Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 9647/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4547/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. August 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen der Folgen des am 21.06.2004 erlittenen Arbeitsunfalles Anspruch auf Verletztenrente über den 20.06.2006 hinaus hat.
Der 1951 geborene Kläger - zu der Zeit selbstständiger Installateur - erlitt am 21.06.2004 durch eine umgekippte Maschine Verletzungen im Bereich des rechten Ring- und Mittelfingers. Nach der Unfallanzeige verlor er dadurch das letzte Glied des rechten Ringfingers (Rissverletzung) und erlitt eine Quetschung des Mittelfingers der rechten Hand.
Vom 21.06.2004 bis 29.06.2004 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., aus der er mit den Diagnosen Quetschverletzung der rechten Hand mit Amputation D IV P2 rechts sowie drittgradig offene Endgliedtrümmerfraktur D III rechts als arbeitsunfähig für voraussichtlich fünf Wochen bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von weniger als 20% entlassen wurde. Mit Bescheid vom 09.09.2004 erkannte die Beklagte den Unfall vom 21.06.2004 als Arbeitsunfall an. Der Kläger bezog durchgehend bis 05.02.2006 Verletztengeld und zeitweise Übergangsgeld. Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik L. diagnostizierte in ihrem Untersuchungsbericht vom 19.04.2005 eine in Fehlstellung verheilte Grundgliedfraktur rechter Mittelfinger mit Rotationsfehler und einen Zustand nach traumatischer Amputation des Ringfingerendgliedes mit Bewegungseinschränkung rechts. In seinem auf Veranlassung der Beklagten erstatteten ersten Rentengutachten vom 31.05.2006 gelangte der Chirurg Dr. L., F., zu der Beurteilung, die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand des Klägers sei durch eine Arthrose des rechten Mittelfingermittelgelenkes, eine Amputation des rechten Ringfingers in der Mitte des Mittelgliedes, eine erhebliche Kraftminderung der rechten Hand und eine Sensibilitätsminderung im Stumpfbereich D IV rechts gemindert. Die durch die Verletzungsfolgen bedingte MdE betrage vom 06.02.2006 bis 11.05.2006 30 v.H. und voraussichtlich vom 12.05.2006 bis 20.06.2006 20 v.H. Danach schätze er die MdE auf 10 v.H. ein. Der Kläger sei wohl nicht mehr in der Lage, seine bisherige Tätigkeit weiter auszuüben. Durch die laufende Umschulung zum Steuerungstechniker könne die Erwerbsfähigkeit des Klägers wiederhergestellt bzw. gebessert werden. Mit Bescheid vom 15.08.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 06.02.2006 bis 20.06.2006 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 30 v.H. (06.02.2006 bis 11.05.2006) bzw. 20 v.H. (12.05.2006 bis 20.06.2006). Über den 20.06.2006 hinaus lehnte die Beklagte einen Rentenanspruch ab, weil eine MdE von wenigstens einem Fünftel nicht mehr vorliege. Als wesentliche Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: "Kraftminderung, leichte Kalksalzminderung vor allem im Bereich des Mittel- und Ringfingers, Sensibilitätsminderung im Stumpfbereich des Ringfingers, reizlose Narbenverhältnisse nach Quetschverletzung der rechten Hand mit Amputation des Ringfingers im Mittelglied sowie drittgradig offener Grundglied-Trümmerfraktur des Mittelfingers mit Arthrose des Mittelfingers und Mittelgelenkes mit reizlos einliegendem Metall." Nicht als Arbeitsunfallfolgen wurden altersentsprechende degenerative Veränderungen der Langfinger, End- und Mittelgelenke im Sinne von Heberden-Bouchardarthrosen linke und rechte Hand anerkannt.
Dagegen legte der Kläger am 24.08.2006 Widerspruch ein und machte geltend, die ihm bewilligte Rente sei über den 20.06.2006 hinaus zu gewähren. Der Gutachter Dr. L. habe bei seiner Untersuchung am 12.05.2006 einen Befund erhoben, der eine MdE in rentenberechtigendem Umfang rechtfertige. Weshalb dieser Befund nach dem 20.06.2006 nicht mehr vorgelegen haben soll, sei nicht nachvollziehbar. Der Gutachter habe eine Bewertung für die Zukunft vorgenommen, die wohl kaum zu begründen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Das Gutachten von Dr. L. vom 31.05.2006 habe ergeben, dass über den 20.06.2006 hinaus keine MdE in rentenberechtigendem Grade mehr vorliege. Dass der Gutachter am Untersuchungstag, dem 12.05.2006, eine Einschätzung in die Zukunft vorgenommen habe und mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.08.2006 eine Rente für einen zurückliegenden Zeitraum bewilligt wurde, führe zu keiner Änderung der MdE-Einschätzung. Nach den Erfahrungswerten in der Fachliteratur müssten Mittel- und Ringfinger im Grundglied amputiert sein, um zu einer MdE von 20 v.H. auf Dauer gelangen zu können.
