L 4 R 2027/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1763/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2027/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Hierzu begehrt er die Anerkennung weiterer Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und rügt eine Ungleichbehandlung gegenüber der Altersrente für Frauen.

Der Kläger ist am 1944 geboren. Er ist verheiratet und hat vier Kinder, die geboren sind am 1973, 1977, 1979 und 1993. Er absolvierte bis zum 31. März 1962 eine Schulausbildung. Vom 09. April 1962 bis 08. April 1965 entrichtete er Pflichtbeiträge für eine berufliche Ausbildung. Vom 09. April 1965 bis zum 30. September 1965 war er abhängig beschäftigt und entrichtete hierfür Pflichtbeiträge. Vom 01. Oktober 1965 bis zum 31. März 1967 absolvierte seinen Wehr- bzw. Zivildienst. Vom 01. April 1967 bis zum 31. Dezember 1977 war er wiederum abhängig beschäftigt, wobei er in der Zeit vom 20. August bis 28. September 1970 krank war bzw. sich in einer Gesundheitsmaßnahme befand. Ab dem 30. Januar bis zum 31. Juli 1978 war er arbeitslos, wobei Pflichtbeiträge wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe nur für Juli 1978 entrichtet wurden. Vom 01. August bis 31. Oktober 1978 wurden wiederum Pflichtbeiträge für eine abhängige Beschäftigung entrichtet. Seinen Angaben nach übte der Kläger seit 01. März 1978 eine selbstständige Tätigkeit aus. Vom 01. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1985 entrichtete der Kläger freiwillige Beiträge. Pflichtbeiträge wegen des Bezugs von Krankengeld wurden sodann wieder entrichtet vom 30. Dezember 2003 bis zum 27. Juni 2005. Der Kläger verfügt seit dem 19. März 1997 über eine Anerkennung als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60.

Der Kläger hatte bereits unter dem 16. November 2004 Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für schwerbehinderte Menschen und in diesem Zusammenhang die Anerkennung von Pflichtbeitrags- und Berücksichtigungszeiten wegen der Erziehung seiner vier Kinder beantragt. Er gab in dem damaligen Antragsverfahren an, er sei seit 1978 selbstständig tätig und habe seine vier Kinder in den ersten zehn Jahren nach den Geburten überwiegend erzogen. Eine Unterschrift der Ehefrau zur Bestätigung dieser Angabe enthielt der damalige Antrag auf Feststellung der Kindererziehungszeiten nicht. Die Beklagte erließ am 07. Januar 2005 zwei Bescheide. In dem einen lehnte sie den Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab, weil der Kläger die hierfür erforderliche Wartezeit von 35 Jahren nicht erfüllt habe. Bei ihm seien nur 276 Monate berücksichtigungsfähig, nämlich 272 Monate mit Beitrags- und vier Monate mit Anrechnungszeiten für die Schulausbildung. In dem beigefügten Versicherungsverlauf führte die Beklagte Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung vom 01. April 1973 bis 31. März 1974, vom 01. Dezember 1977 bis zum 30. November 1978, vom 01. November 1979 bis zum 31. Oktober 1980 sowie vom 01. Dezember 1993 bis zum 30. November 1996 sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 20. März 1973 bis 31. Oktober 1980 und vom 01. Dezember 1993 bis zum 30. November 1996 auf. In dem zweiten Bescheid lehnte die Beklagte die Anerkennung weiterer Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ab. Betroffen waren für das erste Kind die Zeit vom 01. Dezember 1978 bis zum 19. März 1983, für das zweite Kind die Zeit vom 01. Dezember 1978 bis zum 31. Dezember 1983, für das dritte Kinde die Zeiten vom 14. bis 31. Oktober 1979 sowie vom 01. November 1980 bis zum 31. Dezember 1983 und für das vierte Kind die Zeit vom 01. Februar 1997 bis zum 25. November 2003. Zugleich hob sie bisherige Bescheide über die Anerkennung dieser Zeiten auf. Sie führte aus, die genannten Zeiten seien keine Berücksichtigungszeiten, weil in ihnen eine mehr als geringfügige selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei und keine Pflichtbeiträge vorhanden seien. Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, nach der Rentenauskunft der Beklagten vom 11. Dezember 2001 bestehe aufgrund der Vertrauensschutzregelung Anspruch auf Altersrente ab dem 01. Januar 2005. Auch begehre er die Gleichstellung mit einer Frau, die nur 15 Jahre Wartezeit erfüllen müsse. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2005 zurück, den der Kläger nicht mit Klage anfocht.

