L 8 AL 2385/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 3297/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2385/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Februar 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 04.11.2005 bis zum 30.04.2006 aufgehoben und einen Erstattungsbetrag in Höhe von 4.267,47 EUR geltend gemacht hat.

Die 1981 geborene Klägerin meldete sich am 25.07.2005 bei der Arbeitsagentur B. (AABC) arbeitslos und gab hierbei an, sie habe zuletzt als Erzieherin im Kindergarten E. bis 08.09.2005 gearbeitet. In ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg) versicherte sie durch ihre Unterschrift vom 05.08.2005, das Merkblatt 1 für Arbeitslose und das Hinweisblatt aus Anlass der persönlichen Arbeitsuchendmeldung erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin Alg ab 09.09.2005.

Am 21.09.2005 fragte die Klägerin telefonisch im Service-Center an, ob eine schulische Ausbildung zur Ergotherapeutin über die Bundesagentur für Arbeit gefördert werden könne. Noch am selben Tag wurde sie vom Mitarbeiter der Beklagten Herrn F. zurückgerufen, der ihr den Hinweis gab, sie solle bei der BaFöG-Stelle nachfragen.

Am 14.10.2005 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten an, sie habe einen Termin bei Herrn F. zum 08.11.2005 bekommen, dieser Termin sei für sie aber zu spät und sie bitte um einen früheren Termin. Daraufhin erhielt die Klägerin einen früheren Termin bei Herrn F. zum 17.10.2005. Hierbei gab sie an, sie könne aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Erzieherin arbeiten. Daraufhin wurde im Oktober 2005 eine Gesundheitsprüfung veranlasst. Am 09.11.2005 wurde die Klägerin durch den Arbeitsamtsarzt St. S. untersucht. Dieser führte in seinem Gutachten aus, die Klägerin könne vollschichtig mittelschwere Arbeiten ausüben. Zu verzichten sei dabei auf häufiges Knien und Hocken, Klettern und Steigen. Gehen und Stehen in wechselnder Arbeitshaltung seien vollschichtig zumutbar. Am 01.03.2006 wurde der Klägerin ein Reha-Antrag zugeschickt und sie wurde zu einem Beratungstermin am 20.03.2006 eingeladen. Bei diesem Gespräch wurde das amtsärztliche Gutachten eröffnet. Der von der Klägerin ausgefüllte Reha-Antrag ging am 24.03.2006 in der Reha-Abteilung ein. Ein Beratungsgespräch beim Reha-Berater (Herr Sch.) fand am 15.05.2006 statt. Hierbei gab die Klägerin an, sie befinde sich bereits seit dem 01.10.2005 in einer Umschulung zur Ergotherapeutin bei der Dr. K.-Schule in B. W. und beziehe derzeit noch Arbeitslosengeld. Sie wurde daraufhin aufgefordert, sich umgehend bei der AABC zu melden und diesen Umstand mitzuteilen. Der Reha-Berater wies in diesem Gespräch darauf hin, dass der Reha-Antrag von der Klägerin erst nach Aufnahme der Umschulung gestellt worden sei und dass auch keine notwendige Beratung nach § 77 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) vor Aufnahme der Ausbildung stattgefunden habe. Der Reha-Berater legte der Klägerin daraufhin dar, dass sie nicht mit einer Förderung dieser Umschulung rechnen könne (vgl. Beratungsvermerk vom 18.05.2006). Mit Bescheid vom 03.06.2006 wurde die Förderung der Umschulung an der Dr. K. Schule in B. W. abgelehnt.

Mit Schreiben vom 15.05.2006 an die AABC teilte die Klägerin mit, dass sie die Schule zur Ergotherapeutin in B. W. an der Dr. K.-Schule ab Oktober 2005 bereits besuche.

Mit zwei Schreiben vom 19.05.2006 wies die Agentur für Arbeit Ravensburg (AARV) darauf hin, dass die Klägerin Arbeitslosengeld vom 01.10.2005 bis 31.12.2005 in Höhe von 2.169,90 EUR und vom 01.01.2006 bis 30.04.2006 in Höhe von 2.893,20 EUR zu Unrecht bezogen habe, da sie in dieser Zeit eine Schule zur Ausbildung als Ergotherapeutin besucht habe. Diese für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in den Verhältnissen habe sie der Beklagten nicht mitgeteilt. Der Klägerin werde Gelegenheit gegeben, sich zu dem Sachverhalt zu äußern.

