L 6 V 902/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 V 1613/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 902/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.11.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die 1931 geborene Klägerin begehrt Hinterbliebenenversorgung nach ihrem am 09.05.1926 geborenen und am 20.09.2006 verstorbenen Ehegatten (E.).

Im Rahmen seines Kriegsdienstes erlitt E. am 27.09.1944 einen Durchschuss beider Oberschenkel, in Folge dessen der rechte Oberschenkel wegen eines Gasbrandes am 01.10.1944 amputiert und wegen einer schlechten Stumpfbildung am 05.02.1945 nachamputiert werden musste. Es erfolgte eine Einstufung in die Versehrtenstufe II (Zusammenfassung der Krankengeschichte durch das Ortslazarett R.-B. vom 29.09.1945).

E. beantragte im Juli 1983 Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sodann zog das ehemalige Versorgungsamt R. (VA) über die Deutsche Dienststelle (WASt) die Krankenunterlagen des E. bei. Mit Bescheid vom 11.02.1987 anerkannte das VA als Schädigungsfolge den Verlust des rechten Oberschenkels und bewilligte Beschädigtenrente ab 01.07.1983 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vom Hundert (v. H.).

Vom 07.10.1987 bis zum 18.11.1987 nahm E. in der Kurklinik W. an einer Badekur teil (Zustand nach Oberschenkelamputation rechts, Zustand nach Magenteilresektion 1964 nach akuter Magenblutung, Wirbelsäulensyndrom, beginnende Kniegelenksarthrose links). E. beantragte am 09.11.1988 die Neufeststellung der Schädigungsfolgen und höhere Beschädigtenrente. Am 26.07.1989 wurde E. durch den Chirurgen M. begutachtet (zusätzlich: Stumpfschmerzen, Leistenschmerzen rechts, Zustand nach Leistenoperation links 1988). Medizinaldirektorin (MDin) K. führte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.11.1989 aus, die Amputationsfolgen am rechten Bein seien nicht mit einer höheren MdE als 70 v. H. zu bewerten und es seien auch keine zusätzlichen Folgeschäden zu berücksichtigen. Die Stumpfverhältnisse seien ordentlich. Ungewöhnliche Schmerzzustände fänden sich nicht. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem inzwischen operativ behobenen Leistenbruch links und dem Beinverlust lasse sich ärztlich nicht erkennen. Ein Hüftgelenksschaden und eine fixierte Skoliose der Wirbelsäule lägen offenkundig nicht vor. Mit Bescheid vom 08.12.1989 lehnte das VA den Neufeststellungsantrag ab. Hiergegen erhob E. Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Das SG holte das nach Aktenlage erstellte Gutachten des Dr. W., Chefarzt der Orthopädischen Abteilung des St. P.-Krankenhauses B., vom 05.09.1990 ein. Der Sachverständige führte aus, schädigungsbedingt lägen ein Verlust des rechten Beines im Oberschenkel mit ausreichenden Stumpfverhältnissen und eine reizlose Narbe am linken Oberschenkel nach Durchschuss vor, weswegen die MdE 70 v. H. betrage. Nicht schädigungsbedingt lägen eine Narbe in der linken Leiste nach operativ beseitigtem Leistenbruch, beginnende Verschleißerscheinungen im linken Hüftgelenk, generalisierte Durchblutungsstörungen und Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule vor. Mit Urteil vom 25.10.1990 stellte das SG unter Abänderung des Bescheides vom 08.12.1989 als weitere Schädigungsfolge eine reizlose Narbe am linken Oberschenkel fest und wies die Klage im Übrigen ab. Der entsprechende Ausführungsbescheid des VA erging unter dem 04.01.1991.

E. nahm an weiteren Badekuren in der Kurklinik W. vom 18.03.1992 bis zum 15.04.1992 (zusätzlich: Coxarthrose) und vom 27.09.1995 bis zum 25.10.1995 teil (zusätzlich: Stumpf- und Phantomschmerzen, degeneratives Halswirbelsäulen-Schulter-Arm-Syndrom, beginnende Coxarthrose beidseits, Arthralgien im linken Sprunggelenk, psychovegetatives Syndrom, Asthma bronchiale). Am 28.07.1997 beantragte E. die Neufeststellung der Schädigungsfolgen und höhere Beschädigtenrente. Vom 23.07.1997 bis zum 20.08.1997 nahm E. erneut an einer Badekur in der Kurklinik W. teil (zusätzlich: fortgeschrittene Osteochondrose und Spondylarthrose der Halswirbelsäule, vertebragene Cephalgie, Arthralgie der Hüftgelenke, der Kniegelenke und des linken Sprunggelenks, Tinnitus, Schwerhörigkeit, psychovegetativer Erschöpfungszustand mit Tremor und Schlafstörung, Zustand nach Herzinfarkt). Das VA erhob das Gutachten des Chirurgen Dr. St. vom 20.08.1997. Der Gutachter führte aus, als Schädigungsfolgen lägen ein 11 cm langer, reizloser Oberschenkelkurzstumpf mit adhärenter Stumpfnarbe und Haut-Fettüberhang bei wesentlich unterhalb des Trochanter minor rechts liegender Amputationshöhe sowie eine reizlose Narbe am linken Oberschenkel vor. Die MdE betrage 70 v. H. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Wehrdienstbeschädigung und der Schwerhörigkeit beziehungsweise zwischen dem Gasbrand und der Magenteilresektion lasse sich nicht herstellen. Mit Bescheid vom 12.09.1997 lehnte das VA den Neufeststellungsantrag ab. Hiergegen legte E. Widerspruch ein. Dr. St. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.11.1997 aus, die im Jahr 1964 erfolgte Magenoperation habe ihre Ursache in einem anlagebedingten Geschwürsleiden gehabt, welches in keinem Zusammenhang mit der zwanzig Jahre zuvor erlittenen Gasbranderkrankung stehe. Bei dem Leistenbruch handle es sich ebenfalls um eine anlagebedingte Erkrankung. Es bestehe kein Zusammenhang mit der Beinamputation auf der Gegenseite. Ein schädigungsbedingtes Wirbelsäulenleiden bestehe nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.1998 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Vom 21.07.1999 bis zum 01.09.1999 und vom 27.06.2001 bis zum 08.08.2001 nahm E. an weiteren Badekuren in der Kurklinik W. (zusätzlich: Hypercholesterinämie, coronare Herzkrankheit bzw. chronische ischämische Herzkrankheit) teil. Er beantragte am 06.08.2001 erneut eine Neufeststellung der Schädigungsfolgen und höhere Beschädigtenrente. MDin K. führte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.10.2001 aus, es ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Ein sehr kurzer Stumpf liege nicht vor. Der Stumpf sei weiterhin prothesenfähig. Zu Magen, Gehör und Wirbelsäule sei bereits Stellung genommen worden. Die Leistenbruchoperationen beidseits seien keine Amputationsfolgen. Eine besondere Schmerzbehandlung sei während der Badekur offenbar nicht erforderlich gewesen. Mit Bescheid vom 09.10.2001 lehnte das VA den Neufeststellungsantrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2002 zurück.

E. machte vom 12.08.2003 bis zum 24.09.2003 in der Kurklinik W. (zusätzlich: Leistenhernie rechts) und vom 07.04.2005 bis zum 04.05.2005 (zusätzlich: Intertrigo der linken Leistenregion, arterielle Hypertonie, Juckreiz in der linken Leiste) in der Klinik Dr. F. D. in B.-B. weitere Badekuren.

E. verstarb am 20.09.2006.

Am 11.10.2006 beantragte die Klägerin unter anderem Hinterbliebenenversorgung. Sie habe E. am 29.09.1949 geheiratet. Da der Stumpf des E. nur 11 cm lang gewesen sei, habe es Probleme mit dem Tragen der Prothese gegeben. Die Prothese habe mit Trägern festgehalten werden müssen. Sie habe E. jahrelang gepflegt. Sämtliche Leiden seien mit dem Beinverlust und der Belastung der linken Körperhälfte sowie des linken Beines verbunden gewesen. Dadurch sei der Kreislauf gestört gewesen. Wegen des Tragens der Prothese sei die Wirbelsäule geschädigt gewesen. Die Prothese sei oft von dem kurzen Stumpf heruntergerutscht. Die Wirbelsäule und das Herz seien sehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Viele der Erkrankungen des E. hätten im direkten Zusammenhang mit dem Beinverlust und dem schlechten Blutkreislauf gestanden. Die Klägerin legte unter anderem Auszüge aus der von der Ärztlichen Beratungsstelle in St. G. erstellten Krankengeschichte über E., die ärztliche Bescheinigung der Internistin und Hausärztin A. vom 05.10.2006 (Zustand nach Amputation der rechten unteren Extremität 11 cm unterhalb des Hüftgelenks nach Schussverletzung im Jahr 1944, Durchblutungsstörungen im Stumpf, chronischer Entzündungszustand in der rechten Leistengegend, zeitweilig kompliziert durch Eiterung mit Hautveränderungen und Veränderungen in der linken Leistengegend, Zustand nach einem am 11.12.2005 abgelaufenen Herzinfarkt, Zustand nach einer Magenresektion wegen Magengeschwüren 1964, Zustand nach Lendenwirbelsäulenoperationen 1988 und 2006, Prostatavergrößerung, erhöhter Lipidspiegel, Diabetes mellitus Typ II mit Polyneuropathie, Schwindelgefühl-Syndrom, Zustand nach einem Sturz mit Verdacht auf Stumpfhalsfraktur des rechten Oberschenkelknochens, behandelt in der Chirurgischen Beratungsstelle im Oktober 2003, Gallenblasensteine, Nierenzyste links mit rezidivierenden Infektionen der Harnwege, Nierensteine, Anämie nach Medikamenteneinnahme) und den Totenschein (Todesursache: chronische Kreislaufinsuffizienz mit Kreislauf- und Atmungsstillstand) vor.

In dem am 08.11.2006 ausgefüllten Erhebungsbogen zur Witwenversorgung gab die Klägerin an, E. habe von 1934 bis 1939 die Volksschule besucht und anschließend eine Lehre als Bäcker absolviert. Von 1948 bis 1949 sei er als Referent in der Gemeindeverwaltung und von 1949 bis 1985 als Referent für Pflanzenproduktion in der Gemeindegenossenschaft tätig gewesen. E. habe nicht körperlich arbeiten können und eine Büroarbeit ausgeführt. Seit 05.12.1991 beziehe sie eine polnische Rente. Sie sei früher als Pharmatechnikerin beschäftigt gewesen und habe vier Kinder. Beigefügt waren bezüglich E. die Volksschulzeugnisse, das Arbeitszeugnis über eine Tätigkeit vom 15.10.1948 bis zum 30.07.1949 als Sachbearbeiter des Einwohnermeldeamts, die Arbeitsbescheinigung über eine Tätigkeit vom 15.07.1949 bis zum 31.03.1985 als Sachbearbeiter für Pflanzenproduktion in der Gemeindegenossenschaft, das Kriegsinvalidenbuch sowie Bescheinigungen über die Rentenzahlungen. Obermedizinalrat (OMR) N. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.12.2006 aus, E. sei an einer chronischen Kreislaufinsuffizienz und mithin an einem nicht schädigungsbedingten Nachschaden verstorben. Ursächlich hierfür sei eine koronare Herzerkrankung mit Zustand nach einem frischen Vorderwandinfarkt im November 2005 gewesen. Zwischen den als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen und der Todesursache bestehe kein kausaler Zusammenhang.

Die polnische Sozialversicherungsanstalt ZUS teilte unter dem 22.02.2007 mit, E. sei vom 21.01.1941 bis zum 01.11.1943 in der Landwirtschaft, vom 15.10.1948 bis zum 15.07.1949 als Referent in einem Meldebüro und vom 16.07.1949 bis zum 31.03.1985 als selbstständiger Referent für Pflanzenproduktion beschäftigt gewesen und habe seit 01.01.1949 eine Kriegsinvalidenrente und seit 01.04.1985 eine Pension bezogen. Aus den vorliegenden Rentenakten gehe kein Minderverdienst im Vergleich mit gleichartig Beschäftigten hervor. Die Klägerin beziehe seit 01.06.1987 eine Pension und seit 01.01.1998 eine Arbeitsunfähigkeitsrente im Zusammenhang mit der Deportation in die S. Nach dem Tod des E. habe sie einen Anspruch auf Kriegsfamilienrente erworben, die sie aber nicht beziehe, da für sie der Bezug der Pension und der Arbeitsunfähigkeitsrente günstiger sei. Beigefügt waren unter anderem die Gutachten der Bezirksärztekommission vom 05.01.1959 (E. könne Arbeiten ohne längeres Gehen und Stehen ausüben; Invalidengruppe III aufgrund des allgemeinen Zustandes und im Zusammenhang mit dem Wehrdienst), 13.02.1985 (Invalidengruppe II aufgrund des allgemeinen Zustandes und Invalidengruppe III im Zusammenhang mit dem Wehrdienst) und 11.03.1987 (Invalidengruppe I aufgrund des allgemeinen Zustandes und Invalidengruppe III im Zusammenhang mit dem Wehrdienst).

Mit Bescheid vom 10.04.2007 lehnte das zuständig gewordene Landratsamt R. (LRA) die Gewährung von Witwenrente ab. Deren Voraussetzungen seien nicht gegeben, weil E. nicht an den Folgen einer Kriegsschädigung verstoben sei. Mit Bescheid vom 11.04.2007 lehnte das LRA die Gewährung von Witwenbeihilfe ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Witwenbeihilfe seien nicht gegeben. Ein schädigungsbedingter Minderverdienst sei nicht belegt und lasse sich auch nicht wahrscheinlich machen. Selbst davon ausgehend, dass E. ohne Schädigungsfolgen nach dem Krieg weiterhin landwirtschaftlich tätig gewesen wäre, lasse sich - zumal auch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht vorgelegen habe - ein Einkommen, aus dem sich eine Familienrente ergeben würde, die gegenüber der Familienrente aus der Erwerbstätigkeit des E., die die Klägerin ohne ihre eigene Rente erhalten würde, um wenigstens 10 v. H. gemindert wäre, nicht wahrscheinlich machen. Die Frage, ob E. in der von ihm zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Referent beziehungsweise Sachbearbeiter in der Pflanzenproduktion durch die Schädigungsfolgen beeinträchtigt gewesen sei beziehungsweise ein schädigungsbedingter Minderverdienst vorgelegen habe, sei in Anbetracht der Art der Tätigkeit zu verneinen. Hinsichtlich des Ausscheidens des E. aus dem Erwerbsleben im Alter von 59 Jahren sei zu bemerken, dass dies nicht den Schädigungsfolgen angelastet werden könne. Er sei also schädigungsunabhängig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Es sei vielmehr festzustellen, dass er die Möglichkeit der vorzeitigen Berentung in Anspruch genommen habe, nachdem hierfür die Voraussetzungen vorgelegen hätten. Sicherlich mögen gesundheitliche Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben. Jedoch dürften hierbei die Schädigungsfolgen bei der Art der ausgeübten Tätigkeit kaum ausschlaggebend gewesen sein.

Hiergegen legte die Klägerin sinngemäß Widerspruch ein. Sie beschrieb das Leiden des E. und legte diverse ärztliche Unterlagen, unter anderem die ärztliche Bescheinigung der Ärztin A. vom 10.08.2005 (Unfall mit Verletzung des Stumpfes im Oktober 2003 mit nachfolgender Umfang- und Muskelschwäche am Stumpf, Schwindelgefühl verbunden mit Schmerzen und Ganginstabilität, Pyelonephritis) vor. Hierzu führte OMR N. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.06.2007 aus, E. habe mit den in dem Gutachten der Bezirksärztekommission vom 05.01.1959 beschriebenen Gesundheitsstörungen und der hierauf beruhenden Einstufung in die Invalidengruppe III Jahrzehnte lang gearbeitet. Die in dem Gutachten der Bezirksärztekommission vom 13.02.1985 beschriebenen Gesundheitsstörungen hätten zu diesem Zeitpunkt seit über 20 Jahren bestanden. Mit diesen Gesundheitsstörungen habe E. also 20 Jahre lang Dienst getan und seinen Beruf ausgeübt. Warum er im Jahr 1985 wegen dieser Gesundheitsstörungen dann für arbeits- und erwerbsunfähig erachtet worden sei, lasse sich versorgungsärztlich nicht nachvollziehen.

Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2007 den gegen den Witwenrente ablehnenden Bescheid vom 10.04.2007 eingelegten Widerspruch zurück. Gemäß den vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei E. an den Folgen einer chronischen Kreislaufinsuffizienz beziehungsweise einem Kreislauf- und Atmungsstillstand gestorben. Die zum Tode führende Erkrankung sei weder als Schädigungsfolge anerkannt noch habe sie in ursächlichem Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen oder einer sonstigen Kriegsschädigung gestanden. Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2007 den gegen den Witwenbeilhilfe ablehnenden Bescheid vom 11.04.2007 eingelegten Widerspruch zurück. Aufgrund der fehlenden Berufsausbildung lasse sich kein schädigungsbedingter Minderverdienst aus der Zeit der Erwerbstätigkeiten des E. feststellen.

Die Klägerin erhob am 22.02.2008 Klage zum SG. Sie legte diverse ärztliche Unterlagen, unter anderem die ärztlichen Bescheinigungen des Arztes G., Notarztabteilung des Krankenhauses St. G. vom 29.01.2008 (Todesumstände: Merkmale für Kreislauf- und Atemstillstand, verallgemeinerte Zyanose, erhebliches Ödem der linken unteren Extremität, Zustand nach Amputation der unteren rechten Extremität; Kreislaufstillstand durch Störung des Herzrhythmus in Form des Vorhofflimmerns, Vorhofflimmern durch den bereits durch die coronare Krankheit und den Herzinfarkt geschwächten Muskel, Verursachung dieser Komplikation durch Alter und Begleiterkrankungen wie die chronische Kreislaufinsuffizienz, zahlreiche andere Erkrankungen und die Amputation im jugendlichen Alter) und der Ärztin A. vom 01.02.2008 (periodische Kreislaufstörungen im Stummel mit Zunahme nach dem Herzmuskelinfarkt, Infektionen mit einer chronischen Vereiterung in der Leistenbeuge, Arzneimitteleinnahme wegen erhöhtem Lipidspiegel, Prostatahypertrophie, Diabetes mellitus Typ I mit Begleitpolyneuropathie, Sturz im Oktober 2003 mit Verdacht auf Bruch des Stummelhalses und nachfolgender langfristiger Imobilisation, akute Nierenbeckenentzündung wahrscheinlich wegen Nierensteinkrankheit, Cholezystolithiasis und Steinkrankheit der linken Nierenkapsel; vielleicht habe die Amputation über viele Jahre die "Erkältung" des Kreislaufs verursacht und außer den schon bestehenden Faktoren der Herzanämie und des Herzmuskelinfarktes ein den plötzlichen Herztod verursachendes Element gebildet; ähnlich habe der die Invalidität begleitende Stress und das damit verbundene Gefühl der Behinderung die Entwicklung der Coronarkrankheit beschleunigen können) vor. Dr. B. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.07.2008 aus, die Schlussfolgerungen des Arztes G. und der Ärztin A. seien nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht nachvollziehbar. Ein Zusammenhang des Herzinfarkts mit der anerkannten Schädigungsfolge könne keinesfalls begründet werden. Aus der ärztlichen Bescheinigung gehe hervor, dass ein insulinabhängiger Diabetes und ein erhöhter Fettspiegel vorgelegen hätten. Dies seien eindeutige Risikofaktoren für die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit. Der geltend gemachte Zusammenhang sei medizinisch wissenschaftlich nicht begründet.

Mit Urteil vom 06.11.2008 wies das SG die Klage ab. Vor dem Hintergrund der bestandskräftig gewordenen Ablehnung der Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und in Würdigung der vergleichsweise sehr dichten Krankendokumentation des E. aus neuerer Zeit bestünden vorliegend keine zwingenden Anhaltspunkte dafür, etwa nicht von einer Richtigkeit und Vollständigkeit der Bezeichnung der Schädigungsfolgen ausgehen zu müssen. Bezogen auf diese Grundlage überzeugten vor dem Hintergrund der aufgrund jahrzehntelanger Befassung des Gerichts mit vergleichbaren Fragestellungen gewonnenen Erkenntnisse die versorgungsärztlichen Zusammenhangsbewertungen hinsichtlich des nicht nachweisbaren Ursachenzusammenhangs zwischen Versorgungsleiden einerseits und Todesursache beziehungsweise Lebenserwartung andererseits, wobei auch den entsprechenden Ausführungen des Dr. B. nichts entgegengesetzt werden könne. Vom Ergebnis gelte sinngemäß ein Gleiches bezüglich der Ablehnung einer Bewilligung von Witwenbeihilfe. Angesichts der jeweiligen Erwerbsbiographien des E. und der Klägerin lasse sich nämlich unter keinem Gesichtspunkt mit der erforderlichen hinreichenden Sicherheit unter Beweis stellen, dass die Klägerin gerade aufgrund des Schädigungsleidens des E. in ihrer eigenen Altersversorgung wesentlich beeinträchtigt wäre.

Gegen das ihr am 08.12.2008 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 23.02.2009 Berufung eingelegt.

Durch den Kriegsausbruch sei E. daran gehindert gewesen, sich ausbilden zu lassen. Die 1940 begonnene Lehre habe er aufgeben müssen, da er von den Deutschen in die Landwirtschaft eingewiesen worden sei. Danach habe er als Gehilfe in einer Bäckerei und danach wieder in der Landwirtschaft gearbeitet. Anfang 1943 sei er "zum Arbeitsdienst oder Jugendheim" in D. eingewiesen und im März 1944 zum Wehrdienst einberufen worden. Der Schock der im Juli 1944 erlittenen Kriegsverletzung habe ihn bis ans Ende seines Lebens begleitet. Infolge der Amputation sei er nicht mehr fähig gewesen, körperlich zu arbeiten, und für eine intellektuelle Arbeit habe er nicht die nötigen Qualifikationen erwerben können. Die Fortsetzung der Ausbildung an einer Oberschule sei gescheitert. Die Invalidität habe dessen Möglichkeiten für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit begrenzt. Unter diesen Umständen sei E. gezwungen gewesen, eine Büroarbeit aufzunehmen, zu deren Ausübung keine Qualifikationen erforderlich gewesen seien. Die Klägerin hat eine Aufstellung über die durchschnittlichen Monatsvergütungen in P. und die Monatsvergütungen des E. in den Jahren 1951 bis 1985 vorgelegt.

Zum Gesundheitszustand des E. hat die Klägerin vorgetragen, infolge des Blutsturzes vom 12.09.1963 sei es zu einem stationären Krankenhausaufenthalt vom 13.09.1963 bis zum 03.01.1964 gekommen. Nach der Magenresektion sei E. vom 31.08.1964 bis zum 30.11.1964 arbeitsunfähig gewesen. Auch in den nächsten Jahren sei E. oft arbeitsunfähig gewesen. E. habe nie Insulinspritzen benötigt, da die Zuckerwerte immer der Norm entsprochen hätten. Durch das Tragen der Prothese seien dessen Wirbelsäule deformiert und die Blutzirkulation beeinträchtigt worden, was Herz und Lunge belastet habe. Am 09.10.2003 sei er, da die Prothese herausgefallen sei, gestürzt und anschließend habe er fast fünf Monate lang im Bett liegen müssen. Die ganze Zeit habe er im Stress gelebt und habe nicht wie gesunde Väter am alltäglichen Leben seiner Kinder teilnehmen können. Sehr oft habe E. an Schmerzen oder Neuralgien des Stummels gelitten. Die Klägerin hat unter anderem die ärztlichen Bescheinigungen der Ärztekommission St. G. vom 17.02.1949, des Dr. M. vom 30.06.1953, des Kreiskrankenhauses St. G. über stationäre Behandlungen vom 13.09.1963 bis zum 02.10.1963, vom 31.08.1964 bis zum 19.09.1964 und vom 02.10.1964 bis zum 03.10.1964 sowie des Radiologen F. vom 22.01.1985, das Gutachten der Ärztekommission G. vom 11.03.1987 sowie die ärztlichen Bescheinigungen des Dr. B. vom 08.12.1988 (Leistenbruch, Deformationsänderungen der Wirbelsäule und des rechten Hüftgelenks seien Folge der Überlastung der unteren linken Extremität wegen der Amputation der unteren rechten Extremität) und des Chirurgen W. vom 03.07.2008 (die Beschwerden und Symptome der langwierigen Blutarmut der unteren Extremitäten hätten eine mittelbare Verbindung mit Stress und dem Gesundheitsschaden, den E. während des Krieges erlitten habe, haben können) vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.11.2008 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheid vom 10.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2007 zu verurteilen, ihr Witwenrente zu gewähren, hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11.04.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 23.11.2007 zu verurteilen, ihr Witwenbeihilfe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Weder liege ein nachweisbarer Ursachenzusammenhang zwischen den Versorgungsleiden und der Todesursache beziehungsweise einer verkürzten Lebenserwartung vor noch lasse sich beweisen, dass die Klägerin gerade aufgrund des Schädigungsleidens des E. in ihrer eigenen Altersversorgung wesentlich beeinträchtigt wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente und Witwenbeihilfe.

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BVG liegen bei der Klägerin vor. Ihr steht gegen den polnischen Träger ZUS aufgrund des Bescheides vom 14. Mai 2004 eine Kriegsfamilienrente zu. Damit ist die Klägerin in das polnische Versorgungssystem der Kriegsopfer einbezogen. Ein derartiger Versorgungsanspruch gegen einen anderen Staat schließt Ansprüche nach dem BVG aus. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anspruch gegen den anderen Staat mit dem Anspruch nach dem BVG gleichwertig ist (BSG, Urteil vom 08.11.2007 - B 9/9a V 1/06 R - SGb 2008, 96; BSG, Urteil vom 28.07.1999 - B 9 V 19/98 R - SozR - 3 - 3100 § 7 Nr. 6; zum Anspruch eines Jugoslawen auf Invalidenrente als Zivilkriegsopfer: BSG, Urteil vom 20. Mai 1992 - 9a RV 11/91SozR 3-3100 § 7 Nr. 2; zum Anspruch einer Niederländerin auf einen Zuschlag als Zivilkriegsopfer: BSG, Urteil vom 20. Mai 1992 – 9a RV 12/91SozR 3-3100 § 7 Nr. 2; zum Anspruch eines Luxemburgers auf Kriegsschädenrente u. a.: BSG, Urteil vom 10. August 1993 – 9/9a RV 39/92SozR 3-3100 § 7 Nr. 3; BSG; zum Anspruch eines Jugoslawen auf Rente als Zivilkriegsopfer: BSG, Beschluss vom 11. März 1998 – B 9 V 20/98 B – veröffentlicht in juris, und BSG, Beschluss vom 25. August 1998 – B 9 V 78/98 B – veröffentlicht in juris; zum Anspruch einer Französin auf Rente wegen eines Kriegshilfsdienstes: BSG, Urteil vom 25. November 1976 - 9 RV 188/75 - SozR 3100 § 7 Nr. 2; zum Anspruch einer Polin auf eine Kriegsfamilienrente: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. März 2002 – L 8 V 4470/01 – veröffentlicht in juris, und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Mai 2005 – L 8 V 5281/04 – und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2006 - L 6 V 571/06 -). Dabei genügt es auch, dass das ausländische Versorgungsrecht einen Anspruch eröffnet, unabhängig davon, ob er im Einzelfall zu verwirklichen ist oder nicht (BSG, Urteil vom 25. November 1976 - 9 RV 188/75 - SozR 3100 § 7 Nr. 2).

