L 11 KR 3723/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 5820/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3723/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2008 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Berufungen der Kläger werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 2 während ihrer Tätigkeit beim Kläger zu 1 im Zeitraum 1. April 2000 bis 31. März 2004.

Der Kläger zu 1 betreibt als Einzelkaufmann ein Handelsgeschäft für allgemeinen Bürobedarf und sonstige Artikel sowie Zeitungen und Faxgeräte. Er ist im Handelsregister A des Amtsgerichts Mannheim unter der Firma "Büro-M., Inhaber: S. M. e.K." unter der Nummer HRA 5023 ... eingetragen. Im Jahr 1998 hat er die Firma von seinen Eltern übernommen. Neben dem Hauptgeschäft in N. verfügt das Unternehmen über eine Filiale in Bad W. und eine Servicewerkstatt in P ... Die Klägerin zu 2 ist gelernte Einzelhandelskauffrau. Sie war vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1995 bei der Firma Büro-M. tätig. Danach war sie arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Seit 1. April 2000 ist sie bei dem Kläger zu 1 tätig. Sie wurde vom 1. April 2000 bis 31. März 2004 bei der Beklagten als Beschäftigte gemeldet, danach bei der BKK F ... Vom Entgelt der Klägerin zu 2 wurde Lohnsteuer entrichtet und es wurde als Betriebsausgabe gebucht. Seit 29. Juli 2000 sind die Kläger miteinander verheiratet.

Am 3. Mai 2006 beantragten die Kläger die Feststellung, dass die Klägerin zu 2 in der Zeit vom 1. April 2000 bis 31. März 2004 nicht beim Kläger zu 1 versicherungspflichtig beschäftigt war. Dazu legten sie einen entsprechenden Feststellungsbescheid der BKK F. vom 4. April 2006 vor, wonach die versicherungsrechtliche Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses ab 1. April 2000 vorgenommen worden sei, und man zu dem Ergebnis gelangt sei, dass keine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliege. Nach dem gleichfalls vorgelegten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen gaben die Kläger an, die Klägerin zu 2 sei mit der "Beratung und Verkauf von unserem Sortiment in der Filiale in C. (Bad W.)" tätig gewesen. Es gebe keinen schriftlichen Arbeitsvertrag. Wenn sie nicht im Betrieb arbeite, müsse ein andere Arbeitskraft eingestellt werden und sie sei nicht an Weisungen des Betriebsinhabers gebunden, das Weisungsrecht werde nicht ausgeübt. Die Mitarbeit sei durch ein gleichberechtigtes Miteinander geprägt. Es sei weder ein Urlaubsanspruch noch eine Kündigungsfrist vereinbart, aber bei Arbeitsunfähigkeit werde das Entgelt sechs Wochen lang fortgezahlt. Neben dem Entgelt werde eine betriebliche Altersvorsorge aufgebaut. Das Arbeitsentgelt werde auf ein privates Girokonto überwiesen. Darlehen und Bürgschaften für den Betrieb seien nicht übernommen worden. In einem Fragebogen für die Beklagte gaben die Kläger darüber hinaus an, dass die Klägerin zu 2 eine feste wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden an sechs Tagen die Woche habe und ein Arbeitsentgelt von 1.300 EUR erhalte.

Nachdem der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2) Einwendungen erhoben hatte, nahm die BKK F. den Bescheid vom 4. April 2006 wieder zurück (Bescheid vom 26. Oktober 2006, Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2007). Die Kläger erhoben hiergegen Klage vor dem SG Karlsruhe (SG; Verfahren S 7 KR 1353/07).

Mit Bescheid vom 26. September 2007 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin zu 2 beim Kläger zu 1 in der Zeit vom 1. April 2000 bis 31. März 2004 sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Sie sei wie eine fremde Arbeitnehmerin in den Betrieb eingegliedert gewesen und habe die Beschäftigung auch tatsächlich ausgeübt. Die Kläger erhoben hiergegen Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 zurückwies.

Die Kläger haben dagegen am 5. Dezember 2007 Klage bei dem SG erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die Klägerin zu 2 sei in der Hauptverwaltung unterstützend tätig und leite die Filiale in Bad W. eigenverantwortlich. Die Tätigkeit in der Hauptverwaltung übe sie außerhalb der üblichen Bürozeiten und neben ihrer Tätigkeit in Bad W. aus. Sie schreibe Rechnungen, kontrolliere den Betriebsablauf und erledige liegengebliebene Arbeit. Die zahlreich geleisteten Überstunden würden nicht abgegolten. Urlaub werde höchstens an 12 bis 15 Tagen im Jahr genommen; die Klägerin zu 2 müsse ihn nicht genehmigen lassen. Sie sei alleinvertretungsberechtigt und habe hinsichtlich sämtlicher Geschäftskonten Vollmacht. Sie sei weisungs-unabhängig. Das betriebliche Verhältnis zum Kläger zu 2 sei durch gegenseitige Rücksichtnahme auf gleicher Augenhöhe geprägt.