Am 18.12.2006 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er - mit im Wesentlichen gleicher Begründung wie im Widerspruchsverfahren - einen Anspruch auf eine Verletztenrente über den 20.06.2006 hinaus geltend machte. Weder der Gutachter noch die Beklagte hätten nachvollziehbar begründet, weshalb der zum Untersuchungszeitpunkt vorliegende und eine Rentengewährung rechtfertigende Befund über den 20.06.2006 hinaus keine Rente mehr rechtfertigen würde. Bei ihm lägen keine reinen Fingerverluste vor, sondern ein Zustand nach einer Quetschverletzung der Hand, die zu einer erheblichen Einbuße bei den Greiffunktionen und der Belastungsfähigkeit der Hand geführt habe. Derzeit sei es ihm nicht möglich, die in seinem Beruf erforderlichen Feinarbeiten (z.B. Halten eines kleinen Schraubenziehers ect.) durchzuführen. Ferner mache ihm der aufgetriebene und elektrisierende Amputationsstumpf des Ringfingers und die Kraftlosigkeit der Hand zu schaffen; ein Faustschluss sei nicht möglich und am Greifakt nähmen diese Finger nicht teil. Außerdem hätten die dauernden Schmerzen im Bereich des Stumpfes zu Durchschlafstörungen geführt. Seit der erfolgten Untersuchung habe sich die Einsatzfähigkeit der Hand durch das elektrisierende Gefühl am Ringfingerstumpf verschlechtert, weshalb die für die Zeit vor der Untersuchung erfolgte MdE-Einschätzung von 30 v.H. zutreffend sei. Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf das von ihr eingeholte Gutachten von Dr. L ...
Das SG hörte den Unfallchirurgen Dr. M., L.-E., schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser schilderte am 06.06.2007 den Krankheits- und Behandlungsverlauf und vertrat die Auffassung, dass der Gutachter Dr. L. eine MdE von zunächst 30 v.H. und dann 20 v.H. angenommen habe, sei nach dem Ergebnis seiner Überprüfung anhand des Standardwerks "Der Unfallmann" nachvollziehbar. Nur die vom Gutachter für die Zeit ab 21.06.2006 angenommene Verbesserung leuchte ihm nach wie vor nicht ganz ein. Anschließend holte das SG von Prof. Dr. S., Chirurgische Klinik II (Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie) des Diakonie-Klinikums Schwäbisch Hall ein unfallchirurgisches Gutachten ein. Dieser gelangte am 01.09.2007 nach ambulanter Untersuchung des Klägers zu der Beurteilung, nach seiner Einschätzung habe die MdE vom 06.02.2006 bis 11.05.2006 30 v.H. und vom 12.05. bis 20.06.2006 20 v.H. betragen. Ab 21.06.2006 betrage sie auf Dauer 10 v.H. Zu den vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwänden nahm der Sachverständige am 07.02.2008 ergänzend Stellung. Er hielt daran fest, dass für die Zeit vom 21.06.2006 bis 01.08.2007 - für die Zeit ab dem 02.08.2007 mache der Kläger offenbar keine Einwände mehr geltend - eine MdE in Höhe von 20 v.H. nicht mehr zu rechtfertigen gewesen sei. Was den röntgenologischen Befund der Kalksalzminderung angehe, den der Kläger in seiner Stellungnahme angesprochen habe, habe dieser bei der Einschätzung der MdE eine tendenziell nachrangige Bedeutung und sei sowohl im Gutachten von Dr. L. als auch in seinem Gutachten ausreichend berücksichtigt worden.
Mit Urteil vom 06.08.2008, dem Kläger zugestellt am 05.09.2008, wies das SG die Klage ab. Es verneinte einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente über den 20.06.2006 hinaus und stützte sich hierbei in erster Linie auf das Gutachten von Prof. S ... Die bei seiner Untersuchung des Klägers am 02.08.2007 erhobenen und nur noch eine MdE von 10 v.H. rechtfertigenden Befunde hätten die Prognose von Dr. L. für die Zeit ab 21.06.2006 nachträglich untermauert, was deren Richtigkeit bestätige.