Mit Schreiben vom 30.05.2006 wandte die Klägerin ein, im Oktober 2005 habe sie bei der AABC einen Antrag auf Umschulung von Erzieherin auf Ergotherapeutin gestellt. Dieser Antrag sei bis jetzt noch nicht beschieden. Laut Aussage von Herrn F. von der AABC werde die Umschulung jedoch demnächst bewilligt und finanziell von der Beklagten gefördert. Sie sei davon ausgegangen, dass sofort nach Bewilligung dieser Fördermittel eine Verrechnung mit dem tatsächlich bezogenen Arbeitslosengeld erfolgen werde. Ihr sei nicht bewusst, dass sie Arbeitslosengeld zu Unrecht bezogen habe.

Mit Bescheid vom 05.07.2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld vom 04.11.2005 bis 30.06.2006 auf und forderte das in der Zeit vom 04.11.2005 bis 30.04.2006 gezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 4.267,47 EUR zurück. Dieser Betrag sei von der Klägerin zu erstatten, da das Arbeitslosengeld zu Unrecht gezahlt worden sei. Die Klägerin sei in diesem Zeitraum in einer Umschulung zur Ergotherapeutin gewesen. Die Klägerin sei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, der Agentur für Arbeit alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich seien. Dieser Verpflichtung sei die Klägerin zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und bezog sich auf ihren Vortrag, den sie anlässlich der Anhörung gemacht hatte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, erstmals am 15.05.2006 habe die Klägerin angegeben, dass sie sich bereits seit Oktober 2005 in einer Vollzeitausbildung zur Ergotherapeutin befinde. Damit sei sie nicht rechtzeitig ihrer Meldepflicht nachgekommen.

Dagegen erhob die Klägerin am 28.08.2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) und machte geltend, es sei zwar richtig, dass sie der Beklagten die Aufnahme der Umschulung nicht mitgeteilt habe, sie habe jedoch davon ausgehen können, dass die AABC die beantragte Umschulung der AARV mitteilen werde. Außerdem habe sie davon ausgehen können, dass nach Bewilligung der Umschulung die Fördermittel mit dem tatsächlich bezogenen Arbeitslosengeld erfolgen werde. Hätte sie die beabsichtigte Umschulung der Beklagten direkt mitgeteilt und die Umschulungsbewilligung abgewartet, hätte sie weder Arbeitslosengeld im fraglichen Zeitraum erhalten noch an der Umschulung teilnehmen können. Nachdem sie hinsichtlich der Umschulung von der AABC betreut worden sei, habe sie sich darauf verlassen, dass die Agenturen sich miteinander abstimmen würden.

In der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2007 gab die Klägerin an, bei dem Gespräch mit Herrn F. Ende Oktober 2005, an dem auch ihr Vater (W. G. M.) teilgenommen habe, sei ihr von Herrn F. mitgeteilt worden, dass die Umschulung zur Ergotherapeutin genehmigt werde. Sie sei deshalb davon ausgegangen, dass die Beklagte ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld insoweit mit anderen Leistungen verrechnen werde.

Das SG vernahm W. G. M. als Zeugen. Dieser sagte aus, er sei mit seiner Tochter im Oktober 2005 bei der AABC gewesen und sie hätten ein Gespräch mit Herrn F. gehabt. Herr F. habe seiner Tochter damals in seinem Beisein gesagt, dass der Antrag auf Umschulung zur Ergotherapeutin genehmigt werde. Sie werde weiter von Ravensburg aus betreut. Alles Weitere werde sie von Ravensburg hören. Seine Tochter habe seinerzeit rückwirkend eine Zusage gehabt, dass sie zum 1. Oktober 2005 in die Klasse aufgenommen werden könne. Deshalb habe sie unter Zeitdruck gestanden. Seine Tochter habe den Vertrag aber noch nicht unterzeichnet gehabt, da sie erst auf die Zusage durch die Bundesagentur habe warten wollen.

Mit Urteil vom 27.02.2007 hob das SG den Bescheid vom 05.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2006 auf. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Voraussetzungen zur Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld seien vorliegend nicht erfüllt, da die Klägerin weder grob fahrlässig und schon gar nicht vorsätzlich ihrer Rechtspflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen sei. Sowohl die Klägerin als auch ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.02.2007 als Zeuge vernommener Vater hätten in sich schlüssig und glaubhaft und damit für die Kammer überzeugend dargelegt, dass der Klägerin im Beisein ihres Vaters Ende Oktober 2005 von einem Mitarbeiter der Beklagten mitgeteilt worden sei, dass die Umschulung zur Ergotherapeutin genehmigt werde. Folgerichtig habe die Klägerin deshalb davon ausgehen können, dass die Beklagte den Anspruch auf Arbeitslosengeld mit anderen Leistungen verrechnen werde. Die Klägerin sei deshalb ihren Mitteilungspflichten voll umfänglich nachgekommen. Dass weiterhin Arbeitslosengeld gezahlt worden sei, sei ihr nicht anzulasten. Die Rechtswidrigkeit dieser Zahlungen hätte sich ihr nicht aufdrängen müssen.

