Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 4584/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 2723/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.2.2009 werden zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin (Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Außerdem wendet sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG).
Die 1963 geborene Bf. ist seit dem 16.12.1993 geschieden und seit dem 23.07.1996 verwitwet. Vor dem Auslaufen Ihrer Witwenrente zum 23.07.2008 beantragte sie bei dem Beschwerdegegner (Bg.) am 25.06.2008 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Bf. lebt seit 2002 gemeinsam mit Herrn P.S., zunächst in dessen Wohnung und anschließend seit 2005 im Haus des P.S., welches eine Wohnfläche von 125 qm hat. In ihrem Antrag gab sie an, dass P.S. der Hausbesitzer und ein Bekannter von ihr sei. Die Bf. gab weiter an, dass ein Mietvertrag nicht vorliege, doch legte sie eine Bescheinigung von P.S. über eine monatliche Gesamtmiete von 350,00 EUR betreffend eine Wohnung von 100 qm Grundfläche vor.
Der Bg. fragte daraufhin bei Bf. unter anderem an, welche Wohnfläche zutreffend sei und in welchem Verhältnis sie zu dem Vermieter P.S. stehe (Anfrage vom 07.07.2008).
Am 09.07.2008 wurde vom Außendienst des Bg. eine Wohnungsbesichtigung bei der Bf. durchgeführt. Der Mitarbeiter L. gab hierzu in seinem Bericht vom 10.07.2008 an, dass die Bf. mit P.S. ein von diesem im Jahr 2003 errichtetes Holzhaus bewohne. Der Wohnflächenanteil der Bf. betrage 54,1 qm. Die Bf. habe sich dahingehend eingelassen, dass sie vor ca. 3 Jahren eingezogen sei und P.S. jeden Monat 600,00 EUR für Miete, Nebenkosten wie Wasser, Strom, Gas und gemeinsames Haushalten wie Essen und Trinken auf sein Konto überweise. Ein Mietvertrag sei wegen ansonsten eintretender Steuernachteile von P.S. nicht abgeschlossen worden. Es bestehe nach Aussage der Bf. keine Partnerschaft und auch keine intime Beziehung. In dem Bericht wird außerdem festgestellt, dass die Bf. in ihrem angegebenen Zimmer kein eigenes Bett habe und ihre Kleider im und am Schlafzimmerschrank von P.S. hingen. Entgegen ihren eigenen Angaben habe die Bf. im Bett von P.S. genächtigt.
Auf erneute Anfrage des Bg. zu den noch fehlenden Nachweisen legte die Bf. Kontoauszüge vor, aus denen unter anderem eine einmalige Überweisung an P.S. in Höhe von 650,00 EUR am 02.05.2008 hervorgeht.
Mit Bescheid vom 28.07.2008 lehnte der Bg. die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit der Begründung ab, dass die Bf. seit Jahren mit P.S. in einem gemeinsamen Haushalt lebe und nach den Indizien aufgrund des Hausbesuchs am 09.07.2008 sowie der Vermutungsregelung im § 7 Abs. 3a SGB II davon auszugehen sei, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliege. Da trotz mehrfacher Aufforderung die Unterlagen über Einkommen und Vermögen von P.S. nicht vorgelegt worden seien, sei die Hilfebedürftigkeit nicht feststellbar.
Mit ihrem Widerspruch vom 13.08.2008 trugen die Bevollmächtigten der Bf. vor, dass seit Monaten ein Getrenntleben vorliege, nachdem P.S. andere Frauenbekanntschaften habe. Es treffe weder zu, dass die Bf. im Bett von P.S. schlafe, noch dass sie ihre Sachen in dessen Schlafzimmerschrank aufbewahre. P.S. sei auf Fernmontage und komme ohnehin nur zum Wochenende nach Hause. Seit der Trennung lebe die Bf. im Wesentlichen im Erdgeschoss und nächtige dort auf der Wohnzimmercouch. Man teile sich lediglich Küche, Bad und Toilette. Es bestünden Überlegungen, ein nicht benutztes Zimmer zu Wohnzwecken für die Bf. einzurichten. Die bei der Wohnungsbesichtigung festgestellten Kleider stammten nicht von der Bf., sondern vermutlich von der derzeitigen Freundin des P.S.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2008 wies der Bg. den Widerspruch als unbegründet zurück. Anlässlich des Wohnungsbesuchs sei eindeutig festgestellt worden, dass Indizien für ein gemeinsames Haushalten und Wohnen wie bei einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft vorliegen. Die Argumentation, die vorgefundenen Damenkleidungsstücke im Schlafzimmer des P.S. seien nicht solche der Bf. gewesen, überzeugten nicht, da in der ganzen Wohnung andere Damenkleider bzw. die Kleider der Bf. nicht vorgefunden worden seien. Es erscheine auch als lebensfremd, dass P.S. nach der Auflösung der Lebensgemeinschaft und den aufgetretenen Streitigkeiten die inzwischen mittellose Bf. ohne Beitrag zu den Wohnkosten weiter bei sich unterbringe.
