Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 2177/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4344/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. August 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die 1952 geborene Klägerin, die ihren Angaben zufolge 1978 von der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland zuzog, hat keinen Beruf erlernt. Nach der Erziehung ihrer vier Kinder war sie nach kurzfristiger Tätigkeit als Hilfsarbeitern bei P.-K. seit 1987 als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 26. Oktober 2005 ist sie arbeitsunfähig erkrankt, bezog dann Krankengeld und im Anschluss Arbeitslosengeld.
Nach rechtsseitigen Brustschmerzen mit Ausstrahlung in den Bauch und den rechten Arm wurde sie im Dezember 2005 zur Koronarangiographie in das Klinikum a. G., H., eingewiesen. Dort wurde auch eine Herzkranzgefäß-Erweiterung (Perkutane Transluminale Coronare Angioplastie - PTCA) durchgeführt.
Vom 11. April 2006 bis 9. Mai 2006 führte die Klägerin ein stationäres Heilverfahren in der Reha-Klinik H.-K. durch. Sie wurde als arbeitsunfähig mit den Diagnosen: 1. Koronare 3-Gefäß-Erkrankung mit global noch guter LV-Funktion, 2. aktuell Belastungsangina bei 50 Watt ohne Ischämienachweis im EKG, 3. Zustand nach PTCA und Stenting Ramus intermedius 12/05, 01/06 maximal 50%ige Koronarstenosen, 4. Nikotinkonsum bis 12/05, Diabetes mellitus II bei Adipositas, arterielle Hypertonie, Hyperlipoproteinämie und 5. Gonarthrose beidseits, degeneratives LWS-Syndrom entlassen. Die Klägerin weise ein ausgeprägtes kardiovaskuläres Risikoprofil auf, sei aber insgesamt kardial stabil kompensiert und frei von Synkopen oder relevanten Rhythmusstörungen. Sie habe über etwas untypisch lokalisierte belastungsabhängige Thorakalschmerzen geklagt, die auch bei ergometrischer wiederholter Belastung zuletzt halbliegend bei 50 Watt aufgetreten seien. Das EKG habe keine Veränderungen gezeigt, gegebenenfalls wäre eine weitere Koronarangiographie zur definitiven Klärung erforderlich. Nach weiterer kardialer Stabilisierung sei eine körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit ohne ständiges Gehen oder ständiges Stehen sowie ohne Nachtschicht vollschichtig möglich.
Am 26. September 2006 beantragte die Klägerin, deren Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz seit dem 10. Mai 2006 bei 50 liegt, die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte veranlasste eine internistische Begutachtung der Klägerin. Der Sozialmediziner Dr. G. beschrieb eine koronare Herzkrankheit, Zustand nach erfolgreicher Stentimplantation, einen Bluthochdruck mit normaler linksventrikulärer Pumpfunktion, einen Diabetes mellitus Typ 2 mit Insulin eingestellt, eine rechtsbetonte Kniegelenksarthrose sowie ein Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule (LWS) bei Fehlhaltung. Nebenbefundlich lägen noch ein Asthma bronchiale vom Intrinsictyp sowie psycho-vegetative Störungen im Klimakterium vor. Im Vordergrund stünde die koronare Herzerkrankung, die mit einer stabilen Angina pectoris-Symptomatik im Dezember 2005 und dann nochmals im Januar 2006 internistisch behandelt worden sei. Dabei sei koronarangiographisch eine 3-Gefäß-Erkrankung festgestellt und mit einer Katheterausdehnung und einer Stentimplantation erfolgreich behandelt worden. Die koronare Herzkrankheit und die arterielle Hypertonie hätten sich zwischenzeitlich unter einer medikamentösen Behandlung stabilisiert. Bei einer erneuten internistisch-lungenärztlichen Untersuchung habe man auch ein Schlafapnoe-Syndrom ausschließen können. Festgestellt worden seien lediglich ein Asthma bronchiale und eine bronchiale Überempfindlichkeit, die aber keine dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion bedingten. Auch der Diabetes mellitus, der seit zwei Jahren mit Insulin behandelt werde, sei ausgeglichen, diabetische Spätkomplikationen hätten bislang nicht festgestellt werden können. Somit sei die Leistungsbeurteilung in dem Reha-Entlassungsbericht weiterhin nachvollziehbar. Hinsichtlich der orthopädischen Erkrankungen haben man den aktuellen Befundbericht des behandelnden Orthopäden angefordert, der im Kernspin eine rechtsbetonte Kniegelenksarthrose bestätigt habe, die noch keine quantitative Leistungseinschränkung verursachen würde. Die Klägerin könne daher insgesamt noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr ohne besonderen Zeitdruck, häufiges Bücken und Heben, häufiges Knien und Hocken sowie ohne besondere Belastungen durch Kälte, Zugluft, Nässe und inhalative Reize verrichten.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2006 wies die Beklagte daraufhin den Antrag mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden, so dass weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vorläge. Zwar sei die Klägerin schwerbehindert, diese Schwerbehinderteneigenschaft sei aber nicht gleichbedeutend mit einer Erwerbsminderung im Sinne des Rentenrechts.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, geltend, sie könne keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen, die über drei Stunden täglich hinausgehe. Sie sei kaum mehr in der Lage, mehr als zwei Stunden am Tag zu stehen. Sie habe Atemschwierigkeiten. Durch die Herzkrankheit werde ihr stets schwindelig. Sie traue sich auch nicht alleine auf die Straße zu gehen oder Besorgungen zu machen, da sie immer wieder Schwächeanfälle bekomme, die sie kurzfristig und plötzlich überkämen. Sie sei sehr schwach und könne nicht einmal eine leichte Tätigkeiten innerhalb der Wohnung wie Kochen und Putzen verrichten. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G., wonach der medizinische Sachverhalt bereits aufgeklärt sei und ein weiteres Gutachten nicht erforderlich wäre, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2007 den Widerspruch mit der Begründung zurück, unter Berücksichtigung der festgestellten Diagnosen und der daraus resultierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen seien der Klägerin noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung, ohne besonderen Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband) im Sitzen, ohne Wechselschicht, ohne Nachtschicht, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Klettern oder Steigen, ohne häufiges Knien und Hocken und ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft, Nässe und inhalative Reizstoffe mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Deswegen liege weder eine volle noch teilweise Erwerbsminderung vor. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, da die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Küchenhilfe dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen sei und sich die Klägerin deshalb auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen müsse. Der Widerspruchsbescheid ist der klägerischen Bevollmächtigten am 10. Mai 2007 zugegangen.
Mit ihrer dagegen am 11. Juni 2007 (einem Montag) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie könne nicht einmal leichtere Tätigkeiten im Sitzen verrichten. Es seien aufgrund der schweren Erkrankungen auch psychische Störungen eingetreten, die seit geraumer Zeit andauerten und ebenfalls zu berücksichtigen seien.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und die Klägerin anschließend orthopädisch begutachten lassen.
