Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 1992/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1627/09 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.03.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der am 1986 geborene Kläger wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
Der Kläger beantragte am 06.11.2007 die Feststellung seines Grades der Behinderung (GdB) und legte die Stellungnahme des Pädagogischen Leiters des Instituts für Legastheniker-Therapie R., C. B. vom 24.01.2007 vor, wonach bei ihm eine Lese-Rechtschreibstörung vorliege sowie eine nicht durchschnittliche Leseverständnisleistung zu vermuten sei und sich diese Störung aus lerntherapeutischer Sicht als Behinderung darstelle. Dr. F. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.11.2007 eine Lese-Rechtschreibschwäche mit einem GdB von 10 als Funktionsbeeinträchtigung. Hierauf gestützt lehnte das Landratsamt R. (LRA) den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 19.11.2007 ab.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und legte die Stellungnahme von C. B. vom 03.12.2007 sowie den Psychologischen Befundbericht des Dr. Dipl.-Psych. d. M. von der Klink für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde mit Poliklinik des Universitätsklinikums T. über eine Untersuchung vom 10.01.2008 vor. Letzterer führte aus, die Rechtschreibstörung des Klägers sei eine Behinderung, die den Kläger trotz seiner überdurchschnittlichen allgemeinen Begabung im Studium erheblich benachteiligen könne. Dr. F. bewertete in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.04.2008 den GdB des Klägers unverändert. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2008 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 02.06.2008 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) und beantragte Prozesskostenhilfe. Entgegen der Feststellung des Beklagten handle es sich bei der bei ihm vorliegenden Legasthenie um eine mehr als leichte Beeinträchtigung. Es handle sich nach Nr. 26.3 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008 (AHP) um eine Teilleistungsschwäche, deren Schwere über der leichten Legasthenie mit einem GdB von 10 liege und somit mindestens einen GdB von 20 erreiche. Die AHP wiesen diese kognitive Teilleistungsschwäche zwar nur für Einschränkungen im Schul- und Jugendalter aus. Dies besage aber nicht, dass nicht auch im Erwachsenenalter noch immer eine Beeinträchtigung durch eine kognitive Teilleistungsschwäche bestehen könne. Wie sich aus den allgemeinen Hinweisen unter Nr. 26.1 AHP ergebe, seien Gesundheitsstörungen, die in den AHP nicht aufgeführt seien, in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen. Er habe seine Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen und sei Student. Er habe daher die an ihn gestellten akademischen Anforderungen im Lese- und Rechtsschreibbereich zu erfüllen. Dies übersteige sogar die Anforderungen, die an Kinder und Jugendliche in der Schule gestellt würden, da es sich hierbei um ein erheblich höheres Niveau handle. Bei der als Behinderung zu qualifizierenden Legasthenie handle es sich um einen nicht nur vorübergehenden, sondern die Entwicklung des Betroffenen bis ins Erwachsenenalter prägenden, regelwidrigen Zustand, der sich in ganz erheblicher Weise auf die Chancen der Teilhabe des Betroffenen an den allgemeinen Bildungs- und Lebenschancen in der Gesellschaft auswirke. Eine Minderung der intellektuellen Fähigkeiten sei damit nicht verbunden. Es gebe keinen sachlichen Grund, die kognitive Teilleistungsschwäche der Legasthenie nicht auch als Einschränkung für Erwachsene anzusehen. Insofern wiesen die AHP hier eine Lücke auf. Daher sei in Analogie zu den Regelungen der Nr. 26.3 AHP eine Teilleistungsschwäche anzunehmen, deren Schwere über der einer leichten Legasthenie liege.
Hierzu führte der Beklagte aus, es sei wohl kaum davon auszugehen, dass beim Kläger eine wesentliche Beeinträchtigung der Schulleistung vorgelegen habe, wenn er heute ein akademisches Studium absolviere. Wenn nach den AHP im Schul- und Jugendalter nur bei einer wesentlichen Einschränkung der Schulleistung ein GdB von 20 in Betracht komme, dann schließe die Erlangung der Hochschulreife eine solche wesentliche Beeinträchtigung aus.
