Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 294/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 4026/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Juli 2007 (S 9 AS 294/07) wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Unterlassung der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit.
Der 1952 geborene Kläger ist Bauingenieur. Er bezog ab 1. Januar 2005 von dem Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach vorübergehender Unterbrechung des Leistungsbezugs beantragte er mit Schreiben vom 28. Dezember 2006 die Fortzahlung dieser Leistungen und teilte mit, in einem Umfang von 30 Wochenstunden freiberuflich tätig zu sein; hierfür erhalte er eine Aufwandsentschädigung von 120 EUR monatlich. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei dem Beklagten am 19. Januar 2007 legte er eine Vereinbarung einer freiberuflichen Tätigkeit zwischen ihm und der E. K., L.-E. vom 28. Dezember 2006 vor. In der Präambel der Vereinbarung wird erklärt, dass gegenwärtig keine Mittel zur Vergütung der nachstehenden vom Kläger zu erbringenden Planungsleistungen zur Einrichtung einer Kindertagesstätte zur Verfügung stünden. Weiter ergibt sich aus der Vereinbarung, dass die Vergütung des Klägers grundsätzlich nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure erfolgen solle, für die Leistungsphasen 1 - 3 jedoch kein Honorar bezahlt werde, solange die Leistungsphasen 4 - 8 nicht ausdrücklich schriftlich beim Arbeitnehmer (dem Kläger) abgerufen würden oder falls das Vorhaben nicht realisiert werde. Für bereits erbrachte Tätigkeiten und für laufende Mehraufwendungen bei geschätzten 30 Wochenstunden erhalte der Kläger eine Mehraufwandsentschädigung von 120,00 EUR pro Monat ab 1. Januar 2007 vorläufig befristet auf 6 Monate.
Anlässlich dieser Vorsprache, aber auch bei einem weiteren Gespräch am 1. Februar 2007 äußerte der Beklagte, aus der Vereinbarung allein sei nicht zu erkennen, dass der Kläger dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe. Ohne Nachweis seiner konkreten Tätigkeiten müsse er mit der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit rechnen. Zum Umfang seiner Arbeitsleistung erklärte der Kläger, es würden neben dem ausgewählten Standort alternative Räumlichkeiten geprüft und von der Kommune eine erweiterte Bedarfsanalyse und -planung durchgeführt. Sobald dort eine Entscheidung getroffen werde, werde die Projektarbeit fortgesetzt. Hierauf stellte der Beklagte fest, dass der Kläger derzeit nicht über Arbeit verfüge und damit dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Es werde ihm deshalb eine Arbeitsgelegenheit zugewiesen werden. Über die Folgen der Weigerung, diese auszuführen, wurde er mündlich nach § 31 SGB II belehrt, nachdem er sich weigerte, die schriftliche Belehrung anzunehmen.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 wurde dem Kläger letztmals unter Fristsetzung bis zum 23. Februar 2007 Gelegenheit gegeben, schriftliche Belege für seine freiberufliche Tätigkeit vorzulegen. Bei Nichtvorlage der Nachweise müsse davon ausgegangen werden, dass er dem Arbeitsmarkt voll zur Verfügung stehe.
Am 2. Februar 2007 hat der Kläger einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Konstanz (SG) gestellt und die Aussetzung des sofortigen Vollzuges der Arbeitszuweisung bis zur Entscheidung über den Leistungsantrag vom 28. Dezember 2006 und bis zur rechtsverbindlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit und Härte dieser Arbeitszuweisung beantragt.
Hierauf erwiderte der Beklagte, mangels Arbeitszuweisung komme nicht ein Antrag auf Aussetzung des Sofortvollzuges, sondern nur ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht, der jedoch mangels Anordnungsgrund keinen Erfolg haben könne. Wenn der Kläger die mit Schreiben vom 1. Februar 2007 geforderten Nachweise vorlegen würde, würde er nicht zu einer Arbeitsgelegenheit verpflichtet. Auf den gerichtlichen Hinweis, dass sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wohl richtigerweise als vorbeugende Unterlassungsklage, gerichtet auf die Verpflichtung des Beklagten, eine Arbeitszuweisung zu unterlassen, zu verstehen und das Verfahren deshalb als Hauptsacheverfahren mit geändertem Aktenzeichen fortzuführen sei, teilte der Kläger unter dem 4. April 2007 mit, er sei mit dieser Vorgehensweise einverstanden.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2007 meldete sich der Kläger für die Zeit vom 4. bis 29. Juni 2007 wegen freiberuflicher Tätigkeit vom Leistungsbezug ab. Die mit Bescheid vom 4. Mai 2007 für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis 31. Mai 2008 erfolgte Bewilligung von Grundsicherungsleistungen in Höhe von 654,32 EUR/Monat wurde darauf hin mit Bescheid vom 20. Juli 2007 für den Zeitraum vom 4. bis 29. Juni 2007 aufgehoben. Für den Zeitraum vom 30. Juni 2007 bis 31. Mai 2008 wurde der Bescheid vom 4. Mai 2007 durch Bescheid vom 10. August 2007 wegen fehlender Mitwirkung des Klägers bei der Klärung der Einkommensverhältnisse aufgehoben.
Mit dem Kläger am 2. August 2007 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 26. Juli 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Mangels Vorliegen eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses sei die Klage unzulässig. Eine vorbeugende Klage setze in der grundsätzlich repressiv ausgestalteten Sozialprozessordnung ein qualifiziertes, d. h. ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse voraus. Ein solches stelle den Ausnahmefall dar und liege nur vor, wenn der Betroffene nicht auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden könne. Da dem Kläger zuzumuten sei, eine mögliche Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs. 3 SGB II (seit 1. Januar 2009: § 16d SGB II) abzuwarten und dagegen Rechtsmittel einzulegen, fehle es an einem derartigen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Dies gelte besonders im Hinblick darauf, dass ein gegen die Arbeitszuweisung eingelegter Rechtsbehelf nach § 86a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Suspensiveffekt habe.
Hiergegen hat der Kläger am 16. August 2007 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und geltend gemacht, ihm sei es wegen der Abschaffung der Einmalleistungen und der Verpflichtung, Ansparungen aus der Regelleistung vorzunehmen, nicht zuzumuten, ein nachträgliches Hauptsacheverfahren abzuwarten. Der Beklagte habe in der Vergangenheit bereits mehrfach Sanktionen wegen von ihm nicht wahrgenommener Arbeitszuweisungen verhängt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass auch künftig weitere Arbeitszuweisungen und Sanktionen erfolgen würden. Aufgrund der Arbeitszuweisung müsste er die aktuell getätigten Aquisitionen einstellen, da eine freie Verfügbarkeit für seine Auftraggeber nicht gegeben sei. Dies könne zu einem Einkommensausfall von mehr als 600,00 EUR führen.
Nachdem der Berichterstatter Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den 27. April 2009 bestimmt und die Beteiligten hierzu geladen hatte, hat der Kläger mit Schreiben vom 8. April 2009 mitgeteilt, er befinde sich in dieser Zeit für längere Dauer im Ausland (Lesparre, Frankreich). Eine Anreise zum Termin auf eigene Kosten sei nicht möglich. Er beantrage einen Kostenvorschuss für die An- und Abreise und Übernachtungskosten. Mit weiterem Schreiben vom 4. Mai 2009 teilte er auf Anfrage des Senats mit, er halte sich seit 11. April 2009 im Ausland auf. Eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland sei aus heutiger Sicht nicht vorgesehen. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2009 teilte er mit, er befinde sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und auch dauerhaft an einem anderen Ort im Ausland.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Juli 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten zu unterlassen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen in der Antrags- und Klageerwiderung und auf den Inhalt der Behördenakte und hat ergänzend vorgetragen, der Kläger mache zwar einen Einkommensausfall von 600 EUR geltend. Er habe aber bisher kein Einkommen nachweisen können. Außerdem habe er im Verwaltungsverfahren wiederholt angegeben, keine Einnahmen zu erzielen, die er belegen könnte.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, hat der Berichterstatter anstelle des Senats über die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden (§§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 SGG). Der Berichterstatter macht von dem ihm in § 155 Abs. 3 und 4 SGG eingeräumten Ermessen Gebrauch, allein den Rechtsstreit zu entscheiden, da es sich nicht um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG oder um einen Fall von Divergenz i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG (als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache) handelt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. November 2007 - B 9/9a SB 3/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr. 2).