Dagegen hat der Kläger am 25.09.2008 Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Er verweist auf sein früheres Vorbringen und betont, dass es die Beklagte, die die objektive Beweislast habe, versäumt habe, bis zum Erlass des angegriffenen Bescheides vom 15.08.2006 objektive Befunde einzuholen, die eine Befristung der Rentenzahlung bis 20.06.2006 rechtfertigen könnten. Die erfolgte Befristung sei willkürlich und schematisch auf das Ende des zweiten Jahres nach dem Unfall festgesetzt worden, ohne die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. August 2008 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 21. Juni 2004 auch für die Zeit vom 21. Juni 2006 bis 1. August 2007 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. der Vollrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen bestehe über den 20.06.2006 hinaus keine MdE in rentenberechtigendem Grade.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 17.03.2009 darauf hingewiesen, dass das Landessozialgericht nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückweisen könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Diese Möglichkeit komme nach dem Inhalt der vorliegenden Akten in Betracht. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, hierzu bis zum 15.04.2009 Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat einen Rentenanspruch des Klägers für den hier noch streitigen Zeitraum zutreffend verneint. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Verletztenrente für die Zeit vom 21.06.2006 bis 01.08.2007.
Gesetzlich Unfallversicherte - wie der Kläger -, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).
Grundlage für die Bemessung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung ist § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Erwerbslebens. Bei der Bemessung des Grades der MdE handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 S. 36). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (vgl.BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2).
Aufgrund dieser Vorschriften und Regeln steht für den Senat fest, dass der Kläger für die Zeit vom 21.06.2006 bis 01.08.2007 - nur dieser Zeitraum ist noch streitbefangen - keinen Anspruch auf eine Verletztenrente hat, weil die durch die Unfallfolgen bedingte MdE jedenfalls seit 21.06.2006 nur noch weniger als 20 v.H. (10 v.H.) beträgt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem vom SG eingeholten unfallchirurgischen Gutachten von Prof. S. vom 01.09.2007. Dieser hat bei seiner Untersuchung des Klägers am 02.08.2007 als Folgen des Unfalls vom 21.06.2006 im Bereich des rechten Mittelfingers eine knöchern fest konsolidierte Grundgliedfraktur in korrekter Stellung, eine Verkürzung des Fingers schwerpunktmäßig zu Lasten des Grund(Mittel-)Gliedes um ca. 1,5 cm, eine knöcherne Versteifung des Mittelgelenkes in 30° Beugestellung, eine funktionelle Versteifung des Endgelenkes in 20° Beugestellung, eine tendenziell endgradig eingeschränkte Beuge- und Streckfähigkeit des Grundgelenkes, einen graduellen Kraftverlust und eine Demonstration einer tastmäßigen Überempfindlichkeit des Endgliedes im Griffbereich sowie über den Flanken des (ehemaligen) Mittelgelenkes sowie im Bereich des rechten Ringfingers eine Amputation in Höhe des Mittelgliedes (Erhalt von ca. zwei Drittel der ursprünglichen Mittelgliedlänge), eine reizlos geschlossene Weichteilsituation im Stumpfbereich, eine tendenziell endgradig eingeschränkte Beuge- und Streckfähigkeit des Grundgelenkes, eine endgradig eingeschränkte Streckfähigkeit des Mittelgelenkes, eine mittelgradige bis erheblich eingeschränkte Beugefähigkeit des Mittelgelenkes und eine Demonstration einer tastmäßigen Überempfindlichkeit im Stumpfbereich festgestellt. Die durch die Unfallfolgen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen hat der Sachverständige mit einer MdE von 10 v.H. bewertet. Dabei ist er unter Darlegung der Empfehlungen in der wissenschaftlichen Literatur, die bei einem - hier nicht vorliegenden - vollständigen Verlust des Mittel- als auch des Ringfingers eine MdE von 25 v.H. bzw. 20 v.H. vorschlage, insoweit von einer MdE in Höhe von 20 v.H. (Trend eher zu 30 v.H. als zu 10 v.H.) ausgegangen. Mit diesem Beschwerdebild ist der beim Kläger vom Sachverständigen erhobene Befund ohne vollständigen Funktionsverlust von Ring- und Mittelfinger aber nicht vergleichbar. Ferner hat der Sachverständige berücksichtigt, dass seiner Auffassung nach die rechte Hand des Klägers hinsichtlich der funktionellen Gebrauchsfähigkeit wesentlich höherwertiger einzuschätzen sei als eine vergleichbare Hand ohne Daumen, für die bei einem Verlust in Höhe des Grundgelenkes eine MdE in Höhe von 20 v.H. empfohlen werde.