Hierauf erwiderte der Kläger, die Feststellung des GdB könne nicht davon abhängig gemacht werden, inwieweit er bisher in der Lage gewesen sei, die ihn beeinträchtigende Situation, so gut es gehe, zu meistern. Vielmehr sei festzustellen, dass er trotz seiner Beeinträchtigung in der Lage gewesen sei, ein akademisches Studium zu beginnen. Dies sei anzuerkennen, aber es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Eigeninitiative und Leistungswille sollten gerade in diesem Lebensbereich nicht ins Gegenteil verkehrt werden.
Mit Beschluss vom 02.03.2009 lehnte das SG den Antrag auf Prozesskostenhilfe ab. Nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei beim Kläger bei der hier durchzuführenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht vom Vorliegen einer Behinderung mit einem GdB von mindestens 20 auszugehen. Da der Kläger sich nicht mehr im Schul- und Jugendalter befinde, sei er als Erwachsener zu beurteilen. Damit könnten die für die Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit im Schul- und Jugendalter vorgesehenen GdB-Bewertungen für kognitive Teilleistungsschwächen in den AHP und den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) nach der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung für den Kläger nicht mehr herangezogen werden. Auch eine, wie vom Kläger für erforderlich erachtete, analoge Bewertung für Erwachsene, da die Lese-Rechtschreibschwäche im Erwachsenenalter grundsätzlich fortbestehe, habe nicht zu erfolgen. Zwar könne eine Legasthenie eine Behinderung darstellen, die zu einer Beeinträchtigung der Fähigkeit, das eigene Wissen darzustellen, führen könne und die grundsätzlich durch ausgleichende Maßnahmen im Prüfungsverfahren zu kompensieren sei. Ob ein solcher Nachteilsausgleich zu gewähren sei, sei jedoch von der vorliegenden Frage der Bewertung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu unterscheiden. Grundsätzlich sei festzustellen, dass sich eine Legasthenie im Kinder- und Jugendalter, in welchem die Fähigkeiten des Lesens und Schreibens zuerst erlernt und danach bis zum Abschluss der Schulausbildung vertieft werden müssten, besonders gravierend auswirke. Dementsprechend sei es sachgerecht, wenn für diesen Lebens- und Ausbildungsabschnitt die von einer Legasthenie herrührenden Auswirkungen als stärker beeinträchtigend gegenüber dem Erwachsenenalter und nach Abschluss der Schulausbildung beurteilt würden. Auch bei der Einzelfallprüfung seien im vorliegenden Fall keine Gesichtspunkte für eine abweichende Beurteilung ersichtlich. So habe der Kläger, wenn auch mit besonderer Förderung, die Fachhochschulreife absolviert und nunmehr ein Studium aufgenommen. Hiernach sei nicht zu erkennen, dass eine Funktionsbeeinträchtigung gegeben sei, welche einen GdB von mindestens 20 bedinge. Soweit besondere Erschwernisse des Klägers - insbesondere in Prüfungssituationen - vorlägen, könne diesen durch die Gewährung ausgleichender Maßnahmen (etwa in Form einer Schreibverlängerung) ausreichend Rechnung getragen werden. Hinweise für eine seelische oder psychische Störung im Erwachsenenalter (beispielsweise ausgelöst durch eine Legasthenie) seien hier nicht ersichtlich. Auch für sonstige Funktionsbeeinträchtigungen bestehe kein Anhaltspunkt. Nach alledem biete die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Hiergegen hat der Kläger am 03.04.2009 Beschwerde eingelegt. Legasthenie sei eine Behinderung, welche in einem entsprechenden GdB feststellbar sein müsse. Die Feststellung des GdB könne nicht deshalb verneint werden, weil er bereits ein junger Erwachsener sei. Die vorliegende Behinderung höre nicht mit dem Erreichen des Erwachsenenalters auf. Legasthenie sei ein Störungsbild, dass durch seine hohe Stabilität die persönliche und soziale Entwicklung bis ins Erwachsenenalter präge. Er habe seine Ausbildung, die nicht allein auf die Beendigung der Schulbildung reduziert werden sollte, noch nicht abgeschossen und sei weiterhin in der Situation, sich mit nicht behinderten Kommilitonen in der schriftlichen Erarbeitung und Präsentation messen zu müssen. Ausgangspunkt der Betrachtung könne daher auch nicht sein, was er bisher erreicht habe, sondern vielmehr müsse fiktiv betrachtet werden, was er hätte erreichen können. Es könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass er trotz seiner Beeinträchtigung die entsprechenden Leistungen und Ziele erreicht habe. Die Argumentation, dass er durch ausgleichende Maßnahmen, insbesondere in Prüfungssituationen, hinreichend gleichgestellt sei, könne hier nicht greifen. Mit der Feststellung des GdB begehre er eine offizielle Feststellung, dass er beeinträchtigt sei. Ob und wie diese Beeinträchtigung ausgeglichen werde, sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Es stelle sich vielmehr so dar, dass durch die Feststellung der Beeinträchtigung die Durchsetzung ausgleichender Maßnahmen erleichtert werde.