Die Bevollmächtigten der Bf. haben deswegen am 24.12.2008 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben (Az.: S 5 AS 4584/08); über die Klage ist in der Hauptsache bisher nicht entschieden.
Am 27.01.2009 haben die Bevollmächtigten beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (Az. S 5 AS 261/09 ER). Die Bf. sei völlig mittellos. P.S. sei seit ca. eineinhalb bis zwei Jahren nicht mehr der Lebensgefährte der Bf. und lasse diese nur noch aus sozialen Gründen im Erdgeschoss des Hauses weiter wohnen. Es sei verabredet, dass monatlich 300,00 EUR Miete sowie Nebenkosten ("grob etwa mit 100,00 EUR zu schätzen") zu zahlen seien. Eine demgemäße eidesstattliche Versicherung der Bf. ist vorgelegt worden. Außerdem ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt worden.
Mit Beschluss vom 24.02.2009 hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen nicht hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt und gleichzeitig den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Nachdem bei der Antragstellung eine Kaltmiete von 300,00 EUR angegeben worden sei, werde im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung ein Betrag von "ca. 300,00 EUR" angegeben. Nebenkosten seien angeblich geschuldet, ohne dass jedoch eine Nebenkostenvorauszahlungsvereinbarung vorliege. Dies halte einem Fremdvergleich nicht stand, da hierüber im Falle des tatsächlichen Vorliegens eines Mietverhältnisses eine konkrete Vereinbarung getroffen werden müsste. Die Bf. sei nach ihrem eigenen Vortrag zwischenzeitlich seit sieben Monaten mit der Zahlung der Miete im Rückstand, was bereits nach zwei Monaten zur fristlosen Kündigung berechtigt hätte. Es sei daher davon auszugehen, dass der Wohnbedarf der Bf. gedeckt sei. Ebenso verhalte es sich mit dem tatsächlichen Lebensbedarf, da auch hier nicht beziffert worden sei, in welcher Höhe Rückzahlungsverpflichtungen bestünden. Angesichts des langen Zeitraums der Mittellosigkeit seien Summen im Raum, welche über bloße Gelegenheitsgaben hinausgingen und dementsprechend für den Fall eines ernsthaften Rückforderungswillens üblicherweise per Quittung dokumentiert würden. Nachdem dies jedoch offensichtlich nicht der Fall sei, sei davon auszugehen, dass der Lebensbedarf der Bf. durch die Hilfen anderer erfüllt werde. Unabhängig hiervon sei auch die Vermutungswirkung des § 7 Abs. 3a SGB II durch die Angaben der Bf. nicht erschüttert. Die Bf. habe insgesamt nur sehr vage Angaben zu der tatsächlichen Lebenssituation gemacht, aus denen sich nicht nachvollziehbar ableiten lasse, dass der vom Gesetzgeber vermutete innere Einstandswille nicht mehr bestehe. In diesem Zusammenhang sei auch fraglich, weshalb die Bf. nicht bereits ausgezogen sei, als sie noch über finanzielle Mittel verfügt habe. Angesichts der fehlenden Erfolgsaussichten sei demnach auch die Bewilligung von PKH nicht veranlasst gewesen. Der Beschluss des SG ist den Bevollmächtigten der Bf. am 02.03.2009 zugestellt worden.
