Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 2505/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 5055/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. September 2007 (S 9 AS 2505/06) wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Eingliederungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1952 geborene Kläger bezog in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2008 mit Unterbrechungen von dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 22. Februar 2005 teilte er ihm mit, es bestehe in Neuseeland dringender Bedarf an Bauingenieuren. Er bemühe sich seit Januar 2005 intensiv über das Internet, eine geeignete Anstellung dort zu finden. Absagen auf seine Bewerbungen beruhten auf dem Umstand, dass er sich gegenwärtig nicht in Neuseeland aufhalte, um für Bewerbungsgespräche zur Verfügung zu stehen. Er beantrage daher die Übernahme der Flugkosten, der Fahrtkosten in Neuseeland, der Unterkunftskosten für 20 Tage sowie eine Verpflegungspauschale, insgesamt 6121,31 EUR. Außerdem beantrage er die Übernahme der Kosten für ein Arbeitsvisum in Höhe von 2163,06 EUR. Hiermit in Zusammenhang stehende weitere Kosten machte der Kläger mit Schreiben vom 10. Mai 2005 geltend. Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2005 zurückgewiesen.
Unter dem 31. Oktober 2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, die Einwanderungsbehörde Neuseelands verlange für die Ausstellung eines Arbeitsvisums den Nachweis, wenigstens 3 Monate in Neuseeland leben zu können (2000 EUR), über ausreichend Geld für den Erwerb eines Rückflugscheins zu verfügen (3870,46 EUR Hinflug, 5206,19 Rückflug, ersatzweise 2079,65 EUR für Hin- und Rückreise) und die Einwanderungsgebühr (170,00 EUR) bezahlt zu haben. Die Bewilligung der entsprechenden Beträge werde beantragt. Mit Bescheid vom 18. April 2006 lehnte der Beklagte auch diesen Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 zurück.
Am 8. September 2006 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zugleich einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Mit Beschluss vom 26. September 2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (S 9 AS 2504/06 ER). Den am 30. April 2007 erneut gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG mit Beschluss vom 6. Juni 2007 abgelehnt (S 9 AS 1292/07 ER). Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 22. Juni 2006 zurückgewiesen (L 12 AS 2871/07 ER-B).
Mit dem Kläger am 1. Oktober 2007 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 26. September 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II könnten im Wege einer Ermessensentscheidung nur dann ergänzende Eingliederungsleistungen bewilligt werden, wenn ein Eingliederungserfolg mit hinreichender Sicherheit vorhergesagt werden könne. Hieran fehle es vorliegend, denn der Kläger habe weder ein konkretes Stellenangebot in Neuseeland oder zumindest eine konkrete Einladung zu einem Vorstellungsgespräch dort. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen beinhalteten lediglich allgemeine Stellenausschreibungen und allgemeine Informationen. Auch soweit Flugkosten geltend gemacht würden, ergebe sich hierauf gem. § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) kein Anspruch, da die dort geregelten Fälle vorliegend nicht einschlägig seien. Außerdem handele es sich auch insoweit um eine Ermessensentscheidung der Beklagten.
Hiergegen hat der Kläger am 24. Oktober 2007 Berufung beim LSG eingelegt und zur Begründung vorgetragen, der Beklagte habe es in Kenntnis der von ihm gestellten Anträge auf Eingliederungsleistungen unterlassen, im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis Februar 2007 ein Gespräch zum Inhalt der längst überfälligen Eingliederungsvereinbarung zu führen. Der Beklagte habe auch keine nachprüfbare Prognose zu seinen Chancen für die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt in Deutschland vorgelegt. Der Beklagte habe ihm seit fast zwei Jahren bis heute keine einzige offene Arbeitsstelle in Deutschland nachweisen können. Auf der anderen Seite habe er, Kläger, seinen Lebenslauf bei potentiellen Arbeitgebern und privaten Stellenvermittlern in Neuseeland hinterlegt und aktuell persönlich, individuell passende Stellenangebote erhalten. Mit weiterem Schreiben vom 26. Oktober 2007 hat er dargelegt, dass sein Arbeitsvisum für Neuseeland 2007 ablaufe. Er könne sich jedoch weiterhin um eine Festanstellung in Neuseeland bewerben und erneut um die Erteilung eines Arbeitsvisums nachsuchen.