Am 06. bzw. 22. September 2005 beantragte der Kläger erneut Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Er verwies erneut die Rentenauskunft der Beklagten vom 11. Dezember 2001, wonach bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen kein Rentenabschlag aufgrund der Vertrauensschutzregelung bei einem Rentenbeginn ab 01. Januar 2005 erfolge, sowie auf ein Informationsschreiben der Beklagten, in dem festgehalten sei, das Leistungsangebot der Rentenversicherung sei für Frauen und Männer gleich. Er beziehe seit Juli 2005 keine Leistungen mehr von seiner Krankenkasse. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 30. Januar 2006 ab. Sie führte aus, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu. Er habe die hierfür erforderliche Wartezeit von 35 Jahren nicht erfüllt. Auf diese Wartezeit würden alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten angerechnet. Bei dem Kläger seien 295 Monate, nämlich 291 mit Beitrags- und vier mit Anrechnungszeiten, zu berücksichtigen. Der Kläger erhob Widerspruch. Er wandte sich konkret auch gegen die Nichtanrechnung von Berücksichtigungs- und Krankheitszeiten. Außerdem begehrte er erneut die Gleichstellung mit einer Frau. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2006 zurück. Darin führte sie ergänzend aus, sie sei an die gesetzlichen Vorschriften gebunden, sodass ihr eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der rentenrechtlichen Regelungen im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Altersrente für Frauen verwehrt sei.

Der Kläger erhob am 12. Mai 2006 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Er wiederholte sein Vorbringen aus dem Vorverfahren. Seine Kindererziehungszeiten und auch seine Krankheitszeit vom 30. Dezember 2003 bis zum 27. Juni 2005 seien nicht berücksichtigt worden. Mit Beitragszeiten von 297 Monaten, Berücksichtigungszeiten von 117 Monaten und vorgemerkten Zeiten von zwölf Monaten, zusammen 426 Monate = 35,5 Jahre, sei die Wartezeit erfüllt. Die Berücksichtigungszeiten 20. März 1973 bis 31. Oktober 1980 und vom 01. Dezember 1993 bis 30. November 1996 habe die Beklagte nicht berücksichtigt.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage der Versicherungsverläufe vom 16. Oktober 2006 und 10. Januar 2007 entgegen. Hinsichtlich der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung sie verwies er auf den Bescheid vom 07. Januar 2005. Die Berechnung des Klägers sei nicht nachvollziehbar. Auch trug sie vor, sie habe die Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 30. Dezember 2003 bis zum 27. Juni 2005 bei der Ermittlung der Wartezeit berücksichtigt.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 29. Januar 2008 ab. Es schloss sich der Rechtsansicht der Beklagten an. Die Beklagte habe zu Recht lediglich 295 Monate mit rentenrechtlichen Zeiten festgestellt. Berücksichtigungszeiten wegen der Erziehung eines Kindes seien für Zeiten ausgeschlossen, in denen eine mehr als geringfügige selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei, wenn diese Zeiten nicht außerdem Pflichtbeitragszeiten seien. Bei dem Kläger seien aus diesem Grunde wegen der seit 1978 ausgeübten selbstständigen Tätigkeit nicht die gesamten Erziehungszeiten wegen seiner vier Kinder zu berücksichtigen gewesen. Es sei auch nicht verfassungswidrig, dass männliche Versicherte keinen Anspruch auf Altersrente nach § 237a Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) hätten. Dies habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits entschieden (Verweis auf BVerfGE 74, 163). Auf eine Vertrauensschutzregelung könne sich der Kläger nicht berufen, denn diese betreffe lediglich die Rentenhöhe im Falle der Rentengewährung. Das Urteil des SG wurde dem Kläger am 26. März 2008 zugestellt.