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen statthaft (§ 143 SGG). Da die Klage nicht Geld-, Dienst- oder Sachleistungen oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, unterliegt die Zulässigkeit der Berufung keiner Beschwerdewertgrenze.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Zulässigkeit der Klage verneint, da die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für vorbeugenden Rechtsschutz vorliegend nicht gegeben sind. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob schon zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Die Prozessvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung (noch) vorliegen (Keller in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 9. Auflage, vor § 51 Rdnr. 20). Jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung des Klägers fehlt es an einem qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Für die hier vorliegende vorbeugende Unterlassungsklage, mit der der Kläger die Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit verhindern will, wird ein sogenanntes qualifiziertes Rechtsschutzinteresse gefordert (vgl. BSG, Urteil vom 15. November 1995 - 6 RKa 17/95 - (juris)). Es setzt voraus, dass der Betroffene ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse darlegt, das regelmäßig nicht gegeben ist, solange er auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Als maßgebliches Kriterium für das Bestehen eines qualifizierten Rechtsschutzinteresse wird erachtet, dass ein erneutes, als widerrechtlich beurteiltes Vorgehen der Gegenseite ernstlich zu befürchten ist (siehe u. a. BSG SozR 2200 § 368n Nr. 34; BSG Breithaupt 1980, 233, 234; BSG, Urteil vom 28. Januar 1993 - 2 RU 48/92 - (juris); vgl. auch BSGE 72, 15, 24 = SozR 3-2500 § 88 Nr. 1). Hiervon kann vorliegend im Hinblick auf die vom Kläger befürchtete Arbeitszuweisung nicht ausgegangen werden. Denn der Kläger hält sich nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland auf. Nach seinen eigenen Einlassungen lebt er seit 11. April 2009 dauerhaft im Ausland, wohl in Frankreich, und hat daher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in F. aufgegeben (vgl. hierzu Senatsurteil vom 10. Juni 2009 - L 7 AS 5055/07 -). Der Kläger ist daher gemäß § 7 Abs. 1 SGB II nicht mehr leistungsberechtigt. Er hat somit weder einen Anspruch auf eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II, noch muss er die Absenkung oder den Wegfall des Arbeitslosengeldes II (Alg) wegen der Weigerung, eine zugewiesene Arbeitsgelegenheit aufzunehmen oder fortzuführen, nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II befürchten. Denn auch auf die Bewilligung des Alg hat er mangels gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland keinen Anspruch. Dementsprechend hat der Kläger auch keine Leistungen nach dem SGB II aktuell beantragt. Besteht aber keinerlei Anlass für die Befürchtung, der Beklagte könnte ihm in absehbarer Zeit eine Arbeitsgelegenheit zuweisen, weil er sich schon nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Unterlassung der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit gerichtete Klage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Unterlassung der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit.
Der 1952 geborene Kläger ist Bauingenieur. Er bezog ab 1. Januar 2005 von dem Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach vorübergehender Unterbrechung des Leistungsbezugs beantragte er mit Schreiben vom 28. Dezember 2006 die Fortzahlung dieser Leistungen und teilte mit, in einem Umfang von 30 Wochenstunden freiberuflich tätig zu sein; hierfür erhalte er eine Aufwandsentschädigung von 120 EUR monatlich. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei dem Beklagten am 19. Januar 2007 legte er eine Vereinbarung einer freiberuflichen Tätigkeit zwischen ihm und der E. K., L.-E. vom 28. Dezember 2006 vor. In der Präambel der Vereinbarung wird erklärt, dass gegenwärtig keine Mittel zur Vergütung der nachstehenden vom Kläger zu erbringenden Planungsleistungen zur Einrichtung einer Kindertagesstätte zur Verfügung stünden. Weiter ergibt sich aus der Vereinbarung, dass die Vergütung des Klägers grundsätzlich nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure erfolgen solle, für die Leistungsphasen 1 - 3 jedoch kein Honorar bezahlt werde, solange die Leistungsphasen 4 - 8 nicht ausdrücklich schriftlich beim Arbeitnehmer (dem Kläger) abgerufen würden oder falls das Vorhaben nicht realisiert werde. Für bereits erbrachte Tätigkeiten und für laufende Mehraufwendungen bei geschätzten 30 Wochenstunden erhalte der Kläger eine Mehraufwandsentschädigung von 120,00 EUR pro Monat ab 1. Januar 2007 vorläufig befristet auf 6 Monate.