Gegen das der Beklagten am 27.04.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.05.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld sei zu Recht ab 04.11.2005 aufgehoben worden. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei eingetreten durch den Besuch der Dr. K.-Schule in B. W. ab 04.11.2005 mit dem Ausbildungsziel als Ergotherapeutin. Denn hierdurch sei die Arbeitslosigkeit der Klägerin entfallen. Die Klägerin habe ihre Mitteilungspflicht verletzt, da eine Mitteilung der Aufnahme des Schulbesuchs ab 04.11.2005 durch die Klägerin zeitnah nicht erfolgt sei. Die Beklagte habe erst durch die Vorsprache der Klägerin am 15.05.2006 von dem Schulbesuch erfahren. Die Klägerin habe auch Herrn F. zu keinem Zeitpunkt die Aufnahme der schulischen Ausbildung mitgeteilt. Herrn F. sei lediglich bekannt gewesen, dass die Klägerin eine entsprechende Ausbildung anstrebe. So habe die Klägerin am 21.09.2005 telefonisch im Service-Center angefragt, ob eine schulische Ausbildung zur Ergotherapeutin über die Bundesanstalt für Arbeit gefördert werden könne. Noch am selben Tage sei ihr von Herrn F., der sie zurückgerufen habe, der Hinweis erteilt worden, sie solle bei der BaFöG-Stelle nachfragen. Somit habe Herr F. auch erst am 15.05.2006 von dem Schulbesuch der Klägerin erfahren. Damit habe die Klägerin ihre Mitteilungspflicht verletzt. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB Erstes Buch (SGB I) habe derjenige, der Sozialleistungen erhalte, sämtliche Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich seien oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden seien, unverzüglich mitzuteilen. Die Aufnahme der Ausbildung habe die Klägerin der Beklagten nicht rechtzeitig mitgeteilt. Dies sei auch grob fahrlässig geschehen. Die Klägerin habe wissen müssen, dass sie den Schulbesuch mit dem Ausbildungsziel zur Ergotherapeutin bei der Beklagten melden müsse. Die Klägerin habe im Antrag auf Arbeitslosengeld unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten zu haben. In diesem werde auf den S. 48/49 nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Agentur für Arbeit sofort zu benachrichtigen sei, wenn "Sie als Schüler oder Student eine Schule, Hochschule oder ähnliche Ausbildungsstätte besuchen". Eine solche Mitteilung der Aufnahme des Schulbesuchs ab 04.11.2005 sei durch die Klägerin erst am 15.05.2006 erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, ihr Vater habe als Zeuge unmissverständlich bekundet, dass der Mitarbeiter der Beklagten, Herr F., die Aussage getätigt habe, dass ihr Antrag auf Umschulung zur Ergotherapeutin genehmigt werde und dass sie weiter von Ravensburg aus betreut und dass sie alles Weitere von Ravensburg hören werde. Hieraus ergebe sich, dass sie voll umfänglich ihren Mitteilungspflichten im Oktober 2005 nachgekommen sei.

Auf Fragen des Berichterstatters hat R. F. - Teamleiter der Beklagten - schriftlich am 11.10.2007 mitgeteilt, er habe mit hundertprozentiger Sicherheit keine Aussage gemacht, dass der Antrag auf eine Umschulung zur Ergotherapeutin genehmigt sei.

In nichtöffentlicher Sitzung vom 09.11.2007 hat die Klägerin erklärt, im Oktober 2005 habe der Ausbildungsvertrag unterschriftsreif im Sekretariat der Dr. K.-Schule in B. W. gelegen. Hiervon habe sie allerdings Herrn F. nicht berichten können, da das Gespräch sehr kurz gewesen sei. Es habe "zwischen Tür und Angel" stattgefunden und Herr F. habe ihr nur kurz mitgeteilt, der Antrag sei durch und alles Weitere höre sie von Ravensburg. Bei der BaFöG-Stelle sei sie im Frühjahr 2006 gewesen. Den Ausbildungsvertrag, der unterschriftsreif im Sekretariat der Schule gelegen habe, habe sie am 04.11.2005 unterschrieben. Vorher sei sie schon probeweise auf der Dr. K.-Schule gewesen, und zwar ab Anfang Oktober 2005. Schulunterricht sei von montags bis freitags.