II.
Die gemäß §§ 172 und 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.
Zu Recht hat das SG den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für deren Bewilligung nicht erfüllt sind.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Antragstellerseite auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 73 a, Rz. 7 a). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist auch in Prozesskostenhilfe-Verfahren der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts und damit auch des Beschwerdegerichts.
Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist der GdB des Klägers zutreffend mit 10 beurteilt. Der auf die Feststellung eines höheren GdB gerichteten Klage fehlt es daher an der erforderlichen Erfolgsaussicht.
Nach Teil B Nr. 3.4.2 VG gilt für eine Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit im Schul- und Jugendalter bei kognitiven Teilleistungsschwächen (zum Beispiel Lese-Rechtschreib-Schwäche [Legasthenie], isolierte Rechenstörung) in leichter Ausprägung ohne wesentliche Beeinträchtigung der Schulleistungen ein GdB zwischen 0 und 10 und sonst - auch unter Berücksichtigung von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen - bis zum Ausgleich ein GdB zwischen 20 und 40 sowie bei besonders schwerer Ausprägung (selten) ein GdB von 50.
Die VG sehen also für eine Lese-Rechtschreibschwäche lediglich für Menschen im Schul- und Jugendalter, nicht aber für Erwachsene, einen GdB vor. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ist Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Zu diesem Personenkreis gehört der inzwischen 22jährige Kläger nicht.
Teil B Nr. 3.4.2 VG ist auch nicht unter Heranziehung von Teil B Nr. 1 b VG, wonach der GdB bei Gesundheitsstörungen, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind, in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen ist, analog auf Erwachsene anzuwenden. Denn die Gesundheitsstörung "Lese-Rechtschreib-Schwäche [Legasthenie]" ist ja gerade in den VG aufgeführt, aber eben ausdrücklich nur bei der Beurteilung eines GdB für das Schul- und Jugendalter vorgesehen. Mithin liegt wegen des eindeutigen Wortlauts der VG keine Regelungslücke vor.
Im Übrigen ist den Stellungnahmen des Pädagogischen Leiters des Instituts für Legastheniker-Therapie Reutlingen, C. B. vom 24.01.2007 und 03.12.2007 sowie dem Psychologischen Befundbericht des Dr. Dipl.-Psych. d. M. von der Klink für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde mit Poliklinik des Universitätsklinikums T. über eine Untersuchung vom 10.01.2008 nicht zu entnehmen, dass beim Kläger, selbst wenn Teil B Nr. 3.4.2 VG auf ihn anwendbar wäre, eine Lese-Rechtschreibschwäche in einer mehr als leichten Ausprägung vorliegt. Zum einen liegt beim Kläger lediglich eine Rechtschreibschwäche, nicht aber eine Leseschwäche, vor. So hat C. B. lediglich ausgeführt, eine nicht durchschnittliche Leseverständnisleistung sei zu vermuten beziehungsweise es sei nicht auszuschließen, dass sich in fachspezifischen Lern- oder Prüfungssituationen auch Lesefehler ergeben würden. Gesichert ist damit eine Leseschwäche nicht. Zum anderen verfügt der Kläger nach den Ausführung des Dr. Dipl.-Psych. d. M. über eine - was auch dessen bisherige schulische Entwicklung gezeigt hat - überdurchschnittliche Intelligenz, so dass er in der Lage ist, die durch die Rechtschreibschwäche bedingten Nachteile in erheblichem Maße auszugleichen und mithin von einer mehr als leichten Ausprägung dieser Teilleistungsschwäche nicht ausgegangen werden kann.