Das SG hat die Träger der Renten-, Arbeitslosen- und der Pflegeversicherung beigeladen (Beschluss vom 15. April 2008).

Das SG hat in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2008 die Kläger persönlich angehört und die Zeugen V. M., M. E., R. K. und G. O., allesamt Mitarbeiter im Unternehmen des Klägers zu 1, gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen (AS 54 - 64 der SG-Akte).

In der ebenfalls am 17. Juni 2008 durchgeführten mündlichen Verhandlung im Verfahren gegen die BKK F. (S 7 KR 1353/07) hat diese ein Anerkenntnis abgegeben und den Rücknahmebescheid vom 26. Oktober 2006 wiederum zurückgenommen.

Mit Urteil vom 17. Juni 2008 hat das SG den Bescheid vom 26. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2007 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die begehrte Feststellung könne nicht getroffen werden, weil es hierzu an einer anfechtbaren Entscheidung der zuständigen Behörde fehle. Die Beklagte sei für die Entscheidung über den Antrag der Kläger nicht zuständig gewesen, auch wenn man davon ausgehe, dass die Feststellung der BKK F. den streitigen Zeitraum vom 1. April 2000 bis 31. März 2004 nicht umfasse. Die Zuständigkeit aus § 28h Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) werde durch diejenige der Beigeladenen zu 2 nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV verdrängt. Die Beklagte könne ihre Zuständigkeit weder damit begründen, dass der Antrag auf Prüfung der Sozialversicherungspflicht bei ihr gestellt worden sei, noch dass die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2 als ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung einen objektiven Zweifelsfall voraussetze, und auch nicht, dass das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV nur vorausschauenden Charakter haben solle und mithin für das streitige Beschäftigungsverhältnis nicht greifen könne. Sie könne ihre Zuständigkeit auch nicht aus den Besprechungsergebnissen der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger herleiten. Die Kammer schließe sich der entsprechenden Auffassung der 3. Kammer des SG (Urteil vom 30. Oktober 2007, S 3 KR 3050/06) an und folge dem entgegenstehenden Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 19. Februar 2008 (L 11 KR 5528/07) nicht.

Darüber hinaus wäre die Klage auch unbegründet, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Klägerin zu 2 beim Kläger zu 1 abhängig beschäftigt. Die Klägerin zu 2 leite zwar eine der drei Bestandteile des Unternehmens selbständig. Ihre Tätigkeit stelle sich aber wie diejenige eines angestellten Filialleiters dar. In der Hauptfiliale sei die Klägerin zu 2 nur gelegentlich, die dortigen Mitarbeiter würden sie kaum sehen. Die Kläger hätten die von ihnen vorgebrachte (Innen-)Gesellschaft nicht in das Handelsregister eingetragen. Der Kläger zu 1 habe zwar seiner Ehefrau weitreichende Vollmachten ausgestellt, so dass sie kraft dieser Vollmachten auch Geschäfte für ihn tätigen könne. Aus dem Handelsregister ergebe sich aber nur die Rechtsmacht des Klägers zu 1. Auch die Zeugen hätten den Eindruck hinterlassen, dass sie eigentlich nur den Kläger zu 1 als Chef betrachten und die Klägerin zu 2 nur ansprechen würden, wenn der Kläger zu 1 nicht da sei. Auch hätten sie fast ausnahmslos ausgeführt, dass die Klägerin zu 2 nur den Bereich der Filiale in Bad W. betreue. Sie selbst habe angegeben, dass sie eigentlich die rechte Hand ihres Mannes sei. Das alles spreche dafür, dass sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2 wie die eines Filialleiters mit Sonderbefugnissen darstelle. Auch ein Filialleiter sei abhängig von dem Inhaber des Hauptgeschäfts und an dessen Weisungen gebunden. Dass die Kläger wichtige Entscheidung besprechen würden, sei in einer Ehe typisch und ändere an der Beurteilung nichts.

Die Kläger haben gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 2. Juli 2008 zugestellte Urteil am 4. August 2008, einem Montag, Berufung eingelegt. Die Beklagte hat am 13. November 2008 Anschlussberufung eingelegt.

Zur Begründung der Berufung haben die Kläger ausgeführt, hinsichtlich der fehlenden Zuständigkeit der Beklagten seien die Ausführungen des SG nicht anzugreifen. Im Übrigen wiederholen und vertiefen sie ihre Angaben vor dem SG.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2008 aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat, festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2 für den Kläger zu 1 in der Zeit vom 1. April 2000 bis 31. März 2004 nicht sozialversicherungspflichtig war, und die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2008 insoweit aufzuheben, als darin der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2007 aufgehoben worden ist, und im Übrigen die Berufung der Kläger zurückzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen.