Am 02.04.2009 haben die Bevollmächtigten der Bf. beim SG Beschwerde eingelegt. Der Bf. bleibe derzeit gar nichts anderes übrig, als bei Bekannten und Verwandten zu betteln, da sie andernfalls verhungern würde. Über kleine Einzelbeträge hinaus habe die Bf. mittlerweile Schulden bei einem Bekannten, Herrn R.Z., in Höhe von 675,00 EUR, wozu eine eidesstattliche Versicherung vom 13.03.2009 der Bf. vorgelegt worden ist. Die Beiträge zur Krankenversicherung der Bf. würden durch die Eltern der Bf. übernommen (141,54 EUR monatlich), wozu ebenfalls eine eidesstattliche Versicherung der Eltern der Bf. vorgelegt worden ist. Zwischenzeitlich seien 2000,00 EUR Schulden gegenüber P.S. aufgelaufen. Dieser lasse die Bf. weiterhin bei sich wohnen, da er wisse, dass diese keine finanziellen Mittel habe und auch nicht in der Lage sei, eine eigene Wohnung zu finanzieren. Die Eltern der Bf. gaben in ihrer eidesstattlichen Versicherung außerdem an, die Bf. monatlich mit ca. 200,00 EUR in kleineren Beträgen zu unterstützen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.2.2009 aufzuheben, ihr Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Antragsverfahren zu gewähren und die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr bis zur Entscheidung über das Hauptsacheverfahren S 5 AS 4584/08 monatliche Wohnungskosten in Höhe von 400 EUR inklusive Nebenkosten sowie monatliche Kosten für den Lebensunterhalt in Höhe von 345 EUR ab Antragstellung darlehensweise zu bewilligen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Die Bf. hält den Beschluss des SG für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässigen Beschwerden sind unbegründet. Die Bf. hat jedenfalls den Anordnungsanspruch für die begehrte Leistung nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, nach Nr. 2 in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen und nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGG in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Zu Recht hat das SG das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs verneint.
Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II ist grundlegende Voraussetzung der Leistungsberechtigung von erwerbsfähigen Personen die Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 SGB II (in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Fortentwicklungsgesetzes vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706)) u.a. die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (Nr. 1 a.a.O.) sowie als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für einander zu tragen und füreinander einzustehen (Nr. 3 Buchst. c a.a.O.).
Was die Kriterien für das Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II anbelangt, ist auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur eheähnlichen Gemeinschaft entwickelten Maßstäbe zurückzugreifen (vgl. z.B. Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 22.03.2007 - L 7 AS 640/07 ER-B -); hiernach muss es sich um eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft handeln, die daneben keine Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (vgl. BVerfGE 87, 234, 264 f.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.09.2004 - 1 BvR 1962/04 - NVwZ 2005, 1178; BSGE 90, 90, 90, 98 f. = SozR 3-4100 § 119 Nr.26; BVerwGE 98, 195, 198 f.). Dem trägt die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II Rechnung; dabei ist - wie bereits dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen ist -, hinsichtlich des Willens, füreinander einzustehen, ein objektiver Maßstab anzulegen. Nicht ausschlaggebend ist deshalb die subjektive Sicht der betroffenen Personen; entscheidend ist vielmehr, ob bei verständiger Würdigung ein wechselseitiger Wille der Partner, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, unter objektiven Gesichtspunkten bejaht werden kann. Zur Annahme einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft reicht freilich eine bloße Wohngemeinschaft nicht aus (so bereits BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 § 138 Nr. 17), ebenso wenig eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. auch Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. a)). Allerdings wird ein Verantwortungs- und Einstehenswille nach der - gleichfalls mit dem Fortentwicklungsgesetz eingeführten - Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn (1.) Partner länger als ein Jahr zusammenleben, (2.) mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, (3.) Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder (4.) befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte mit der Vermutungsregelung dem Leistungsmissbrauch durch falsche Angaben zu den häuslichen Verhältnissen entgegengewirkt werden, wobei hinsichtlich der Kriterien für die Vermutung einer Einstehensgemeinschaft auf die Vorgaben des BVerfG und daran anschließend des BSG zurückzugreifen ist (vgl. Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. b)); hierzu gehören die lange Dauer und Intensität des Zusammenlebens, eine gemeinsame Wohnung, eine bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, die gemeinsame Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt sowie die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen zu verfügen (vgl. BVerfGE 87, 234, 265; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15; SozR 3-4300 § 144 Nr. 10; ferner BVerwGE 98, 195, 200; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1999 - 5 B 114/98 -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 B -). Allerdings können auch andere äußere Tatsachen das Vorliegen einer Einstehensgemeinschaft begründen; dies ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles von Amts wegen zu prüfen (vgl. Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 f. (zu Nr. 7 Buchst. b)). Ist indes zumindest einer der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II erfüllt, trifft den Anspruchsteller die Darlegungslast dafür, dass keiner der dort aufgeführten Sachverhalte vorliegt oder die Vermutung durch andere Umstände entkräftet wird (LSG Baden-Württemberg vom 22.03.2007 a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.01.2007 - L 13 AS 3747/06 ER-B -; Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. b); Spellbrink, NZS 2007, 121, 126 f.; a.A. Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 69).
Das Tatbestandsmerkmal "länger als ein Jahr zusammenleben" kann allerdings ohne nähere Präzisierung nicht allein als Anknüpfungspunkt für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft dienen, weil insoweit auch eine Wohngemeinschaft im Sinne einer gemeinsam genutzten Wohnung erfasst würde (vgl. dazu Wenner, SozSich 2006,146 ff.). Dementsprechend liegt eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nur dann vor, wenn die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Sie ist auf Dauer angelegt und lässt daneben keine weitere Lebensgemeinschaft zu. Sie geht über eine Haushaltsgemeinschaft hinaus (Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 7 RdNr. 69; zum Ganzen LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.04.2007 - L 28 B 295/07 AS ER -).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist auch nach Auffassung des Senats nicht glaubhaft gemacht, dass eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft mit P.S. nicht besteht. Mit dem SG erachtet der Senat gewichtige Indizien dafür als gegeben an, dass so enge Bindungen zwischen der Bf. und P.S. bestehen, dass ein Einstehen in Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und beide "aus einem Topf" wirtschaften. Vielmehr spricht mehr dagegen als dafür, dass beide in ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung voneinander unabhängig entscheiden.
Das SG hat in dem angegriffenen Beschluss ausführlich und schlüssig dargelegt, dass aufgrund von Widersprüchlichkeiten im Vortrag der Bf. die Tatsachen zur Widerlegung der Vermutungsregelung in § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat nach eigener Prüfung auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung deshalb ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Insbesondere ist nach den von der Bf. behaupteten Tätlichkeiten durch P.S. kaum nachzuvollziehen, dass die Bf. weiterhin bei P.S. wohnt, wenn dieser angeblich nur ihr Vermieter ist. Spätestens durch den Vortrag des Bg. im vorliegenden Verfahren ist die Bf. darüber informiert worden, dass allein das Zusammenwohnen mit P.S. einer Gewährung von SGB II-Leistungen entgegensteht und im Falle des Auszugs mit umfassenden Hilfen der Beklagten zur Wohnungsbeschaffung, -erstausstattung und Übernahme der laufenden Kosten der Unterkunft zu rechnen gewesen wäre (Schriftsatz des Bg. an das SG vom 18.02.2009).
Auch unter Berücksichtigung weiterer widersprüchlicher oder ungenauer Angaben der Bf. im Antragsverfahren zu ihrer Wohnfläche (125, 100 und 54,1 qm), zu ihrer Miete (350 EUR, 300 EUR bzw. ca 300 EUR) und ihren Nebenkosten (ca. 100 EUR) beim Fehlen jeglicher schriftlicher Vereinbarung kann ein bloßes Untermietverhältnis oder eine Wirtschaftsgemeinschaft nicht angenommen werden. Der Vortrag der Bf. über eine zu zahlende Miete ist nicht glaubhaft, auch weil ein gewöhnlicher Vermieter das Auflaufen von Mietschulden in der behaupteten Höhe ohne jegliche schriftliche Dokumentation nicht zulassen würde. Hierin zeigt sich konkret, dass P.S. durch die weitere Gewährung von Unterkunft nicht nur der Bf. beizustehen bereit ist, sondern dies auch tatsächlich praktiziert.
Da noch am 13.08.2008 die Bevollmächtigten der Bf. vorgetragen haben, dass seit Monaten bereits ein Getrenntleben vorliege, ist außerdem eine zuvor bestehende eheähnliche Gemeinschaft ausdrücklich eingeräumt worden, ohne dass glaubhaft gemacht wäre, dass diese inzwischen nicht mehr besteht.
Wegen der fehlenden hinreichenden Erfolgsaussicht hat das SG zudem die Gewährung von PKH gemäß § 73 a SGG i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) zu Recht abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin (Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Außerdem wendet sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG).
