L 4 P 2814/09 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 P 144/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2814/09 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 13. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin ist nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung statthaft, da das Sozialgericht den Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt und nicht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint hat (§ 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG). Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg. Es besteht kein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Bühler für das Klageverfahren S 1 P 144/09.

Das Sozialgericht hat den Antrag im Ergebnis mit zutreffender Begründung abgelehnt. Das Begehren der Klägerin nach Leistungen der Pflegeversicherung hat nach der hier gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Prozesskostenhilfe darf verweigert werden, wenn die Erfolgschance nur eine entfernte ist (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG - BVerfGE 81, 347, 357). Da der Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht enger zu verstehen ist als das Gebot einer Beweiserhebung, ist im Rahmen des Verfahrens über Prozesskostenhilfe in begrenztem Umfang auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig (BVerfG NVwZ 1987, 786; NJW 1997, 2745, 2746). Der Ablehnung von Prozesskostenhilfe steht es auch nicht entgegen, wenn zur abschließenden Klärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts noch einzelne Ermittlungen von Amts wegen angestellt werden.

1. Es fehlt bislang an einem sachdienlichen Antrag. Der in der Beschwerdeschrift vom 15. Juni 2009 angekündigte Antrag, die Beklagte zu Leistungen gemäß der Pflegestufe I zu verurteilen, ist unbestimmt. Es ist klarzustellen, welche Leistung(en) begehrt wird (werden). Im Antrag vom 23. Juni 2006 beantragte die Klägerin Sachleistungen (§ 36 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB XI). Zum Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe legte die Klägerin allerdings eine Rechnung des Pflegeheimes W. GmbH für den Monat Januar 2009 vor. Auch aus dem Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 16. Oktober 2008 ergibt sich, dass sich die Klägerin in vollstationärer Pflege befindet. Deshalb kommen Leistungen wegen vollstationärer Pflege (§ 43 SGB XI) in Betracht.

2. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.

Die Klägerin leidet unter Demenz, also unter Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen führen, und damit zusammenhängend Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren. Laut dem Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 16. Oktober 2008 muss die Klägerin nach Terminen fragen, sie wäscht und kleidet sich nicht mehr ohne Aufforderung. Sie ist innerhalb der Pflegeeinrichtung ohne Hilfsmittel ausreichend gehfähig und kann kleinere Spaziergänge ums Haus noch selbstständig unternehmen. Dieses Gutachten lässt eine eingehende eigenständige Sachverhaltsaufklärung ohne Anlehnung an das Vorgutachten der Pflegefachkraft R. vom 16. Juli 2008 erkennen. Die Notwendigkeit von Anleitung und Beaufsichtigung ist bei den einzelnen Verrichtungen berücksichtigt. Das Gutachten wurde auch nach dem Sturz im August 2008 erstellt. Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes erscheint deshalb der angenommene täglichen Zeitaufwand von 26 Minuten nicht verfehlt.

Für die Ermittlung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen kommt es allein auf den Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 SGB XI abschließend genannten Verrichtungen an. Ein allgemeiner Betreuungsaufwand für einen Versicherten mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen ist regelmäßig nicht zu berücksichtigen, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfG SozR 4-3300 § 14 Nr. 1).

Ausgehend hiervon sind die Darlegungen in der Beschwerdebegründung, es ergebe sich für die Grundpflege ein Hilfebedarf von 125 Minuten (Körperwäsche 20 Minuten, Duschen/Baden 15 Minuten, Stuhlgang/Wasserlassen 30 Minuten, Richten der Bekleidung zehn Minuten, Zubereitung/Aufnahme von Nahrung 30 Minuten sowie An- und Auskleiden 20 Minuten), nicht schlüssig belegt. Selbst wenn im Gutachten der Pflegefachkraft L. einzelne Zeitangaben zu knapp bemessen sein sollten, ist der Zeitaufwand von den erforderlichen mindestens 46 Minuten noch deutlich entfernt. Soweit die Klägerin zur Begründung des Widerspruchs unter dem 29. Oktober 2008 auch angegeben hat, die wegen der Sturzgefahr erforderliche Begleitung sei nicht berücksichtigt, lässt sich aufgrund dieser allgemeinen Formulierung noch kein (deutlich) höherer Zeitaufwand bei den Verrichtungen der Grundpflege ableiten. Einen Hilfebedarf beim Gehen und Stehen (Transfer) hat Pflegefachkraft L. in ihrem Gutachten berücksichtigt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved