posttraumatische Belastungsstörung festzustellen, noch Schwindelerscheinungen oder Herzrhythmusstörungen. Denn beim Kläger liegt keine posttraumatische Belastungsstörung vor und die im Übrigen zur Feststellung als Unfallfolge begehrten Erkrankungen bzw. Beschwerden sind nicht unfallbedingt.

Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem bei dem Unfall erlittenen Primärschaden einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen diesem und der verbliebenen Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Primärschaden und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 19,52; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 und vom 09. Mai 2006 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 ). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war als Folge des Arbeitsunfalls vom 8. November 1991 weder eine posttraumatische Belastungsreaktion festzustellen noch die weiter als Unfallfolge geltend gemachten Erkrankungen Psoriasis und Herzrhythmusstörungen bzw. die geklagten Schwindelerscheinungen.

Die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsreaktion als Unfallfolge kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil damit lediglich eine Symptomatik beschrieben wird, nicht jedoch eine Erkrankung nach dem Klassifikationssystem der ICD-10 oder DSM-IV. Das in diesem Zusammenhang in Betracht zu ziehende Krankheitsbild einer posttraumatischen Belastungsstörung wurde demgegenüber von keinem der am Verfahren beteiligten Ärzte diagnostiziert. Auch Dr. N., auf dessen Gutachten der Kläger sich im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte MdE in einem rentenberechtigenden Ausmaß in erster Linie beruft, hat diese Diagnose nicht gestellt. In seinem Gutachten vom 27. Februar 2006 diagnostizierte Dr. N. vielmehr eine psychoreaktive Entwicklung im Rahmen einer ängstlich-depressiven Anpassungsstörung sowie darüber hinaus einen Tinnitus rechts. Entgegen seinem Vorbringen im Berufungsverfahren, wonach sich Dr. N. zur Frage des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung in seinem Gutachten gerade nicht geäußert habe, hat dieser das Vorliegen des angesprochenen Krankheitsbildes jedoch ausdrücklich verneint. Der Senat verweist insoweit auf dessen Ausführungen in seinem Gutachtens Seite 24, im Rahmen derer er sich zu der Einschätzung des Dr. Sch. und des Psychotherapeuten Dr. F. geäußert hat. Während Dr. Sch. ausweislich seines Gutachtens lediglich Anteile einer posttraumatischen Belastungsstörung gesehen hatte, hat der Psychotherapeut Dr. F. im Rahmen seiner dem SG erteilten schriftlichen Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 31. August 2008 wohl eine posttraumatische Belastungsstörung als unmittelbare Unfallfolge bejaht. Im Rahmen seines Gutachtens hat der Sachverständige Dr. N. insoweit Bezug genommen auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie B. vom 8. April 2004, der darauf hingewiesen hatte, dass sich die im Gutachten des Dr. Sch. gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht aufrecht erhalten lasse, da der Unfall des Klägers vom 8. November 1991 die dafür geforderten Kriterien sicher nicht erfülle. Hierzu hat Dr. N. in seinem Gutachten dann ausgeführt, dass der Neurologe und Psychiater B. zu Recht darauf hingewiesen habe, dass diese Diagnose so nicht gestellt werden könne, da die entsprechenden Kriterien im Falle des Klägers nicht erfüllt seien. Die entsprechenden Überlegungen des Neurologen und Psychiaters hat er dann ausdrücklich als zutreffend bezeichnet und weiter ausgeführt, dass sowohl im ICD-10 als auch im DSM-IV der Begriff der posttraumatischen Belastungsstörung für die Folgen katastrophaler Ereignisse mit einer gravierenden Beschwerdeentwicklung reserviert sei, wie sie beim Kläger gerade nicht anzutreffen seien. Er hat dann weiter ausgeführt, dass wohl aus diesem Grund auch Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 3. Februar 2004 lediglich vorsichtig von "Anteilen" einer posttraumatischen Belastungsstörung gesprochen habe und den Begriff der Anpassungsstörung mit ängstlichen und depressiven Symptomen vorgezogen habe. Dieser Bewertung hat sich Dr. N. in seinen weiteren Ausführungen dann ausdrücklich angeschlossen und zusammenfassend dargelegt, dass alles in allem von einer leichtgradigen psychischen Störung mit ängstlichen und depressiven Zügen auszugehen sei. Auch der auf Antrag des Klägers mit einer Begutachtung beauftragte Sachverständige Dr. W. hat das Vorliegen eines entsprechenden Krankheitsbildes ausdrücklich verneint, so dass beim Kläger für das Vorliegen und die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge keine Grundlage besteht

Die Feststellung von Schwindelerscheinungen als Unfallfolge kommt ebenfalls nicht in Betracht. Insoweit ist auf die übereinstimmenden Gutachten des Prof. Dr. St. und des Dr. Sch. hinzuweisen, die anlässlich ihrer gutachtlichen Untersuchungen jeweils keine neurologischen Befunde hatten erheben können, die auf eine Verletzung des Halsmarkes oder der das Halsmark verlassenden Nervenwurzeln durch den Unfall hingewiesen hätten. Nach den Ausführungen des Dr. Sch. spricht zudem auch der zeitliche Abstand und das Fehlen begleitender Symptome wie Schwindel, Doppelbilder oder Koordinationsstörungen gegen eine traumatische Läsion des zentralen Nervensystems aus Anlass des Unfalls vom 8. November 1991. Gegen eine derartige Schädigung sprechen auch die im weiteren Verlauf erhobenen unauffälligen SEP- und EEG-Befunde, die testpsychologischen Befunde sowie der wiederholten neurologischen Untersuchungsbefunde.

Auch die Psoriasiserkrankung (sog. Schuppenflechte) ist nicht in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Unfall zu bringen. Es handelt sich hierbei um eine chronische Hauterkrankung, die beim Kläger auch schon zeitlich vor dem Unfall Beschwerden hervorgerufen hat.

Letztlich sind auch die Herzrhythmusstörungen keine Folgen des Unfalls vom 8. November 1991. Einen derartigen Zusammenhang hat keiner der im Laufe des Verfahrens mit den Beeinträchtigungen des Klägers befassten Ärzte hergestellt. Vielmehr haben Prof. Dr. St. und Dr. Sch. einen solchen Zusammenhang ausdrücklich verneint.

Die Feststellung weiterer Unfallfolgen kommt nach alledem nicht in Betracht. Die unfallbedingten und von der Beklagten bereits festgestellten Gesundheitsstörungen bedingen auch keine MdE in einem rentenberechtigenden Grad. Hiervon ist das SG auf der Grundlage des Gutachtens des Dr. N., der den Kläger als im Alltag voll "funktionsfähig" beschrieben hat, wenngleich Antrieb und Lebensfreude glaubhaft gelitten hätten und eine vermehrte Reizbarkeit vorliege, zutreffend ausgegangen. Die dementsprechend von Dr. N. auch als leichtgradig bezeichnete psychische Störung rechtfertigt nach der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 2003, Seite 246) eine MdE um 0 bis 10 v.H., nicht jedoch die von Dr. N. vorgeschlagene Bewertung mit einer MdE um 20 v.H. Zusammen mit dem HNO-ärztlich bewerteten Tinnitus rechts, der sich angesichts der mit in die Bewertung eingeflossnen psychischen Auswirkungen der Ohrgeräusche mit den soeben beschriebenen Beeinträchtigungen zum Teil überschneidet, wird keine MdE in einem rentenberechtigenden Grade von zumindest 20 v.H. erreicht. Hiervon ist das SG zutreffend ausgegangen.

Da die Berufung nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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