Die 1963 geborene Bf. ist seit dem 16.12.1993 geschieden und seit dem 23.07.1996 verwitwet. Vor dem Auslaufen Ihrer Witwenrente zum 23.07.2008 beantragte sie bei dem Beschwerdegegner (Bg.) am 25.06.2008 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Bf. lebt seit 2002 gemeinsam mit Herrn P.S., zunächst in dessen Wohnung und anschließend seit 2005 im Haus des P.S., welches eine Wohnfläche von 125 qm hat. In ihrem Antrag gab sie an, dass P.S. der Hausbesitzer und ein Bekannter von ihr sei. Die Bf. gab weiter an, dass ein Mietvertrag nicht vorliege, doch legte sie eine Bescheinigung von P.S. über eine monatliche Gesamtmiete von 350,00 EUR betreffend eine Wohnung von 100 qm Grundfläche vor.
Der Bg. fragte daraufhin bei Bf. unter anderem an, welche Wohnfläche zutreffend sei und in welchem Verhältnis sie zu dem Vermieter P.S. stehe (Anfrage vom 07.07.2008).
Am 09.07.2008 wurde vom Außendienst des Bg. eine Wohnungsbesichtigung bei der Bf. durchgeführt. Der Mitarbeiter L. gab hierzu in seinem Bericht vom 10.07.2008 an, dass die Bf. mit P.S. ein von diesem im Jahr 2003 errichtetes Holzhaus bewohne. Der Wohnflächenanteil der Bf. betrage 54,1 qm. Die Bf. habe sich dahingehend eingelassen, dass sie vor ca. 3 Jahren eingezogen sei und P.S. jeden Monat 600,00 EUR für Miete, Nebenkosten wie Wasser, Strom, Gas und gemeinsames Haushalten wie Essen und Trinken auf sein Konto überweise. Ein Mietvertrag sei wegen ansonsten eintretender Steuernachteile von P.S. nicht abgeschlossen worden. Es bestehe nach Aussage der Bf. keine Partnerschaft und auch keine intime Beziehung. In dem Bericht wird außerdem festgestellt, dass die Bf. in ihrem angegebenen Zimmer kein eigenes Bett habe und ihre Kleider im und am Schlafzimmerschrank von P.S. hingen. Entgegen ihren eigenen Angaben habe die Bf. im Bett von P.S. genächtigt.
Auf erneute Anfrage des Bg. zu den noch fehlenden Nachweisen legte die Bf. Kontoauszüge vor, aus denen unter anderem eine einmalige Überweisung an P.S. in Höhe von 650,00 EUR am 02.05.2008 hervorgeht.
Mit Bescheid vom 28.07.2008 lehnte der Bg. die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit der Begründung ab, dass die Bf. seit Jahren mit P.S. in einem gemeinsamen Haushalt lebe und nach den Indizien aufgrund des Hausbesuchs am 09.07.2008 sowie der Vermutungsregelung im § 7 Abs. 3a SGB II davon auszugehen sei, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliege. Da trotz mehrfacher Aufforderung die Unterlagen über Einkommen und Vermögen von P.S. nicht vorgelegt worden seien, sei die Hilfebedürftigkeit nicht feststellbar.
Mit ihrem Widerspruch vom 13.08.2008 trugen die Bevollmächtigten der Bf. vor, dass seit Monaten ein Getrenntleben vorliege, nachdem P.S. andere Frauenbekanntschaften habe. Es treffe weder zu, dass die Bf. im Bett von P.S. schlafe, noch dass sie ihre Sachen in dessen Schlafzimmerschrank aufbewahre. P.S. sei auf Fernmontage und komme ohnehin nur zum Wochenende nach Hause. Seit der Trennung lebe die Bf. im Wesentlichen im Erdgeschoss und nächtige dort auf der Wohnzimmercouch. Man teile sich lediglich Küche, Bad und Toilette. Es bestünden Überlegungen, ein nicht benutztes Zimmer zu Wohnzwecken für die Bf. einzurichten. Die bei der Wohnungsbesichtigung festgestellten Kleider stammten nicht von der Bf., sondern vermutlich von der derzeitigen Freundin des P.S.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2008 wies der Bg. den Widerspruch als unbegründet zurück. Anlässlich des Wohnungsbesuchs sei eindeutig festgestellt worden, dass Indizien für ein gemeinsames Haushalten und Wohnen wie bei einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft vorliegen. Die Argumentation, die vorgefundenen Damenkleidungsstücke im Schlafzimmer des P.S. seien nicht solche der Bf. gewesen, überzeugten nicht, da in der ganzen Wohnung andere Damenkleider bzw. die Kleider der Bf. nicht vorgefunden worden seien. Es erscheine auch als lebensfremd, dass P.S. nach der Auflösung der Lebensgemeinschaft und den aufgetretenen Streitigkeiten die inzwischen mittellose Bf. ohne Beitrag zu den Wohnkosten weiter bei sich unterbringe.
