L 13 R 3253/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 519/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3253/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1950 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben gegenüber der Beklagten keinen Beruf erlernt. In seinem Heimatland Bosnien habe er als Gas-Wasser-Installateur gearbeitet. Nach seinen Angaben gegenüber dem Sachverständigen Dr. H. im Berufungsverfahren habe er diesbezüglich auch eine Ausbildung absolviert. Nach Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland übte er eine Tätigkeit als LKW-Fahrer aus. Zuletzt war der Kläger als Maschinist an einer Betonpumpe beschäftigt. Nachdem er am 7. Mai 2004 arbeitsunfähig geworden war, wurde das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2004 beendet.

Am 12. Mai 2005 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog daraufhin den Entlassungsbericht über die vom 12. August bis 2. September 2004 durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Gesundheitszentrum B. W. bei. Danach wurde der Kläger als in der Lage angesehen, mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Chirurg Dr. Na. das Gutachten vom 29. Juli 2005. Insbesondere auf Grund der von ihm festgestellten Veränderungen der Lendenwirbelsäule, ohne belangvolle Wurzelreizsymptomatik, sei die bisherige Tätigkeit nicht mehr leidensgerecht. Der Kläger sei jedoch in der Lage, mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Auf nervenärztlichem Fachgebiet stellte der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. einen mittelgradig ausgeprägten depressiven Verstimmungszustand mit. Es handle sich um eine einfach strukturierte Persönlichkeit mit leichten Anpassungsschwierigkeiten. Der Kläger sei in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Mit Bescheid vom 29. August 2005 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab. Auf den Widerspruch des Klägers vom 28. September 2005 befragte die Beklagte die letzte Arbeitgeberin des Klägers ( ). In der Auskunft vom 23. November 2005 gab diese u.a. an, der Kläger sei als angelernter Arbeiter mit einer Anlerndauer von einem Monat als LKW-Fahrer mit Führerschein Kl. II (Betonpumpe) vom 13. März 1972 bis 31. Dezember 2004 dort beschäftigt gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 23. Januar 2006 hat der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Das SG hat

zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers befragt. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. M. hat den Kläger nur noch für fähig angesehen, leichte Tätigkeiten bis zu drei Stunden ausüben zu können (Auskunft vom 25. Juli 2008). Der Neurologe und Psychiater Dr. D. hat unter dem 4. August 2008 angegeben, der Kläger sei bei anhaltender agitierter Depression nur noch für Tätigkeiten unter drei Stunden täglich erwerbsfähig. Der Internist/Endokrinologe Dr. Schw. hat eine wesentliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit durch Leiden auf internistischem Fachgebiet nicht feststellen können (letzte Behandlung am 18. Mai 2006). Der Kläger sei in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten (Auskunft vom 2. August 2006). Der Internist/Kardiologe Dr. Kr. hat in seiner Auskunft vom 3. August 2006 angegeben, die Frage der Leistungsfähigkeit nicht abschließend beantworten zu können - die letzte Behandlung des Klägers sei im März 2006 gewesen (die kardialen Erkrankungen würden jedoch eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zulassen). Der Orthopäde Dr. Ko. hat in seiner Auskunft vom 11. September 2006 die Auffassung vertreten, der Kläger könne keine Tätigkeit leichterer Art auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben. Der Chirurg Dr. Z. hat in seiner Auskunft vom 16. Dezember 2006 angegeben, er schließe sich dem Gutachten des Dr. Na. an. Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Neurologen und Psychiater Dr. Pa ... In seinem Gutachten vom 13. August 2007 hat der Sachverständige Anpassungsstörungen mit depressiven, hypochondrischen und somatoformen Störungen ohne derzeit psychotische Symptomatik diagnostiziert. Der Kläger sei in der Lage, leichte körperliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. Dr. Zi. (Dipl. Psychologe, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie) das Gutachten vom 23. Januar 2008. In seinem Gutachten ist Dr. Dr. Zi. von einem depressiven Syndrom mit schweren Ängsten und differenzialdiagnostisch vom Vorliegen einer schizoaffektiven Störung und/oder einer schizoiden Persönlichkeitsstörung ausgegangen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG noch eine Bescheinigung des Dr. D. vom 22. April 2008 sowie das Gutachten nach Aktenlage der Internistin Dr. Hä. für die Agentur für Arbeit vom 8. April 2008 vorgelegt. Mit Urteil vom 14. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es u. a. ausgeführt, der Kläger sei in der Lage unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies ergebe sich aus den überzeugenden Gutachten des Dr. Na. sowie des Dr. Pa ... Dr. Na. habe in seinem Gutachten schlüssig dargelegt, dass auf orthopädischem Fachgebiet altersentsprechende