Die Beurteilung des Sachverständigen, dass die Unfallfolgen eine MdE von 10 v.H. bedingten, wird vom Kläger für die Zeit ab der am 02.08.2007 erfolgten Untersuchung auch nicht angegriffen. Allerdings vertritt er die Auffassung, dass bis zu dieser Untersuchung mangels von der Beklagten eingeholten Befunde noch von einer MdE von 20 v.H. auszugehen sei. Das Gutachten von Dr. L. vom 31.05.2006, das die Beklagte im Verwaltungsverfahren eingeholt hat, wonach die Unfallfolgen nur bis 20.06.2006 mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten seien, könne nicht Grundlage der von der Beklagten getroffenen Entscheidung sein.
Dieser Auffassung des Klägers vermag der Senat nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass nicht die Beklagte, sondern der Kläger die objektive Beweislast dafür trägt, dass die Voraussetzungen für den Rentenanspruch entgegen dem angefochtenen Bescheid vom 15.08.2006 über den 20.06.2006 hinaus bestanden haben, übersieht er, dass Streitgegenstand allein der Bescheid vom 15.08.2006 (Widerspruchsbescheid vom 23.11.2006) ist. Darin wird eine Rente als vorläufige Entschädigung bis 20.06.2006 gewährt und Rente auf unbestimmte Zeit (ab 21.06.2006) abgelehnt. Daraus folgt, dass es sich nicht - wie der Kläger vorbringt - um eine Prognoseentscheidung der Beklagten gehandelt hat, sondern - soweit es um die Festlegung des Zeitpunkts des Endes des Rentenanspruchs geht - um eine Entscheidung für die Vergangenheit handelt. Nicht entscheidend ist insoweit deshalb, dass der Gutachter Dr. L. aufgrund der bei seiner Untersuchung des Klägers am 12.05.2006 gewonnenen Ergebnisse zu der Beurteilung gelangt ist, dass die MdE ab 21.06.2006 nur noch weniger als 20 v.H. beträgt. Hierbei handelte es sich zwar um eine vorausschauende Bewertung, nicht aber um eine - wie der Kläger offenbar meint - unzulässige, weil in die Zukunft gerichtete Beurteilung. Vielmehr unterliegt diese Beurteilung - das Gutachten von Dr. L. ist im Wege des Urkundenbeweises verwertbar - ebenso der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) wie das vom SG eingeholte unfallchirurgische Gutachten von Prof. Dr. S ... Mit diesem Gutachten ist die Beurteilung von Dr. L. und damit auch der angegriffene Bescheid auch hinsichtlich der Festlegung des Zeitpunkts, ab dem kein Rentenanspruch mehr besteht, in vollem Umfang bestätigt worden.
Maßgebend ist nämlich, dass der von Dr. L. erhobene Befund sich funktionell nicht von dem von Prof. Dr. S. später erhobenen Befund wesentlich unterscheidet, was Prof. Dr. S. in seinem Gutachten auch ausdrücklich ausgeführt hat. Damit lag zum Zeitpunkt der Untersuchung von Dr. L. bereits ein Unfallfolgezustand vor, der nach der unfallmedizinischen Literatur, welche die Bewertungskriterien für eine Dauerrente, bzw. jetzt Rente auf unbestimmte Zeit, wiedergeben, nur eine unfallbedingte MdE von 10 v.H. gerechtfertigt hätte. Zu Gunsten des Klägers wurde jedoch unterstellt, dass aufgrund des unfallmedizinischen Erfahrungswissens die Phase der Anpassung und Gewöhnung jedenfalls bis zum Ende des zweiten Jahres nach dem Unfall noch nicht abgeschlossen ist, weshalb trotz des medizinischen Befundes eine stärkere funktionelle Beeinträchtigung und damit auch eine höhere MdE als nach den Bewertungskriterien geboten vorlag. Sowohl Dr. L. als auch Prof. Dr. S. haben den Zeitraum von zwei Jahren nach dem Arbeitsunfall nach gutachterlicher Einschätzung als ausreichend bemessen angesehen, weshalb der Senat keine Zweifel an der fachlich übereinstimmenden, unfallmedizinischen Beurteilung hat. Die Ablehnung der Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ab 21.06.2006, die aus den oben genannten Gründen auch keinen Nachweis eines geänderten Unfallfolgezustands erfordert, ist damit ebenfalls rechtmäßig.