Danach ist der angefochtene Beschluss des SG nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht keine Prozesskostenhilfe zu, weil seine Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach der in Verfahren auf Prozesskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erscheint danach unwahrscheinlich, dass die Klage zum Erfolg führen wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der am 1986 geborene Kläger wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
Der Kläger beantragte am 06.11.2007 die Feststellung seines Grades der Behinderung (GdB) und legte die Stellungnahme des Pädagogischen Leiters des Instituts für Legastheniker-Therapie R., C. B. vom 24.01.2007 vor, wonach bei ihm eine Lese-Rechtschreibstörung vorliege sowie eine nicht durchschnittliche Leseverständnisleistung zu vermuten sei und sich diese Störung aus lerntherapeutischer Sicht als Behinderung darstelle. Dr. F. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.11.2007 eine Lese-Rechtschreibschwäche mit einem GdB von 10 als Funktionsbeeinträchtigung. Hierauf gestützt lehnte das Landratsamt R. (LRA) den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 19.11.2007 ab.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und legte die Stellungnahme von C. B. vom 03.12.2007 sowie den Psychologischen Befundbericht des Dr. Dipl.-Psych. d. M. von der Klink für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde mit Poliklinik des Universitätsklinikums T. über eine Untersuchung vom 10.01.2008 vor. Letzterer führte aus, die Rechtschreibstörung des Klägers sei eine Behinderung, die den Kläger trotz seiner überdurchschnittlichen allgemeinen Begabung im Studium erheblich benachteiligen könne. Dr. F. bewertete in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.04.2008 den GdB des Klägers unverändert. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2008 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 02.06.2008 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) und beantragte Prozesskostenhilfe. Entgegen der Feststellung des Beklagten handle es sich bei der bei ihm vorliegenden Legasthenie um eine mehr als leichte Beeinträchtigung. Es handle sich nach Nr. 26.3 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008 (AHP) um eine Teilleistungsschwäche, deren Schwere über der leichten Legasthenie mit einem GdB von 10 liege und somit mindestens einen GdB von 20 erreiche. Die AHP wiesen diese kognitive Teilleistungsschwäche zwar nur für Einschränkungen im Schul- und Jugendalter aus. Dies besage aber nicht, dass nicht auch im Erwachsenenalter noch immer eine Beeinträchtigung durch eine kognitive Teilleistungsschwäche bestehen könne. Wie sich aus den allgemeinen Hinweisen unter Nr. 26.1 AHP ergebe, seien Gesundheitsstörungen, die in den AHP nicht aufgeführt seien, in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen. Er habe seine Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen und sei Student. Er habe daher die an ihn gestellten akademischen Anforderungen im Lese- und Rechtsschreibbereich zu erfüllen. Dies übersteige sogar die Anforderungen, die an Kinder und Jugendliche in der Schule gestellt würden, da es sich hierbei um ein erheblich höheres Niveau handle. Bei der als Behinderung zu qualifizierenden Legasthenie handle es sich um einen nicht nur vorübergehenden, sondern die Entwicklung des Betroffenen bis ins Erwachsenenalter prägenden, regelwidrigen Zustand, der sich in ganz erheblicher Weise auf die Chancen der Teilhabe des Betroffenen an den allgemeinen Bildungs- und Lebenschancen in der Gesellschaft auswirke. Eine Minderung der intellektuellen Fähigkeiten sei damit nicht verbunden. Es gebe keinen sachlichen Grund, die kognitive Teilleistungsschwäche der Legasthenie nicht auch als Einschränkung für Erwachsene anzusehen. Insofern wiesen die AHP hier eine Lücke auf. Daher sei in Analogie zu den Regelungen der Nr. 26.3 AHP eine Teilleistungsschwäche anzunehmen, deren Schwere über der einer leichten Legasthenie liege.
Hierzu führte der Beklagte aus, es sei wohl kaum davon auszugehen, dass beim Kläger eine wesentliche Beeinträchtigung der Schulleistung vorgelegen habe, wenn er heute ein akademisches Studium absolviere. Wenn nach den AHP im Schul- und Jugendalter nur bei einer wesentlichen Einschränkung der Schulleistung ein GdB von 20 in Betracht komme, dann schließe die Erlangung der Hochschulreife eine solche wesentliche Beeinträchtigung aus.