Der Allgemeinarzt Dr. B. hat ausgeführt, dass die Klägerin wegen einer am 23. November 2006 festgestellten hochgradigen Knorpelschädigung der rechten Kniescheibe bei längeren Wegen über 50 Meter einen Rollator zum Abstützen benützen würde. Weiterhin klage sie über ständigen Schwindel, so dass ihr Mann sie begleiten müsse. Auch ihr Diabetes mellitus könne wegen Verständnisproblemen und Analphabetismus nicht besser eingestellt werden. Darüber hinaus lägen noch eine Vielzahl von weiteren Erkrankungen (koronare 3-Gefäß-Erkrankung, Asthma bronchiale, Unterfunktion der Schilddrüse, Bluthochdruck, Magenschleimentzündung, Entfernung eines großen Nierensteines) vor. Der Orthopäde Dr. L. hat berichtet, dass er die Klägerin im Januar 2007 wegen eines degenerativen Patellofemoralsyndroms beidseits, rechtsbetont behandelt habe. Der Internist Dr. M. hat die Klägerin bei einer im Vordergrund stehenden koronaren Herzerkrankung, einer arteriellen Hypertonie, eines Diabetes mellitus sowie einer Depression für prinzipiell in der Lage erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten zu verrichten. Sie sei auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und Wegstrecken von über 500 m zu Fuß zurückzulegen. Auf Nachfrage hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie weder über einen Führerschein noch über einen Pkw verfüge. Sie könne weder türkisch noch deutsch lesen oder schreiben, sei der deutschen Sprache auch kaum mächtig.
Der Sachverständige Dr. D. hat einen normalen Allgemein- und regelrechten Kräftezustand der Klägerin beschrieben; der neurologische Befund sei unauffällig gewesen. Die Klägerin leide an einer beidseitigen Retropatellararthrose, rechtsbetont, chronisch-rezidivierenden Lumboischialgien links ohne neurologische Ausfälle bei degenerativen Veränderungen der unteren LWS, einem Thorakalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der unteren Brustwirbelsäule (BWS), einer chronischen Cervikobrachialgie beidseits bei degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäule (HWS) ohne sichere neurologische Ausfälle, belastungsabhängigen Ellbogenschmerzen beidseits, einer allenfalls initialen Schultereckgelenksarthrose rechts sowie Senk-Spreizfüßen beidseits. Auf nichtorthopädischem Gebiet bestehe noch ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, unklare Sensibilitätsstörungen aller Fingerspitzen, am ehesten Polyneuropathie beim Diabetes mellitus, eine Hypercholesterinämie, eine koronare Herzerkrankung, ein Asthma bronchiale, eine Schilddrüsenunterfunktion, eine arterielle Hypertonie, eine Nephrolithiasis (Nierensteine), eine Depression, eine Adipositas, ein Zustand nach Cholezystektomie sowie Nabelhernien-OP und eine Streßinkontinenz. Die Klägerin könne seines Erachtens noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Vermeidung von Gehstrecken über 50 bis 100 m, stehender Tätigkeit, Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, Überkopftätigkeiten, gebückten Tätigkeiten sowie Tätigkeiten in Wirbelsäulen-Zwangshaltungen oder in Nässe, Kälte, Zugluft, verbunden mit Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie Treppengehen 8 Stunden und mehr verrichten. Denkbar wäre das Überwachen von Maschinen in sitzender Haltung oder Sortierarbeiten im Sitzen. Die Kniefunktion sei im Liegen noch relativ gut, wobei die Kniegelenke in dieser Position auch nicht belastet würden und somit der Anpressdruck der Patella im femuropatellaren Gleitlager reduziert sei. Dennoch habe eine Flexion von bis zu 130° durchgeführt werden können. Auffällig sei die Muskelminderung des rechten Beines um einige Zentimeter am Ober- und Unterschenkel gewesen, was auf eine Schonung des rechten Beines hinweise.
Nach Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. ist Dr. D. dabei verblieben, dass in Anbetracht des Übergewichts dies zu einer deutlich vermehrten Belastung der Kniegelenke gerade beim Gehen führe, so dass die Benutzung eines Rollators nachvollziehbar sei und deswegen die Gehfähigkeit eingeschränkt sei.
Mit Urteil vom 13. August 2008, der Beklagten zugestellt am 1. September 2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Februar 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, auch bei einer sechsstündigen Erwerbsfähigkeit könne der Arbeitsmarkt ausnahmsweise als verschlossen gelten, wenn der Versicherte nicht in der Lage sei, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Dies sei bei der Klägerin aufgrund der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. der Fall. Selbst unter Verwendung eines Rollators sei sie danach nicht mehr in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke über 500 m zu Fuß zurückzulegen und aufgrund des Gehens am Rollator auch nicht zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benützen. Die Richtigkeit dieses Gutachten werde durch die Einwendungen des Beratungsarztes der Beklagten Dr. K. nicht widerlegt. So habe die Klägerin nachgewiesen, dass sie sich den Rollator nicht selbst gekauft habe. Dr. D. habe ausgeführt, dass gerade im femuropatellaren Gleitlager beim Gehen eine erhebliche Druckkraft zustande käme. Diesem Befund widerspreche auch nicht, dass die Klägerin noch acht Stunden sitzen könne. Denn beim Sitzen werde eine andere Kniebeugung eingenommen, das Kniegelenk könne auch ausgestreckt werden. Die Klägerin könne einen Arbeitsplatz auch nicht mit Hilfe eines Pkw erreichen, da sie weder ein Kfz habe noch im Besitz des Führerscheins sei. Die Beklagte habe ihr auch keine entsprechenden beruflichen Reha-Leistungen angeboten. Der Leistungsfall sei mit der Verordnung des Rollators am 30. Januar 2007 eingetreten, so dass der Klägerin ab 1. Februar 2007 Rente zu gewähren sei. Diese Rente sei auf Dauer zu leisten, denn eine Behebung der eingeschränkten Wegefähigkeit sei nicht wahrscheinlich.
Zur Begründung ihrer dagegen am 11. September 2008 eingelegten Berufung hat die Beklagte vorgetragen, dass der behandelnde Arzt Dr. M. noch im Juli 2007 die Klägerin für in der Lage erachtet habe, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und Wegstrecken von über 500 m zu Fuß zurückzulegen. Auch seien beide Kniegelenke bei der Untersuchung durch Dr. D. frei beweglich gewesen, ein Erguss oder eine Kapselschwellung hätten nicht bestanden. Sie hat hierzu eine weitere ärztliche Stellungnahme von Dr. K. vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat ergänzend mitgeteilt, dass ihr von der Implantation eines künstlichen Kniegelenkes abgeraten worden sei. Dies werde weder ihre Beschwerden noch ihre Schmerzen lindern.
Sie hat hierzu einen Bericht der Orthopädischen Universitätsklinik H. vom 10. März 2008 vorgelegt, wonach ihr u.a. eine 3 mm Schuhaußenranderhöhung beidseits zur Entlastung des medialen, beschwerdeführenden Gelenkanteils beidseits empfohlen worden sei. Da die Arthrose noch nicht so weit fortgeschritten sei, wäre ein Gelenkersatz nicht indiziert. Vielmehr würden konservative Maßnahmen (Sport) empfohlen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Klägerin orthopädisch und nervenärztlich begutachten lassen.
Der Orthopäde Dr. H. hat einen guten Allgemein- und einen guten Ernährungszustand beschrieben. Das Gangbild in bekleidetem Zustand mit Konfektionsschuhen und Rollator sei sicher, aber langsam, ein eindeutiges Hinken nicht zu beobachten gewesen. Bei aufrechtem Stand würden beide Beine annähernd seitengleich belastet. Ohne Rollator zeige die Klägerin ein ausgesprochen unsicheres Gangbild. Ihre Beschwerden und Funktionsstörungen ließen sich auf der Grundlage der objektiven körperlichen Untersuchungsbefunde nicht voll umfänglich erklären. Sie leide zwar unbestritten an einer fortgeschrittenen Arthrose hinter beiden Kniescheiben und einer beginnenden Arthrose innenseitig, aber ohne akuten Reizzustand der Kniegelenke. Der Bewegungsumfang auf der linken Seite sei gar nicht, auf der rechten Seite leicht eingeschränkt. Auffällig sei gewesen, dass die Klägerin während der mehr als einstündigen Anamnese im Sitzen das linke Kniegelenk um ca. 100 bis 110° regungslos über einen Zeitraum von 30 bis 45 Minuten angewinkelt gehalten habe, das rechte Kniegelenk sei um ca. 80° gebeugt gewesen. Patienten mit ausgeprägten symptomatischen Arthrosen hinter den Kniescheiben vermieden eine solche Kniebeugung, da in entspannter Streckstellung der Druck hinter der Kniescheibe nachlasse. Es sei aufgrund der Körpergröße zu erwarten gewesen, dass sie zwar nicht die Beine lang ausstrecke, aber sie hätte ihre Kniegelenke ständig durchbewegen müssen, was indessen nicht der Fall gewesen sei. Die Klägerin leide daher an schmerzhaften Funktionsstörungen beider Kniegelenke bei ausgeprägter Retropatellararthrose und beginnender innenseitiger Kniegelenksarthrose rechts mehr als links, schmerzhaften Funktionsstörungen der LWS bei Beckenverwringung und ausgeprägten teils autonomen Hartspann der gesamten Rumpfmuskulatur, wechselnd ausgeprägten Missempfindungen und Gefühlsstörungen in beiden Händen bei ausgeprägten Verspannungen der Rumpfmuskulatur ohne sicheren Hinweis auf eine Nerven- bzw. Nervenwurzelschädigung, einer koronaren Herzerkrankung sowie einem Verdacht auf eine ausgeprägte Depression. Die Klägerin könne noch sechs Stunden und mehr leichte körperliche Arbeiten unter Vermeidung von besonderer Belastung beider Kniegelenke (Arbeiten in Hockstellung oder im Knien, regelmäßiges umfangreiches Treppensteigen, Besteigen von Leitern und Gerüsten), überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit der Ausstreckung der Beine, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten über 8 kg, langem Verharren in Zwangshaltungen, Akkord- und Fließbandarbeit, Nässe, Kälte und Zugluft sowie fein- und grobmotorischer Arbeiten der Hände und Finger verrichten. Arbeitsübliche Pausenregelungen und ein ergonomisch optimierter Arbeitsplatz seien ausreichend. Was den Arbeitsweg anbelange, gebe es keine plausible Begründung dafür, warum die Klägerin nicht in der Lage sein solle, wenigstens viermal arbeitstäglich eine Wegstrecke von über 500 m in unter 20 Minuten zurückzulegen. Es könne insbesondere nicht plausibel nachempfunden werden, warum die Klägerin ständig einen Rollator benutze, weil sie im Freizeitbereich wenigstens einmal jährlich in der Lage sei, ihre frühere Heimat mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Flugzeug und Mietwagen) zu besuchen. Der Sachverständige Dr. D. habe sich primär von dem klinischen radiologischen orthopädischen Befunden leiten lassen, welches nicht mehr zeitgemäß sei. Er habe auch nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Klägerin öffentliche Verkehrsmittel durchaus nutze.
Der Neurologe und Psychiater Dr. W. hat in seinem nervenärztlichen Gutachten eine leichte sensible Polyneuropathie, vermutlich im Rahmen des Diabetes mellitus, sowie eine Somatisierungsstörung mit bewusstseinsnaher Ausgestaltung von Beschwerden und sekundärem Krankheitsgewinn beschrieben. Besondere Arbeitsbedingungen oder Beschränkungen des Arbeitweges seien nicht vorhanden. Die Klägerin könne aus nervenärztlicher Sicht noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Arbeit an Leitern und Gerüsten sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben. Eine neurologisch bedingte Gangstörung habe nicht diagnostizieren können. Eine eigenständige Depression habe nicht bestanden. Vielmehr handele es sich um eine einfach strukturierte Persönlichkeit mit Neigung, körperliche Symptome funktionell-psychogen zu überlagern oder zu bilden. Hinweise für das Vorliegen von Rückzug- und Schonhaltung bei Erwartung auf Verständnis sowie dem Vorhandensein von sekundärem Krankheitsgewinn seien festzustellen gewesen.
Anträge der Klägerin auf Aufhebung der mündlichen Verhandlung hat der Senatsvorsitzende mit Schreiben vom 27. Mai 2009 und 15. Juni 2009 abgelehnt, da ein wichtiger Grund für eine Terminsaufhebung nicht glaubhaft gemacht war.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst.
Die damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Februar 2007 zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie ist nicht erwerbsgemindert.
Einer Vertagung des Rechtsstreits aufgrund des mit Fax vom 12. Juni 2009 gestellten Verlegungsantrags bedurfte es nicht. Die Entscheidung darüber liegt nach § 202 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) im Ermessen des Gerichts, wobei die erheblichen Gründe nach § 227 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat zwar eine Verhinderung aus gesundheitlichen Gründen geltend gemacht, hat dies aber nicht durch Vorlage entsprechender Belege (Arztunterlagen) glaubhaft gemacht, wozu aufgrund des Umstandes, dass der Verlegungsantrag kurzfristig vor der Sitzung und nach Ablehnung eines ersten Verlegungsantrags gestellt wurde, ferner die Sportverletzung der Berufsausübung im Büro nicht entgegen stand, durchaus Anlass bestanden hat. Denn das Gericht muss in der Lage sein, die Frage der behaupteten Verhinderung selbst zu beurteilen (vgl. auch BSG, Beschluss vom 21. August 2007, B 11a AL 11/07 B). Der Vorsitzende hat deswegen den Antrag am 15. Juni 2009 abgelehnt; auch der Senat sah keinen wichtigen Grund für eine Vertagung.
Der Sachverhalt ist durch die Einholung der beiden Gutachten im Berufungsverfahren aufgeklärt. Einer Vertagung des Rechtsstreits zur Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG steht entgegen, dass dieser Antrag nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 109 SGG genügt. Die Klägerin hat nicht, obwohl sie aufgrund der Verfügung vom 1. April 2009 wusste, dass der Senat die Ermittlungen für abgeschlossen erachtet und ihr eine Frist zur Stellungnahme von vier Wochen eingeräumt wurde, die Anhörung eines bestimmten Arztes beantragt, der mit Name und Anschrift bezeichnet werden soll (Keller: in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 109 Rdnr. 4 m. w. N.). Sie hat den Antrag auch erst nach dem Zugang der Terminierung des Rechtsstreits vom 15. Mai 2009 gestellt (Keller a.a.O. Rdnr. 11). Der Antrag ist deshalb abzulehnen, denn ein weiteres Abwarten und spätere Zulassung des Antrags würde die Erledigung des entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögern. Einer Vorabentscheidung, wie beantragt, bedurfte es dabei nicht, denn im Hinblick auf die Bedeutung der Entscheidung erschien es dem Senat sachgerecht, wie auch angekündigt, die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung zu treffen (vgl. Keller a.a.O. Rdnr. 17a).
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 61 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweiserhebung sowie unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen noch in der Lage ist, mindestens leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich mehr als sechs Stunden zu verrichten.
Der Senat stützt sich insoweit auf die eingeholten Gutachten von Dr. H. und Dr. W., die in Auswertung der orthopädischen und nervenärztlichen Befunde nachvollziehbar dargelegt haben, warum die Klägerin nur qualitativ, aber nicht quantitativ leistungsgemindert ist. Sie kann danach noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Vermeidung von Hocken oder Knien, regelmäßigem umfangreichen Treppensteigen, Besteigen von Leitern und Gerüsten, Arbeiten auf sehr unebenem und rutschigem Gelände, Heben und Tragen von Lasten über 8 kg, Zwangshaltungen, Akkord- und Fließbandarbeit, Nässe, Kälte und Zugluft sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche verrichten und ist damit nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert.
Grundlage der Verurteilung der Beklagten durch das SG war ausschließlich die vom Sachverständigen Dr. D. diagnostizierte eingeschränkte Wegefähigkeit der Klägerin. Dass die Wegefähigkeit der Klägerin nicht in dem von Dr. D. dargestellten Ausmaß limitiert ist, hat der zweitinstanzlich gehörte Sachverständige Dr. H. in überzeugender Weise dargelegt. Er hat sich nicht nur auf die von ihm festgestellten Funktionsstörungen beider Kniegelenke gestützt, sondern seine abweichende Einschätzung aufgrund der sonstigen Aktivitäten der Klägerin nachvollziehbar dargelegt. Es hat sich danach bereits bei der Benutzung des Rollators ein zwar verlangsamtes, aber sicheres Gangbild der Klägerin gezeigt, ein eindeutiges Hinken konnte nicht beobachtet werden. Im Stand werden beide Beine annähernd zeitgleich belastet. Die Beweglichkeitsprüfung der Kniegelenke war mit den Winkelgraden (passiv) Beugung/Streckung rechts mit 120-0-0 und links mit 140-0-0 - ohne Reibegeräusch - nur links leicht eingeschränkt und hat nur die Beugung betroffen. Die Kniegelenkskonturen waren im Seitenvergleich ohne Rötung unauffällig, eine Überwärmung oder ein Kniegelenkserguss bestand nicht. Die Kapselverhältnisse waren ebenfalls unauffällig. Es bestand allerdings ein deutlicher Druckschmerz um die Kniescheibe herum. Bereits diese Befunde belegen, dass die Erforderlichkeit der ständigen Benutzung eines Rollators medizinisch nicht zu begründen ist, das hat der Sachverständige auch für den Senat überzeugend dargelegt. Damit in Übereinstimmung steht, dass die Klägerin gegenüber sämtlichen behandelnden Ärzten vor der Untersuchung bei Dr. D. noch angegeben hat, sie könne unproblematisch eine halbe Stunde gehen. Demzufolge hat Dr. M. noch zwei Monate vor der Untersuchung bei Dr. D. die Wegefähigkeit nicht eingeschränkt gesehen. Auch noch Dr. H. hat sie von regelmäßigen Spaziergängen berichtet. Ihre Angabe, dass sie diese Spaziergänge auf 500 m beschränken müsse, war für Dr. H. angesichts des Umstands, dass sich die Klägerin einmal jährlich in der Lage sieht, eine dreistündige Flugreise mit anschließendem Autotransfer in ihren Heimatort in der Türkei durchzuführen, nicht nachvollziehbar. Dieses Freizeitverhalten belegt auch zur Überzeugung des Senats hinreichend, dass die Klägerin tatsächlich in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel zu nützen.
Orthopädischerseits stehen somit schmerzhafte Funktionsstörungen beider Kniegelenke bei ausgeprägter Retropatellararthrose und beginnender innenseitiger Kniearthrose rechts mehr als links mit einer Gangstörung im Vordergrund des Beschwerdebildes. Nach Einschätzung der behandelnden Ärzte der Orthopädischen Universitätsklinik H. ist die Arthrose in beiden Gelenken noch nicht soweit fortgeschritten, dass ein Gelenkersatz indiziert ist. Neurologischerseits liegen nach dem eingeholten Gutachten von Dr. W. keine Befunde wie motorische Schwächen oder Gefühls- wie Koordinationsstörungen vor, die diese Gehstörung erklären können. Die Gehstörung selbst hat - wie bereits ausgeführt - kein rentenberechtigendes Ausmaß erreicht.
Weiterhin bestehen eine schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule sowie ausgeprägte kribbelnde Missempfindungen und Gefühlsstörungen in beiden Händen ohne sicheren Hinweis auf eine Nerven- bzw. Nervenwurzelschädigung. Dieser Befund konnte vom Sachverständigen Dr. W. am ehesten einer leichten sensiblen Polyneuropathie, vermutlich bei Diabetes mellitus, zugeordnet werden. Hinweise für eine Neuropathie haben sich hingegen nicht ergeben. Für den Senat steht damit fest, dass die Gebrauchsfähigkeit beider Hände nicht wesentlich eingeschränkt ist. Die vom Sachverständigen gemachte Einschränkung - keine lang anhaltende diffizile feinmechanische Arbeiten oder belastende grobmechanische Arbeiten - ist in Bezug auf die der Klägerin noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten ohne Bedeutung.
Der Verdacht auf eine ausgeprägte Depression, der noch von Dr. H. geäußert wurde, konnte durch die Untersuchung von Dr. W. nicht bestätigt werden. Dieser hat vielmehr nur eine Somatisierungsstörung mit bewußtseinsnaher Ausgestaltung der Beschwerden und sekundärem Krankheitsgewinn beschrieben. Der unzweifelhaft stattgehabte Rückzug der Klägerin ist daher am ehesten diesem Vorhandensein von sekundärem Krankheitsgewinn, nicht aber einer Depression zuzuordnen. Dafür spricht, dass die Klägerin eine bewusstseinsnahe Schonhaltung entwickelt hat, die sich in der Übernahme fast sämtlicher Haushaltstätigkeiten durch die Familie äußert. Demgegenüber war ihre Stimmungslage ausreichend stabil, eine Antriebsstörung lag nicht vor, auch das Freudevermögen war grundsätzlich nicht eingeschränkt. Die Klägerin hat lediglich im Zusammenhang mit der Lese- und Schreibunfähigkeit über Langeweile berichtet. Bei ausreichender emotionaler Schwingungsfähigkeit war daher für den Senat der Ausschluss einer Depression überzeugend dargelegt.
Die ursprünglich im Vordergrund stehende koronare Herzerkrankung ist mittlerweile unter Behandlung gut tolerierbar für die Klägerin geworden. Dies hat bereits der Sachverständige Dr. G. festgestellt und steht auch in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt Dr. M ...
Den leistungslimitierenden Befunden auf orthopädischem Fachgebiet kann durch die eingangs dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden, so dass der Senat keinen Zweifel hat, dass die Klägerin unter diesen Bedingungen noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten kann.
Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136). Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen. Für die der Klägerin noch möglichen Arbeiten ist die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erforderlich. Sollte die Klägerin daher tatsächlich Analphabetin sein, was der Senat ausdrücklich offen lässt, würde die unzureichende Lese- und Schreibfähigkeit zusammen mit den übrigen Leistungseinschränkungen den Zugang der Klägerin zum allgemeinen Arbeitsmarkt nicht über das übliche Maß hinaus erschweren. Mit diesem Leistungsvermögen ist die Klägerin daher insgesamt nicht erwerbsgemindert.
Die Klägerin ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Eine Berufsausbildung hat sie nicht absolviert und während ihres Versicherungslebens allenfalls angelernte Tätigkeiten verrichtet. Sie ist deswegen auch zur Überzeugung des Senats auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf dem noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen besteht.
Auf die Berufung der Beklagten ist deshalb das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die 1952 geborene Klägerin, die ihren Angaben zufolge 1978 von der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland zuzog, hat keinen Beruf erlernt. Nach der Erziehung ihrer vier Kinder war sie nach kurzfristiger Tätigkeit als Hilfsarbeitern bei P.-K. seit 1987 als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 26. Oktober 2005 ist sie arbeitsunfähig erkrankt, bezog dann Krankengeld und im Anschluss Arbeitslosengeld.
Nach rechtsseitigen Brustschmerzen mit Ausstrahlung in den Bauch und den rechten Arm wurde sie im Dezember 2005 zur Koronarangiographie in das Klinikum a. G., H., eingewiesen. Dort wurde auch eine Herzkranzgefäß-Erweiterung (Perkutane Transluminale Coronare Angioplastie - PTCA) durchgeführt.
Vom 11. April 2006 bis 9. Mai 2006 führte die Klägerin ein stationäres Heilverfahren in der Reha-Klinik H.-K. durch. Sie wurde als arbeitsunfähig mit den Diagnosen: 1. Koronare 3-Gefäß-Erkrankung mit global noch guter LV-Funktion, 2. aktuell Belastungsangina bei 50 Watt ohne Ischämienachweis im EKG, 3. Zustand nach PTCA und Stenting Ramus intermedius 12/05, 01/06 maximal 50%ige Koronarstenosen, 4. Nikotinkonsum bis 12/05, Diabetes mellitus II bei Adipositas, arterielle Hypertonie, Hyperlipoproteinämie und 5. Gonarthrose beidseits, degeneratives LWS-Syndrom entlassen. Die Klägerin weise ein ausgeprägtes kardiovaskuläres Risikoprofil auf, sei aber insgesamt kardial stabil kompensiert und frei von Synkopen oder relevanten Rhythmusstörungen. Sie habe über etwas untypisch lokalisierte belastungsabhängige Thorakalschmerzen geklagt, die auch bei ergometrischer wiederholter Belastung zuletzt halbliegend bei 50 Watt aufgetreten seien. Das EKG habe keine Veränderungen gezeigt, gegebenenfalls wäre eine weitere Koronarangiographie zur definitiven Klärung erforderlich. Nach weiterer kardialer Stabilisierung sei eine körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit ohne ständiges Gehen oder ständiges Stehen sowie ohne Nachtschicht vollschichtig möglich.
Am 26. September 2006 beantragte die Klägerin, deren Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz seit dem 10. Mai 2006 bei 50 liegt, die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte veranlasste eine internistische Begutachtung der Klägerin. Der Sozialmediziner Dr. G. beschrieb eine koronare Herzkrankheit, Zustand nach erfolgreicher Stentimplantation, einen Bluthochdruck mit normaler linksventrikulärer Pumpfunktion, einen Diabetes mellitus Typ 2 mit Insulin eingestellt, eine rechtsbetonte Kniegelenksarthrose sowie ein Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule (LWS) bei Fehlhaltung. Nebenbefundlich lägen noch ein Asthma bronchiale vom Intrinsictyp sowie psycho-vegetative Störungen im Klimakterium vor. Im Vordergrund stünde die koronare Herzerkrankung, die mit einer stabilen Angina pectoris-Symptomatik im Dezember 2005 und dann nochmals im Januar 2006 internistisch behandelt worden sei. Dabei sei koronarangiographisch eine 3-Gefäß-Erkrankung festgestellt und mit einer Katheterausdehnung und einer Stentimplantation erfolgreich behandelt worden. Die koronare Herzkrankheit und die arterielle Hypertonie hätten sich zwischenzeitlich unter einer medikamentösen Behandlung stabilisiert. Bei einer erneuten internistisch-lungenärztlichen Untersuchung habe man auch ein Schlafapnoe-Syndrom ausschließen können. Festgestellt worden seien lediglich ein Asthma bronchiale und eine bronchiale Überempfindlichkeit, die aber keine dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion bedingten. Auch der Diabetes mellitus, der seit zwei Jahren mit Insulin behandelt werde, sei ausgeglichen, diabetische Spätkomplikationen hätten bislang nicht festgestellt werden können. Somit sei die Leistungsbeurteilung in dem Reha-Entlassungsbericht weiterhin nachvollziehbar. Hinsichtlich der orthopädischen Erkrankungen haben man den aktuellen Befundbericht des behandelnden Orthopäden angefordert, der im Kernspin eine rechtsbetonte Kniegelenksarthrose bestätigt habe, die noch keine quantitative Leistungseinschränkung verursachen würde. Die Klägerin könne daher insgesamt noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr ohne besonderen Zeitdruck, häufiges Bücken und Heben, häufiges Knien und Hocken sowie ohne besondere Belastungen durch Kälte, Zugluft, Nässe und inhalative Reize verrichten.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2006 wies die Beklagte daraufhin den Antrag mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden, so dass weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vorläge. Zwar sei die Klägerin schwerbehindert, diese Schwerbehinderteneigenschaft sei aber nicht gleichbedeutend mit einer Erwerbsminderung im Sinne des Rentenrechts.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, geltend, sie könne keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen, die über drei Stunden täglich hinausgehe. Sie sei kaum mehr in der Lage, mehr als zwei Stunden am Tag zu stehen. Sie habe Atemschwierigkeiten. Durch die Herzkrankheit werde ihr stets schwindelig. Sie traue sich auch nicht alleine auf die Straße zu gehen oder Besorgungen zu machen, da sie immer wieder Schwächeanfälle bekomme, die sie kurzfristig und plötzlich überkämen. Sie sei sehr schwach und könne nicht einmal eine leichte Tätigkeiten innerhalb der Wohnung wie Kochen und Putzen verrichten. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G., wonach der medizinische Sachverhalt bereits aufgeklärt sei und ein weiteres Gutachten nicht erforderlich wäre, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2007 den Widerspruch mit der Begründung zurück, unter Berücksichtigung der festgestellten Diagnosen und der daraus resultierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen seien der Klägerin noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung, ohne besonderen Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband) im Sitzen, ohne Wechselschicht, ohne Nachtschicht, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Klettern oder Steigen, ohne häufiges Knien und Hocken und ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft, Nässe und inhalative Reizstoffe mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Deswegen liege weder eine volle noch teilweise Erwerbsminderung vor. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, da die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Küchenhilfe dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen sei und sich die Klägerin deshalb auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen müsse. Der Widerspruchsbescheid ist der klägerischen Bevollmächtigten am 10. Mai 2007 zugegangen.
Mit ihrer dagegen am 11. Juni 2007 (einem Montag) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie könne nicht einmal leichtere Tätigkeiten im Sitzen verrichten. Es seien aufgrund der schweren Erkrankungen auch psychische Störungen eingetreten, die seit geraumer Zeit andauerten und ebenfalls zu berücksichtigen seien.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und die Klägerin anschließend orthopädisch begutachten lassen.