degenerative Veränderungen zwar vorlägen, die jedoch nur zu qualitativen Leistungseinschränkungen führten. Eine zeitliche Leistungseinschränkung sei nicht erkennbar. Eine relevante Wurzelreizsymptomatik oder Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit liege nicht vor. Ebenso habe der Neurologe und Psychiater Dr. Pa. keine Befunde erhoben, die eine zeitliche Leistungseinschränkung nach sich ziehen würden. Neurologisch sei kein pathologischer Befund zu erkennen gewesen. Im psychischen Bereich liege eine emotionale Instabilität ohne schwerwiegende depressive Symptomatik vor. Das Gutachten des Dr. Dr. Zi. überzeuge hingegen nicht. Dieser habe die von ihm mitgeteilten Befunde und seine Einschätzungen nicht schlüssig dargelegt und nicht belegt. Das Gutachten beruhe im wesentlichen auf den subjektiven Angaben des Klägers, ohne dass der Sachverständige diese einer Plausibilitätsprüfung unterzogen habe. Auf internistischem Fachgebiet lägen ebenfalls keine Erkrankungen vor, die eine zeitliche Leistungseinschränkungen nach sich ziehen könnten. Weder der Internist Dr. Schw., noch Dr. Kr. hätten Befunde mitgeteilt, die eine zeitliche Leistungseinschränkung nach sich ziehen könnten. Dr. Kr. habe über die kardiologische Befundkontrolle vom 15. März 2006 berichtet, wonach keine Hinweise für eine belastungsinduzierte Ischämie oder ein Fortschreiten der koronaren Herzkrankheit gegeben seien. Der Kläger sei bis zu 175 Watt belastbar gewesen, der Abbruch sei danach wegen Kurzatmigkeit erfolgt.

Gegen das dem Bevollmächtigten des Klägers am 13. Juni 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. Juli 2008 eingelegte Berufung des Klägers. Ebenso wie die behandelnde Ärztin Dr. M., sei auch der Orthopäde Dr. Ko. der Auffassung, dass er lediglich nur noch weniger als drei Stunden täglich leichte Arbeiten verrichten könne. Der Sachverständige Dr. Dr. Zi. habe diese zeitliche Leistungseinschränkung bestätigt. Der Kläger hat hierzu nochmals das Gutachten der Ärztin Dr. Hä. (Agentur für Arbeit) vom 8. April 2008 sowie einen Attest des Dr. Ko. vom 4. November 2008 vorgelegt, wonach der Kläger " voll erwerbsunfähig sei".

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Mai 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Juni 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat zur weiteren medizinischen Sachaufklärung die Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Neurologen und Psychiater Dr. H. veranlasst. In dem Sachverständigengutachten 11. Dezember 2008 hat Dr. H. auf neurologischem Fachgebiet degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und insbesondere der Lendenwirbelsäule festgestellt. Neurologische Ausfallerscheinungen ließen sich nicht nachweisen. Auf psychiatrischem Fachgebiet sei eine leichte depressive Episode gegeben. Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ausdrücklich ihr Einverständnis gegeben haben (§ 124 Abs. 2 SGG)

