L 6 U 6062/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 7572/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 6062/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Oktober 2007 im Kostenpunkt abgeändert. Die Beklagte trägt drei Viertel und die Klägerin ein Viertel der Kosten des Klageverfahrens.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.265,04 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch streitig, ob die Beklagte zu Recht Beiträge für die Abrechnungsjahre 2000 und 2001 nacherhoben hat.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das einerseits im Bereich der Beschichtung von Kunststoff-, Metall- und Holzteilen und andererseits in der Montage von Kleinteilen für die Automobilindustrie tätig ist.

Bis 30. September 1999 war die Klägerin im Gefahrtarif der Beklagten zur Tarifstelle 17 ("Lackiererei"), Gefahrklasse 3,6 und zur Tarifstelle 19 ("kaufmännischer und verwaltender Teil"), Gefahrklasse 0,7 veranlagt. Nachdem anlässlich eines Betriebsbesuchs durch einen Mitarbeiter der Beklagten geänderte Betriebsverhältnisse festgestellt worden waren, erfolgte ab 1. Oktober 1999 eine zusätzliche Veranlagung zur Tarifstelle 06 ("Montage von Kleinteilen"), Gefahrklasse 2,0.

Im Rahmen einer Entgeltprüfung stellte die Beklagte zum einen fest, dass bei der Erfassung des Lohnnachweises für das Jahr 1999 die Entgelte der einzelnen Gefahrtarifstellen vertauscht worden waren und zum anderen, dass für die Umlagejahre 2000 und 2001 Bruttoarbeitsentgelt von Mitarbeitern, die keine ausschließlich kaufmännischen oder verwaltenden Tätigkeiten im Bürobereich verrichtet haben, statt der Tarifstelle 06 der Tarifstelle 19 zugeordnet worden war. Mit drei Bescheiden, jeweils vom 1. Mai 2003, forderte die Beklagte im Anschluss an die jeweiligen Beitragsbescheide vom 17. April 2000 (Abrechnungsjahr 1999), 20. April 2001 (Abrechnungsjahr 2000) und 15. April 2002 (Abrechnungsjahr 2001) wegen der sich dadurch ergebenden Beitragsänderungen Beiträge in Höhe von 15.594,36 EUR (Abrechnungsjahr 1999), 2.234,91 EUR (Abrechnungsjahr 2000) sowie 2.030,73 EUR (Abrechnungsjahr 2001) nach.

Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin jeweils Widerspruch und machte in Bezug auf die Nachforderung für die Jahre 2000 und 2001 geltend, Angestellte, die einer vergleichsweise geringen Gefährdung bzw. häufig sogar keiner Gefährdung ausgesetzt seien, dürften nicht in die nächsthöhere Beitragsgruppe eingestuft werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2004 wurden die Widersprüche zurückgewiesen und in Bezug auf die Abrechnungsjahre 2000 und 2001 ausgeführt, die Mitarbeiter, die keine ausschließlich kaufmännischen oder verwaltenden Tätigkeiten im Bürobereich verrichteten und Umgang mit Produkten oder Waren hätten oder Dienstreisen unternähmen, seien zu Recht statt der Tarifstelle 19 der Tarifstelle 06 zugeordnet worden. Diese Zuordnung entspreche Teil III Ziffer 2 ihrer ab 1. Januar 1995 bzw. ab 1. Januar 2001 gültigen Gefahrtarife. Danach seien unter Tarifstelle 19 nur die Arbeitsentgelte eines Versicherten nachzuweisen, der ausschließlich verwaltende Tätigkeiten im Bürobereich oder kaufmännische Tätigkeiten verrichtet. Arbeitsentgelte von Versicherten, die neben oder zusätzlich zu ihrer Bürotätigkeit Umgang mit Produkten oder Waren haben, seien nicht unter der Tarifstelle 19 nachzuweisen, sondern unter dem jeweiligen technischen Unternehmenszweig. Von dieser Abgrenzungsregelung seien die im Rahmen der Prüfung der technischen Tarifstelle zugeordneten Mitarbeiter der Qualitätssicherung und Arbeitsvorbereitung, der Vertriebs- und Betriebsleiter sowie Mitarbeiter, die Dienstreisen durchführen, betroffen. Bei diesen Mitarbeitern sei die "Ausschließlichkeit" der nach Teil III Ziffer 2 der Gefahrtarife geforderten Bürotätigkeit nicht gegeben und damit die Zuordnung zur Gefahrtarifstelle 19 ausgeschlossen.