Auf Anfrage des Senats hat das Landratsamt B. - Ausbildungsförderung - mit Schreiben vom 28.11.2008 mitgeteilt, der BAföG-Antrag der Klägerin sei am 30.05.2006 bei ihrem Amt eingegangen. Der Klägerin sei mit Bescheid vom 28.07.2006 Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 412,00 EUR für den Bewilligungszeitraum Mai und weiter ab Juni 2006 gewährt worden. Der Senat hat den Vater der Klägerin und Arbeitsvermittler F. als Zeugen vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift vom 15.05.2009 wird verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Ulm und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache auch begründet.

Zu Unrecht hat das SG die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten, mit denen die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 04.11.2005 bis zum 30.04.2006 aufgehoben und einen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 4.267,47 EUR geltend gemacht hat, aufgehoben. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit u.a. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Veränderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Abs. 2 Satz 2 Nr. 2), oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen ist oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Abs. 2 Satz 2 Nr. 4). Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, so ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.

Bei der Bewilligung von Alg ab 09.09.2005 aufgrund der Alg-Bewilligungsverfügung vom 01.09.2005 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gemäß § 48 SGB X, da dieser nicht lediglich der einmaligen Gestaltung einer Rechtslage diente, sondern ein auf Dauer angelegtes und in seinem Bestand von diesem Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründete. In dieses Dauerrechtsverhältnis ist (spätestens) ab 04.11.2005 eine wesentliche Änderung eingetreten. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X liegt dann vor, wenn die Behörde unter den objektiv gegebenen Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 19; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 48 SGB X Rdziff. 13 ff). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hatte keinen Anspruch mehr auf Alg ab Beginn ihrer Ausbildung zur Ergotherapeutin.

Durch den Besuch der Dr. K.-Schule in B. W. durch die Klägerin ab 04.11.2005 mit dem Ausbildungsziel Ergotherapeutin ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Hierdurch ist die Arbeitslosigkeit der Klägerin entfallen.

Anspruch auf Alg hat neben weiteren Voraussetzungen nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§ 119 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 SGB III). Nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III setzt Verfügbarkeit u.a. voraus, dass der Arbeitslose Vorschläge des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf. Dies war vorliegend ab 04.11.2005 nicht mehr gegeben, da die Klägerin ab diesem Zeitpunkt ganztags die Dr. K.-Schule besuchte und sich damit in Ausbildung befand.

Die Klägerin hätte den Beginn ihrer Ausbildung der Beklagten mitteilen müssen. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB Erstes Buch (SGB I) hat derjenige, der Sozialleistungen erhält, sämtliche Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Die Klägerin hat die Aufnahme der Ausbildung durch Besuch der Dr. K.-Schule in B. W. ab 04.11.2005 der Beklagten nicht rechtzeitig mitgeteilt. Erstmals mit Schreiben vom 15.05.2006 hat die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie seit Oktober 2005 die Schule zur Ausbildung als Ergotherapeutin in B. W. besuche. Eine derartige Mitteilung hätte spätestens aber am 04.11.2005 erfolgen müssen, um sie als rechtzeitig anzusehen. Auch im Rahmen der Beweisaufnahme vor dem Senat haben sich keine Umstände ergeben, wonach der Senat die zuverlässige richterliche Überzeugung hätte gewinnen können, dass die Klägerin oder der sie bei ihren Vorsprachen begleitende Vater der Beklagten bereits früher die aufgenommene Schulausbildung mitgeteilt haben. Damit hat die Klägerin ihre Mitteilungspflicht verletzt. Dies ist auch grob fahrlässig geschehen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X). Grobe Fahrlässigkeit setzt also eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, d.h. eine besonders grobe und auch subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung voraus, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Anzulegen ist bei der Prüfung des Vorliegens der groben Fahrlässigkeit nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (BSG-Urteil vom 24.04.1997 - 11 RAr 89/96 -). Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Hierbei sind auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dieser individuellen Gegebenheiten ist die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten grob fahrlässig nicht nachgekommen. Die Klägerin hat gegenüber Herrn F. von der AABC zu keinem Zeitpunkt die Aufnahme der schulischen Ausbildung mitgeteilt; Herrn F. war lediglich bekannt, dass die Klägerin eine entsprechende Ausbildung anstrebe. Der Klägerin musste auch bekannt sein, dass der Beginn einer Ausbildung für einen Arbeitslosen eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt, was der Beklagten mitzuteilen ist. Im Antrag auf Arbeitslosengeld vom 05.08.2005 hat die Klägerin unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten zu haben (vgl. Bl. 2 Rückseite der Beklagtenakten). In diesem Merkblatt wird auf den S. 48 und 49 darauf hingewiesen, dass die Agentur für Arbeit sofort zu benachrichtigen ist, wenn "Sie als Schüler oder Student eine Schule, Hochschule oder ähnliche Ausbildungsstätte besuchen". Angesichts dessen ist die Untätigkeit der Klägerin hinsichtlich der Mitteilung des Beginns ihrer schulischen Ausbildung ab 04.11.2005 als grob fahrlässig anzusehen.