Nachdem der Berichterstatter Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den 27. April 2009 bestimmt und die Beteiligten hierzu geladen hatte, hat der Kläger mit Schreiben vom 8. April 2009 mitgeteilt, er befinde sich in dieser Zeit für längere Dauer im Ausland (Lesparre, Frankreich). Eine Anreise zum Termin auf eigene Kosten sei nicht möglich. Er beantrage einen Kostenvorschuss für die An- und Abreise und Übernachtungskosten. Mit weiterem Schreiben vom 4. Mai 2009 teilte er auf Anfrage des Senats mit, er halte sich seit 11. April 2009 im Ausland auf. Eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland sei aus heutiger Sicht nicht vorgesehen. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2009 teilte er mit, er befinde sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und auch dauerhaft an einem anderen Ort im Ausland.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. September 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Eingliederungsleistungen in Höhe von 2000,00 EUR zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Neuseeland für die ersten drei Monate, in Höhe von 3870,46 EUR für den Hinflug nach Neuseeland, ggf. in Höhe von 5208,19 EUR für den Rückflug nach Deutschland oder in Höhe von 2079,65 EUR für den Hin- und Rückflug sowie in Höhe von 170,00 EUR für die Einwanderungsgebühr zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat zur Begründung auf seine Ausführungen in der Klageerwiderung und den Inhalt der Behördenakte verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, hat der Berichterstatter anstelle des Senats über die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden (§§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Berichterstatter macht von dem ihm in § 155 Abs. 3 und 4 SGG eingeräumten Ermessen Gebrauch, allein den Rechtsstreit zu entscheiden, da es sich nicht um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG oder um einen Fall von Divergenz i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG (als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache) handelt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. November 2007 - B 9/9a SB 3/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr. 2).
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen statthaft (§ 143 SGG). Es kann zwar aufgrund seiner Schreiben vom 8. April, 4. Mai und 18. Juni 2009 davon ausgegangen werden kann, dass sich der Kläger seit 11. April 2009 in Frankreich aufhält. Wenn auch Einiges dafür spricht, dass er deshalb sein ursprüngliches Begehren, in Neuseeland Arbeit zu suchen, aufgegeben hat und somit das Rechtsschutzinteresse für die Rechtsverfolgung entfallen ist, ist diese Annahme jedoch nicht zwingend. Es kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass der Kläger an diesem Vorhaben festhält und es auch von seinem jetzigen Aufenthaltsort aus weiter betreiben möchte.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Beklagte und das SG haben im Ergebnis zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf die begehrten Eingliederungsleistungen nicht zusteht. Inzwischen ergibt sich dies allerdings bereits daraus, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben dauerhaft im Ausland lebt. Nach allgemeiner Auffassung ist auch bei kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen nach § 54 Abs. 4 SGG, um eine solche handelt es sich hier, soweit es um Tatsachenfragen geht, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsacheninstanz und dort der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. im Falle einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung der Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend (st. Rspr., vgl. BSGE 41, 38; 43, 1; 89, 294; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 29, 304). Dies bedeutet vorliegend, dass nicht auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Antragstellung, des Bescheiderlasses, des Widerspruchsbescheids oder des erstinstanzlichen Urteils, sondern darauf abzustellen ist, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung des Klägers ein Anspruch auf die beantragten Leistungen besteht. Ein solcher Anspruch besteht indes nicht. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger nicht (mehr) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), auf den die Gesetzesmaterialien zu § 7 SGB II ausdrücklich hinweisen (BT-Drucks. 15/1516, S. 52), hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein nur vorübergehender Auslandsaufenthalt beendet den inländischen gewöhnlichen Aufenthalt zwar nicht (BSGE 27, 88, 89; BVerwG FEVS 51, 145). Der Kläger hat jedoch mitgeteilt, sich dauerhaft im Ausland aufzuhalten. Von einem nur vorübergehenden Aufenthalt im Ausland kann deshalb nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist auch aufgrund der Einlassung des Klägers, dass eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland aus heutiger Sicht nicht vorgesehen sei, anzunehmen, dass der Lebensmittelpunkt des Klägers nicht mehr in Deutschland liegt. Auch wenn der Kläger seine Wohnung in F. beibehalten sollte, hätte er gleichwohl unter diesen Voraussetzungen seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort verloren (Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 36 Rdnr. 26).