Anlässlich dieser Vorsprache, aber auch bei einem weiteren Gespräch am 1. Februar 2007 äußerte der Beklagte, aus der Vereinbarung allein sei nicht zu erkennen, dass der Kläger dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe. Ohne Nachweis seiner konkreten Tätigkeiten müsse er mit der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit rechnen. Zum Umfang seiner Arbeitsleistung erklärte der Kläger, es würden neben dem ausgewählten Standort alternative Räumlichkeiten geprüft und von der Kommune eine erweiterte Bedarfsanalyse und -planung durchgeführt. Sobald dort eine Entscheidung getroffen werde, werde die Projektarbeit fortgesetzt. Hierauf stellte der Beklagte fest, dass der Kläger derzeit nicht über Arbeit verfüge und damit dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Es werde ihm deshalb eine Arbeitsgelegenheit zugewiesen werden. Über die Folgen der Weigerung, diese auszuführen, wurde er mündlich nach § 31 SGB II belehrt, nachdem er sich weigerte, die schriftliche Belehrung anzunehmen.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 wurde dem Kläger letztmals unter Fristsetzung bis zum 23. Februar 2007 Gelegenheit gegeben, schriftliche Belege für seine freiberufliche Tätigkeit vorzulegen. Bei Nichtvorlage der Nachweise müsse davon ausgegangen werden, dass er dem Arbeitsmarkt voll zur Verfügung stehe.
Am 2. Februar 2007 hat der Kläger einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Konstanz (SG) gestellt und die Aussetzung des sofortigen Vollzuges der Arbeitszuweisung bis zur Entscheidung über den Leistungsantrag vom 28. Dezember 2006 und bis zur rechtsverbindlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit und Härte dieser Arbeitszuweisung beantragt.
Hierauf erwiderte der Beklagte, mangels Arbeitszuweisung komme nicht ein Antrag auf Aussetzung des Sofortvollzuges, sondern nur ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht, der jedoch mangels Anordnungsgrund keinen Erfolg haben könne. Wenn der Kläger die mit Schreiben vom 1. Februar 2007 geforderten Nachweise vorlegen würde, würde er nicht zu einer Arbeitsgelegenheit verpflichtet. Auf den gerichtlichen Hinweis, dass sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wohl richtigerweise als vorbeugende Unterlassungsklage, gerichtet auf die Verpflichtung des Beklagten, eine Arbeitszuweisung zu unterlassen, zu verstehen und das Verfahren deshalb als Hauptsacheverfahren mit geändertem Aktenzeichen fortzuführen sei, teilte der Kläger unter dem 4. April 2007 mit, er sei mit dieser Vorgehensweise einverstanden.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2007 meldete sich der Kläger für die Zeit vom 4. bis 29. Juni 2007 wegen freiberuflicher Tätigkeit vom Leistungsbezug ab. Die mit Bescheid vom 4. Mai 2007 für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis 31. Mai 2008 erfolgte Bewilligung von Grundsicherungsleistungen in Höhe von 654,32 EUR/Monat wurde darauf hin mit Bescheid vom 20. Juli 2007 für den Zeitraum vom 4. bis 29. Juni 2007 aufgehoben. Für den Zeitraum vom 30. Juni 2007 bis 31. Mai 2008 wurde der Bescheid vom 4. Mai 2007 durch Bescheid vom 10. August 2007 wegen fehlender Mitwirkung des Klägers bei der Klärung der Einkommensverhältnisse aufgehoben.
Mit dem Kläger am 2. August 2007 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 26. Juli 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Mangels Vorliegen eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses sei die Klage unzulässig. Eine vorbeugende Klage setze in der grundsätzlich repressiv ausgestalteten Sozialprozessordnung ein qualifiziertes, d. h. ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse voraus. Ein solches stelle den Ausnahmefall dar und liege nur vor, wenn der Betroffene nicht auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden könne. Da dem Kläger zuzumuten sei, eine mögliche Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs. 3 SGB II (seit 1. Januar 2009: § 16d SGB II) abzuwarten und dagegen Rechtsmittel einzulegen, fehle es an einem derartigen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Dies gelte besonders im Hinblick darauf, dass ein gegen die Arbeitszuweisung eingelegter Rechtsbehelf nach § 86a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Suspensiveffekt habe.
Hiergegen hat der Kläger am 16. August 2007 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und geltend gemacht, ihm sei es wegen der Abschaffung der Einmalleistungen und der Verpflichtung, Ansparungen aus der Regelleistung vorzunehmen, nicht zuzumuten, ein nachträgliches Hauptsacheverfahren abzuwarten. Der Beklagte habe in der Vergangenheit bereits mehrfach Sanktionen wegen von ihm nicht wahrgenommener Arbeitszuweisungen verhängt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass auch künftig weitere Arbeitszuweisungen und Sanktionen erfolgen würden. Aufgrund der Arbeitszuweisung müsste er die aktuell getätigten Aquisitionen einstellen, da eine freie Verfügbarkeit für seine Auftraggeber nicht gegeben sei. Dies könne zu einem Einkommensausfall von mehr als 600,00 EUR führen.
Nachdem der Berichterstatter Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den 27. April 2009 bestimmt und die Beteiligten hierzu geladen hatte, hat der Kläger mit Schreiben vom 8. April 2009 mitgeteilt, er befinde sich in dieser Zeit für längere Dauer im Ausland (Lesparre, Frankreich). Eine Anreise zum Termin auf eigene Kosten sei nicht möglich. Er beantrage einen Kostenvorschuss für die An- und Abreise und Übernachtungskosten. Mit weiterem Schreiben vom 4. Mai 2009 teilte er auf Anfrage des Senats mit, er halte sich seit 11. April 2009 im Ausland auf. Eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland sei aus heutiger Sicht nicht vorgesehen. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2009 teilte er mit, er befinde sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und auch dauerhaft an einem anderen Ort im Ausland.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Juli 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten zu unterlassen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen in der Antrags- und Klageerwiderung und auf den Inhalt der Behördenakte und hat ergänzend vorgetragen, der Kläger mache zwar einen Einkommensausfall von 600 EUR geltend. Er habe aber bisher kein Einkommen nachweisen können. Außerdem habe er im Verwaltungsverfahren wiederholt angegeben, keine Einnahmen zu erzielen, die er belegen könnte.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, hat der Berichterstatter anstelle des Senats über die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden (§§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 SGG). Der Berichterstatter macht von dem ihm in § 155 Abs. 3 und 4 SGG eingeräumten Ermessen Gebrauch, allein den Rechtsstreit zu entscheiden, da es sich nicht um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG oder um einen Fall von Divergenz i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG (als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache) handelt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. November 2007 - B 9/9a SB 3/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr. 2).
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen statthaft (§ 143 SGG). Da die Klage nicht Geld-, Dienst- oder Sachleistungen oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, unterliegt die Zulässigkeit der Berufung keiner Beschwerdewertgrenze.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Zulässigkeit der Klage verneint, da die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für vorbeugenden Rechtsschutz vorliegend nicht gegeben sind. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob schon zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Die Prozessvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung (noch) vorliegen (Keller in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 9. Auflage, vor § 51 Rdnr. 20). Jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung des Klägers fehlt es an einem qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Für die hier vorliegende vorbeugende Unterlassungsklage, mit der der Kläger die Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit verhindern will, wird ein sogenanntes qualifiziertes Rechtsschutzinteresse gefordert (vgl. BSG, Urteil vom 15. November 1995 - 6 RKa 17/95 - (juris)). Es setzt voraus, dass der Betroffene ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse darlegt, das regelmäßig nicht gegeben ist, solange er auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Als maßgebliches Kriterium für das Bestehen eines qualifizierten Rechtsschutzinteresse wird erachtet, dass ein erneutes, als widerrechtlich beurteiltes Vorgehen der Gegenseite ernstlich zu befürchten ist (siehe u. a. BSG SozR 2200 § 368n Nr. 34; BSG Breithaupt 1980, 233, 234; BSG, Urteil vom 28. Januar 1993 - 2 RU 48/92 - (juris); vgl. auch BSGE 72, 15, 24 = SozR 3-2500 § 88 Nr. 1). Hiervon kann vorliegend im Hinblick auf die vom Kläger befürchtete Arbeitszuweisung nicht ausgegangen werden. Denn der Kläger hält sich nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland auf. Nach seinen eigenen Einlassungen lebt er seit 11. April 2009 dauerhaft im Ausland, wohl in Frankreich, und hat daher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in F. aufgegeben (vgl. hierzu Senatsurteil vom 10. Juni 2009 - L 7 AS 5055/07 -). Der Kläger ist daher gemäß § 7 Abs. 1 SGB II nicht mehr leistungsberechtigt. Er hat somit weder einen Anspruch auf eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II, noch muss er die Absenkung oder den Wegfall des Arbeitslosengeldes II (Alg) wegen der Weigerung, eine zugewiesene Arbeitsgelegenheit aufzunehmen oder fortzuführen, nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II befürchten. Denn auch auf die Bewilligung des Alg hat er mangels gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland keinen Anspruch. Dementsprechend hat der Kläger auch keine Leistungen nach dem SGB II aktuell beantragt. Besteht aber keinerlei Anlass für die Befürchtung, der Beklagte könnte ihm in absehbarer Zeit eine Arbeitsgelegenheit zuweisen, weil er sich schon nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Unterlassung der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit gerichtete Klage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
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