Weitere Ermittlungen hält der Senat nicht für erforderlich. Auch der Kläger selbst sieht eine solche Notwendigkeit nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen der Folgen des am 21.06.2004 erlittenen Arbeitsunfalles Anspruch auf Verletztenrente über den 20.06.2006 hinaus hat.
Der 1951 geborene Kläger - zu der Zeit selbstständiger Installateur - erlitt am 21.06.2004 durch eine umgekippte Maschine Verletzungen im Bereich des rechten Ring- und Mittelfingers. Nach der Unfallanzeige verlor er dadurch das letzte Glied des rechten Ringfingers (Rissverletzung) und erlitt eine Quetschung des Mittelfingers der rechten Hand.
Vom 21.06.2004 bis 29.06.2004 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., aus der er mit den Diagnosen Quetschverletzung der rechten Hand mit Amputation D IV P2 rechts sowie drittgradig offene Endgliedtrümmerfraktur D III rechts als arbeitsunfähig für voraussichtlich fünf Wochen bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von weniger als 20% entlassen wurde. Mit Bescheid vom 09.09.2004 erkannte die Beklagte den Unfall vom 21.06.2004 als Arbeitsunfall an. Der Kläger bezog durchgehend bis 05.02.2006 Verletztengeld und zeitweise Übergangsgeld. Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik L. diagnostizierte in ihrem Untersuchungsbericht vom 19.04.2005 eine in Fehlstellung verheilte Grundgliedfraktur rechter Mittelfinger mit Rotationsfehler und einen Zustand nach traumatischer Amputation des Ringfingerendgliedes mit Bewegungseinschränkung rechts. In seinem auf Veranlassung der Beklagten erstatteten ersten Rentengutachten vom 31.05.2006 gelangte der Chirurg Dr. L., F., zu der Beurteilung, die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand des Klägers sei durch eine Arthrose des rechten Mittelfingermittelgelenkes, eine Amputation des rechten Ringfingers in der Mitte des Mittelgliedes, eine erhebliche Kraftminderung der rechten Hand und eine Sensibilitätsminderung im Stumpfbereich D IV rechts gemindert. Die durch die Verletzungsfolgen bedingte MdE betrage vom 06.02.2006 bis 11.05.2006 30 v.H. und voraussichtlich vom 12.05.2006 bis 20.06.2006 20 v.H. Danach schätze er die MdE auf 10 v.H. ein. Der Kläger sei wohl nicht mehr in der Lage, seine bisherige Tätigkeit weiter auszuüben. Durch die laufende Umschulung zum Steuerungstechniker könne die Erwerbsfähigkeit des Klägers wiederhergestellt bzw. gebessert werden. Mit Bescheid vom 15.08.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 06.02.2006 bis 20.06.2006 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 30 v.H. (06.02.2006 bis 11.05.2006) bzw. 20 v.H. (12.05.2006 bis 20.06.2006). Über den 20.06.2006 hinaus lehnte die Beklagte einen Rentenanspruch ab, weil eine MdE von wenigstens einem Fünftel nicht mehr vorliege. Als wesentliche Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: "Kraftminderung, leichte Kalksalzminderung vor allem im Bereich des Mittel- und Ringfingers, Sensibilitätsminderung im Stumpfbereich des Ringfingers, reizlose Narbenverhältnisse nach Quetschverletzung der rechten Hand mit Amputation des Ringfingers im Mittelglied sowie drittgradig offener Grundglied-Trümmerfraktur des Mittelfingers mit Arthrose des Mittelfingers und Mittelgelenkes mit reizlos einliegendem Metall." Nicht als Arbeitsunfallfolgen wurden altersentsprechende degenerative Veränderungen der Langfinger, End- und Mittelgelenke im Sinne von Heberden-Bouchardarthrosen linke und rechte Hand anerkannt.
Dagegen legte der Kläger am 24.08.2006 Widerspruch ein und machte geltend, die ihm bewilligte Rente sei über den 20.06.2006 hinaus zu gewähren. Der Gutachter Dr. L. habe bei seiner Untersuchung am 12.05.2006 einen Befund erhoben, der eine MdE in rentenberechtigendem Umfang rechtfertige. Weshalb dieser Befund nach dem 20.06.2006 nicht mehr vorgelegen haben soll, sei nicht nachvollziehbar. Der Gutachter habe eine Bewertung für die Zukunft vorgenommen, die wohl kaum zu begründen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Das Gutachten von Dr. L. vom 31.05.2006 habe ergeben, dass über den 20.06.2006 hinaus keine MdE in rentenberechtigendem Grade mehr vorliege. Dass der Gutachter am Untersuchungstag, dem 12.05.2006, eine Einschätzung in die Zukunft vorgenommen habe und mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.08.2006 eine Rente für einen zurückliegenden Zeitraum bewilligt wurde, führe zu keiner Änderung der MdE-Einschätzung. Nach den Erfahrungswerten in der Fachliteratur müssten Mittel- und Ringfinger im Grundglied amputiert sein, um zu einer MdE von 20 v.H. auf Dauer gelangen zu können.