Am 12. November 2004 erhob die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage und wandte sich mit der Begründung gegen die Nachforderung von Beiträgen, dass eine solche lediglich bei einem vorausgegangenen pflichtwidrigen Verhalten des Beitragspflichtigen zulässig sei. Im Übrigen lege die Beklagte Teil III Nr. 2 des Gefahrtarifs 1995 aber auch fehlerhaft aus. Soweit dort ausgeführt sei, unter der Tarifstelle 19 werden nur die Arbeitsentgelte eines Versicherten nachgewiesen, der "ausschließlich verwaltende Tätigkeiten im Bürobereich oder kaufmännische Tätigkeiten verrichtet", beziehe sich der Begriff "ausschließlich" lediglich auf die verwaltenden Tätigkeiten im Bürobereich, während bei den kaufmännischen Tätigkeiten diese Ausschließlichkeit nicht verlangt werde. Die Arbeitsentgelte des Vertriebsleiters O., der Aufträge bei Kunden akquiriere und deren organisatorische Durchführung plane, führe ausschließlich kaufmännische Tätigkeiten durch. Sein Gefährdungspotential sei nicht deshalb höher, weil er Umgang mit Waren und Produkten habe, denn dieser beschränke sich darauf, den Kunden Beschichtungsmuster zu zeigen. Auch die im Bereich der Qualitätssicherung beschäftigten Versicherten S. und R., zu deren Aufgabengebiet die Planung von Produktionsvorgängen sowie die Bearbeitung von Kundenreklamationen gehörten, übten kaufmännische Tätigkeiten aus. Diese Tätigkeiten machten einen Anteil von ca. 95% bzw. 90% der Gesamttätigkeit aus, weshalb deren Arbeitsentgelt in der Tarifstelle 19 nachzuweisen sei, zumindest jedoch in Höhe dieses Anteils. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Sie legte in Kopie ihre Gefahrtarife, gültig zur Berechnung der Beiträge ab 1. Januar 1995 bzw. ab 1. Januar 2001 vor. Sie machte geltend, bei ihrem Gefahrtarif handele es sich um einen Gewerbezweigtarif, der lediglich durch die tätigkeitsbezogenen Gefahrtarifstellen 18 und 19 durchbrochen werde. Abweichungen vom Gewerbezweigtarif erforderten klare Abgrenzungsregelungen, denen ihr Gefahrtarif durch die in Teil III Nr. 2 getroffene Regelung gerecht werde, wonach in der Gefahrtarifstelle 19 nur Arbeitsentgelte von Versicherten nachgewiesen würden, die ausschließlich kaufmännische oder verwaltende Tätigkeiten im Bürobereich verrichteten. Arbeitsentgelte von Versicherten, die neben oder zusätzlich zu ihrer Bürotätigkeit Umgang mit Produkten oder Waren hätten, seien im technischen Teil des Unternehmens nachzuweisen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergebe sich dies ohne Weiteres aus dem Wortlaut der in Rede stehenden Regelung. Die Verwendung des Adjektivs "ausschließlich" beziehe sich sowohl auf "verwaltende Tätigkeiten" als auch auf "kaufmännische Tätigkeiten". Im Rahmen einer Aufzählung bedürfe es keiner Wiederholung des verwendeten Adjektivs. Eine Aufteilung des Arbeitsentgelts auf verschiedene Tarifstellen sei im Übrigen nach der Regelung in Teil III Nr. 1 des Gefahrtarifs ausgeschlossen. Mit Urteil vom 18. Oktober 2007 hob das SG den Änderungsbescheid der Beklagten vom 1. Mai 2003 bezüglich des Abrechnungsjahres 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2004 auf und wies die Klage im Übrigen ab. Im Hinblick auf die Abrechnungsjahre 2000 und 2001 führte es aus, die Beklagte