Die Bevollmächtigten der Bf. haben deswegen am 24.12.2008 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben (Az.: S 5 AS 4584/08); über die Klage ist in der Hauptsache bisher nicht entschieden.
Am 27.01.2009 haben die Bevollmächtigten beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (Az. S 5 AS 261/09 ER). Die Bf. sei völlig mittellos. P.S. sei seit ca. eineinhalb bis zwei Jahren nicht mehr der Lebensgefährte der Bf. und lasse diese nur noch aus sozialen Gründen im Erdgeschoss des Hauses weiter wohnen. Es sei verabredet, dass monatlich 300,00 EUR Miete sowie Nebenkosten ("grob etwa mit 100,00 EUR zu schätzen") zu zahlen seien. Eine demgemäße eidesstattliche Versicherung der Bf. ist vorgelegt worden. Außerdem ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt worden.
Mit Beschluss vom 24.02.2009 hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen nicht hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt und gleichzeitig den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Nachdem bei der Antragstellung eine Kaltmiete von 300,00 EUR angegeben worden sei, werde im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung ein Betrag von "ca. 300,00 EUR" angegeben. Nebenkosten seien angeblich geschuldet, ohne dass jedoch eine Nebenkostenvorauszahlungsvereinbarung vorliege. Dies halte einem Fremdvergleich nicht stand, da hierüber im Falle des tatsächlichen Vorliegens eines Mietverhältnisses eine konkrete Vereinbarung getroffen werden müsste. Die Bf. sei nach ihrem eigenen Vortrag zwischenzeitlich seit sieben Monaten mit der Zahlung der Miete im Rückstand, was bereits nach zwei Monaten zur fristlosen Kündigung berechtigt hätte. Es sei daher davon auszugehen, dass der Wohnbedarf der Bf. gedeckt sei. Ebenso verhalte es sich mit dem tatsächlichen Lebensbedarf, da auch hier nicht beziffert worden sei, in welcher Höhe Rückzahlungsverpflichtungen bestünden. Angesichts des langen Zeitraums der Mittellosigkeit seien Summen im Raum, welche über bloße Gelegenheitsgaben hinausgingen und dementsprechend für den Fall eines ernsthaften Rückforderungswillens üblicherweise per Quittung dokumentiert würden. Nachdem dies jedoch offensichtlich nicht der Fall sei, sei davon auszugehen, dass der Lebensbedarf der Bf. durch die Hilfen anderer erfüllt werde. Unabhängig hiervon sei auch die Vermutungswirkung des § 7 Abs. 3a SGB II durch die Angaben der Bf. nicht erschüttert. Die Bf. habe insgesamt nur sehr vage Angaben zu der tatsächlichen Lebenssituation gemacht, aus denen sich nicht nachvollziehbar ableiten lasse, dass der vom Gesetzgeber vermutete innere Einstandswille nicht mehr bestehe. In diesem Zusammenhang sei auch fraglich, weshalb die Bf. nicht bereits ausgezogen sei, als sie noch über finanzielle Mittel verfügt habe. Angesichts der fehlenden Erfolgsaussichten sei demnach auch die Bewilligung von PKH nicht veranlasst gewesen. Der Beschluss des SG ist den Bevollmächtigten der Bf. am 02.03.2009 zugestellt worden.
Am 02.04.2009 haben die Bevollmächtigten der Bf. beim SG Beschwerde eingelegt. Der Bf. bleibe derzeit gar nichts anderes übrig, als bei Bekannten und Verwandten zu betteln, da sie andernfalls verhungern würde. Über kleine Einzelbeträge hinaus habe die Bf. mittlerweile Schulden bei einem Bekannten, Herrn R.Z., in Höhe von 675,00 EUR, wozu eine eidesstattliche Versicherung vom 13.03.2009 der Bf. vorgelegt worden ist. Die Beiträge zur Krankenversicherung der Bf. würden durch die Eltern der Bf. übernommen (141,54 EUR monatlich), wozu ebenfalls eine eidesstattliche Versicherung der Eltern der Bf. vorgelegt worden ist. Zwischenzeitlich seien 2000,00 EUR Schulden gegenüber P.S. aufgelaufen. Dieser lasse die Bf. weiterhin bei sich wohnen, da er wisse, dass diese keine finanziellen Mittel habe und auch nicht in der Lage sei, eine eigene Wohnung zu finanzieren. Die Eltern der Bf. gaben in ihrer eidesstattlichen Versicherung außerdem an, die Bf. monatlich mit ca. 200,00 EUR in kleineren Beträgen zu unterstützen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.2.2009 aufzuheben, ihr Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Antragsverfahren zu gewähren und die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr bis zur Entscheidung über das Hauptsacheverfahren S 5 AS 4584/08 monatliche Wohnungskosten in Höhe von 400 EUR inklusive Nebenkosten sowie monatliche Kosten für den Lebensunterhalt in Höhe von 345 EUR ab Antragstellung darlehensweise zu bewilligen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Die Bf. hält den Beschluss des SG für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässigen Beschwerden sind unbegründet. Die Bf. hat jedenfalls den Anordnungsanspruch für die begehrte Leistung nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, nach Nr. 2 in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen und nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGG in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Zu Recht hat das SG das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs verneint.
Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II ist grundlegende Voraussetzung der Leistungsberechtigung von erwerbsfähigen Personen die Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 SGB II (in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Fortentwicklungsgesetzes vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706)) u.a. die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (Nr. 1 a.a.O.) sowie als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für einander zu tragen und füreinander einzustehen (Nr. 3 Buchst. c a.a.O.).
Was die Kriterien für das Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II anbelangt, ist auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur eheähnlichen Gemeinschaft entwickelten Maßstäbe zurückzugreifen (vgl. z.B. Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 22.03.2007 - L 7 AS 640/07 ER-B -); hiernach muss es sich um eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft handeln, die daneben keine Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (vgl. BVerfGE 87, 234, 264 f.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.09.2004 - 1 BvR 1962/04 - NVwZ 2005, 1178; BSGE 90, 90, 90, 98 f. = SozR 3-4100 § 119 Nr.26; BVerwGE 98, 195, 198 f.). Dem trägt die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II Rechnung; dabei ist - wie bereits dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen ist -, hinsichtlich des Willens, füreinander einzustehen, ein objektiver Maßstab anzulegen. Nicht ausschlaggebend ist deshalb die subjektive Sicht der betroffenen Personen; entscheidend ist vielmehr, ob bei verständiger Würdigung ein wechselseitiger Wille der Partner, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, unter objektiven Gesichtspunkten bejaht werden kann. Zur Annahme einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft reicht freilich eine bloße Wohngemeinschaft nicht aus (so bereits BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 § 138 Nr. 17), ebenso wenig eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. auch Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. a)). Allerdings wird ein Verantwortungs- und Einstehenswille nach der - gleichfalls mit dem Fortentwicklungsgesetz eingeführten - Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn (1.) Partner länger als ein Jahr zusammenleben, (2.) mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, (3.) Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder (4.) befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte mit der Vermutungsregelung dem Leistungsmissbrauch durch falsche Angaben zu den häuslichen Verhältnissen entgegengewirkt werden, wobei hinsichtlich der Kriterien für die Vermutung einer Einstehensgemeinschaft auf die Vorgaben des BVerfG und daran anschließend des BSG zurückzugreifen ist (vgl. Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. b)); hierzu gehören die lange Dauer und Intensität des Zusammenlebens, eine gemeinsame Wohnung, eine bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, die gemeinsame Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt sowie die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen zu verfügen (vgl. BVerfGE 87, 234, 265; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15; SozR 3-4300 § 144 Nr. 10; ferner BVerwGE 98, 195, 200; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1999 - 5 B 114/98 -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 B -). Allerdings können auch andere äußere Tatsachen das Vorliegen einer Einstehensgemeinschaft begründen; dies ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles von Amts wegen zu prüfen (vgl. Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 f. (zu Nr. 7 Buchst. b)). Ist indes zumindest einer der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II erfüllt, trifft den Anspruchsteller die Darlegungslast dafür, dass keiner der dort aufgeführten Sachverhalte vorliegt oder die Vermutung durch andere Umstände entkräftet wird (LSG Baden-Württemberg vom 22.03.2007 a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.01.2007 - L 13 AS 3747/06 ER-B -; Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. b); Spellbrink, NZS 2007, 121, 126 f.; a.A. Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 69).