Am 18.12.2006 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er - mit im Wesentlichen gleicher Begründung wie im Widerspruchsverfahren - einen Anspruch auf eine Verletztenrente über den 20.06.2006 hinaus geltend machte. Weder der Gutachter noch die Beklagte hätten nachvollziehbar begründet, weshalb der zum Untersuchungszeitpunkt vorliegende und eine Rentengewährung rechtfertigende Befund über den 20.06.2006 hinaus keine Rente mehr rechtfertigen würde. Bei ihm lägen keine reinen Fingerverluste vor, sondern ein Zustand nach einer Quetschverletzung der Hand, die zu einer erheblichen Einbuße bei den Greiffunktionen und der Belastungsfähigkeit der Hand geführt habe. Derzeit sei es ihm nicht möglich, die in seinem Beruf erforderlichen Feinarbeiten (z.B. Halten eines kleinen Schraubenziehers ect.) durchzuführen. Ferner mache ihm der aufgetriebene und elektrisierende Amputationsstumpf des Ringfingers und die Kraftlosigkeit der Hand zu schaffen; ein Faustschluss sei nicht möglich und am Greifakt nähmen diese Finger nicht teil. Außerdem hätten die dauernden Schmerzen im Bereich des Stumpfes zu Durchschlafstörungen geführt. Seit der erfolgten Untersuchung habe sich die Einsatzfähigkeit der Hand durch das elektrisierende Gefühl am Ringfingerstumpf verschlechtert, weshalb die für die Zeit vor der Untersuchung erfolgte MdE-Einschätzung von 30 v.H. zutreffend sei. Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf das von ihr eingeholte Gutachten von Dr. L ...
Das SG hörte den Unfallchirurgen Dr. M., L.-E., schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser schilderte am 06.06.2007 den Krankheits- und Behandlungsverlauf und vertrat die Auffassung, dass der Gutachter Dr. L. eine MdE von zunächst 30 v.H. und dann 20 v.H. angenommen habe, sei nach dem Ergebnis seiner Überprüfung anhand des Standardwerks "Der Unfallmann" nachvollziehbar. Nur die vom Gutachter für die Zeit ab 21.06.2006 angenommene Verbesserung leuchte ihm nach wie vor nicht ganz ein. Anschließend holte das SG von Prof. Dr. S., Chirurgische Klinik II (Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie) des Diakonie-Klinikums Schwäbisch Hall ein unfallchirurgisches Gutachten ein. Dieser gelangte am 01.09.2007 nach ambulanter Untersuchung des Klägers zu der Beurteilung, nach seiner Einschätzung habe die MdE vom 06.02.2006 bis 11.05.2006 30 v.H. und vom 12.05. bis 20.06.2006 20 v.H. betragen. Ab 21.06.2006 betrage sie auf Dauer 10 v.H. Zu den vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwänden nahm der Sachverständige am 07.02.2008 ergänzend Stellung. Er hielt daran fest, dass für die Zeit vom 21.06.2006 bis 01.08.2007 - für die Zeit ab dem 02.08.2007 mache der Kläger offenbar keine Einwände mehr geltend - eine MdE in Höhe von 20 v.H. nicht mehr zu rechtfertigen gewesen sei. Was den röntgenologischen Befund der Kalksalzminderung angehe, den der Kläger in seiner Stellungnahme angesprochen habe, habe dieser bei der Einschätzung der MdE eine tendenziell nachrangige Bedeutung und sei sowohl im Gutachten von Dr. L. als auch in seinem Gutachten ausreichend berücksichtigt worden.
Mit Urteil vom 06.08.2008, dem Kläger zugestellt am 05.09.2008, wies das SG die Klage ab. Es verneinte einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente über den 20.06.2006 hinaus und stützte sich hierbei in erster Linie auf das Gutachten von Prof. S ... Die bei seiner Untersuchung des Klägers am 02.08.2007 erhobenen und nur noch eine MdE von 10 v.H. rechtfertigenden Befunde hätten die Prognose von Dr. L. für die Zeit ab 21.06.2006 nachträglich untermauert, was deren Richtigkeit bestätige.