habe im Hinblick auf § 168 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) zu Recht Beiträge für die Vergangenheit nachgefordert. Die in Rede stehenden Mitarbeiter erfüllten nicht die Voraussetzungen der Tarifstelle 19, wie der eindeutigen und zwingenden Ausnahmeregelung in Teil III Nr. 2 der Gefahrtarife zu entnehmen sei. Das Tarifwerk der Beklagten sei dahin zu verstehen, dass selbst geringe Ausnahmen von reiner Bürotätigkeit die günstigere Eingruppierung nicht mehr rechtfertige. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 4. Dezember 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat die Klägerin am 20. Dezember 2007 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, § 168 Abs. 2 SGB VII stelle keine Ermächtigungsgrundlage für eine Beitragsnacherhebung mit Wirkung für die Vergangenheit dar. Insbesondere habe ihr Lohnnachweis im Sinne der Nr. 2 erste Alternative dieser Regelung keine unrichtigen Angaben enthalten. Die Beklagte habe zu Unrecht eine Umgruppierung dreier Mitarbeiter vorgenommen, die ihrer Ansicht nach nicht von der Tarifstelle 19 erfasst sein sollen. Insoweit wende die Beklagte ihren Gefahrtarif jedoch fehlerhaft an, wenn sie davon Mitarbeiter ausschließe, die neben oder zusätzlich zu ihrer Bürotätigkeit Umgang mit Produkten oder Waren haben. Vielmehr ergebe sich aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut von Teil III Nr. 2 des Gefahrtarifs 1995 - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren dargelegt -, dass sich die Ausschließlichkeit lediglich auf die Tätigkeiten im Bürobereich und auf die verwaltenden Tätigkeiten beziehe, nicht aber auf die kaufmännischen Tätigkeiten. Entsprechend seien die Arbeitsentgelte der Mitarbeiter O., S. und R. in der Tarifstelle 19 zu erfassen, da diese kaufmännische Tätigkeiten ausführten und nicht ausschließlich im verwaltenden Bürobereich beschäftigt seien. Selbst wenn eine andere Auslegung der in Rede stehenden Regelung möglich sein sollte, so könne die Beklagte sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht darauf berufen. Denn es liege in ihrer Verantwortung, dass sie selbst davon habe ausgehen müssen, dass Versicherte, die kaufmännische Tätigkeiten verrichteten, unter der Tarifstelle 19 erfasst würden. Soweit der Gefahrtarif in der Fassung ab dem Jahr 2001 mit der Formulierung "ausschließlich kaufmännische oder verwaltende Tätigkeiten im Büro" eine inhaltliche Änderung erfahren habe, könne dies nicht zu ihren Lasten gehen, da sie aufgrund der Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, in dem ausschließlich die Formulierung der zuvor gültig gewesenen Fassung enthalten gewesen sei, darauf habe vertrauen dürfen, die unter dem Gefahrtarif 1995 vorgenommene Zuordnung der Arbeitsentgelte der in Rede stehenden Versicherten bleibe beibehalten. Entsprechend enthalte auch der Lohnnachweis für das Beitragsjahr 2001 insoweit keine unrichtigen Angaben, die auf einem pflichtwidrigen Verhalten ihrerseits beruhten. Selbst wenn man im Sinne des § 168 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII jedoch von einer objektiven Unrichtigkeit der Lohnnachweise ausgehen wolle, so habe sie gleichwohl nicht pflichtwidrig gehandelt. Würde man eine Nachentrichtung von Beiträgen ohne Pflichtverletzung des Beitragschuldners für möglich erachten, so entfaltete § 168 Abs. 2 SGB VII Sanktionscharakter, was weder dem gesetzgeberischen Willen, noch der Systematik der gesetzlichen Unfallversicherung entspreche. Ungeachtet dessen bestünden auch erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausschließlichkeitsregelung in Teil III Nr. 2 Satz 2 der Gefahrtarife der Beklagten. Denn dadurch müsse für Mitarbeiter, die wegen ihres hohen Anteils an kaufmännischer Tätigkeit lediglich geringen Unfallgefahren ausgesetzt seien, ein nicht risikoadäquater unverhältnismäßig hoher Beitrag entrichtet werden. Eine sachliche Rechtfertigung dafür sei nicht ersichtlich, weshalb die in Rede stehende Regelung gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Oktober 2007 abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 1. Mai 2003 betreffend die Beitragsjahre 2000 und 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und macht geltend, entgegen der Auffassung der Klägerin bedürfe es gerade des Ausschließlichkeitskriteriums des Teils III Nr. 2 des Gefahrtarifs, um den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerecht zu werden. Danach verlangten Abweichungen vom Gewerbezweigtarif klare Abgrenzungsmerkmale. Entsprechend seien für die Ausnahmeregelung der Tarifstelle 19 enge Kriterien zu erfüllen. Diese seien gleichermaßen im Gefahrtarif ab 1. Januar 1995 und ab 1. Januar 2001 enthalten. Danach müsse der entsprechende Mitarbeiter kaufmännische oder verwaltende Tätigkeiten verrichten, die Tätigkeiten ausschließlich im Büro erledigt werden und der Mitarbeiter keinen Umgang mit Produkten oder Waren haben. Die Änderung des Wortlauts in Teil III Nr. 2 des Gefahrtarifs von 2001 habe lediglich der Klarstellung gedient, ohne dass eine inhaltliche Änderung vorgenommen worden sei. Auch wenn man die Systematik des Gefahrtarifs und den Sinn und Zweck der Regelung der Tarifstelle 19 zu Grunde lege, komme man zu keiner anderen Beurteilung. Denn mit dieser Tarifstelle habe eine Ausnahmevorschrift für reines Büropersonal geschaffen werden sollen. Diese beschäftigten sich regelmäßig mit kaufmännischen und verwaltenden Tätigkeiten, wobei ihrer Arbeit gemein sei, dass die Erfüllung der Aufgaben im Büro erfolge. Wolle man aber gerade für die weniger gefährlichen Büroarbeiten in ihrer Gesamtheit eine Ausnahmeregelung schaffen, so mache es keinen Sinn, allein die kaufmännischen Tätigkeiten dem Ausschließlichkeitskriterium zu entziehen. Auch wenn man ein etwaiges Mitverschulden der Beklagten bejahen wollte, stünde dies der Beitragsnachforderung nicht entgegen. Denn für die Frage der Unrichtigkeit des Lohnnachweises sei ohne Bedeutung, ob diese vom Unternehmer zu vertreten sei. Maßgeblich sei allein die objektive Unrichtigkeit. Zur Stützung ihrer Rechtsauffassung hat die Beklagte sich auf die in Kopie vorgelegten Urteile des Sozialgerichts München vom 28. Mai 1998 (S 41 U 342/97), des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. April 2006 (S 1 U 3214/04) und des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Dezember 1988 (L 2 U 78/87) berufen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch abgesehen von der zu ändernden Kostenentscheidung des SG nicht begründet.