Nach § 30 Abs. 2 SGB I bleiben hinsichtlich der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts zwar unberührt. Die Leistungen nach dem SGB II wurden aber mit Ausnahme des Zuschlags nach § 24 SGB II, der hier jedoch nicht im Streit steht, in den Anhang II a lit. D der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu– und abwandern - EWG-VO 1408/71 - (ABl. L 149 vom 5.7.1971, S. 2, Konsolidierte Fassung ABl. Nr. L 28 vom 30. 1. 1997, S. 1) aufgenommen und sind deshalb gem. Art 10 a EWG-VO 1408/71 nicht exportfähig (vgl. Schlegel in Eicher/Schlegel, EWG-VO 1408/71 Vor Art. 67-71 Rdnr. 45).
Der Berufung ist deshalb schon der Erfolg versagt, weil der Kläger nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen nach § 7 Abs. 1 SGB II gehört. Keiner weiteren Erörterung bedarf daher, dass durch Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2917) mit Wirkung zum 1. Januar 2009 die Eingliederungshilfe neu geregelt wurde. Im Zuge dieser Neufassung wurde die nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F. bestehende im Ermessen des Leistungsträgers liegende Möglichkeit, über die in § 16 Abs. 1 SGB II genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen zu erbringen, nunmehr in § 16f Abs. 1 Satz 1 SGB II hinsichtlich der Höhe der hierfür einzusetzenden Eingliederungsmittel beschränkt. Freie Leistungen zur Eingliederung in Arbeit können danach nur bis zu 10 Prozent der nach § 46 Abs. 2 SGB II auf die Agentur für Arbeit entfallenden Eingliederungsmittel für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit eingesetzt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Eingliederungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1952 geborene Kläger bezog in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2008 mit Unterbrechungen von dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 22. Februar 2005 teilte er ihm mit, es bestehe in Neuseeland dringender Bedarf an Bauingenieuren. Er bemühe sich seit Januar 2005 intensiv über das Internet, eine geeignete Anstellung dort zu finden. Absagen auf seine Bewerbungen beruhten auf dem Umstand, dass er sich gegenwärtig nicht in Neuseeland aufhalte, um für Bewerbungsgespräche zur Verfügung zu stehen. Er beantrage daher die Übernahme der Flugkosten, der Fahrtkosten in Neuseeland, der Unterkunftskosten für 20 Tage sowie eine Verpflegungspauschale, insgesamt 6121,31 EUR. Außerdem beantrage er die Übernahme der Kosten für ein Arbeitsvisum in Höhe von 2163,06 EUR. Hiermit in Zusammenhang stehende weitere Kosten machte der Kläger mit Schreiben vom 10. Mai 2005 geltend. Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2005 zurückgewiesen.
Unter dem 31. Oktober 2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, die Einwanderungsbehörde Neuseelands verlange für die Ausstellung eines Arbeitsvisums den Nachweis, wenigstens 3 Monate in Neuseeland leben zu können (2000 EUR), über ausreichend Geld für den Erwerb eines Rückflugscheins zu verfügen (3870,46 EUR Hinflug, 5206,19 Rückflug, ersatzweise 2079,65 EUR für Hin- und Rückreise) und die Einwanderungsgebühr (170,00 EUR) bezahlt zu haben. Die Bewilligung der entsprechenden Beträge werde beantragt. Mit Bescheid vom 18. April 2006 lehnte der Beklagte auch diesen Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 zurück.
Am 8. September 2006 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zugleich einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Mit Beschluss vom 26. September 2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (S 9 AS 2504/06 ER). Den am 30. April 2007 erneut gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG mit Beschluss vom 6. Juni 2007 abgelehnt (S 9 AS 1292/07 ER). Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 22. Juni 2006 zurückgewiesen (L 12 AS 2871/07 ER-B).