Mit einem Schreiben vom 23. April 2008, bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangen am Dienstag, dem 29. April 2008, hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Einhaltung der Berufungsfrist hat der Kläger vorgetragen und durch Vorlage des Einlieferungsbelegs unter Beweis gestellt, dass er die Berufungsschrift am 24. April 2008 zur Post gegeben habe. Der Senat hat ihm daraufhin mit Beschluss vom 09. Juli 2008 gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, weil der Kläger darauf habe vertrauen können, dass die Post die normale Laufzeit, die in seinem Falle einen Tag betragen habe, einhalten werde. In der Sache macht der Kläger geltend, er habe seit dem Jahre 1998 aus seiner selbstständigen Tätigkeit ein negatives Einkommen erzielt. Er fordere weiterhin die (vollständige) Anerkennung der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und wegen seiner Doppelbelastung durch Beruf und Haushalt die Gleichbehandlung mit einer Frau. Seine seit 1978 andauernde Selbstständigkeit solle nicht als Nachteil ausgelegt werden.

Der Kläger hat auf Anforderung des Senats seine Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2003 eingereicht. Aus Ihnen ergibt sich ein Einkommen aus Gewerbebetrieb in den Jahren 1998 und 1999 von jeweils DM 0,00, im Jahre 2000 von DM 2.000,00, im Jahre 2001 von DM 5.000,00 sowie in den Jahren 2002 und 2003 von jeweils EUR 7.500,00. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Steuerbescheide verwiesen.

Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 14. November 2008 auch die Zeit vom 01. Januar 1998 bis 31. Dezember 2000 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung anerkannt und insoweit den Versicherungsverlauf vom 26. November 2008 vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 30. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2006 zu verurteilen, ihm Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01. September 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, auch nach der Anerkennung der genannten weiteren Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung habe der Kläger die für die begehrte Altersrente erforderliche Wartezeit nicht erfüllt. Es seien nunmehr 319 statt der erforderlichen 420 Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden. Für die Jahre 2001 bis 2003 habe sie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung weiterhin nicht anerkennen können, da die selbstständige Tätigkeit des Klägers in diesen Jahren nach den Steuerbescheiden mehr als geringfügig gewesen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i. V. mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) im Einverständnis beider Beteiligter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat, ist - nach Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist - zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist daher nicht aufzuheben. Zu Recht hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen abgelehnt. Dem Kläger steht ein solcher Anspruch nicht zu.

1. Dies gilt zunächst nach den Vorschriften des einfachen Rechts.

a) Da der Kläger die Altersrente für schwerbehinderte Menschen im September 2005 beantragt hat, beurteilt sich nach § 300 Abs. 2 SGB VI der Anspruch nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften. Da der Kläger vor dem 01. Januar 1951 geboren ist, richtet sich der Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 236a SGB VI. Zur Zeit der Antragstellung des Klägers im September 2005 bestand nach § 236a Satz 1 SGB VI ein Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen für Versicherte, die vor dem 01. Januar 1951 geboren sind, wenn diese das 60. Lebensjahr vollendet haben, bei Beginn der Altersrente als schwerbehinderte Menschen anerkannt waren und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Ab dem 01. Januar 2008 kann nach § 236a Abs. 1 Satz 1 SGB VI die ungekürzte Altersrente für schwerbehinderte Menschen erst ab der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden, allerdings für alle Versicherten, die vor dem 01. Januar 1964 geboren sind. Ab dem 60. Lebensjahr kann diese Altersrente nach § 236a Abs. 1 Satz 2 SGB VI n.F. nur noch vorzeitig, also unter Inkaufnahme von Rentenabschlägen, in Anspruch genommen werden. An der 35-jährigen Wartezeit hat sich nichts geändert.