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Bescheid der Beklagten rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Hinsichtlich der Rechtsgrundlage für den zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) geltend gemachten Anspruch nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das angefochtene Urteil Bezug, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Rente zutreffend zitiert sind. Auch hinsichtlich der Beweiswürdigung sieht der Senat von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch das im Berufungsverfahren eingeholte Sachverständigen des Dr. H. das vom SG festgestellte Beweisergebnis in vollem Umfang bestätigt hat. Der Kläger ist in der Lage, ohne zeitliche Einschränkung zumindest leichte körperliche Arbeiten täglich sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Eine zeitliche Leistungseinschränkung ist nicht gegeben. Dr. H. hat in seinem Sachverständigengutachten auf neurologischem Fachgebiet die bereits durch Dr. Na. festgestellten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, insbesondere der Lendenwirbelsäule bestätigt. Ebenso wie Dr. Na. hat auch Dr. H. neurologische Ausfallerscheinungen, wie Paresen, Atrophien oder eine umschriebene auf eine Nervenwurzel beziehbare Sensibilitätsstörung nicht feststellen können. Die von Dr. Ko. in seinen Auskünften und zuletzt in seinem Attest vom 4. November 2008 vorgenommene Leistungsbeurteilung ist somit in keiner Weise nachvollziehbar. Auf psychiatrischem Fachgebiet hat Dr. H. eine leichte depressive Episode festgestellt (ICD10 F 32.0), die sich in einer insgesamt leicht gedrückten Stimmungslage und einer diskret reduzierten affektiven Schwingungsfähigkeit geäußert habe. Der Antrieb sei leicht reduziert gewesen; die

Psychomotorik wird als insgesamt eher etwas starr, streckenweise aber auch lebendiger beschrieben. Dr. H. hat eine mittelgradige oder gar schwere depressive Episode ausgeschlossen. Ebensowenig sind nach schlüssiger Darlegung des Sachverständigen die Kriterien für eine eigenständige Angsterkrankung oder eine somatoforme Störung erfüllt. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert - z. B. einer schizoiden Persönlichkeitsstörung - haben sich ebenso wie das Vorliegen einer schizoaffektiven Störung nicht ergeben. Dr. H. hat ein von Dr. Dr. Zi. diagnostiziertes schwerwiegendes depressives Syndrom somit ebenso ausgeschlossen, wie eine schizoaffektive Störung oder eine schizoide Persönlichkeitsstörung. Nachdem Dr. H. lediglich eine leicht reduzierte Auffassung bzw. Konzentration festgestellt und eine Störung des Durchhaltevermögens oder der Merkfähigkeit verneint hat, ist eine rentenrelevante zeitliche Reduktion des Leistungsvermögens nicht feststellbar. Dr. H. hat vielmehr auf die mangelnde Mitarbeit und die demonstrativen Tendenzen im Rahmen der psychologischen Zusatzuntersuchung hingewiesen.

Unter Beachtung der Erkrankungen des Klägers auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet ist der Kläger in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten täglich sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Ausgeschlossen sind das Heben und Tragen schwerer Lasten (über 10 Kilogramm). Gleichförmige Körperhaltungen sollten wie Überkopfarbeiten vermieden werden. Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken oder häufiges Treppensteigen sollten nicht erfolgen. Ebenfalls sollten Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien nicht verrichtet werden. Eine Überforderung durch Akkordarbeit oder Wechselschicht sowie durch Arbeiten unter besonderen Zeitdruck sollten vermieden werden. Tätigkeiten mit einer das normale Maß deutlich übersteigenden Verantwortung oder mit einer das normale Maß deutlich übersteigenden geistigen Beanspruchung können nicht mehr verrichtet werden. Dies steht fest aufgrund der auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Dr. Na., Dr. Pa. und Dr. H ...

Ausgehend von diesem Leistungsbild ist der Kläger weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass auch ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht gegeben ist. Der Kläger ist in das vom SG zutreffend beschriebene Mehrstufenschema als angelernter Arbeiter des unteren Bereichs einzustufen und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar; ein besonderer Berufsschutz ist nicht anzuerkennen, sodass konkrete Verweisungstätigkeiten nicht zu benennen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe würde Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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