Nach § 7 Abs. 2 BVG sollen sämtliche Ansprüche nach dem BVG dem Grunde nach allein wegen der Zugehörigkeit zum Kriegsopferversorgungssystem eines anderen Staates, die durch irgendeinen Anspruch gegen diesen Staat begründet ist, schlechthin ausgeschlossen bleiben; d. h. eine doppelte Versorgungsberechtigung dem Grunde nach soll vermieden werden. Das gilt vornehmlich für ausländische Staatsangehörige, die in ihrem Heimatland leben und dort versorgt werden. Ihr Heimatstaat übernimmt - als sachnäherer Träger - die Haftung für Kriegsschäden (BSG, Urteil vom 20. Mai 1992 – 9a RV 12/91SozR 3-3100 § 7 Nr. 2). Im Übrigen könnten zusätzliche Leistungen aus der Bundesrepublik als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Heimatstaates empfunden werden sowie zu einer unerwünschten Ungleichbehandlung von Kriegsopfern und einer damit unter Umständen verbundenen negativen Auswirkung auf das soziale Klima führen (BSG, Urteil vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96SozR 3-1300 § 45 Nr. 37).

§ 7 Abs. 2 BVG verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Denn "andere Kriegsopfer" im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG wie die Klägerin werden im Verhältnis zu Deutschen und deutschen Volkszugehörigen im Sinne des § 7 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BVG nicht unterschiedlich behandelt. Der Ausschluss der Versorgung nach dem BVG beruht für Deutsche und Ausländer auf dem Versorgungsanspruch gegen einen anderen Staat. Das ist sachlich vertretbar. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen kann grundsätzlich jeder Staat frei entscheiden, welche Kriegsopfer er wie entschädigt. Es gibt im internationalen Recht keine strenge Rangfolge der Verantwortlichkeit für Kriegsopfer, die etwa Deutschland vor jedem anderen Staat uneingeschränkt und unabwendbar für die Folgen der vom Deutschen Reich geführten Kriege eintreten ließe. Eine zur polnischen Versorgung zusätzliche deutsche Versorgung würde die Klägerin erheblich besser stellen als polnische Kriegsopfer, die tatsächlich nicht unter den Umständen geschädigt worden sind, die § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG herausgreift. Diesem außenpolitischen Problem entspricht § 7 Abs. 2 BVG in der Weise, dass jeglicher ausländische Versorgungsanspruch einen deutschen Versorgungsanspruch ausschließt. Zur Vermeidung einer Störung internationaler Beziehungen kann auch innerhalb des deutschen Systems der Kriegsopferversorgung allgemein die Entschädigung, deren Grundvoraussetzungen nach §§ 1 bis 5 BVG erfüllt sind, nach verschiedenen anderen Grundsätzen als dem des § 7 Abs. 2 BVG – so in § 7 Abs. 1 und §§ 64 ff. BVG – eingeschränkt werden. Schließlich ist der Ausschluss von höheren deutschen Leistungen durch die Zuordnung der Polen zu ihrem eigenen nationalen Rechtskreis vertretbar. Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 7 Abs. 2 BVG in Kauf genommen und nehmen dürfen, dass Kriegsopfer wegen irgendwelcher Ansprüche nach ausländischem Recht schlechthin keine deutsche Versorgung erhalten (BSG, Urteil vom 20. Mai 1992 - 9a RV 12/91SozR 3-3100 § 7 Nr. 2).

Somit ist der Klägerin Witwenbeihilfe schon deshalb nicht zu gewähren, da sie nach § 7 Abs. 2 BVG vom versorgungsberechtigten Personenkreis nach dem BVG ausgeschlossen ist.

Unabhängig davon sind aber auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Witwenrente oder Witwenbeihilfe nicht gegeben.

Rechtsgrundlage sind die §§ 38 und 48 BVG.

Ist ein Beschädigter an den Folgen einer durch eine militärische Dienstverrichtung erlittenen gesundheitlichen Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG, wobei nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügt, gestorben, so hat die Witwe Anspruch auf Hinterbliebenenrente (§ 38 Abs. 1 Satz 1 BVG). Der Tod gilt stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BVG).

Ist ein rentenberechtigter Beschädigter nicht an den Folgen der Schädigung gestorben, so ist der Witwe eine Witwenbeihilfe zu zahlen, wenn der Beschädigte durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, und dadurch die aus der Ehe mit dem Beschädigten hergeleitete Witwenversorgung insgesamt mindestens um 10 v. H. gemindert ist (§ 48 Abs. 1 BVG). Diese Voraussetzungen gelten als erfüllt, wenn der Beschädigte im Zeitpunkt seines Todes Anspruch auf die Grundrente eines Beschädigten mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 100 oder wegen nicht nur vorübergehender Hilflosigkeit Anspruch auf eine Pflegezulage hatte (§ 48 Abs. 1 Satz 5 BVG) oder der Beschädigte mindestens fünf Jahre Anspruch auf Berufsschadensausgleich wegen eines Einkommensverlustes im Sinne des § 30 Abs. 4 BVG oder auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 BVG hatte (§ 48 Abs. 1 Satz 6 BVG).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente, weil E. nicht an den Folgen einer durch eine militärische Dienstverrichtung erlittenen Schädigung gestorben ist.

