L 8 U 4876/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 9575/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4876/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. September 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 16.02.1994 Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente hat.

Der 1941 geborene Kläger stellte sich am 02.03.1994 dem Durchgangsarzt vor und gab an, er sei am 16.02.1994 beim Arbeiten am Boden von einer Baggerschaufel erfasst und umgeworfen worden. Er habe Schmerzen im Bereich der rechten Flanke verspürt. Jetzt habe er zunehmende Beschwerden im Bereich der linken vorderen Brust. Nach dem Unfall vom 16.02.1994, der sich gegen 15.20 Uhr im Klärwerk S. - P. ereignet habe, habe er weiter gearbeitet, sei am heutigen Tag (02.03.1994) zu Dr. L. gegangen, der ihn in die Chirurgische Abteilung des Krankenhauses S. überwiesen hätte. Privatdozent Dr. S. - Ärztlicher Direktor des Krankenhauses S.- stellte in seinem Durchgangsarztbericht vom 03.03.1994 folgende Diagnose: Zustand nach Flankenprellung rechts; Zustand nach Thoraxprellung links.

Am 06.07.2006 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und beantragte die Gewährung von Unfallrente wegen seiner Unfälle vom 16.02.1994, 06.08.1973 und 26.08.1983. Zur Begründung gab er an, er leide unter stärksten Schmerzen, die er auf diese drei Arbeitsunfälle zurückführe.

Mit Bescheid vom 11.07.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente wegen des Unfalles vom 16.02.1994 ab, da nach Aktenlage die Flankenprellung rechts sowie die Thoraxprellung links folgenlos ausgeheilt seien und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade von mindestens 20 v.H. nicht gegeben sei.

Mit Bescheid vom 26.07.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente wegen des Unfalles vom 06.08.1973 ab, da die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden nicht auf den Unfall vom 06.08.1973 zurückzuführen seien, was bereits mit Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12.06.1979 entschieden worden sei.

Mit einem am 02.08.2006 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangenen Schreiben wandte sich der Kläger gegen die Bescheide der Beklagten vom 11.07.2006 bzw. vom 26.07.2006. Das LSG leitete die Schreiben des Klägers an die Beklagte weiter. Daraufhin erschien der Kläger am 21.09.2006 bei der Beklagten und gab zur Begründung seines Widerspruches an, er führe seine Beschwerden weiterhin auf die Unfälle zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2006 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11.07.2006 - betreffend den Arbeitsunfall vom 16.02.1994 - zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 15.12.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Begehren, die Beklagte zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu verurteilen. Zur Begründung gab er an, die Einstufung durch die Beklagte sei seines Erachtens zu niedrig erfolgt. Er stehe in ständiger ärztlicher Behandlung.

Die Beklagte trat der Klage mit dem Antrag auf Klageabweisung entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.09.2008 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalles vom 16.02.1994 nicht zu, da Folgen des Versicherungsfalles vom 16.02.1994 nicht mehr vorlägen. Nach dem Durchgangsarztbericht des Privatdozenten Dr. S. habe sich der Kläger bei dem Unfall einen Zustand nach Flankenprellung rechts und einen Zustand nach Thoraxprellung links zugezogen. Anhand der Röntgenaufnahmen hätten weder eine knöcherne Verletzung noch eine intraabdominale Verletzung festgestellt werden können. Der Kläger sei als arbeitsfähig beurteilt worden. Aus dem Durchgangsarztbericht gehe hervor, dass der Unfall keine weitergehenden Verletzungen hinterlassen habe und folgenlos ausgeheilt sei. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen seien nicht in der Lage, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Hieraus könnten Anhaltspunkte für einen ursächlichen Zusammenhang von Gesundheitsstörungen mit dem Versicherungsfall vom 16.02.1994 nicht entnommen werden. Es handele sich vielmehr um altersbedingte Verschleißerscheinungen, welche schicksalhafter Natur seien. Zu berücksichtigen sei im vorliegenden Fall auch der Umstand, dass zeitnah nach dem Unfall vom 16.02.1994 keine weitere Behandlung erfolgt sei und der Kläger erstmals im Jahr 2006, d.h. mehr als 12 Jahre nach dem Unfall, die Gewährung einer Verletztenrente beantragt habe. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß infolge des Unfalles vom 16.02.1994 sei nicht gegeben.

Gegen den - dem Kläger am 23.09.2008 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.10.2008 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und hat verschiedene Arztberichte eingereicht. Seines Erachtens seien die vier Ärzte, die er dem Gericht mitgeteilt habe, als Zeugen zu hören. Es gehe ihm auch nicht nur um den Arbeitsunfall vom 16.02.1994, sondern auch um die Arbeitsunfälle von 1973 und 1983. Bei dem Arbeitsunfall von 1994 habe es sich um eine Bagatelle gehandelt und er habe auch keine schweren Verletzungen erlitten. Bei den Arbeitsunfällen 1973 und 1983 sei er aber ganz schlimm verletzt worden, weshalb diese beiden Unfälle mit einbezogen werden müssten.

