L 9 R 2442/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1520/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2442/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. April 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt zum wiederholten Male die Gewährung von Rente wegen Erwerbs-minderung.

Die 1946 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat, war unter Berücksichtigung ihrer Angaben nach ihrem Zuzug nach Deutschland im Jahr 1970 bis Dezember 1991 als ungelernte Arbeiterin (Haushaltshilfe, Näherin und Lageristin/Hilfsarbeiterin) beschäftigt. Seither ist sie arbeitslos bzw. arbeitsunfähig krank und übte zumindest zeitweilig eine geringfügige versicherungsfreie Tätigkeit als Zeitungsausträgerin aus. Seit 1. November 2006 erhält die Klägerin Altersrente für Frauen (Bescheid vom 24. Oktober 2006).

Die Klägerin hat bereits mehrere Anträge auf Rente Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit sowie Erwerbsminderung gestellt. Diese Anträge sind erfolglos geblieben, so auch der zuletzt gestellte Antrag vom 25. Januar 2001 (Bescheid vom 30. März 2001, Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2001, Urteil des Sozialgerichts Ulm [SG] vom 18. Juli 2002, Az S 2 RJ 1932/01, und Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg [LSG], vom 26. Oktober 2005, Az L 2 RJ 3680/02 bzw. [nach Fortsetzung des Verfahrens, nachdem eine Erklärung der Klägerin zunächst als Rücknahme gewertet worden war] Az L 2 RJ 1549/04).

Der Entscheidung des LSG lagen u. a. ein nervenärztliches Gutachten des Dr. B. vom 14. Mai 2003 (keine Störungen auf neurologischem Gebiet, auf psychiatrischem Gebiet Verdacht einer blanden depressiven Verstimmung und einer Somatisierungsstörung; leichte Tätigkeiten seien mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich möglich) ein orthopädisches Gutachten des Dr. Z. vom 4. Dezember 2003 (chronifiziertes Schmerzsyndrom der Wirbelsäule [WS] sowie der peripheren Gelenke ohne über das Altersmaß wesentlich hinausgehende pathomorphologische Veränderungen, entzündlich-rheumatisches Krankheitsgeschehen, keine klassische Fibromyalgie; leichte Tätigkeiten seien mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich möglich) und ein internistisch-rheumato-logisches Gutachten des Dr. R. vom 2. November 2004 (chronifiziertes Schmerzsyndrom bei depressiver Verstimmung mit Systematisierungsstörung, Myogelosen der paravertebralen Muskulatur, degenerative HWS-Veränderungen aktuell ohne Funktionsbeein-trächtigungen sowie Zustand nach Beckenring- und Rippenfrakturen, M.ruptur, Splenektomie und Cholezystektomie; leichte Tätigkeiten seien bei Beachtung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar) zu Grunde.

Auf einen Antrag auf Gewährung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation vom 26. Januar 2006 erstellte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M.-T. ein Gutachten vom 7. Februar 2006. Sie erhob bei der körperlichen neurologischen Untersuchung sowie der elektrophysiologischen Diagnostik einen Normalbefund und diagnostizierte eine Somatisierungsstörung. Die Somatisierungsstörung sei längerfristig leistungsgefährdend. Bei regressiven Tendenzen sei eine Wiedereingliederung ins Erwerbsleben im Sinne von leichten Tätigkeiten vollschichtig indiziert. Es sollten nervenärztliche und gegebenenfalls auch ambulant verhaltenstherapeutische Maßnahmen erfolgen. Eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit lasse sich weiterhin nicht feststellen. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten bei Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.

Am 6. April 2006 beantragte die Klägerin dann erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und - auf den Hinweis, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt, die Klägerin könne aber mit einem Abschlag eine Altersrente für Frauen vorzeitig ab 1. November 2006 in Anspruch nehmen - die Gewährung von Altersrente für Frauen ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt, dem 1. November 2006.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit ab. Ferner bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 Altersrente für Frauen ab 1. November 2006.

Den Widerspruch der Klägerin vom 20. Oktober 2006 gegen den Bescheid vom 16. Oktober 2006 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2007 zurück.

Grundlage der Entscheidungen der Beklagten waren u. a. die o. g. vom 2. Senat des LSG eingeholten Gutachten und das Gutachten der Dr. M.-T ...

Auf den Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2007 hat die Klägerin am 8. Februar 2007 bei der Beklagten und 17. April 2007 beim SG Klage erhoben.

Das SG hat den Allgemeinmediziner Dr. W. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat am 9. Dezember 2007 als Diagnosen Depression, Fibromyalgie, M.exstirpation nach Polytrauma und Polyarthrose der Finger mitgeteilt. Physisch und psychisch sei die Klägerin derzeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht einsetzbar.

Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme der Dr. K. vom 2. Januar 2008 vorgelegt. Im Hinblick auf die Vorgutachten ergebe sich auch aus der Aussage von Dr. W. keine Änderung der bisherigen Leistungseinschätzung.