Sie sei für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht zuständig. Hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 2 verweise sie auf die entsprechenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid und dem Urteil des SG.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

Die Beigeladene zu 2 hat ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG sei ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht zulässig, wenn das Beschäftigungsverhältnis von dem Ehegatten - wie hier - vor dem 1. Januar 2005 aufgenommen worden sei. Sie werde gegen die BKK F. Anfechtungsklage vor dem zuständigen Sozialgericht Berlin erheben, soweit diese das Begehren der Kläger anerkannt und den Bescheid vom 26. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2007 aufgehoben habe. In der Sache teile sie die Ansicht der Beklagten.

Der Senat hat die Bescheide vom 5. Mai 2003 über die Betriebsprüfung der LVA Baden-Württemberg beim Kläger zu 1 (Prüfzeitraum 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2002) und vom 16. August 2007 über die Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung beim Kläger zu 1 (Prüfzeitraum 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006) beigezogen.

Die Kläger sind in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat persönlich gehört worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, einschließlich der beigezogenen Akten des Parallelverfahrens S 7 KR 1353/07 vor dem SG, sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Sie haben keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Hingegen ist die nach § 202 SGG i.V.m. § 524 der Zivilprozessordnung zulässige Anschlussberufung der Beklagten begründet. Das Urteil des SG ist vollumfänglich aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Zunächst kann offen gelassen werden, ob das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage - möglicherweise auch nur teilweise - fehlt, weil Rentenversicherungsbeiträge der Klägerin zu 2 in der Betriebsprüfungen nicht beanstandet worden sind, daher nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) als zu Recht entrichtet gelten und deswegen die Erstattung der Beiträge, was den wirtschaftlichen Hintergrund dieses Verfahrens darstellt, ausscheidet (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 2008, B 12 KR 24/07 R, SozR 4-2400 § 28 h Nr. 4, Juris-Rn. 18). Denn die Klage hat aus anderen Gründen keinen Erfolg.

Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Das SG hat zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte nicht zuständig ist, Feststellungen zur Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 2 zu treffen.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch). Zuständig für die Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragshöhe ist nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV die Einzugstelle, hier also die Beklagte.

Dieser Zuständigkeit steht nicht entgegen, was das SG im angefochtenen Urteil offen gelassen hat, dass auch die BKK F. über die Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 2 entschieden hat. Der Bescheid vom 4. April 2006 bezieht sich, was seinem Inhalt unschwer zu entnehmen ist, nur auf die Zeit ab 1. April 2004, die hier nicht streitig ist. Die Krankenkasse darf auch nur über den Zeitraum entscheiden, in dem der Versicherte bei ihr gemeldet ist (vgl. BSG vom 24. Juni 2008, B 12 KR 24/07 R, SozR 4-2400 § 28h Nr. 4). Im hier maßgeblichen Zeitraum war die Klägerin zu 2 bei der Beklagten gemeldet.

Der Zuständigkeit der Beklagten steht auch keine vorangehende Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2 aufgrund der Vorschrift des § 7a Abs. 1 SGB IV (Anfrageverfahren) entgegen.

Nach § 7a Abs. 1 SGB IV können die Beteiligten eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet (Satz 1). Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist (Satz 2, eingefügt mit Wirkung ab 1. Januar 2005 durch Art. 4 Nr. 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl. I 2959, in dieser Fassung gültig bis 31. Dezember 2008). Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund (Satz 3), also die Beigeladene zu 2.

Der Senat hat bereits in dem vom SG zitierten Urteil vom 19. Februar 2008, L 11 KR 5528/07, entschieden, dass es einen Vorrang des Anfrageverfahrens nach § 7 a Abs. 1 SGB IV gegenüber anderen Verfahren, deren Gegenstand die Feststellung einer Beschäftigung ist, nicht gibt. An dieser Rechtsansicht, die mit Urteil vom 28. April 2009, L 11 KR 2149/08, bestätigt worden ist, hält der Senat weiter fest.