Bei der Prüfung, welche gesundheitlichen Schäden Folge einer militärischen Dienstverrichtung sind und ob die Schädigungsfolgen zum Tod des Beschädigten geführt haben, ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des GdS im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In der Anlage zu § 2 VersMedV ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand wiedergegeben. Dadurch wird eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Beurteilung ermöglicht.

Danach wird als Schädigungsfolge im sozialen Entschädigungsrecht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursächlichem Zusammenhang mit einer Schädigung steht, die nach dem entsprechenden Gesetz zu berücksichtigen ist (Teil A Nr. 1 a VG) und ist Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (Teil C Nr. 1 b Satz 1 VG).

Zu den Faktoren, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt ("voll bewiesen") sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung (Teil C Nr. 2 a VG). Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt (Teil C Nr. 2 b Satz 1 Halbsatz 1 VG). Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang (Teil C Nr. 2 c Halbsatz 1 VG). Zwischen dem schädigenden Vorgang und der Gesundheitsstörung muss eine nicht unterbrochene Kausalkette bestehen, die mit den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft und den ärztlichen Erfahrungen im Einklang steht. Dabei sind Brückensymptome oft notwendige Bindeglieder (Teil C Nr. 2 d Sätze 1 und 2 VG).

Für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, genügt versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (Teil C Nr. 3 a Satz 1 VG). Grundlage für die medizinische Beurteilung sind die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese (Teil C Nr. 3 b Satz 1 VG). Aus dem Umstand, dass der Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden kann, lässt sich nicht folgern, dass er darum wahrscheinlich sei. Ebenso wenig kann das Vorliegen einer Schädigungsfolge bejaht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur möglich ist (Teil C Nr. 3 d Sätze 1 und 2 VG).

Unter Berücksichtung dieser Grundsätze lagen bei E. die mit den Bescheiden vom 11.02.1987 und 08.12.1988 anerkannten Schädigungsfolgen "Verlust des rechten Oberschenkels und reizlose Narbe am linken Oberschenkel" vor. Zu Recht hat die Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 12.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.1998 und mit Bescheid vom 09.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2002 die Anträge auf Neufeststellung abgelehnt. Sämtliche weiteren sich aus den von E. und der Klägerin vorgelegten medizinischen Unterlagen, den aktenkundigen Kurberichten sowie den von der Versorgungsverwaltung eingeholten Gutachten ergebenden Gesundheitsstörungen sind nicht wesentlich ursächlich auf die am 27.09.1944 erlittene Kriegsverletzung zurückzuführen. E. litt neben den anerkannten Schädigungsfolgen an einem psychovegetativen Syndrom beziehungsweise Erschöpfungszustand mit Tremor und Schlafstörung, einem Tinnitus und einer Schwerhörigkeit, einem Schwindel-Syndrom, einem Halswirbelsäulen-Schulter-Arm-Syndrom beziehungsweise einer Osteochondrose und Spondylarthrose der Halswirbelsäule, einer vertebragenen Cephalgie und einem Zustand nach Lendenwirbelsäulenoperationen 1988 und 2006, generalisierten Durchblutungsstörungen und Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, einem Asthma bronchiale, einem Zustand nach Herzinfarkt 2005, einer coronaren und chronischen ischämischen Herzkrankheit, einer Hypercholesterinämie, einer arteriellen Hypertonie, einer Prostatavergrößerung, einem erhöhten Lipidspiegel, eines Diabetes mellitus mit Polyneuropathie, Gallenblasensteinen, einer Nierenzyste links mit rezidivierenden Infektionen der Harnwege und Nierensteinen mit akuter Nierenbeckenentzündung, einer Anämie nach Medikamenteneinnahme, einem Zustand nach Magenteilresektion 1964, einer Coxarthrose mit Arthralgien beidseits, einem Zustand nach Leistenoperation links 1988 und Leistenschmerzen mit chronischem Entzündungszustand rechts, einer Kniegelenksarthrose mit Arthralgien sowie Arthralgien im Sprunggelenk links. Dass diese Gesundheitsstörungen nicht schädigungsbedingt sind, ergibt sich aus einer Zusammenschau der versorgungsärztlichen Stellungnahmen der MD K. vom 27.11.1989 und 02.10.2001 und von Dr. St. vom 10.11.1997 sowie den Gutachten des Dr. W. vom 05.09.1990 und des Dr. St. vom 20.08.1997. Zwar besteht die abstrakte Möglichkeit eines amputationsbedingten Überlastungsschadens in der Wirbelsäule und in anderen Gelenken und auch eines kriegsbedingten zu einer Herzerkrankung führenden Stress- beziehungsweise Erschöpfungssyndroms. Diese abstrakte Möglichkeit hat sich im vorliegenden Fall des E. aber nach sorgfältiger Prüfung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen nicht zu einer konkreten Wahrscheinlichkeit verdichtet. Es spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass die oben genannten Gesundheitsstörungen kriegsbedingt sind, sondern es spricht eher mehr dafür als dagegen, dass es sich dabei um schicksalhafte beziehungsweise altersbedingte Erkrankungen handelt. Auch hält es der Senat für fernliegend, ein kriegsbedingtes zu einer Herzerkrankung führendes Stress- beziehungsweise Erschöpfungssyndrom anzunehmen. Hierfür gibt es keine aktenkundige Anhaltpunkte.