Das SG hat die Klage, soweit die Bescheide vom 1. Mai 2003 bezüglich der Beitragsjahre 2000 und 2001 angefochten waren, zu Recht abgewiesen. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte wegen der fehlerhaften Zuordnung der Mitarbeiter O., S. und R. zur Tarifstelle 19 eine Neuberechnung der Beiträge für die Jahre 2000 und 2001 unter Zuordnung zur Tarifstelle 06 vorgenommen und die dementsprechend höheren Beiträge nacherhoben hat.

Rechtsgrundlage für die von der Beklagten im Anschluss an die Bescheide vom 20. April 2001 (Beitragsjahr 2000) und 15. April 2002 (Beitragsjahr 2001) ergangenen Bescheide vom 1. Mai 2003, mit denen entsprechende Beiträge nacherhoben wurden, ist § 168 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII. Danach ist der Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten der Beitragspflichtigen nur dann aufzuheben, wenn der Lohnnachweis unrichtige Angaben enthält oder sich die Schätzung als unrichtig erweist. Die erste Alternative dieser Regelung ist vorliegend erfüllt, da der Lohnnachweis der Klägerin insoweit unrichtige Angaben enthalten hat, als die Arbeitsentgelte der Mitarbeiter O., S. und R. statt zur Tarifstelle 06 zur Tarifstelle 19 mit der niedrigeren Gefahrklasse von 0,7 bzw. 0,6 gemeldet wurden.

Nach dem Gefahrtarif der Beklagten, gültig zur Berechnung der Beiträge vom 1. Januar 1995 an, ist unter der Tarifstelle 19 der "kaufmännische und verwaltende Teil des Unternehmens" erfasst. Teil III dieses Gefahrtarifs bestimmt unter Nr. 2 Satz 1 darüber hinaus, dass unter der Tarifstelle 19 nur die Arbeitsentgelte eines Versicherten nachgewiesen werden, der ausschließlich verwaltende Tätigkeiten im Bürobereich oder kaufmännische Tätigkeiten verrichtet. Unter der Tarifstelle 19 sind nach Satz 2 der Regelung nicht nachzuweisen, Arbeitsentgelte von Versicherten, die neben oder zusätzlich zu ihrer Bürotätigkeit Umgang mit Produkten oder Waren haben; diese sind nur unter dem jeweiligen technischen Unternehmenszweig nachzuweisen. Im Gefahrtarif der Beklagten, gültig zur Berechnung der Beiträge vom 1. Januar 2001 an, ist im Hinblick auf die Tarifstelle 19 ("kaufmännischer und verwaltender Teil der Unternehmen im Büro") in Teil III Nr. 2 Satz 1 ausgeführt, unter der Tarifstelle 19 werden nur die Arbeitsentgelte eines Versicherten nachgewiesen, der ausschließlich kaufmännische oder verwaltende Tätigkeiten im Bürobereich verrichtet. Unter der Tarifstelle 19 sind nicht nachzuweisen, sondern unter dem jeweiligen technischen Unternehmenszweig, Arbeitsentgelte von Versicherten, die neben oder zusätzlich zu ihrer Bürotätigkeit Umgang mit Produkten oder Waren haben.

Der Wortlaut des Teils III Nr. 2 der Gefahrtarife 1995 und 2001 bringt nach Überzeugung des Senats klar und unmissverständlich sowohl hinsichtlich des ab 1. Januar 1995 gültig gewesenen, als auch des ab 2001 gültig gewesenen Gefahrtarifs zum Ausdruck, dass der Tarifstelle 19 nur solche Tätigkeiten im kaufmännischen und verwaltenden Teil des Unternehmens zugeordnet werden können, die neben oder zusätzlich zu ihrer Bürotätigkeit keinen Umgang mit Produkten oder Waren haben. Dies ist bezüglich der Mitarbeiter O., S. und R. zweifellos nicht der Fall, wie die Klägerin im Rahmen des Verfahrens selbst vorgetragen hat. Denn diese Mitarbeiter üben zwar kaufmännische Tätigkeit aus, jedoch haben sie, wenn auch zum Teil nur geringfügig, Umgang mit Produkten der Klägerin. Dies gilt auch für den Mitarbeiter O., da er jedenfalls mit von der Klägerin hergestellten Beschichtungsmustern Kontakt hat. Außerdem kann er der ihm als Vertriebsleiter obliegenden Aufgabe der Aquisition von Aufträgen nicht nachkommen, ohne jedenfalls gelegentlich auch Kunden aufzusuchen. Damit sind die Voraussetzungen der Tarifstelle 19, die ein ausschließliches Tätigwerden im Bürobereich voraussetzt, nicht erfüllt.

Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung, wonach sich in dem ab 1. Januar 1995 gültig gewesenen Gefahrtarif in der Formulierung "ausschließlich verwaltende Tätigkeiten im Bürobereich oder kaufmännische Tätigkeiten" der Begriff "ausschließlich" lediglich auf die zuerst genannte Alternative, nämlich die verwaltenden Tätigkeiten im Bürobereich beziehe, nicht aber auch auf die kaufmännischen Tätigkeiten, für die eine Ausschließlichkeit daher nicht verlangt werde, überzeugt den Senat nicht. Denn es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Gefahrtarif Teil III Nr. 2 die kaufmännischen Tätigkeiten hätte benennen sollen, wenn die mit dieser Vorschrift ausdrücklich normierte "Ausschließlichkeit" der unter Tarifstelle 19 erfassten Tätigkeiten nur die verwaltenden Tätigkeiten im Bürobereich hätte erfassen sollen, nicht aber gleichermaßen auch die kaufmännischen Tätigkeiten, die zudem ebenfalls im Bürobereich verrichtet werden. Aus Satz 2 der aufgeführten Regelung, die klarstellend verdeutlicht, dass Entgelte dem jeweils technischen Unternehmenszweig zuzuordnen sind, wenn Versicherte, die im Bürobereich tätig sind, daneben oder zusätzlich auch noch Umgang mit Produkten oder Waren haben, wird nach Auffassung des Senats hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass der Satzungsgeber mit dem Begriff Bürotätigkeit sowohl die verwaltenden als auch die kaufmännischen Tätigkeiten erfassen wollte. Denn auch insoweit ist kein Grund ersichtlich, warum kaufmännische Tätigkeiten, die gleichermaßen wie die verwaltenden Tätigkeiten im Bürobereich ausgeübt werden, dann nicht im jeweiligen technischen Unternehmenszweig nachzuweisen sein sollten, wenn der entsprechende Versicherte gleichermaßen zusätzlich zu seiner Bürotätigkeit auch noch Umgang mit Produkten oder Waren hat. Der Senat vermag daher der Auslegung der Klägerin nicht zu folgen, wonach die in Rede stehenden drei Mitarbeiter unter der Tarifstelle 19 nur deshalb nachzuweisen waren, weil sie kaufmännische Tätigkeiten verrichtet haben, und zwar unabhängig davon, ob dies ausschließlich der Fall ist und sie keinen Umgang mit Produkten oder Waren hatten.

Auch der vom 1. Januar 2001 an gültige Gefahrtarif zur Berechnung der Beiträge enthält eine entsprechende Regelung, wonach Arbeitsentgelte von Versicherten unter dem jeweiligen technischen Unternehmenszweig nachzuweisen sind, wenn diese neben oder zusätzlich zu ihrer Bürotätigkeit Umgang mit Produkten oder Waren haben. Die insoweit vergleichbare, von dem zuvor gültig gewesenen Tarifvertrag jedoch abweichende Formulierung, wonach nunmehr von "ausschließlich kaufmännische oder verwaltende Tätigkeiten im Bürobereich" die Rede ist, enthält nach Auffassung des Senats keine inhaltlich abweichende Regelung, sondern ist lediglich als Klarstellung für die nicht gänzlich eindeutige frühere Formulierung zu verstehen. Auch die Klägerin selber hat vor dem Hintergrund der insoweit gewählten Formulierung nicht mehr geltend gemacht, die Ausschließlichkeit betreffe nur die verwaltenden, nicht aber die kaufmännischen Tätigkeiten.