Mit dem Kläger am 1. Oktober 2007 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 26. September 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II könnten im Wege einer Ermessensentscheidung nur dann ergänzende Eingliederungsleistungen bewilligt werden, wenn ein Eingliederungserfolg mit hinreichender Sicherheit vorhergesagt werden könne. Hieran fehle es vorliegend, denn der Kläger habe weder ein konkretes Stellenangebot in Neuseeland oder zumindest eine konkrete Einladung zu einem Vorstellungsgespräch dort. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen beinhalteten lediglich allgemeine Stellenausschreibungen und allgemeine Informationen. Auch soweit Flugkosten geltend gemacht würden, ergebe sich hierauf gem. § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) kein Anspruch, da die dort geregelten Fälle vorliegend nicht einschlägig seien. Außerdem handele es sich auch insoweit um eine Ermessensentscheidung der Beklagten.
Hiergegen hat der Kläger am 24. Oktober 2007 Berufung beim LSG eingelegt und zur Begründung vorgetragen, der Beklagte habe es in Kenntnis der von ihm gestellten Anträge auf Eingliederungsleistungen unterlassen, im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis Februar 2007 ein Gespräch zum Inhalt der längst überfälligen Eingliederungsvereinbarung zu führen. Der Beklagte habe auch keine nachprüfbare Prognose zu seinen Chancen für die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt in Deutschland vorgelegt. Der Beklagte habe ihm seit fast zwei Jahren bis heute keine einzige offene Arbeitsstelle in Deutschland nachweisen können. Auf der anderen Seite habe er, Kläger, seinen Lebenslauf bei potentiellen Arbeitgebern und privaten Stellenvermittlern in Neuseeland hinterlegt und aktuell persönlich, individuell passende Stellenangebote erhalten. Mit weiterem Schreiben vom 26. Oktober 2007 hat er dargelegt, dass sein Arbeitsvisum für Neuseeland 2007 ablaufe. Er könne sich jedoch weiterhin um eine Festanstellung in Neuseeland bewerben und erneut um die Erteilung eines Arbeitsvisums nachsuchen.
Nachdem der Berichterstatter Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den 27. April 2009 bestimmt und die Beteiligten hierzu geladen hatte, hat der Kläger mit Schreiben vom 8. April 2009 mitgeteilt, er befinde sich in dieser Zeit für längere Dauer im Ausland (Lesparre, Frankreich). Eine Anreise zum Termin auf eigene Kosten sei nicht möglich. Er beantrage einen Kostenvorschuss für die An- und Abreise und Übernachtungskosten. Mit weiterem Schreiben vom 4. Mai 2009 teilte er auf Anfrage des Senats mit, er halte sich seit 11. April 2009 im Ausland auf. Eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland sei aus heutiger Sicht nicht vorgesehen. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2009 teilte er mit, er befinde sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und auch dauerhaft an einem anderen Ort im Ausland.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. September 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Eingliederungsleistungen in Höhe von 2000,00 EUR zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Neuseeland für die ersten drei Monate, in Höhe von 3870,46 EUR für den Hinflug nach Neuseeland, ggf. in Höhe von 5208,19 EUR für den Rückflug nach Deutschland oder in Höhe von 2079,65 EUR für den Hin- und Rückflug sowie in Höhe von 170,00 EUR für die Einwanderungsgebühr zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat zur Begründung auf seine Ausführungen in der Klageerwiderung und den Inhalt der Behördenakte verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, hat der Berichterstatter anstelle des Senats über die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden (§§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Berichterstatter macht von dem ihm in § 155 Abs. 3 und 4 SGG eingeräumten Ermessen Gebrauch, allein den Rechtsstreit zu entscheiden, da es sich nicht um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG oder um einen Fall von Divergenz i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG (als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache) handelt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. November 2007 - B 9/9a SB 3/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr. 2).