Der Allgemeinarzt Dr. B. hat ausgeführt, dass die Klägerin wegen einer am 23. November 2006 festgestellten hochgradigen Knorpelschädigung der rechten Kniescheibe bei längeren Wegen über 50 Meter einen Rollator zum Abstützen benützen würde. Weiterhin klage sie über ständigen Schwindel, so dass ihr Mann sie begleiten müsse. Auch ihr Diabetes mellitus könne wegen Verständnisproblemen und Analphabetismus nicht besser eingestellt werden. Darüber hinaus lägen noch eine Vielzahl von weiteren Erkrankungen (koronare 3-Gefäß-Erkrankung, Asthma bronchiale, Unterfunktion der Schilddrüse, Bluthochdruck, Magenschleimentzündung, Entfernung eines großen Nierensteines) vor. Der Orthopäde Dr. L. hat berichtet, dass er die Klägerin im Januar 2007 wegen eines degenerativen Patellofemoralsyndroms beidseits, rechtsbetont behandelt habe. Der Internist Dr. M. hat die Klägerin bei einer im Vordergrund stehenden koronaren Herzerkrankung, einer arteriellen Hypertonie, eines Diabetes mellitus sowie einer Depression für prinzipiell in der Lage erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten zu verrichten. Sie sei auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und Wegstrecken von über 500 m zu Fuß zurückzulegen. Auf Nachfrage hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie weder über einen Führerschein noch über einen Pkw verfüge. Sie könne weder türkisch noch deutsch lesen oder schreiben, sei der deutschen Sprache auch kaum mächtig.
Der Sachverständige Dr. D. hat einen normalen Allgemein- und regelrechten Kräftezustand der Klägerin beschrieben; der neurologische Befund sei unauffällig gewesen. Die Klägerin leide an einer beidseitigen Retropatellararthrose, rechtsbetont, chronisch-rezidivierenden Lumboischialgien links ohne neurologische Ausfälle bei degenerativen Veränderungen der unteren LWS, einem Thorakalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der unteren Brustwirbelsäule (BWS), einer chronischen Cervikobrachialgie beidseits bei degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäule (HWS) ohne sichere neurologische Ausfälle, belastungsabhängigen Ellbogenschmerzen beidseits, einer allenfalls initialen Schultereckgelenksarthrose rechts sowie Senk-Spreizfüßen beidseits. Auf nichtorthopädischem Gebiet bestehe noch ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, unklare Sensibilitätsstörungen aller Fingerspitzen, am ehesten Polyneuropathie beim Diabetes mellitus, eine Hypercholesterinämie, eine koronare Herzerkrankung, ein Asthma bronchiale, eine Schilddrüsenunterfunktion, eine arterielle Hypertonie, eine Nephrolithiasis (Nierensteine), eine Depression, eine Adipositas, ein Zustand nach Cholezystektomie sowie Nabelhernien-OP und eine Streßinkontinenz. Die Klägerin könne seines Erachtens noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Vermeidung von Gehstrecken über 50 bis 100 m, stehender Tätigkeit, Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, Überkopftätigkeiten, gebückten Tätigkeiten sowie Tätigkeiten in Wirbelsäulen-Zwangshaltungen oder in Nässe, Kälte, Zugluft, verbunden mit Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie Treppengehen 8 Stunden und mehr verrichten. Denkbar wäre das Überwachen von Maschinen in sitzender Haltung oder Sortierarbeiten im Sitzen. Die Kniefunktion sei im Liegen noch relativ gut, wobei die Kniegelenke in dieser Position auch nicht belastet würden und somit der Anpressdruck der Patella im femuropatellaren Gleitlager reduziert sei. Dennoch habe eine Flexion von bis zu 130° durchgeführt werden können. Auffällig sei die Muskelminderung des rechten Beines um einige Zentimeter am Ober- und Unterschenkel gewesen, was auf eine Schonung des rechten Beines hinweise.
Nach Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. ist Dr. D. dabei verblieben, dass in Anbetracht des Übergewichts dies zu einer deutlich vermehrten Belastung der Kniegelenke gerade beim Gehen führe, so dass die Benutzung eines Rollators nachvollziehbar sei und deswegen die Gehfähigkeit eingeschränkt sei.
Mit Urteil vom 13. August 2008, der Beklagten zugestellt am 1. September 2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Februar 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, auch bei einer sechsstündigen Erwerbsfähigkeit könne der Arbeitsmarkt ausnahmsweise als verschlossen gelten, wenn der Versicherte nicht in der Lage sei, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Dies sei bei der Klägerin aufgrund der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. der Fall. Selbst unter Verwendung eines Rollators sei sie danach nicht mehr in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke über 500 m zu Fuß zurückzulegen und aufgrund des Gehens am Rollator auch nicht zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benützen. Die Richtigkeit dieses Gutachten werde durch die Einwendungen des Beratungsarztes der Beklagten Dr. K. nicht widerlegt. So habe die Klägerin nachgewiesen, dass sie sich den Rollator nicht selbst gekauft habe. Dr. D. habe ausgeführt, dass gerade im femuropatellaren Gleitlager beim Gehen eine erhebliche Druckkraft zustande käme. Diesem Befund widerspreche auch nicht, dass die Klägerin noch acht Stunden sitzen könne. Denn beim Sitzen werde eine andere Kniebeugung eingenommen, das Kniegelenk könne auch ausgestreckt werden. Die Klägerin könne einen Arbeitsplatz auch nicht mit Hilfe eines Pkw erreichen, da sie weder ein Kfz habe noch im Besitz des Führerscheins sei. Die Beklagte habe ihr auch keine entsprechenden beruflichen Reha-Leistungen angeboten. Der Leistungsfall sei mit der Verordnung des Rollators am 30. Januar 2007 eingetreten, so dass der Klägerin ab 1. Februar 2007 Rente zu gewähren sei. Diese Rente sei auf Dauer zu leisten, denn eine Behebung der eingeschränkten Wegefähigkeit sei nicht wahrscheinlich.
Zur Begründung ihrer dagegen am 11. September 2008 eingelegten Berufung hat die Beklagte vorgetragen, dass der behandelnde Arzt Dr. M. noch im Juli 2007 die Klägerin für in der Lage erachtet habe, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und Wegstrecken von über 500 m zu Fuß zurückzulegen. Auch seien beide Kniegelenke bei der Untersuchung durch Dr. D. frei beweglich gewesen, ein Erguss oder eine Kapselschwellung hätten nicht bestanden. Sie hat hierzu eine weitere ärztliche Stellungnahme von Dr. K. vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat ergänzend mitgeteilt, dass ihr von der Implantation eines künstlichen Kniegelenkes abgeraten worden sei. Dies werde weder ihre Beschwerden noch ihre Schmerzen lindern.
Sie hat hierzu einen Bericht der Orthopädischen Universitätsklinik H. vom 10. März 2008 vorgelegt, wonach ihr u.a. eine 3 mm Schuhaußenranderhöhung beidseits zur Entlastung des medialen, beschwerdeführenden Gelenkanteils beidseits empfohlen worden sei. Da die Arthrose noch nicht so weit fortgeschritten sei, wäre ein Gelenkersatz nicht indiziert. Vielmehr würden konservative Maßnahmen (Sport) empfohlen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Klägerin orthopädisch und nervenärztlich begutachten lassen.