Dagegen hat der Kläger am 25.09.2008 Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Er verweist auf sein früheres Vorbringen und betont, dass es die Beklagte, die die objektive Beweislast habe, versäumt habe, bis zum Erlass des angegriffenen Bescheides vom 15.08.2006 objektive Befunde einzuholen, die eine Befristung der Rentenzahlung bis 20.06.2006 rechtfertigen könnten. Die erfolgte Befristung sei willkürlich und schematisch auf das Ende des zweiten Jahres nach dem Unfall festgesetzt worden, ohne die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. August 2008 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 21. Juni 2004 auch für die Zeit vom 21. Juni 2006 bis 1. August 2007 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. der Vollrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen bestehe über den 20.06.2006 hinaus keine MdE in rentenberechtigendem Grade.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 17.03.2009 darauf hingewiesen, dass das Landessozialgericht nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückweisen könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Diese Möglichkeit komme nach dem Inhalt der vorliegenden Akten in Betracht. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, hierzu bis zum 15.04.2009 Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat einen Rentenanspruch des Klägers für den hier noch streitigen Zeitraum zutreffend verneint. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Verletztenrente für die Zeit vom 21.06.2006 bis 01.08.2007.
Gesetzlich Unfallversicherte - wie der Kläger -, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).
Grundlage für die Bemessung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung ist § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Erwerbslebens. Bei der Bemessung des Grades der MdE handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 S. 36). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (vgl.BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2).
Aufgrund dieser Vorschriften und Regeln steht für den Senat fest, dass der Kläger für die Zeit vom 21.06.2006 bis 01.08.2007 - nur dieser Zeitraum ist noch streitbefangen - keinen Anspruch auf eine Verletztenrente hat, weil die durch die Unfallfolgen bedingte MdE jedenfalls seit 21.06.2006 nur noch weniger als 20 v.H. (10 v.H.) beträgt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem vom SG eingeholten unfallchirurgischen Gutachten von Prof. S. vom 01.09.2007. Dieser hat bei seiner Untersuchung des Klägers am 02.08.2007 als Folgen des Unfalls vom 21.06.2006 im Bereich des rechten Mittelfingers eine knöchern fest konsolidierte Grundgliedfraktur in korrekter Stellung, eine Verkürzung des Fingers schwerpunktmäßig zu Lasten des Grund(Mittel-)Gliedes um ca. 1,5 cm, eine knöcherne Versteifung des Mittelgelenkes in 30° Beugestellung, eine funktionelle Versteifung des Endgelenkes in 20° Beugestellung, eine tendenziell endgradig eingeschränkte Beuge- und Streckfähigkeit des Grundgelenkes, einen graduellen Kraftverlust und eine Demonstration einer tastmäßigen Überempfindlichkeit des Endgliedes im Griffbereich sowie über den Flanken des (ehemaligen) Mittelgelenkes sowie im Bereich des rechten Ringfingers eine Amputation in Höhe des Mittelgliedes (Erhalt von ca. zwei Drittel der ursprünglichen Mittelgliedlänge), eine reizlos geschlossene Weichteilsituation im Stumpfbereich, eine tendenziell endgradig eingeschränkte Beuge- und Streckfähigkeit des Grundgelenkes, eine endgradig eingeschränkte Streckfähigkeit des Mittelgelenkes, eine mittelgradige bis erheblich eingeschränkte Beugefähigkeit des Mittelgelenkes und eine Demonstration einer tastmäßigen Überempfindlichkeit im Stumpfbereich festgestellt. Die durch die Unfallfolgen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen hat der Sachverständige mit einer MdE von 10 v.H. bewertet. Dabei ist er unter Darlegung der Empfehlungen in der wissenschaftlichen Literatur, die bei einem - hier nicht vorliegenden - vollständigen Verlust des Mittel- als auch des Ringfingers eine MdE von 25 v.H. bzw. 20 v.H. vorschlage, insoweit von einer MdE in Höhe von 20 v.H. (Trend eher zu 30 v.H. als zu 10 v.H.) ausgegangen. Mit diesem Beschwerdebild ist der beim Kläger vom Sachverständigen erhobene Befund ohne vollständigen Funktionsverlust von Ring- und Mittelfinger aber nicht vergleichbar. Ferner hat der Sachverständige berücksichtigt, dass seiner Auffassung nach die rechte Hand des Klägers hinsichtlich der funktionellen Gebrauchsfähigkeit wesentlich höherwertiger einzuschätzen sei als eine vergleichbare Hand ohne Daumen, für die bei einem Verlust in Höhe des Grundgelenkes eine MdE in Höhe von 20 v.H. empfohlen werde.