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen statthaft (§ 143 SGG). Es kann zwar aufgrund seiner Schreiben vom 8. April, 4. Mai und 18. Juni 2009 davon ausgegangen werden kann, dass sich der Kläger seit 11. April 2009 in Frankreich aufhält. Wenn auch Einiges dafür spricht, dass er deshalb sein ursprüngliches Begehren, in Neuseeland Arbeit zu suchen, aufgegeben hat und somit das Rechtsschutzinteresse für die Rechtsverfolgung entfallen ist, ist diese Annahme jedoch nicht zwingend. Es kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass der Kläger an diesem Vorhaben festhält und es auch von seinem jetzigen Aufenthaltsort aus weiter betreiben möchte.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Beklagte und das SG haben im Ergebnis zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf die begehrten Eingliederungsleistungen nicht zusteht. Inzwischen ergibt sich dies allerdings bereits daraus, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben dauerhaft im Ausland lebt. Nach allgemeiner Auffassung ist auch bei kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen nach § 54 Abs. 4 SGG, um eine solche handelt es sich hier, soweit es um Tatsachenfragen geht, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsacheninstanz und dort der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. im Falle einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung der Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend (st. Rspr., vgl. BSGE 41, 38; 43, 1; 89, 294; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 29, 304). Dies bedeutet vorliegend, dass nicht auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Antragstellung, des Bescheiderlasses, des Widerspruchsbescheids oder des erstinstanzlichen Urteils, sondern darauf abzustellen ist, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung des Klägers ein Anspruch auf die beantragten Leistungen besteht. Ein solcher Anspruch besteht indes nicht. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger nicht (mehr) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), auf den die Gesetzesmaterialien zu § 7 SGB II ausdrücklich hinweisen (BT-Drucks. 15/1516, S. 52), hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein nur vorübergehender Auslandsaufenthalt beendet den inländischen gewöhnlichen Aufenthalt zwar nicht (BSGE 27, 88, 89; BVerwG FEVS 51, 145). Der Kläger hat jedoch mitgeteilt, sich dauerhaft im Ausland aufzuhalten. Von einem nur vorübergehenden Aufenthalt im Ausland kann deshalb nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist auch aufgrund der Einlassung des Klägers, dass eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland aus heutiger Sicht nicht vorgesehen sei, anzunehmen, dass der Lebensmittelpunkt des Klägers nicht mehr in Deutschland liegt. Auch wenn der Kläger seine Wohnung in F. beibehalten sollte, hätte er gleichwohl unter diesen Voraussetzungen seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort verloren (Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 36 Rdnr. 26).
Nach § 30 Abs. 2 SGB I bleiben hinsichtlich der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts zwar unberührt. Die Leistungen nach dem SGB II wurden aber mit Ausnahme des Zuschlags nach § 24 SGB II, der hier jedoch nicht im Streit steht, in den Anhang II a lit. D der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu– und abwandern - EWG-VO 1408/71 - (ABl. L 149 vom 5.7.1971, S. 2, Konsolidierte Fassung ABl. Nr. L 28 vom 30. 1. 1997, S. 1) aufgenommen und sind deshalb gem. Art 10 a EWG-VO 1408/71 nicht exportfähig (vgl. Schlegel in Eicher/Schlegel, EWG-VO 1408/71 Vor Art. 67-71 Rdnr. 45).
Der Berufung ist deshalb schon der Erfolg versagt, weil der Kläger nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen nach § 7 Abs. 1 SGB II gehört. Keiner weiteren Erörterung bedarf daher, dass durch Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2917) mit Wirkung zum 1. Januar 2009 die Eingliederungshilfe neu geregelt wurde. Im Zuge dieser Neufassung wurde die nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F. bestehende im Ermessen des Leistungsträgers liegende Möglichkeit, über die in § 16 Abs. 1 SGB II genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen zu erbringen, nunmehr in § 16f Abs. 1 Satz 1 SGB II hinsichtlich der Höhe der hierfür einzusetzenden Eingliederungsmittel beschränkt. Freie Leistungen zur Eingliederung in Arbeit können danach nur bis zu 10 Prozent der nach § 46 Abs. 2 SGB II auf die Agentur für Arbeit entfallenden Eingliederungsmittel für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit eingesetzt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
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