L 12 AS 2557/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 1705/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2557/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Mai 2009 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Widerspruchsbescheide vom 14. und 15. Mai 2009 (S 19 AS 2825/09) angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr Rechtsanwalt L., L. beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Erlass eines Verwaltungsakts zur Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung sowie eine Zuweisung zu einer Arbeitsgelegenheit.

Die 1965 geborene Antragstellerin, ihr Ehemann und zwei Kinder beziehen seit Januar 2005 als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Antragstellerin hat in ihrem Heimatland Argentinien eine Ausbildung zur Bürokauffrau abgeschlossen. Seit 1987 lebt sie in Deutschland und hat hier zuletzt im Jahr 2001 drei Monate als Verpackerin gearbeitet.

Mit Schreiben vom 10. Februar 2009 lud der Antragsgegner die Antragstellerin für den 17. Februar 2009 zu einem persönlichen Gespräch ein, "um Sie persönlich kennenlernen zu können". Nachdem die Antragstellerin eine Bescheinigung über Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 16. bis 20. Februar 2009 vorgelegt hatte, erließ der Antragsgegner unter dem 17. Februar 2009 einen Bescheid nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II zur Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung für die Zeit vom 3. Februar bis 1. September 2009. Geregelt wurde als Leistung des Antragsgegners, dass dieser die Antragstellerin durch das Angebot einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung in Höhe von 1 EUR je geleisteter Arbeitsstunde für eine Dauer von sechs Monaten unterstütze. Im Rahmen der Maßnahme entstehende Fahrtkosten würden übernommen. Weiter geregelt wurde die Verpflichtung der Antragstellerin zur Teilnahme an der Maßnahme, deren Inhalte, Dauer und Umfang mit dem zuständigen Träger vereinbart würden.

Mit weiterem Schreiben vom 17. Februar 2009 wurde die Antragstellerin verpflichtet, eine Arbeitsgelegenheit bei der N. A. L. (NAL) als Verkaufshilfe im Fundus entsprechend ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ab 2. März bis voraussichtlich 1. September 2009 aufzunehmen. Während der Maßnahme erhalte die Antragstellerin weiterhin Leistungen der Grundsicherung sowie eine Mehraufwandsentschädigung in Höhe von 1 EUR je geleisteter Arbeitsstunde. Die wöchentliche Arbeitszeit betrage 20 bis maximal 35 Stunden. Die Festlegung des Umfangs sowie die Verteilung auf die einzelnen Arbeitstage erfolge durch die Beschäftigungsstelle in Absprache mit der Antragstellerin.

Die Antragsstellerin erhob gegen beide Bescheide Widerspruch und hat am 3. April 2009 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt und die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche, hilfsweise die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche beantragt.

Mit Beschluss vom 4. Mai 2009 hat das SG den Antrag abgelehnt. Statthaft sei ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Widerspruch habe gemäß § 39 Nr. 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2008, BGBl. I S. 2917 ff) i.V.m. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Bei den angefochtenen Verwaltungsakten handele es sich um eine Regelung von Leistungen und Pflichten bei der Eingliederung in Arbeit. Neben dem Wortlaut des § 39 Nr. 1 SGB II spreche auch der gesetzgeberische Wille, mit der Neuregelung den Sofortvollzug von Bescheiden im Bereich des SGB II erheblich zu erweitern, für die Annahme des gesetzlichen Sofortvollzugs der streitgegenständlichen Bescheide (unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/10810, S. 84).

Der (Hilfs-)Antrag sei unbegründet. Abzuwägen sei das Interesse der Antragstellerin mit dem Interesse der Allgemeinheit am Sofortvollzug. Erweise sich der Rechtsbehelf als aussichtslos, bestehe in der Regel kein Bedürfnis für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Gemessen daran habe der Eilantrag keinen Erfolg, die Bescheide vom 17. Februar 2009 erwiesen sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig.

Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II dürften vorgelegen haben, da eine Eingliederungsvereinbarung mit der schon seit Jahren im Leistungsbezug stehenden Antragstellerin aufgrund diverser Krankschreibungen bisher nicht zustande gekommen sei. Der Ersetzungsbescheid sei nicht zu unbestimmt. Die Gültigkeit sei zeitlich begrenzt und der Bescheid enthalte sämtliche notwendigen Regelungen der Leistungen und Verpflichtungen von Antragstellerin und Antragsgegner. Dass Angebot einer konkreten Maßnahme sei im Ersetzungsbescheid nicht erforderlich, da diese in einem eigenen Verpflichtungsbescheid nach § 16d SGB II geregelt werden könne.

Auch die Verpflichtung zur Aufnahme der Tätigkeit als Verkaufshilfe sei nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die langjährige Arbeitslosigkeit der Antragstellerin bestünden keine Bedenken zur Schaffung einer solchen Arbeitsgelegenheit. Eine gesetzliche Regelung zum zeitlichen Umfang einer Arbeitsgelegenheit bestehe nicht und sei dieser auch nicht aus der Natur der Sache immanent. Das Bestimmtheitsgebot erfordere, dass die Art der Tätigkeit, ihr zeitlicher Umfang und die vorgesehene Entlohnung vom Grundsicherungsträger geregelt werde, was hier der Fall sei. Der genaue zeitliche Einsatz könne der Vereinbarung zwischen Antragstellerin und der Beschäftigungsstelle überlassen bleiben.

Den Widerspruch der Antragstellerin wegen Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2009 zurück. Die Voraussetzungen für eine Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung lägen vor, da mit der Antragstellerin aufgrund diverser Krankmeldungen bisher keine Eingliederungsvereinbarung habe abgeschlossen werden können.

Den weiteren Widerspruch wegen Verpflichtung zur Aufnahme einer Tätigkeit mit Mehraufwandsentschädigung wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2009 zurück und führte insoweit aus, dass im Hinblick auf die langjährige Arbeitslosigkeit und die erfolglosen Eigenbemühungen um eine Arbeitsstelle die Schaffung einer Arbeitsgelegenheit geboten sei. Eine gesetzliche Regelung zum zeitlichen Umfang von Arbeitsgelegenheiten bestehe nicht.

Gegen beide Widerspruchsbescheide hat die Antragstellerin zum SG Klage erhoben (S 19 AS 2825/09).

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 7. Mai 2009 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragstellerin am 5. Juni 2009 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt. Der Bescheid zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten - sofern es sich um einen solchen handele - regele keine Pflichten des Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit, sondern stelle die Eingliederung selbst dar. Allerhöchstens könne die Beschäftigungszeit geregelt sein, welche jedoch nach der Rechtsprechung der Instanzgerichte rechtswidrig sei, da es sich um eine überhalbschichtige Tätigkeit handele. Die Antragstellerin habe ihre letzte vollzeitige Beschäftigung im Jahr 2000 gehabt. Den spezifischen Eingliederungserfordernissen der Antragstellerin werde mit der Beschäftigungszeit von 20 bis maximal 35 Stunden nicht entsprochen. Darüber hinaus genüge der Bescheid nach § 16d SGB II auch nicht den Bestimmtheitserfordernissen. Mit "Verkaufshilfe im Fundus" sei nicht einmal die Art der Arbeit hinreichend konkret beschrieben, auch die zeitliche Verteilung der Tätigkeit sei nicht beschrieben. Überdies treffe nicht zu, dass es aufgrund vermehrter Krankmeldungen zu keinem persönlichen Gespräch gekommen sei. Ein persönliches Gespräche habe stattgefunden, die zweite Einladung habe die Antragstellerin aufgrund Erkrankung absagen müssen. Vorliegend werde der Ersatz der Eingliederungsvereinbarung nicht damit begründet, dass die Antragstellerin ein bestehendes Angebot abgelehnt habe, sondern dass sie einen Besprechungstermin nicht wahrgenommen habe. Der Inhalt der beabsichtigten Eingliederungsvereinbarung sei nach Aktenlage nicht festzustellen. Dies entspreche nicht den Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde auch begründet.

Rechtsgrundlage für den von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist die Bestimmung des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, welche in Anfechtungssachen die gerichtliche Korrektur der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage regelt. Wie das SG zutreffend erkannt hat, kommt den Rechtsbehelfen gegen die angefochtenen Bescheide kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die Heranziehung zur Arbeitsgelegenheit mit Bescheid vom 17. Februar 2009 einen Verwaltungsakt darstellt. Zwar ist umstritten, ob ein Angebot des Leistungsträgers an den Hilfebedürftigen, bei einem Maßnahmeträger einen "Ein-Euro-Job" anzunehmen, als Verwaltungsakt oder lediglich als Vorbereitungshandlung für eine eventuelle Sanktion nach § 31 SGB II zu betrachten ist (ausdrücklich diese Frage offen lassend: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 60/07 R - (juris); vgl. auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 16 Rdnr. 236, 236c m.w.N.; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 68, 97, 99: Heranziehung zu gemeinnützigen Arbeiten nach § 19 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) durch Verwaltungsakt; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr. 2: Maßnahmeangebote der Arbeitsämter zu Trainingsmaßnahmen nur behördliche Verfahrenshandlung). Die Formulierung im Schreiben vom 17. Februar 2009 spricht hier eher dafür, dass eine Regelung getroffen worden ist, denn die Antragstellerin wurde "ab dem 02.03.2009 verpflichtet", an der Maßnahme teilzunehmen, und zwar bei NAL als Verkaufshilfe im Fundus. Dies spricht für eine Zuweisung zu einer bestimmten Arbeitsgelegenheit, welche - unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit - einen Verwaltungsakt darstellt. Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, denn jedenfalls liegt hier in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2009 ein formaler Verwaltungsakt vor.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Insoweit muss der Senat die geänderte Sachlage durch die nach dem Beschluss des SG erlassenen Widerspruchsbescheide, die mit der Klage angefochten sind (S 19 AS 2825/09), berücksichtigen. Der Antrag ist sachdienlich daher dahin gehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden soll.

Die Eilentscheidung in Anfechtungssachen verlangt eine Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. April 2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B - info also 2006, 132; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 - L 8 AS 238/06 ER-B -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 9 AS 17/06 ER - (juris); Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnrn. 12 ff.). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 7. Januar 2002 - L 13 AL 3590/01 ER-B - und vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4269/02 ER-B - (beide juris)); dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon BSG in BSGE 4, 151, 155; ferner Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rdnrn. 208 ff.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 12c). Ist der Verfahrensausgang dagegen als offen zu bezeichnen, ist darüber hinaus bei der Interessenabwägung in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfG NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.) auch die Schwere und Unabänderlichkeit des Eingriffs zu berücksichtigen, so dass - namentlich bei den der Existenzsicherung dienenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II und dem SGB XII - insoweit eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 31. März 2006 und 12. April 2006 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 205); in dieser Beziehung hat das Vollziehungsinteresse umso eher zurückzustehen, je schwerer und nachhaltiger die durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen.

Die sonach gebotene Interessenabwägung führt zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (S 19 AS 2825/09). Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Nach der hier gebotenen summarischen Prüfung lagen weder die Voraussetzungen für die Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt vor, noch ist die Zuweisung zur Arbeitsgelegenheit hinreichend bestimmt.