Das SG hat ferner ein Sachverständigengutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. vom 11. März 2008 eingeholt. Sie ist zum Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestünden eine chronifizierte depressive Störung im Sinne einer Dysthymie und eine somatoforme Schmerzstörung. Unter Berücksichtigung der Leiden könne die Klägerin schwere Arbeiten nicht mehr verrichten und auch keine Arbeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit sowie unter Schicht- oder Akkordbedingungen. Bei Beachtung dieser Einschränkungen seien leichte Tätigkeiten, zum Beispiel einfache Sortier- und Montagetätigkeiten, mindestens sechs Stunden täglich möglich. Die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Sie weiche von den Vorgutachten sowie Stellungnahmen des ärztlichen Dienstes der Beklagten nicht ab und halte weitere Untersuchungen und Begutachtungen nicht für erforderlich. Dem Gutachten hat sie den ihr übergebenen Bericht des Radiologen Fuchs vom 12. Dezember 2007 (Multiple Leber- und Nierenläsionen im Sinne von Parenchymzysten) beigefügt.

Mit Urteil vom 14. April 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit, da sie noch leichte Tätigkeiten mit näher beschriebenen qualitativen Einschränkungen noch wenigstens sechs Stunden täglich verrichten könne, was dem Gutachten von Dr. A. zu entnehmen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Gegen das am 28. April 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Mai 2008 Berufung eingelegt, mit der sie sinngemäß geltend macht, sie könne einer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen. Hierzu hat sie u. a. einen Bericht über eine Sonographie des Abdomens vom 23. Januar 2008 sowie weitere Berichte des Dr. V., Universitätsklinikum Ulm, Zentrum für Innere Medizin, vom 9. Juni 2008 (Hauptdiagnose 2000: Verdacht auf Fibromyalgie, am ehesten sei von einem Fibromyalgie-Syndrom auszugehen), des Prof. Dr. A., Ärztlicher Direktor der Abteilung Innerer Medizin I des Universitätsklinikums Ulm vom 14. April 2008 (Diagnose u. a. Fibromyalgiesyndrom, Antrumgastritis), des Dr. D. vom 30. Januar 2008 (Schleimhauterythem im Antrum), des Orthopäden Dr. H. vom 19. Mai 2007 (Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung), des Internisten Dr. H. vom 27. Juli 2006 (u. a. Fibromyalgiesyndrom, Autoimmunthyreoiditis; im Moment keine internistische Therapie erforderlich) und des Internisten Dr. S. vom 21. September 2007 (die Klägerin gebe Atembeschwerden sowie Schwellung von Händen und Füßen mit Krämpfen und einen Blutgeschmack im Mund am Morgen an, ein wesentlicher pathologischen Befund habe sich nicht gefunden) vorgelegt.

Der Senat hat noch eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Dr. A. eingeholt, die am 21. November 2008 an ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens in ihrem Gutachten unter Berücksichtigung der vorgelegten ärztlichen Äußerungen festgehalten hat.

Darauf hat die Klägerin weitere ärztlicher Äußerungen, u. a. des Dr. H. vom 29. Oktober 2008 (Osteochondrose der HWS und BWS), des Radiologen Dr. W. vom 20. Juni und 11. Juli 2008, des Dr. Q., Praxis für Pathologie, vom 22. August und 8. September 2008 (Fibroadenom in der linken Mamma, nichts Bösartiges), des Dr. J. vom 6. September 2008 (Diagnose nach Stanzbiopsie: Fibroadenom der linken Mamma, nichts Bösartiges) und des Augenarztes Dr. W. vom 17. September 2008 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. April 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2007 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab Antragsstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hierzu hat sie eine Stellungnahmen des Internisten und Kardiologen und Sozialmediziners Dr. M. vom 23. Juli 2008 und 26. Januar 2009 vorgelegt (die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Äußerungen ergäben keine die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigenden Erkrankungen, insgesamt lägen keine medizinischen Hinweise für eine Erkrankung, die eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens begründen könnten, vor; auch die weiteren vorgelegten ärztlichen Äußerungen ergäben keine wesentlichen neuen Erkenntnisse, die die Annahme einer weitergehenden Beeinträchtigung des Leistungsvermögens rechtfertigten).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht wegen Berufsunfähigkeit.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie des Ergebnisses der weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass sich aus den von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Äußerungen keine weitergehende Einschränkung des Leistungsvermögens, insbesondere des quantitativen Leistungsvermögens, ergibt. Dies entnimmt der Senat den schlüssigen Ausführungen der Dr. A. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme sowie den von der Beklagten vorgelegten Äußerungen von Dr. M., welche als qualifizierter Beteiligtenvortrag verwertbar sind.

Demnach besteht bei der Klägerin unverändert ein wenigstens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, zum Beispiel für leichte Sortier- und Montagetätigkeiten. Da sie auf Grund der von ihr zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit als Ungelernte einzustufen ist, sind ihr auch alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar.

Der vorgenannte Zustand des Leistungsvermögens besteht im Wesentlichen unverändert seit Rentenantragstellung. Im Übrigen würde auch eine im Laufe des Verfahrens nach dem 31. Oktober 2006 eingetretene Verschlimmerung keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung begründen, nachdem die Klägerin seit 1. November 2006 eine Altersrente für Frauen bezieht und nach deren Bewilligung ein Wechsel in eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausgeschlossen ist (§ 34 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI). Eine quantitative Leistungsminderung auf unter sechs Stunden oder eine wesentliche qualitative Leistungsminderung ist unter Berücksichtigung aller vorliegenden ärztlichen Äußerungen für die Zeit vor dem 1. November 2006 nicht festzustellen.

Da die Beklagte somit zu Recht die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit abgelehnt hat, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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