Hierauf erwiderte der Kläger, die Feststellung des GdB könne nicht davon abhängig gemacht werden, inwieweit er bisher in der Lage gewesen sei, die ihn beeinträchtigende Situation, so gut es gehe, zu meistern. Vielmehr sei festzustellen, dass er trotz seiner Beeinträchtigung in der Lage gewesen sei, ein akademisches Studium zu beginnen. Dies sei anzuerkennen, aber es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Eigeninitiative und Leistungswille sollten gerade in diesem Lebensbereich nicht ins Gegenteil verkehrt werden.
Mit Beschluss vom 02.03.2009 lehnte das SG den Antrag auf Prozesskostenhilfe ab. Nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei beim Kläger bei der hier durchzuführenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht vom Vorliegen einer Behinderung mit einem GdB von mindestens 20 auszugehen. Da der Kläger sich nicht mehr im Schul- und Jugendalter befinde, sei er als Erwachsener zu beurteilen. Damit könnten die für die Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit im Schul- und Jugendalter vorgesehenen GdB-Bewertungen für kognitive Teilleistungsschwächen in den AHP und den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) nach der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung für den Kläger nicht mehr herangezogen werden. Auch eine, wie vom Kläger für erforderlich erachtete, analoge Bewertung für Erwachsene, da die Lese-Rechtschreibschwäche im Erwachsenenalter grundsätzlich fortbestehe, habe nicht zu erfolgen. Zwar könne eine Legasthenie eine Behinderung darstellen, die zu einer Beeinträchtigung der Fähigkeit, das eigene Wissen darzustellen, führen könne und die grundsätzlich durch ausgleichende Maßnahmen im Prüfungsverfahren zu kompensieren sei. Ob ein solcher Nachteilsausgleich zu gewähren sei, sei jedoch von der vorliegenden Frage der Bewertung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu unterscheiden. Grundsätzlich sei festzustellen, dass sich eine Legasthenie im Kinder- und Jugendalter, in welchem die Fähigkeiten des Lesens und Schreibens zuerst erlernt und danach bis zum Abschluss der Schulausbildung vertieft werden müssten, besonders gravierend auswirke. Dementsprechend sei es sachgerecht, wenn für diesen Lebens- und Ausbildungsabschnitt die von einer Legasthenie herrührenden Auswirkungen als stärker beeinträchtigend gegenüber dem Erwachsenenalter und nach Abschluss der Schulausbildung beurteilt würden. Auch bei der Einzelfallprüfung seien im vorliegenden Fall keine Gesichtspunkte für eine abweichende Beurteilung ersichtlich. So habe der Kläger, wenn auch mit besonderer Förderung, die Fachhochschulreife absolviert und nunmehr ein Studium aufgenommen. Hiernach sei nicht zu erkennen, dass eine Funktionsbeeinträchtigung gegeben sei, welche einen GdB von mindestens 20 bedinge. Soweit besondere Erschwernisse des Klägers - insbesondere in Prüfungssituationen - vorlägen, könne diesen durch die Gewährung ausgleichender Maßnahmen (etwa in Form einer Schreibverlängerung) ausreichend Rechnung getragen werden. Hinweise für eine seelische oder psychische Störung im Erwachsenenalter (beispielsweise ausgelöst durch eine Legasthenie) seien hier nicht ersichtlich. Auch für sonstige Funktionsbeeinträchtigungen bestehe kein Anhaltspunkt. Nach alledem biete die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Hiergegen hat der Kläger am 03.04.2009 Beschwerde eingelegt. Legasthenie sei eine Behinderung, welche in einem entsprechenden GdB feststellbar sein müsse. Die Feststellung des GdB könne nicht deshalb verneint werden, weil er bereits ein junger Erwachsener sei. Die vorliegende Behinderung höre nicht mit dem Erreichen des Erwachsenenalters auf. Legasthenie sei ein Störungsbild, dass durch seine hohe Stabilität die persönliche und soziale Entwicklung bis ins Erwachsenenalter präge. Er habe seine Ausbildung, die nicht allein auf die Beendigung der Schulbildung reduziert werden sollte, noch nicht abgeschossen und sei weiterhin in der Situation, sich mit nicht behinderten Kommilitonen in der schriftlichen Erarbeitung und Präsentation messen zu müssen. Ausgangspunkt der Betrachtung könne daher auch nicht sein, was er bisher erreicht habe, sondern vielmehr müsse fiktiv betrachtet werden, was er hätte erreichen können. Es könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass er trotz seiner Beeinträchtigung die entsprechenden Leistungen und Ziele erreicht habe. Die Argumentation, dass er durch ausgleichende Maßnahmen, insbesondere in Prüfungssituationen, hinreichend gleichgestellt sei, könne hier nicht greifen. Mit der Feststellung des GdB begehre er eine offizielle Feststellung, dass er beeinträchtigt sei. Ob und wie diese Beeinträchtigung ausgeglichen werde, sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Es stelle sich vielmehr so dar, dass durch die Feststellung der Beeinträchtigung die Durchsetzung ausgleichender Maßnahmen erleichtert werde.
II.
Die gemäß §§ 172 und 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.
Zu Recht hat das SG den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für deren Bewilligung nicht erfüllt sind.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Antragstellerseite auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 73 a, Rz. 7 a). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist auch in Prozesskostenhilfe-Verfahren der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts und damit auch des Beschwerdegerichts.
Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist der GdB des Klägers zutreffend mit 10 beurteilt. Der auf die Feststellung eines höheren GdB gerichteten Klage fehlt es daher an der erforderlichen Erfolgsaussicht.
Nach Teil B Nr. 3.4.2 VG gilt für eine Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit im Schul- und Jugendalter bei kognitiven Teilleistungsschwächen (zum Beispiel Lese-Rechtschreib-Schwäche [Legasthenie], isolierte Rechenstörung) in leichter Ausprägung ohne wesentliche Beeinträchtigung der Schulleistungen ein GdB zwischen 0 und 10 und sonst - auch unter Berücksichtigung von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen - bis zum Ausgleich ein GdB zwischen 20 und 40 sowie bei besonders schwerer Ausprägung (selten) ein GdB von 50.
Die VG sehen also für eine Lese-Rechtschreibschwäche lediglich für Menschen im Schul- und Jugendalter, nicht aber für Erwachsene, einen GdB vor. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ist Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Zu diesem Personenkreis gehört der inzwischen 22jährige Kläger nicht.
Teil B Nr. 3.4.2 VG ist auch nicht unter Heranziehung von Teil B Nr. 1 b VG, wonach der GdB bei Gesundheitsstörungen, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind, in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen ist, analog auf Erwachsene anzuwenden. Denn die Gesundheitsstörung "Lese-Rechtschreib-Schwäche [Legasthenie]" ist ja gerade in den VG aufgeführt, aber eben ausdrücklich nur bei der Beurteilung eines GdB für das Schul- und Jugendalter vorgesehen. Mithin liegt wegen des eindeutigen Wortlauts der VG keine Regelungslücke vor.
Im Übrigen ist den Stellungnahmen des Pädagogischen Leiters des Instituts für Legastheniker-Therapie Reutlingen, C. B. vom 24.01.2007 und 03.12.2007 sowie dem Psychologischen Befundbericht des Dr. Dipl.-Psych. d. M. von der Klink für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde mit Poliklinik des Universitätsklinikums T. über eine Untersuchung vom 10.01.2008 nicht zu entnehmen, dass beim Kläger, selbst wenn Teil B Nr. 3.4.2 VG auf ihn anwendbar wäre, eine Lese-Rechtschreibschwäche in einer mehr als leichten Ausprägung vorliegt. Zum einen liegt beim Kläger lediglich eine Rechtschreibschwäche, nicht aber eine Leseschwäche, vor. So hat C. B. lediglich ausgeführt, eine nicht durchschnittliche Leseverständnisleistung sei zu vermuten beziehungsweise es sei nicht auszuschließen, dass sich in fachspezifischen Lern- oder Prüfungssituationen auch Lesefehler ergeben würden. Gesichert ist damit eine Leseschwäche nicht. Zum anderen verfügt der Kläger nach den Ausführung des Dr. Dipl.-Psych. d. M. über eine - was auch dessen bisherige schulische Entwicklung gezeigt hat - überdurchschnittliche Intelligenz, so dass er in der Lage ist, die durch die Rechtschreibschwäche bedingten Nachteile in erheblichem Maße auszugleichen und mithin von einer mehr als leichten Ausprägung dieser Teilleistungsschwäche nicht ausgegangen werden kann.
Danach ist der angefochtene Beschluss des SG nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht keine Prozesskostenhilfe zu, weil seine Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach der in Verfahren auf Prozesskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erscheint danach unwahrscheinlich, dass die Klage zum Erfolg führen wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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