Die Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt soll nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II erfolgen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll durch den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung eine passgenaue Betreuung und Vermittlung von Arbeitsuchenden dadurch erreicht werden, dass die "Feinsteuerung der Leistungserbringung auf den individuellen Austauschprozess zwischen dem persönlichen Ansprechpartner und dem Klienten" übertragen wird (BT-Drucks. 15/1516 S. 54). Dem Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung geht daher regelmäßig eine Verhandlungsphase voraus, ein Prozess des Aushandelns (für ein subjektiv-öffentliches Recht auf entsprechende Verhandlungen: Spellbrink, in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 15 Rdnr. 15). Die Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt kommt daher nur in Betracht, wenn nach einer hinreichenden Verhandlungsphase keine Einigung über Abschluss oder Inhalte einer Eingliederungsvereinbarung zustande gekommen ist (vgl. Berlit, in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 15 Rdnr. 40). Im vorliegenden Fall konnte die Antragstellerin nicht einmal erkennen, dass der Antragsgegner überhaupt den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung beabsichtigte. In der Einladung zu dem persönlichen Gespräch wurde - wie auch bei den voraus gegangenen Einladungen - nicht darauf hingewiesen, als Zweck wurde vielmehr "persönliches Kennenlernen" angegeben. Entsprechend findet sich auch in der Verwaltungsakte keinerlei Entwurf für eine Eingliederungsvereinbarung, vielmehr hat der Antragsgegner, nachdem die Antragstellerin für die Zeit des anberaumten Gesprächs eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hatte, unmittelbar einen ersetzenden Verwaltungsakt erlassen. Ergeht nicht einmal der Versuch des Grundsicherungsträgers, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, kommt eine Ersetzung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht. Die bloße, noch dazu durch ein ärztliches Attest entschuldigte Nichtwahrnehmung eines (oder mehrerer) allgemeiner Gesprächstermine reicht hierzu nicht aus. Eine u.U. abweichend zu beurteilende Konstellation, dass der Hilfeempfänger nach Einladung zur persönlichen Vorsprache zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung Gesprächstermine nicht wahrnimmt und so vereitelt, dass überhaupt Verhandlungen aufgenommen werden können, liegt hier nicht vor.

Die Zuweisung zur Arbeitsgelegenheit bei der NAL stellt sich wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit als rechtswidrig dar. Nach § 16d SGB II sollen für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können, Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Die Heranziehung muss indes bestimmt genug sein (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, a.a.O.). Das BVerwG hatte insoweit für Arbeitsgelegenheiten gefordert, dass die Art der Arbeit, ihr zeitlicher Umfang und ihre zeitliche Verteilung sowie die Höhe der Mehraufwandsentschädigung im Einzelnen bestimmt sein müssen (BVerwGE 67, 1, 6; 68, 97, 99). Nach den Ausführungen des BSG im Urteil vom 16. Dezember 2008 (a.a.O.) muss der erwerbsfähige Hilfebedürftige aus Gründen des Rechtsschutzes erkennen können, ob die angebotene Arbeitsgelegenheit den inhaltlichen und formellen Anforderungen an eine zulässige Arbeitsgelegenheit, die zur Erreichung des Eingliederungsziels geeignet und erforderlich ist, genügt.

Vorliegend ist für die Antragstellerin nicht einmal erkennbar, ob sie nun Teilzeit (20 Stunden) oder nahezu Vollzeit mit 35 Stunden wöchentlich arbeiten soll. Der Antragsgegner hält aufgrund bestehender gesundheitlicher Einschränkungen offenbar selbst lediglich eine Tätigkeit im Umfang von 20 Stunden für zumutbar, wie sich dem Aktenvermerk vom 20. März 2009 entnehmen lässt (Bl. 209 Verwaltungsakte), wonach dies bereits mit einer Mitarbeiterin der NAL so besprochen worden sei. Den angefochtenen Bescheiden lässt sich dies indes nicht entnehmen. Auf die Frage, ob ein zeitlicher Umfang von 35 Wochenstunden generell bei einer Arbeitsgelegenheit noch zulässig ist, kommt es daher hier nicht an (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der Antragstellerin war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe nach § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung zu bewilligen.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved