L 12 AS 1777/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 1328/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1777/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. April 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller (Ast) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes den Antragsgegner (Ag) zu verpflichten, als Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung mindestens ab dem 9. Januar bis 8. Juli 2007 ein Nutzungsentgelt von monatlich 2.380 EUR und ab dem 9. Juli 2007 einen Betrag von 350 EUR monatlich zu gewähren, hilfsweise die Grundsteuer sowie die Gebäudeversicherung zu übernehmen.

Seit dem 9. Januar 2007 beziehen die Ast von der Ag Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuvor standen sie seit Januar 2005 bis Dezember 2006 im Alg-II-Leistungsbezug der Arbeitsgemeinschaft D. a. d. D. (ARGE D.). Die Ast zu 2, Ehefrau des Ast zu 1, erwarb mit Kaufvertrag vom 18. Oktober 2006 die Hotelanlage "T." (Gebäude und Freiflächen von 5.580 qm) zu einem Kaufpreis von 140.000 EUR, in die sie und der Ast zu 1 am 7. Dezember 2006 einzogen. Eine Eigentumsumschreibung erfolgte bislang nicht, weil die Ast zu 2 wegen von ihr monierter gravierender Mängel des Objektes den Kaufpreis nicht entrichtete. Die Ast betreiben das Hotel - wie nach ihrem Vortrag ursprünglich geplant - nicht. Die Ast zu 2 betreibt eine Hundezucht, ohne (nach ihren Angaben) hieraus positive Einkünfte zu erzielen. Der Ast zu 1 gab gegenüber der Ag an, eine Tätigkeit als Finanz- und Versicherungsberater durchzuführen, ebenfalls ohne positive Einkünfte zu erzielen. Eine Zusicherung der ARGE D. unter Beteiligung der Ag zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft holten die Ast nicht ein. Von der Ag wurden die Ast mit Bescheid vom 17. März 2008 - wie bereits zuvor mehrfach von der ARGE D. - darauf hingewiesen, welche Wohnungsgröße für einen 2-Personenhaushalt als angemessen gilt (bis zu 60 qm). Inzwischen ist für den 27. Mai 2009 Termin zur Zwangsversteigerung des Hotels angesetzt.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2009 bewilligte die Ag den Ast vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 899,23 EUR für den Zeitraum Februar bis Juli 2009, davon entfielen insgesamt 164,97 EUR auf Kosten der Unterkunft und Heizung (90 EUR Heizkosten und 74,97 EUR Betriebskosten, Müllgebühren könnten auf Antrag zusätzlich übernommen werden). Hiergegen erhoben die Ast Widerspruch und nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), die dort noch anhängig ist. Gleichzeitig betrieben sie ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen höherer Unterkunftskosten, welches ohne Erfolg blieb (SG, Beschluss vom 27. März 2009 - S 15 AS 858/09 ER -).

Mit Schreiben vom 1. März 2009 begehrten die Ast von der Ag die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 9. Januar bis 8. Juli 2007 in Höhe von 2.380 EUR und für die Zeit danach in Höhe von monatlich 350 EUR. Die Verkäuferin habe mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 rückwirkend für die Zeit ab 18. Dezember 2006 eine monatliche Nutzungsentschädigung für die Wohnung von 2.000 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer gefordert. Mit Bescheid vom 10. März 2009 lehnte die Ag den Antrag ab, den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2009 ab.

Hiergegen haben die Ast am 26. März 2009 ebenfalls Klage zum SG erhoben und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Mit Beschluss vom 8. April 2009 hat das SG den Antrag abgelehnt. Nach Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung könne ein neuer Antrag nur gestellt werden, wenn sich die Sach- und Rechtslage geändert habe. Im Verfahren S 15 AS 858/09 ER habe das SG ausgeführt, dass hinsichtlich der geltend gemachten 350 EUR ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei, da der Ast nicht glaubhaft gemacht habe, einem solchen Anspruch der Grundstückseigentümerin ausgesetzt zu sein. Ein Mietvertrag sei gerade nicht geschlossen worden. Zu den alternativ geltend gemachten Kosten für Grundsteuer und Gebäudeversicherung werde auf die Ausführungen im Beschluss des SG vom 16. Mai 2008 (S 15 AS 1806/08 ER) und den Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 29. August 2008 (L 2 AS 2581/08 ER-B) verwiesen. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage sei nicht ersichtlich.

Hiergegen wenden sich die Ast mit ihrer am 19. April 2009 eingelegten Beschwerde. Bis heute habe der Ag keinen Cent für originäre Kosten der Unterkunft übernommen. Vorliegend werde entweder die Nutzungsentschädigung von 14.280 EUR, mindestens für die ersten sechs Monate ab Leistungsbeginn und daran anschließend bis heute 350 EUR monatlich als angemessene Kosten verlangt, hilfsweise die Kosten für Grundsteuer und Gebäudeversicherung, die schon einmal geltend gemacht worden seien. Gegenstand des Verfahrens S 15 AS 858/09 ER sei der Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2009, Gegenstand des jetzigen Verfahrens der Widerspruchsbescheid vom 19. März 2009; das SG vermische zwei Verfahren. Eine Rückabwicklung des Kaufvertrags sei bisher nicht erfolgt, allerdings habe die Gläubigerbank der Verkäuferin die Zwangsversteigerung beantragt, was dem sehr nahe komme. Ab dem 25. Mai 2009 drohe zudem eine Stromsperre, da der vom Energieversorger geforderte Betrag von 18.802,88 EUR nicht habe bezahlt werden können.