Die Beurteilung des Sachverständigen, dass die Unfallfolgen eine MdE von 10 v.H. bedingten, wird vom Kläger für die Zeit ab der am 02.08.2007 erfolgten Untersuchung auch nicht angegriffen. Allerdings vertritt er die Auffassung, dass bis zu dieser Untersuchung mangels von der Beklagten eingeholten Befunde noch von einer MdE von 20 v.H. auszugehen sei. Das Gutachten von Dr. L. vom 31.05.2006, das die Beklagte im Verwaltungsverfahren eingeholt hat, wonach die Unfallfolgen nur bis 20.06.2006 mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten seien, könne nicht Grundlage der von der Beklagten getroffenen Entscheidung sein.
Dieser Auffassung des Klägers vermag der Senat nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass nicht die Beklagte, sondern der Kläger die objektive Beweislast dafür trägt, dass die Voraussetzungen für den Rentenanspruch entgegen dem angefochtenen Bescheid vom 15.08.2006 über den 20.06.2006 hinaus bestanden haben, übersieht er, dass Streitgegenstand allein der Bescheid vom 15.08.2006 (Widerspruchsbescheid vom 23.11.2006) ist. Darin wird eine Rente als vorläufige Entschädigung bis 20.06.2006 gewährt und Rente auf unbestimmte Zeit (ab 21.06.2006) abgelehnt. Daraus folgt, dass es sich nicht - wie der Kläger vorbringt - um eine Prognoseentscheidung der Beklagten gehandelt hat, sondern - soweit es um die Festlegung des Zeitpunkts des Endes des Rentenanspruchs geht - um eine Entscheidung für die Vergangenheit handelt. Nicht entscheidend ist insoweit deshalb, dass der Gutachter Dr. L. aufgrund der bei seiner Untersuchung des Klägers am 12.05.2006 gewonnenen Ergebnisse zu der Beurteilung gelangt ist, dass die MdE ab 21.06.2006 nur noch weniger als 20 v.H. beträgt. Hierbei handelte es sich zwar um eine vorausschauende Bewertung, nicht aber um eine - wie der Kläger offenbar meint - unzulässige, weil in die Zukunft gerichtete Beurteilung. Vielmehr unterliegt diese Beurteilung - das Gutachten von Dr. L. ist im Wege des Urkundenbeweises verwertbar - ebenso der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) wie das vom SG eingeholte unfallchirurgische Gutachten von Prof. Dr. S ... Mit diesem Gutachten ist die Beurteilung von Dr. L. und damit auch der angegriffene Bescheid auch hinsichtlich der Festlegung des Zeitpunkts, ab dem kein Rentenanspruch mehr besteht, in vollem Umfang bestätigt worden.
Maßgebend ist nämlich, dass der von Dr. L. erhobene Befund sich funktionell nicht von dem von Prof. Dr. S. später erhobenen Befund wesentlich unterscheidet, was Prof. Dr. S. in seinem Gutachten auch ausdrücklich ausgeführt hat. Damit lag zum Zeitpunkt der Untersuchung von Dr. L. bereits ein Unfallfolgezustand vor, der nach der unfallmedizinischen Literatur, welche die Bewertungskriterien für eine Dauerrente, bzw. jetzt Rente auf unbestimmte Zeit, wiedergeben, nur eine unfallbedingte MdE von 10 v.H. gerechtfertigt hätte. Zu Gunsten des Klägers wurde jedoch unterstellt, dass aufgrund des unfallmedizinischen Erfahrungswissens die Phase der Anpassung und Gewöhnung jedenfalls bis zum Ende des zweiten Jahres nach dem Unfall noch nicht abgeschlossen ist, weshalb trotz des medizinischen Befundes eine stärkere funktionelle Beeinträchtigung und damit auch eine höhere MdE als nach den Bewertungskriterien geboten vorlag. Sowohl Dr. L. als auch Prof. Dr. S. haben den Zeitraum von zwei Jahren nach dem Arbeitsunfall nach gutachterlicher Einschätzung als ausreichend bemessen angesehen, weshalb der Senat keine Zweifel an der fachlich übereinstimmenden, unfallmedizinischen Beurteilung hat. Die Ablehnung der Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ab 21.06.2006, die aus den oben genannten Gründen auch keinen Nachweis eines geänderten Unfallfolgezustands erfordert, ist damit ebenfalls rechtmäßig.
Weitere Ermittlungen hält der Senat nicht für erforderlich. Auch der Kläger selbst sieht eine solche Notwendigkeit nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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