Am Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ändert auch nichts, dass die Klägerin im Laufe des Verfahrens angegeben hat, sie sei davon ausgegangen, dass die Reha-Maßnahme bewilligt werde und dass die dabei anfallenden Leistungen mit dem Anspruch auf Arbeitslosengeld verrechnet würden. Diese Angaben der Klägerin hält der Senat nicht für glaubhaft. Dem steht nämlich entgegen, dass die Klägerin am 21.09.2005 sich telefonisch im Service-Center erkundigt hat, ob eine schulische Ausbildung zur Ergotherapeutin über die Bundesagentur für Arbeit gefördert werden könne, wobei Herr F. von der AABC im Rückruf vom selben Tage ihr den Hinweis gegeben hat, sie solle bei der BaFöG-Stelle nachfragen. Der Anruf der Klägerin verdeutlicht, dass ihr unklar war, ob eine Ausbildung zur Ergotherapeutin durch die Beklagte überhaupt gefördert werden würde und ihr durch die Beratung von Herrn F. deutlich werden musste, dass möglicherweise ein anderer Träger als die Beklagte, nämlich die BaFöG-Stelle zuständig sein könnte. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin die Ausbildung bereits am 01.10.2005 aufgenommen hat, wie es der seitens der Schule am 10.10.2005 unterschriebene Ausbildungsvertrag nahe legt und was auch dem Interesse der Klägerin, kein Schuljahr zu verlieren, entsprochen hat. Die Klägerin und der als Zeuge gehörte Vater haben eingeräumt, dass die Klägerin Anfang Oktober einen Schnupperkurs belegt hat. Der Zeuge hat darüber hinaus angegeben, dass die Klägerin ab November 2005 regulär am Unterricht teilgenommen hat. Der Senat hat dem Zeugen nicht geglaubt, nicht zu wissen, ob seine Tochter irregulär- als Gasthörerin - am Unterricht bereits im Oktober teilgenommen hat, was verwundert, wenn er an der beruflichen Neuorientierung seiner Tochter ansonsten so starken Anteil nimmt und sie zu jedem Behördengang zur Bundesagentur begleitet. Die Klägerin selbst hat bei der Anhörung im Erörterungstermin am 09.11.2007 zugestanden, schon probeweise ab Anfang Oktober 2005 am Schulunterricht von montags bis freitags teilgenommen zu haben. Spätestens bei der Vorsprache am 17.10.2005 hätte die Klägerin daher dem Zeugen F. von der AABC "reinen Wein einschenken" müssen und nicht mit der Wahrheit, dass sie sich nämlich schon seit mehr als zwei Wochen in Ausbildung befand, hinterm Berg halten dürfen. Dass sie das nicht getan hat, unterstreicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit der Klägerin. Dass durch den Zeugen F. der Eindruck entstanden sein könnte, eine Anzeige der Aufnahme der Ausbildung sei nicht mehr erforderlich, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Für den Senat ist bereits nicht ersichtlich, dass der bereits seit 1988 bei der Beklagten beschäftigte Zeuge F. trotz seiner dadurch gewonnenen Berufserfahrung überhaupt die ihm zugeschriebene Bemerkung, der Antrag sei durch, in diesem Verfahrensstadium, in dem die Gesundheitsprüfung erst veranlasst worden war, gemacht haben soll. Abgesehen davon, dass auch mit dieser Bemerkung die Klägerin nicht von ihrer Pflicht enthoben gewesen wäre, den tatsächlichen Ausbildungsbeginn anzuzeigen.

Die Fristen von § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X sind gewahrt, denn die Beklagte hat insbesondere nach Anhörung der Klägerin vom 19.05.2006 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 05.07.2006, mithin innerhalb eines Jahres erlassen.

Die Rückforderung der überzahlten Alg-Leistungen beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X, wonach erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.

Nach alledem ist der angefochtene Bescheid der Beklagten rechtmäßig, weshalb das dem entgegenstehende Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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