Das Tatbestandsmerkmal "länger als ein Jahr zusammenleben" kann allerdings ohne nähere Präzisierung nicht allein als Anknüpfungspunkt für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft dienen, weil insoweit auch eine Wohngemeinschaft im Sinne einer gemeinsam genutzten Wohnung erfasst würde (vgl. dazu Wenner, SozSich 2006,146 ff.). Dementsprechend liegt eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nur dann vor, wenn die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Sie ist auf Dauer angelegt und lässt daneben keine weitere Lebensgemeinschaft zu. Sie geht über eine Haushaltsgemeinschaft hinaus (Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 7 RdNr. 69; zum Ganzen LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.04.2007 - L 28 B 295/07 AS ER -).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist auch nach Auffassung des Senats nicht glaubhaft gemacht, dass eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft mit P.S. nicht besteht. Mit dem SG erachtet der Senat gewichtige Indizien dafür als gegeben an, dass so enge Bindungen zwischen der Bf. und P.S. bestehen, dass ein Einstehen in Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und beide "aus einem Topf" wirtschaften. Vielmehr spricht mehr dagegen als dafür, dass beide in ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung voneinander unabhängig entscheiden.
Das SG hat in dem angegriffenen Beschluss ausführlich und schlüssig dargelegt, dass aufgrund von Widersprüchlichkeiten im Vortrag der Bf. die Tatsachen zur Widerlegung der Vermutungsregelung in § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat nach eigener Prüfung auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung deshalb ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Insbesondere ist nach den von der Bf. behaupteten Tätlichkeiten durch P.S. kaum nachzuvollziehen, dass die Bf. weiterhin bei P.S. wohnt, wenn dieser angeblich nur ihr Vermieter ist. Spätestens durch den Vortrag des Bg. im vorliegenden Verfahren ist die Bf. darüber informiert worden, dass allein das Zusammenwohnen mit P.S. einer Gewährung von SGB II-Leistungen entgegensteht und im Falle des Auszugs mit umfassenden Hilfen der Beklagten zur Wohnungsbeschaffung, -erstausstattung und Übernahme der laufenden Kosten der Unterkunft zu rechnen gewesen wäre (Schriftsatz des Bg. an das SG vom 18.02.2009).
Auch unter Berücksichtigung weiterer widersprüchlicher oder ungenauer Angaben der Bf. im Antragsverfahren zu ihrer Wohnfläche (125, 100 und 54,1 qm), zu ihrer Miete (350 EUR, 300 EUR bzw. ca 300 EUR) und ihren Nebenkosten (ca. 100 EUR) beim Fehlen jeglicher schriftlicher Vereinbarung kann ein bloßes Untermietverhältnis oder eine Wirtschaftsgemeinschaft nicht angenommen werden. Der Vortrag der Bf. über eine zu zahlende Miete ist nicht glaubhaft, auch weil ein gewöhnlicher Vermieter das Auflaufen von Mietschulden in der behaupteten Höhe ohne jegliche schriftliche Dokumentation nicht zulassen würde. Hierin zeigt sich konkret, dass P.S. durch die weitere Gewährung von Unterkunft nicht nur der Bf. beizustehen bereit ist, sondern dies auch tatsächlich praktiziert.
Da noch am 13.08.2008 die Bevollmächtigten der Bf. vorgetragen haben, dass seit Monaten bereits ein Getrenntleben vorliege, ist außerdem eine zuvor bestehende eheähnliche Gemeinschaft ausdrücklich eingeräumt worden, ohne dass glaubhaft gemacht wäre, dass diese inzwischen nicht mehr besteht.
Wegen der fehlenden hinreichenden Erfolgsaussicht hat das SG zudem die Gewährung von PKH gemäß § 73 a SGG i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) zu Recht abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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