Gleichfalls führen die durchgeführten Betriebsprüfungen nicht dazu, dass die Kompetenz der Beklagten zur begehrten Feststellung entfallen wäre. Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG davon aus, dass Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger nur eine Kontrollfunktion haben. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Sie sollen jedoch nicht eine Schutzfunktion gegenüber Arbeitgebern erfüllen oder diesen gar "Entlastung" erteilen (Urteil des Senats vom 20. September 2005, L 11 KR 1766/05, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 14. September 2004, B 12 KR 1/04, SozR 4-2400 § 22 Nr. 2). Daraus ist zu folgern, dass die Einzugsstelle grundsätzlich nicht gehindert ist, trotz durchgeführter Betriebsprüfung Feststellungen zur Sozialversicherungspflicht zu treffen und hierüber durch Bescheid zu befinden, jedenfalls soweit - wie hier - der Prüfbescheid keinerlei Ausführungen zur Sozialversicherungspflicht der als Beschäftigte Gemeldeten enthält (Urteil des Senats vom 28. April 2009, L 11 KR 2495/05).

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Klägerin zu 2 war während ihrer Tätigkeit für den Kläger zu 1 im streitigen Zeitraum sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Eine Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; vgl. Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7, und Urteil vom 4. Juli 2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Hieran gemessen war die Klägerin zu 2 im hier maßgeblichen Zeitraum Beschäftigte und damit sozialversicherungspflichtig.

Der Senat folgt zunächst der Beweiswürdigung des SG. Dieses hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die Angaben der Kläger und der gehörten Zeugen gewürdigt und daraus zutreffend abgeleitet, dass die Hinweise auf eine abhängige Beschäftigung der Klägerin zu 2 überwiegen, da diese im Wesentlichen die Funktion einer Filialleiterin ausübte und nicht gleichberechtigt mit dem Kläger zu 1 im Betrieb tätig war. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab und weist die Berufung aus den insoweit vom SG zu Recht dargelegten Gründen zurück.

Ergänzend verweist der Senat auf weitere Gesichtspunkte. Dass die Klägerin zu 2 im Rahmen ihrer Tätigkeit alleinvertretungsberechtigt war, entspricht ihrer Tätigkeit als Filialleiterin. Dies ist im Übrigen auch bei Geschäftsführern einer kleineren GmbH nicht untypisch und spricht deshalb nicht zwingend für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2007, a. a. O.). Die feste Monatsvergütung, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und die Gewährung von Jahresurlaub sind ebenfalls Indizien, die für eine Arbeitnehmertätigkeit sprechen (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Urteil vom 4. Juli 2007 a. a. O.). Das Arbeitsentgelt der Klägern zu 2 wurde als Betriebsausgabe gebucht und es wurden hierauf Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet.

Ein eigenes Unternehmerrisiko, ebenfalls typisches Merkmal einer selbständigen Tätigkeit, bestand für die Klägerin zu 2 nicht. Das Einzelunternehmen wurde allein vom Kläger zu 1 betrieben. Er wäre von etwaigen Gläubigern in Haftung genommen worden. Nach den Angaben des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haftet allein er für Darlehen, die für das Unternehmen aufgenommen worden sind. Das allein bei der Klägerin zu 2 verbleibende Risiko, im Fall einer schlechten Arbeitsleistung den Unternehmenserfolg und damit auch ihren Arbeitsplatz zu gefährden, teilt sie mit jedem abhängig Beschäftigten.

Die Klägerin zu 2 war damit in den Betrieb eingegliedert und unterlag dem Weisungsrecht des Klägers zu 1 als Arbeitgeber. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter engen Verwandten - oder hier: Ehegatten - im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 1993, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11). Ebenfalls unschädlich ist, dass von dem Weisungsrecht vor allem im fachlichen Bereich nicht vollumfänglich Gebrauch gemacht wurde. Je höher die Qualifikation des Beschäftigten ist - die Klägerin zu 2 ist gelernte Einzelhandelskauffrau - desto geringer sind in der Regel die Weisungen, die ihm zur Erfüllung der ihm gestellten Aufgaben erteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 1981, 12 RK 11/80; Urteil vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Das ändert jedoch nichts daran, dass das Weisungsrecht besteht. Selbst wer Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt kann - als leitender Angestellter - bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein (BSG, Urteil vom 24. Juni 1982, 12 RK 45/80). Die Klägerin zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt, alle betrieblichen Entscheidungen mit ihrem Mann zu besprechen. Das steht einer eigenständigen unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeit klar entgegen.

Es mag sein, dass die Klägerin zu 2 ihre Arbeitszeit frei gestalten und - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben - auch die Filiale an einzelnen Tagen ("Brückentagen") in eigener Entscheidungsmacht schließen kann. Dies entspricht der familiären Prägung, mit der das Unternehmen betrieben wurde, und dem, was nicht selten einem Angestellten in gehobener leitender Stellung zugebilligt wird. Angesichts der von ihr im Klageverfahren geltend gemachten hohen Arbeitszeit war das Gestaltungsrecht über die Arbeitszeit auch mehr ein theoretisches.

Im Ergebnis ist daher die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beklagten nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Beigeladenen keine Sachanträge gestellt und damit kein eigenes Kostenrisiko übernommen haben.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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