Die Anspruchvoraussetzungen der Altersrente für schwerbehinderte Menschen liegen nicht vor, weil der Kläger die Wartezeit von 35 Jahren nicht erfüllt. Auf die 35-jährige Wartezeit werden nach § 51 Abs. 3 SGB VI alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten angerechnet. Rentenrechtliche Zeiten sind nach § 54 Abs. 1 SGB VI Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und Berücksichtigungszeiten. Beitragsfreie Zeiten in diesem Sinne sind nach § 54 Abs. 4 SGB VI alle Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für diese Zeiten nicht auch Beiträge gezahlt worden sind. Berücksichtigungszeiten sind nach § 57 Satz 1 SGB VI die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Die Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung für einen Elternteil setzen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI voraus, dass die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Die Pflichtbeitragszeiten für die Erziehung eines Kindes selbst betragen für alle Kinder, die nach dem 31. Dezember 1991 geboren sind, 36 Monate (§ 56 Abs. 5 Satz 1 SGB VI), für alle zuvor geborenen Kinder dagegen nur zwölf Monate (§ 249 Abs. 1 SGB VI).

Eine Berücksichtigungszeit nach § 57 Satz 2 SGB VI liegt nicht vor, wenn der versicherte Elterteil während der Erziehungszeit eine mehr als geringfügige selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat, wenn diese Zeit nicht auch mit Pflichtbeiträgen belegt ist. Diese Regelung findet sich erst seit dem 01. Januar 2002 in § 57 Satz 2 SGB VI (Art. 1 Nr. 11 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001, BGBl. I, S. 403). Die Rechtslage in der Zeit zuvor war jedoch die gleiche. Damals lag zwar formal eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung auch dann vor, wenn der Versicherte in dieser Zeit eine mehr als geringfügige selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat. Für die Anrechnung dieser Zeit auf die 35-jährige Wartezeit für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen sah jedoch § 51 Abs. 3 SGB VI in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung gleichermaßen wie heute § 57 Satz 2 SGB VI vor, dass eine mehr als geringfügige selbstständige Tätigkeit der Anrechnung entgegenstand. Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, liegt § 57 Satz 2 SGB VI die Erwägung zugrunde, dass selbstständige Erwerbstätige, die mehr als geringfügig tätig sind, in ausreichender Weise für ihr Alter vorsorgen können und daher des sozialen Ausgleichs durch die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten nicht bedürfen. Die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung sollen letztlich nur denjenigen Versicherten zugute kommen, die während der Kindererziehung keine Erwerbstätigkeit ausüben. Zwar wird die Berücksichtigungszeit formal bei Arbeitnehmern ebenfalls anerkannt, dies führt jedoch nicht zu einer Besserstellung, weil Arbeitnehmer die fragliche Zeit ohnehin mit Pflichtbeitragszeiten belegen. Ein Selbstständiger dagegen würde für die Zeit der Kindererziehung keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen. Er wäre daher gegenüber einem Arbeitnehmer begünstigt, wenn bei ihm die Zeit angerechnet würde, weil er nicht beitragspflichtig war.