Am 04.12.2008 ist der Kläger seitens des Gerichts darauf hingewiesen worden, dass Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ausschließlich der Unfall vom 16.02.1994 sei und dass der Kläger, wenn es ihm um Leistungen wegen der Arbeitsunfälle von 1973 und von 1983 gehe, sich an die Berufsgenossenschaft wenden müsse und eine Überprüfung der Arbeitsunfälle von 1973 und von 1983 beantragen könne. Hierzu hat der Kläger am 27.01.2009 erklärt, er habe für beide Arbeitsunfälle (1973 und 1983) Anträge bei der Berufsgenossenschaft gestellt, diese seien aber abgelehnt worden. Die Ablehnungsbescheide habe er aber nicht zur Hand.

Der Kläger beantragt zuletzt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. September 2008 sowie den Bescheid vom 11. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Arbeitsunfälle vom 16. Februar 1994, 6. August 1973 und 26. August 1983 Verletztenrente in Höhe von mindestens 60 v.H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

In nichtöffentlicher Sitzung ist der Kläger am 29.04.2009 gehört worden. Er hat geltend gemacht, dass er Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 16.02.1994 begehre.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Stuttgart und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden können, denn in der ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zum Termin war auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 126, 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ), zumal die Beklagte mitgeteilt hat, dass sie zum Termin keinen Vertreter entsenden wird.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß § 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Stuttgart mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 19.09.2008 die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 16.02.1994 nicht zu.

Ob im vorliegenden Fall noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII , BGBl. I 1996 S. 1254) anzuwenden sind, weil Gegenstand des Rechtsstreits der Anspruch auf Rente aus einem vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Versicherungsfall am 16.02.1994 ist (vgl. §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII), kann dahinstehen. Die streitige Rechtsfrage, ob die in der Übergangsregelung nach § 214 Abs. 3 SGB VII genannte erstmalige Festsetzung auf die Fälligkeit des Rentenanspruchs oder auf den Zeitpunkt der tatsächlichen erstmaligen Festsetzung abstellt, kann wegen der vorliegenden gleichen Rechtsfolgen offen bleiben (vgl. BSG SozR 3-2700 § 214 Nr. 2).

Gem. §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter in Folge eines Arbeitsunfalls über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 1/5 (20 v. H.) gemindert ist. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 580 Abs. 3 RVO, § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage der Gewährung von Verletztenrente für die Folgen ausschließlich des Arbeitsunfalles vom 16.02.1994, nicht aber für Folgen anderer Arbeitsunfälle des Klägers, insbesondere nicht für Folgen der Unfälle vom 06.08.1973 und vom 26.08.1983. Denn die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2006 ausschließlich über Folgen des Arbeitsunfalles vom 16.02.1994 entschieden. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat trotz richterlichen Hinweises auf einen sachdienlichen Antrag gemäß § 106 Abs. 1 SGG auch die Unfälle aus den Jahren 1973 und 1983 in seinen Klageantrag einbezogen hat, ist die Klage daher unzulässig. Es fehlt an der Sachurteilsvoraussetzung eines anfechtbaren Verwaltungsakts bzw. eines durchgeführten Verwaltungsverfahrens.

Zu Recht hat die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente für Folgen des Arbeitsunfalles vom 16.02.1994 abgelehnt, da keine Folgen beim Kläger nachgewiesen sind, die infolge des Versicherungsfalles vom 16.02.1994 über die 13. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus oder zu einem späteren Zeitpunkt die Erwerbsfähigkeit gemindert haben, und zwar weder in Höhe von 20 v.H. noch um 10 v.H. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats nach urkundenbeweislicher Verwertung des Durchgangsarztberichtes des Privatdozenten Dr. S. vom 03.03.1994. Danach hat dieser als Folgen des Arbeitsunfalles vom 16.02.1994 einen Zustand nach Flankenprellung rechts und einen Zustand nach Thoraxprellung links festgestellt. Einen Anhalt für eine knöcherne Verletzung haben die Untersuchungen nicht ergeben. Nach allgemeiner Lebenserfahrung heilen Folgen einer Prellung folgenlos aus. Gegenteilige Anhaltspunkte lassen sich aus dem gesamten Akteninhalt - insbesondere auch aus den vom Kläger vorgelegten Arztberichten - nicht entnehmen. Zeitnahe ärztliche Behandlungen wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 16.02.1994 sind nach Aktenlage ebenfalls nicht erfolgt. Danach ist davon auszugehen, dass der Arbeitsunfall vom 16.02.1994 über die 13. bzw. 26. Woche hinaus Unfallfolgen mit einer messbaren Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht hinterlassen hat. Ob Unfallfolgen aus den Unfällen aus den Jahren 1973 und 1983 mit einer stützenden MdE um wenigstens 10 v.H. vorliegen, kann somit dahinstehen. Ermittlungen des Senats waren hierzu nicht erforderlich.

Eine derartige Notwendigkeit ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten Arztberichten, da sich aus diesen Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung als im Durchgangsarztbericht von Dr. S. vom 03.03.1994 nicht ergeben.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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