Die Ag hält an ihrer bisherigen Auffassung fest. Aus dem Internet lasse sich entnehmen, dass das Objekt Hotel "T." zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben sei. In der Objektbeschreibung werde ausgeführt, "zum Zeitpunkt der Wertermittlung war ein Teil des Objekts unentgeltlich und ohne Mietvertrag zu Wohnzwecken genutzt."

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), frist- und formgerecht (§ 173 SGG) eingelegt und somit zulässig. Sie ist sachlich aber nicht begründet. Das SG hat den Erlass der einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt, da die Ast keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben.

Verfahrensbeteiligte sind vorliegend auf Seiten der Antragsteller beide Angehörige der Bedarfsgemeinschaft, da Ansprüche der Bedarfsgemeinschaft geltend gemacht werden (vgl. Bundessozialgericht (BSG) in BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1); zudem hat der Ast zu 1 mit Schreiben vom 17. Mai 2009 nochmals zum Ausdruck gebracht, für die Bedarfsgemeinschaft zu handeln.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164).

Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze ist bezüglich der für die Vergangenheit begehrten Leistungen vor dem 26. März 2009 schon kein Anordnungsgrund gegeben. Insoweit ist auch kein Nachholbedarf ersichtlich (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 260 f.). Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus den Schulden der Ast beim Energieversorger, die aus der Beheizung des Gebäudes mit Strom resultieren. Insoweit haben die Ast bereits mehrere Eilverfahren geführt (vgl. Beschlüsse des LSG Baden-Württemberg vom 29. August 2008 - L 2 AS 2583/08 ER-B und L 2 AS 3100/08 ER-B -), das Hauptsacheverfahren ist noch beim SG anhängig (S 15 AS 1291/08). Ein Zusammenhang zu den hier streitigen Kosten der Unterkunft besteht nicht.

Soweit die Ast für die aktuellen Kosten der Unterkunft hier die Zahlung von 350 EUR monatlich fordern, war dies bereits Gegenstand des Verfahrens S 15 AS 858/09 ER, in welchem es ebenfalls um die Höhe der aktuellen Unterkunftskosten ging und der Ast zu 1 diese Forderung bereits geltend gemacht hatte. Insoweit war der Antrag wegen anderweitiger Rechtshängigkeit der Streitsache bereits unzulässig (§ 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz). Eine "Vermischung der Verfahren" ist dem SG nicht vorzuwerfen, die Überschneidungen resultieren allein daraus, dass der Ast zu 1 nicht nur die laufende Bewilligung hinsichtlich der Höhe der Unterkunftskosten angefochten hat, sondern daneben einen gesonderten Antrag auf Nachzahlung von Unterkunftskosten einschließlich aktuell zu gewährender Leistungen gestellt und auch diesbezüglich Klageverfahren und einstweiligen Rechtsschutz angestrengt hat.

Abgesehen von der Unzulässigkeit des Antrags fehlt es darüber hinaus auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Damit werden grundsätzlich vom Leistungsträger nur die tatsächlichen Leistungen für eine "angemessene" Unterkunft und "angemessene" Heizung übernommen, wobei es sich bei beiden Kostenarten um den aktuellen Bedarf handeln muss (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 32). Mietvertraglichen Forderungen sind die Ast nicht ausgesetzt, da ein Mietvertrag zwischen ihnen und der Verkäuferin nie geschlossen wurde. Soweit die Ast sich auf die von der Verkäuferin geforderte Nutzungsentschädigung beziehen, ist das Bestehen eines solchen Anspruchs nicht geklärt. Ob und in welcher Höhe die Verkäuferin von der Ast zu 2 Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags verlangen kann, ist angesichts der von den Ast erhobenen zahlreichen Mängelrügen derzeit nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist äußerst fraglich, ob eine entsprechende Schadenersatzforderung wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags den Gebrauchsvorteil der Ast nach Übergabe der Immobilie umfassen würde, denn insoweit dürfte es sich kaum um einen Nichterfüllungsschaden handeln. Jedenfalls zahlen die Ast aktuell tatsächlich keinerlei Nutzungsentschädigung an die Verkäuferin, so dass auch keine Dringlichkeit für eine gerichtliche Eilentscheidung und damit kein Anordnungsgrund besteht.

Soweit die Ast hilfsweise erneut die Übernahme der Grundsteuer und Gebäudehaftpflichtversicherung begehren, ist dieser Antrag wegen entgegenstehender Rechtskraft des Beschlusses des SG vom 16. Mai 2008 (S 15 AS 1806/08 ER; nachgehend Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 29. August 2008 - L 2 AS 2581/08 ER-B -) unzulässig. Ist über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtskräftig entschieden worden, ist ein auf dasselbe Begehren gerichteter Antrag bei unveränderter Sach- und Rechtslage wegen der entgegen stehenden Rechtskraft des ursprünglichen Beschlusses unzulässig (vgl. Krodel, a.a.O., Rdnr. 40 m.w.N.). Eine Änderung der Sach- und Rechtslage ist hier nicht ersichtlich, hierfür wurde auch nichts vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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