Der Orthopäde Dr. H. hat einen guten Allgemein- und einen guten Ernährungszustand beschrieben. Das Gangbild in bekleidetem Zustand mit Konfektionsschuhen und Rollator sei sicher, aber langsam, ein eindeutiges Hinken nicht zu beobachten gewesen. Bei aufrechtem Stand würden beide Beine annähernd seitengleich belastet. Ohne Rollator zeige die Klägerin ein ausgesprochen unsicheres Gangbild. Ihre Beschwerden und Funktionsstörungen ließen sich auf der Grundlage der objektiven körperlichen Untersuchungsbefunde nicht voll umfänglich erklären. Sie leide zwar unbestritten an einer fortgeschrittenen Arthrose hinter beiden Kniescheiben und einer beginnenden Arthrose innenseitig, aber ohne akuten Reizzustand der Kniegelenke. Der Bewegungsumfang auf der linken Seite sei gar nicht, auf der rechten Seite leicht eingeschränkt. Auffällig sei gewesen, dass die Klägerin während der mehr als einstündigen Anamnese im Sitzen das linke Kniegelenk um ca. 100 bis 110° regungslos über einen Zeitraum von 30 bis 45 Minuten angewinkelt gehalten habe, das rechte Kniegelenk sei um ca. 80° gebeugt gewesen. Patienten mit ausgeprägten symptomatischen Arthrosen hinter den Kniescheiben vermieden eine solche Kniebeugung, da in entspannter Streckstellung der Druck hinter der Kniescheibe nachlasse. Es sei aufgrund der Körpergröße zu erwarten gewesen, dass sie zwar nicht die Beine lang ausstrecke, aber sie hätte ihre Kniegelenke ständig durchbewegen müssen, was indessen nicht der Fall gewesen sei. Die Klägerin leide daher an schmerzhaften Funktionsstörungen beider Kniegelenke bei ausgeprägter Retropatellararthrose und beginnender innenseitiger Kniegelenksarthrose rechts mehr als links, schmerzhaften Funktionsstörungen der LWS bei Beckenverwringung und ausgeprägten teils autonomen Hartspann der gesamten Rumpfmuskulatur, wechselnd ausgeprägten Missempfindungen und Gefühlsstörungen in beiden Händen bei ausgeprägten Verspannungen der Rumpfmuskulatur ohne sicheren Hinweis auf eine Nerven- bzw. Nervenwurzelschädigung, einer koronaren Herzerkrankung sowie einem Verdacht auf eine ausgeprägte Depression. Die Klägerin könne noch sechs Stunden und mehr leichte körperliche Arbeiten unter Vermeidung von besonderer Belastung beider Kniegelenke (Arbeiten in Hockstellung oder im Knien, regelmäßiges umfangreiches Treppensteigen, Besteigen von Leitern und Gerüsten), überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit der Ausstreckung der Beine, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten über 8 kg, langem Verharren in Zwangshaltungen, Akkord- und Fließbandarbeit, Nässe, Kälte und Zugluft sowie fein- und grobmotorischer Arbeiten der Hände und Finger verrichten. Arbeitsübliche Pausenregelungen und ein ergonomisch optimierter Arbeitsplatz seien ausreichend. Was den Arbeitsweg anbelange, gebe es keine plausible Begründung dafür, warum die Klägerin nicht in der Lage sein solle, wenigstens viermal arbeitstäglich eine Wegstrecke von über 500 m in unter 20 Minuten zurückzulegen. Es könne insbesondere nicht plausibel nachempfunden werden, warum die Klägerin ständig einen Rollator benutze, weil sie im Freizeitbereich wenigstens einmal jährlich in der Lage sei, ihre frühere Heimat mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Flugzeug und Mietwagen) zu besuchen. Der Sachverständige Dr. D. habe sich primär von dem klinischen radiologischen orthopädischen Befunden leiten lassen, welches nicht mehr zeitgemäß sei. Er habe auch nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Klägerin öffentliche Verkehrsmittel durchaus nutze.
Der Neurologe und Psychiater Dr. W. hat in seinem nervenärztlichen Gutachten eine leichte sensible Polyneuropathie, vermutlich im Rahmen des Diabetes mellitus, sowie eine Somatisierungsstörung mit bewusstseinsnaher Ausgestaltung von Beschwerden und sekundärem Krankheitsgewinn beschrieben. Besondere Arbeitsbedingungen oder Beschränkungen des Arbeitweges seien nicht vorhanden. Die Klägerin könne aus nervenärztlicher Sicht noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Arbeit an Leitern und Gerüsten sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben. Eine neurologisch bedingte Gangstörung habe nicht diagnostizieren können. Eine eigenständige Depression habe nicht bestanden. Vielmehr handele es sich um eine einfach strukturierte Persönlichkeit mit Neigung, körperliche Symptome funktionell-psychogen zu überlagern oder zu bilden. Hinweise für das Vorliegen von Rückzug- und Schonhaltung bei Erwartung auf Verständnis sowie dem Vorhandensein von sekundärem Krankheitsgewinn seien festzustellen gewesen.
Anträge der Klägerin auf Aufhebung der mündlichen Verhandlung hat der Senatsvorsitzende mit Schreiben vom 27. Mai 2009 und 15. Juni 2009 abgelehnt, da ein wichtiger Grund für eine Terminsaufhebung nicht glaubhaft gemacht war.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst.
Die damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Februar 2007 zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie ist nicht erwerbsgemindert.
Einer Vertagung des Rechtsstreits aufgrund des mit Fax vom 12. Juni 2009 gestellten Verlegungsantrags bedurfte es nicht. Die Entscheidung darüber liegt nach § 202 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) im Ermessen des Gerichts, wobei die erheblichen Gründe nach § 227 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat zwar eine Verhinderung aus gesundheitlichen Gründen geltend gemacht, hat dies aber nicht durch Vorlage entsprechender Belege (Arztunterlagen) glaubhaft gemacht, wozu aufgrund des Umstandes, dass der Verlegungsantrag kurzfristig vor der Sitzung und nach Ablehnung eines ersten Verlegungsantrags gestellt wurde, ferner die Sportverletzung der Berufsausübung im Büro nicht entgegen stand, durchaus Anlass bestanden hat. Denn das Gericht muss in der Lage sein, die Frage der behaupteten Verhinderung selbst zu beurteilen (vgl. auch BSG, Beschluss vom 21. August 2007, B 11a AL 11/07 B). Der Vorsitzende hat deswegen den Antrag am 15. Juni 2009 abgelehnt; auch der Senat sah keinen wichtigen Grund für eine Vertagung.
Der Sachverhalt ist durch die Einholung der beiden Gutachten im Berufungsverfahren aufgeklärt. Einer Vertagung des Rechtsstreits zur Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG steht entgegen, dass dieser Antrag nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 109 SGG genügt. Die Klägerin hat nicht, obwohl sie aufgrund der Verfügung vom 1. April 2009 wusste, dass der Senat die Ermittlungen für abgeschlossen erachtet und ihr eine Frist zur Stellungnahme von vier Wochen eingeräumt wurde, die Anhörung eines bestimmten Arztes beantragt, der mit Name und Anschrift bezeichnet werden soll (Keller: in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 109 Rdnr. 4 m. w. N.). Sie hat den Antrag auch erst nach dem Zugang der Terminierung des Rechtsstreits vom 15. Mai 2009 gestellt (Keller a.a.O. Rdnr. 11). Der Antrag ist deshalb abzulehnen, denn ein weiteres Abwarten und spätere Zulassung des Antrags würde die Erledigung des entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögern. Einer Vorabentscheidung, wie beantragt, bedurfte es dabei nicht, denn im Hinblick auf die Bedeutung der Entscheidung erschien es dem Senat sachgerecht, wie auch angekündigt, die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung zu treffen (vgl. Keller a.a.O. Rdnr. 17a).
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 61 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweiserhebung sowie unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen noch in der Lage ist, mindestens leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich mehr als sechs Stunden zu verrichten.