Bei der Anrechnung rentenrechtlicher Zeiten auf die Wartezeit für eine Altersrente ist zu berücksichtigen, dass Kalendermonate parallel mit mehreren rentenrechtlichen Zeiten belegt sein können. Dies gilt z.B. für die Zeit des ersten bzw. der ersten drei Lebensjahre eines Kindes. Diese Zeit ist zugleich eine Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung nach § 56 und eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach § 57 SGB VI. Für die Wartezeit sind die betroffenen Monate jedoch lediglich einmal zu berücksichtigen. Auf die Wartezeit sind nämlich nicht die rentenrechtlichen Zeiten in ihrer Summe anzurechnen, sondern nur die "Kalendermonate", die - einfach oder mehrfach - mit rentenrechtlichen Zeiten belegt sind.

b) Bei dem Kläger liegen nicht die erforderlichen 420 Monate mit rentenrechtlichen Zeiten vor, sondern nur 331 Monate. Dies gilt auch dann, wenn die Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten für die Kindererziehung dem Kläger zugeordnet werden, weil er sie überwiegend erzogen hat (eine Zustimmung der Ehefrau zu dieser Zuordnung fehlt).

aa) Nach dem Versicherungsverlauf vom 26. November 2008 verfügt der Kläger über vier Monate mit Anrechnungszeiten, nämlich die Zeit seiner Schulausbildung nach dem 17. Geburtstag vom 11. Dezember 1961 bis zum 31. März 1962 mit der anschließenden Überbrückungszeit bis zum 08. April 1962, sodann 196 Monate mit Pflichtbeitragszeiten für eine berufliche Ausbildung, für abhängige Beschäftigungen, für Wehrdienst bzw. Zivildienst und für Kindererziehung bis zum 31. Oktober 1978. Bereits in diesem Zeitraum waren manche der Zeiten doppelt belegt, nämlich gleichzeitig mit Pflichtbeitragszeiten aus einer abhängigen Beschäftigung und für Kindererziehung. Es schlossen sich sodann vom 01. August 1978 bis zum 31. Oktober 1980 weitere 16 Monate mit Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung an. Es handelte sich um die restlichen zwei Monate Kindererziehungszeit für das am 20. November 1977 geborene zweite und die vollen zwölf Monate Kindererziehungszeit für das am 14. Oktober 1979 geborene dritte Kind des Klägers. Es schließen sich sodann 24 Monate mit freiwilligen Beiträgen bis zum 31. Dezember 1985 an. Danach folgt eine Lücke Vom 01. Dezember 1992 bis zum 30. November 1996 sind dann weitere 36 Monate mit Pflichtbeiträgen für Kindererziehung belegt, und zwar für das am 26. November 1993 geborene vierte Kind des Klägers. Für dieses Kind waren bereits 36 Monate mit Kindererziehungszeiten anzurechnen, da es nach 1991 geboren war. Zu diesen insgesamt 272 Monaten mit Pflichtbeiträgen kamen weitere 19 Monate Pflichtbeitragszeiten vom 30. Dezember 2003 bis zum 27. Juni 2005. Es ergeben sich 291 Monate mit Beitragszeiten.

bb) Zu diesen zusammen 295 Monaten Anrechnungs- und Beitragszeiten können auf die Wartezeit lediglich weitere 36 Monate mit Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung angerechnet werden.