Da die entsprechenden Lohnnachweise, mit denen die in Rede stehenden Mitarbeiter unter der Tarifstelle 19 gemeldet wurden, mithin unrichtig waren, ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die zuvor erlassenen Beitragsbescheide vom 20. April 2001 und 15. April 2002 mit Wirkung für die Vergangenheit und zu Ungunsten der Klägerin abgeändert und die Beiträge neu festgesetzt hat. Entgegen der Ansicht der Klägerin setzt die entsprechende Neufestsetzung keine Pflichtwidrigkeit des Beitragsschuldners bezüglich der unrichtigen Angaben in den Lohnnachweisen voraus. Der eindeutige Wortlaut der dargelegten Regelung setzt lediglich voraus, dass der Lohnnachweis objektiv unrichtige Angaben enthält. Die Nachforderung von zu Unrecht nicht geleisteten Beiträgen setzt daher Verschulden des Beitragsschuldners nicht voraus. Für den Senat ist auch nicht recht verständlich, aus welchen Gründen die Klägerin meint, gerade aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ableiten zu können, dass als Voraussetzung für eine entsprechende Pflicht zur Beitragsnachzahlung zu fordern sei, dass Beiträge pflichtwidrig nicht entrichtet wurden. Insbesondere vermag der Senat der betreffenden Regelung auch keinen Sanktionscharakter zu entnehmen. Denn durch sie wird nur gewährleistet, dass das betroffene Unternehmen den Beitrag auch tatsächlich in der Höhe entrichtet, wie er ohnehin auch bei zutreffenden Angaben im Lohnnachweis zu entrichten gewesen wäre.

Da die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden für die Beitragsjahre 2000 und 2001 somit zu Recht Beiträge nacherhoben hat, ist die angefochtene Entscheidung des SG, soweit es die Klage abgewiesen hat, nicht zu beanstanden. Mithin konnte auch die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 und 155 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Gemäß § 161 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Urteil durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. Gemäß § 154 Abs. 2 SGG fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat, hier also der Klägerin. Das Rechtsmittelgericht ist jedoch auch zu einer Abänderung oder Ergänzung der Kostenentscheidung der Vorinstanz befugt (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, Rdz. 12 zu § 197 a unter Hinweis auf BVerwGE 14, 171, 174). Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt. Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens (§ 162 Abs. 1 VwGO). Von dieser Rechtslage ist das SG zutreffend ausgegangen. Es hat lediglich verkannt, dass die Klägerin im Klageverfahren in einem wesentlich höherem Maße obsiegt hat, als von ihm angenommen. Die in dem vom SG aufgehobenen Bescheid vom 01.05.2003 für das Jahr 1999 geforderte Beitragsnachforderung betrug 15.594,36 Euro. Dagegen machten die Nachforderungen für die Jahre 2000 und 2001, hinsichtlich derer die Klage ohne Erfolg geblieben war, lediglich den Betrag von 4.265,64 Euro aus. Angemessen erscheint demnach, dass die Beklagte ¾ und die Klägerin ¼ der Kosten des Klageverfahrens zu tragen hat und dass die Beklagte der Klägerin ¾ von deren außergerichtlichen Kosten sowie die Klägerin der Beklagten ¼ von deren außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder wie hier einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Im Berufungsverfahren war noch die Beitragsnachforderung für die Jahre 2000 und 2001 in Höhe von insgesamt 4.265,64 Euro streitig, so dass der Streitwert in dieser Höhe endgültig festzusetzen war. Mit dieser Festsetzung verliert die - abweichende - vorläufige Festsetzung des Streitwerts vom 16.04.2009 kraft Gesetzes ihre Wirkung.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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