Der Senat stützt sich insoweit auf die eingeholten Gutachten von Dr. H. und Dr. W., die in Auswertung der orthopädischen und nervenärztlichen Befunde nachvollziehbar dargelegt haben, warum die Klägerin nur qualitativ, aber nicht quantitativ leistungsgemindert ist. Sie kann danach noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Vermeidung von Hocken oder Knien, regelmäßigem umfangreichen Treppensteigen, Besteigen von Leitern und Gerüsten, Arbeiten auf sehr unebenem und rutschigem Gelände, Heben und Tragen von Lasten über 8 kg, Zwangshaltungen, Akkord- und Fließbandarbeit, Nässe, Kälte und Zugluft sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche verrichten und ist damit nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert.
Grundlage der Verurteilung der Beklagten durch das SG war ausschließlich die vom Sachverständigen Dr. D. diagnostizierte eingeschränkte Wegefähigkeit der Klägerin. Dass die Wegefähigkeit der Klägerin nicht in dem von Dr. D. dargestellten Ausmaß limitiert ist, hat der zweitinstanzlich gehörte Sachverständige Dr. H. in überzeugender Weise dargelegt. Er hat sich nicht nur auf die von ihm festgestellten Funktionsstörungen beider Kniegelenke gestützt, sondern seine abweichende Einschätzung aufgrund der sonstigen Aktivitäten der Klägerin nachvollziehbar dargelegt. Es hat sich danach bereits bei der Benutzung des Rollators ein zwar verlangsamtes, aber sicheres Gangbild der Klägerin gezeigt, ein eindeutiges Hinken konnte nicht beobachtet werden. Im Stand werden beide Beine annähernd zeitgleich belastet. Die Beweglichkeitsprüfung der Kniegelenke war mit den Winkelgraden (passiv) Beugung/Streckung rechts mit 120-0-0 und links mit 140-0-0 - ohne Reibegeräusch - nur links leicht eingeschränkt und hat nur die Beugung betroffen. Die Kniegelenkskonturen waren im Seitenvergleich ohne Rötung unauffällig, eine Überwärmung oder ein Kniegelenkserguss bestand nicht. Die Kapselverhältnisse waren ebenfalls unauffällig. Es bestand allerdings ein deutlicher Druckschmerz um die Kniescheibe herum. Bereits diese Befunde belegen, dass die Erforderlichkeit der ständigen Benutzung eines Rollators medizinisch nicht zu begründen ist, das hat der Sachverständige auch für den Senat überzeugend dargelegt. Damit in Übereinstimmung steht, dass die Klägerin gegenüber sämtlichen behandelnden Ärzten vor der Untersuchung bei Dr. D. noch angegeben hat, sie könne unproblematisch eine halbe Stunde gehen. Demzufolge hat Dr. M. noch zwei Monate vor der Untersuchung bei Dr. D. die Wegefähigkeit nicht eingeschränkt gesehen. Auch noch Dr. H. hat sie von regelmäßigen Spaziergängen berichtet. Ihre Angabe, dass sie diese Spaziergänge auf 500 m beschränken müsse, war für Dr. H. angesichts des Umstands, dass sich die Klägerin einmal jährlich in der Lage sieht, eine dreistündige Flugreise mit anschließendem Autotransfer in ihren Heimatort in der Türkei durchzuführen, nicht nachvollziehbar. Dieses Freizeitverhalten belegt auch zur Überzeugung des Senats hinreichend, dass die Klägerin tatsächlich in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel zu nützen.
Orthopädischerseits stehen somit schmerzhafte Funktionsstörungen beider Kniegelenke bei ausgeprägter Retropatellararthrose und beginnender innenseitiger Kniearthrose rechts mehr als links mit einer Gangstörung im Vordergrund des Beschwerdebildes. Nach Einschätzung der behandelnden Ärzte der Orthopädischen Universitätsklinik H. ist die Arthrose in beiden Gelenken noch nicht soweit fortgeschritten, dass ein Gelenkersatz indiziert ist. Neurologischerseits liegen nach dem eingeholten Gutachten von Dr. W. keine Befunde wie motorische Schwächen oder Gefühls- wie Koordinationsstörungen vor, die diese Gehstörung erklären können. Die Gehstörung selbst hat - wie bereits ausgeführt - kein rentenberechtigendes Ausmaß erreicht.
Weiterhin bestehen eine schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule sowie ausgeprägte kribbelnde Missempfindungen und Gefühlsstörungen in beiden Händen ohne sicheren Hinweis auf eine Nerven- bzw. Nervenwurzelschädigung. Dieser Befund konnte vom Sachverständigen Dr. W. am ehesten einer leichten sensiblen Polyneuropathie, vermutlich bei Diabetes mellitus, zugeordnet werden. Hinweise für eine Neuropathie haben sich hingegen nicht ergeben. Für den Senat steht damit fest, dass die Gebrauchsfähigkeit beider Hände nicht wesentlich eingeschränkt ist. Die vom Sachverständigen gemachte Einschränkung - keine lang anhaltende diffizile feinmechanische Arbeiten oder belastende grobmechanische Arbeiten - ist in Bezug auf die der Klägerin noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten ohne Bedeutung.
Der Verdacht auf eine ausgeprägte Depression, der noch von Dr. H. geäußert wurde, konnte durch die Untersuchung von Dr. W. nicht bestätigt werden. Dieser hat vielmehr nur eine Somatisierungsstörung mit bewußtseinsnaher Ausgestaltung der Beschwerden und sekundärem Krankheitsgewinn beschrieben. Der unzweifelhaft stattgehabte Rückzug der Klägerin ist daher am ehesten diesem Vorhandensein von sekundärem Krankheitsgewinn, nicht aber einer Depression zuzuordnen. Dafür spricht, dass die Klägerin eine bewusstseinsnahe Schonhaltung entwickelt hat, die sich in der Übernahme fast sämtlicher Haushaltstätigkeiten durch die Familie äußert. Demgegenüber war ihre Stimmungslage ausreichend stabil, eine Antriebsstörung lag nicht vor, auch das Freudevermögen war grundsätzlich nicht eingeschränkt. Die Klägerin hat lediglich im Zusammenhang mit der Lese- und Schreibunfähigkeit über Langeweile berichtet. Bei ausreichender emotionaler Schwingungsfähigkeit war daher für den Senat der Ausschluss einer Depression überzeugend dargelegt.
Die ursprünglich im Vordergrund stehende koronare Herzerkrankung ist mittlerweile unter Behandlung gut tolerierbar für die Klägerin geworden. Dies hat bereits der Sachverständige Dr. G. festgestellt und steht auch in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt Dr. M ...
Den leistungslimitierenden Befunden auf orthopädischem Fachgebiet kann durch die eingangs dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden, so dass der Senat keinen Zweifel hat, dass die Klägerin unter diesen Bedingungen noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten kann.
Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136). Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen. Für die der Klägerin noch möglichen Arbeiten ist die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erforderlich. Sollte die Klägerin daher tatsächlich Analphabetin sein, was der Senat ausdrücklich offen lässt, würde die unzureichende Lese- und Schreibfähigkeit zusammen mit den übrigen Leistungseinschränkungen den Zugang der Klägerin zum allgemeinen Arbeitsmarkt nicht über das übliche Maß hinaus erschweren. Mit diesem Leistungsvermögen ist die Klägerin daher insgesamt nicht erwerbsgemindert.
Die Klägerin ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Eine Berufsausbildung hat sie nicht absolviert und während ihres Versicherungslebens allenfalls angelernte Tätigkeiten verrichtet. Sie ist deswegen auch zur Überzeugung des Senats auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf dem noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen besteht.
Auf die Berufung der Beklagten ist deshalb das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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