Der Tod des E. ist nicht wesentlich ursächlich auf die anerkannten Schädigungsfolgen "Verlust des rechten Oberschenkels und reizlose Narbe am linken Oberschenkel" zurückzuführen. E. verstarb ausweislich des Totenscheins, der ärztlichen Bescheinigung des Arztes G. vom 29.01.2008 und der Ärztin A. vom 01.02.2008 an einem Kreislauf- und Atmungsstillstand infolge einer chronischen Kreislaufinsuffizienz. Es spricht mehr dafür als dagegen, dass der Tod des E. auf die aktenkundige coronare Herzerkrankung in Form eines Vorhofflimmerns zurückzuführen ist. Dies hat OMD N. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.12.2006 zutreffend ausgeführt und hat auch der Arzt G. in seiner Bescheinigung vom 29.01.2008 dargelegt, indem er auf den bereits durch den am 12.11.2005 erlittenen Herzinfarkt und des dadurch geschwächten Herzmuskels und die aktenkundige Coronarkrankheit hingewiesen hat. Weitere eindeutige Risikofaktoren für die Entwicklung einer coronaren Herzkrankheit sind, worauf Dr. B. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.07.2008 zu Recht hingewiesen hat, in der von der Ärztin A. in ihrer Bescheinigung vom 01.02.2008 beschriebenen Zuckerkrankheit und des erhöhten Fettspiegels zu sehen. Sofern die Klägerin und teilweise auch die Ärzte G. und A. die Schädigungsfolgen hierfür verantwortlich machen, fehlt es für diese Einschätzung an einer medizinisch-wissenschaftlich nachvollziehbaren Grundlage. Im Übrigen hat auch die Ärztin A. in ihrer ärztlichen Bescheinigung vom 10.08.2005 lediglich ausgeführt, "vielleicht" habe die Amputation über viele Jahre die "Erkältung" des Kreislaufs verursacht und außer den schon bestehenden Faktoren der Herzanämie und des Herzmuskelinfarktes ein den Herztod verursachendes Element gebildet und habe ähnlich der die Invalidität begleitende Stress und das damit verbundene Gefühl der Behinderung die Entwicklung der Coronarkrankheit beschleunigen "können". Damit bewegt sich auch die Ärztin A. lediglich im Bereich der Möglichkeit, aber noch nicht der Wahrscheinlichkeit der Verursachung.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Witwenbeihilfe, weil E. nicht durch die Folgen einer durch eine militärische Dienstverrichtung erlittenen Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, und dadurch die aus der Ehe mit dem Beschädigten hergeleitete Witwenversorgung nicht insgesamt um mindestens 10 v. H. gemindert ist.

Ein schädigungsbedingter Minderverdienst des E. ist nicht belegt und lässt sich auch nicht wahrscheinlich machen. Der Senat stützt seine Überzeugung auf die Angaben der p. Sozialversicherungsanstalt ZUS in deren Auskunft vom 22.02.2007. Danach war E. vor dem Kriegsdienst vom 21.01.1941 bis zum 01.11.1943 in der Landwirtschaft und nach dem Kriegsdienst vom 15.10.1948 bis zum 15.07.1949 als Referent in einem Meldebüro sowie vom 16.07.1949 bis zum 31.03.1985 als selbstständiger Referent für Pflanzenproduktion beschäftigt und hat ab 01.01.1949 eine Kriegsinvalidenrente und ab 01.04.1985 eine Pension bezogen. Die Klägerin bezieht seit 01.06.1987 eine Pension und seit 01.01.1998 eine Arbeitsunfähigkeitsrente. Den nach dem Tod des E. erworbenen Anspruch auf Kriegsfamilienrente hat sie nicht realisiert, da für sie der Bezug der Pension und der Arbeitsunfähigkeitsrente günstiger ist.

Selbst wenn E. ohne Schädigungsfolgen nach dem Krieg weiterhin landwirtschaftlich tätig gewesen wäre, lässt sich ein Einkommen, aus dem sich eine Familienrente ergeben würde, die gegenüber der Familienrente aus der Erwerbstätigkeit des E. als Referent, die die Klägerin ohne ihre eigene Pension und die Arbeitsunfähigkeitsrente erhalten würde, um wenigstens 10 v. H. höher wäre, nicht wahrscheinlich machen. Insoweit weist der Senat auf die Angabe der p. Sozialversicherungsanstalt ZUS in deren Auskunft vom 22.02.2007 hin, wonach aus den vorliegenden Rentenakten kein Minderverdienst im Vergleich mit gleichartig Beschäftigten hervorgeht. Daher erweist sich die von der Klägerin vorgelegte Aufstellung über die durchschnittlichen Monatsvergütungen und die Monatsvergütungen des E. in den Jahren 1951 bis 1985 als nicht aussagekräftig, zumal die dort aufgeführten Beträge vom Senat nicht nachvollzogen werden können. Im Übrigen hat der Senat keine Anhaltspunkte, davon auszugehen, dass das Ausscheiden des E. aus dem Erwerbsleben zum 31.03.1985 schädigungsbedingt war. Denn es handelte sich bei der von E. ausgeübten Referententätigkeit um eine körperlich nicht beanspruchende Tätigkeit, die jedenfalls durch die Amputationsfolgen nicht erschwert. Dies ergibt sich, worauf OMD N. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.06.2007 zutreffend hingewiesen hat, aus dem Gutachten der Bezirksärztekommission vom 05.01.1959, wonach E. für fähig erachtet worden ist, Arbeiten ohne längeres Gehen uns Stehen auszuüben.

Mithin hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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