Insgesamt sind bei dem Kläger 153 Monate mit Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehungszeiten vorhanden. Dies sind zunächst die 69 Monate nach der Geburt des ersten Kindes im März 1973 bis zum 30. November 1978. Für die Zeit danach liegt für das erste Kind keine Berücksichtigungszeit mehr vor, weil der Kläger ab dem Jahre 1978 seine selbstständige Tätigkeit aufgenommen hatte. Auch wenn dies bereits im Laufe des Jahres 1978 geschehen sein sollte (nach Angaben des Klägers in der Berufungsschrift im März 1978), so konnten die Monate Januar bis November 1978 gleichwohl noch anerkannt werden, weil diese Monate auch mit Pflichtbeitragszeiten belegt waren, nämlich bis Oktober 1978 wegen einer abhängigen Beschäftigung und bis November 1978 wegen der Kindererziehungszeit für das zweite Kind des Klägers. Weiterhin waren Berücksichtigungszeiten wegen Erziehung des zweiten Kindes von November 1979 bis Oktober 1980 (zwölf Monate) anzurechnen. Auch hier übte der Kläger zwar seine selbstständige Tätigkeit weiter aus, das genannte Jahr war aber gleichzeitig mit Pflichtbeiträgen wegen Kindererziehung belegt. Das gleiche gilt für die 36 Monate vom 01. Dezember 1993 bis zum 30. November 1996 für das vierte Kind. Schließlich liegen nochmals 36 Monate Berücksichtigungszeit für die Erziehung des vierten Kindes vor, nämlich vom 01. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2000. Auch in dieser Zeit übte der Kläger zwar eine selbstständige Tätigkeit aus, diese war jedoch nur als geringfügig einzustufen, denn aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden ergibt sich, dass der Kläger in diesen Jahren keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze hatte. Dies hat die Beklagte im Laufe des Berufungsverfahrens anerkannt. Die übrigen Zeiten vor Januar 1998 und nach Dezember 2000 konnten nicht als Berücksichtigungszeiten anerkannt werden, weil der Kläger in dieser Zeit eine selbstständige Tätigkeit mit Einkünften oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze ausübte. Die Berücksichtigungszeit wegen Erziehung des vierten Kindes endete ohnehin zehn Jahre nach dessen Geburt, also im November 2003. In diesem Zeitraum hatte der Kläger auch keine weiteren Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt, sodass seine selbstständige Tätigkeit der Anrechnung nicht entgegengestanden hätte. Pflichtbeitragszeiten sind erst wieder ab Dezember 2003 verzeichnet, nämlich wegen des Bezugs von Krankengeld.

Von diesen insgesamt 153 Monaten Berücksichtigungszeiten wirken jedoch nur die letzten 36 Monate wartezeiterhöhend. Alle anderen Monate waren gleichzeitig mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt, nämlich mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder für Kindererziehung. Sie konnten daher nicht nochmals angerechnet werden. Nur die letzten 36 Monate fielen nicht zugleich mit einer anderen rentenrechtlichen Zeit zusammen.

Addiert man nun die 295 Monate mit Anrechnungs- und Beitragszeiten und die 36 Monate anrechnungsfähiger Berücksichtigungszeiten, so kommt man auf 331 Monate rentenrechtlicher Zeiten, die auf die Wartezeit des Klägers anzurechnen sind.

2. Auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, hat das BVerfG bereits entschieden, dass die Ungleichbehandlung zwischen rentenversicherten Männern und Frauen, die in der Existenz einer besonderen Altersrente für Frauen mit leichteren Zugangsvoraussetzungen liegt, keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) darstellt (BVerfGE 74, 163 ff.). Diese Entscheidung hat nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) Bindungswirkung für alle Gerichte und Behörden des Bundes und der Länder. Außerdem hat die genannte Entscheidung, da das BVerfG ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt hat, nach § 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG Gesetzeskraft. Der Senat ist daher an diese Entscheidung gebunden. Aus dem genannten Grund musste die vom Kläger aufgeworfene Frage nach der Verfassungswidrigkeit der besonderen Regelungen über eine Altersrente für Frauen auch nicht in einem Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt werden.

Im Übrigen hätte der Kläger selbst dann, wenn die Regelungen über die Altersrente für Frauen verfassungswidrig wären, keinen Anspruch darauf, selbst früher Rente zu erhalten als nach den für ihn geltenden Vorschriften. Bei einem solchen Verfassungsverstoß wäre allenfalls die Regelung über die Begünstigung von Frauen mit dem Grundgesetz unvereinbar bzw. nichtig. Der Gesetzgeber könnte diese Ungleichbehandlung jedoch auch dahin auflösen, dass er die Begünstigung der Frauen abschafft. Er wäre von Verfassungs wegen nicht dazu verpflichtet, eine entsprechende Begünstigung für Männer einzuführen.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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