L 12 AL 507/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 4343/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 507/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und eine damit verbundene Erstattungsforderung und begehrt darüber hinaus eine Weiterbewilligung zu einem früheren Zeitpunkt.

Auf Antrag des Klägers vom 17. Juni 2005 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Juli 2005 Alg ab dem 22. Juni 2005 für die Dauer von 310 Kalendertagen. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass jede Änderung in den für die Leistungsgewährung maßgeblichen Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen sei. Am 25. Juli 2005 ging der Kläger ein Beschäftigungsverhältnis bei der DIS D. I. S. AG (DIS AG) ein, ohne dies der Beklagten mitzuteilen. Der Kläger arbeitete zwischen sieben und acht Stunden täglich an drei bis fünf Tagen die Woche. Ab dem 25. August 2005 bezog er Lohnfortzahlung wegen Krankheit. Die DIS AG kündigte das Beschäftigungsverhältnis zum 8. September 2005. In der Zeit vom 9. bis 11. September 2005 bezog der Kläger Krankengeld von der T. Krankenkasse.

Aufgrund einer Überschneidungsmitteilung erhielt die Beklagte von dem Beschäftigungsverhältnis Kenntnis und hob mit Bescheid vom 7. Oktober 2005 die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 25. Juli 2005 wegen Arbeitsaufnahme auf. Mit Erstattungsbescheid vom 13. Oktober 2005 setzte sie den Erstattungsbetrag für in der Zeit vom 25. Juli bis 30. September 2005 geleistetes Alg auf 1.827,54 EUR fest.

Mit seinem Widerspruch gegen diese Bescheide trug der Kläger u.a. vor, er sei vom 25. August bis 18. Oktober 2005 ununterbrochen krank gewesen, wobei wegen der Arbeitslosigkeit auf weitere Krankschreibungen verzichtet worden sei. Bei einer persönlichen Vorsprache am 19. Oktober 2005 teilte er mit, er sei bis auf weiteres krank und wurde darauf hingewiesen, dass er sich erneut melden müsse, sobald er gesund sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2005 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

Am 10. November 2005 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und erhielt mit Bewilligungsbescheid vom 21. November 2005 Leistungen ab 10. November 2005.

Am 31. Oktober 2005 hat der Kläger zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben (S 11 AL 4343/05). Mit Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Beklagte habe die Bewilligung von Alg zum 25. Juli 2005 zu Recht aufgehoben auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), da der Kläger an diesem Tag eine Beschäftigung bei der DIS AG aufgenommen habe. Dies habe er der Beklagten grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Es bestehe kein Anspruch auf Alg im Zeitraum 25. Juli bis 9. November 2005. Die Arbeitsaufnahme habe die Wirkung der Arbeitslosmeldung vom 17. Juni 2005 nach § 122 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) erlöschen lassen. Im gesamten Zeitraum fehle es daher an der Arbeitslosmeldung, so dass ein Anspruch auf Alg nach § 118 Abs. 1 SGB III zu verneinen sei. Die Vorsprache am 19. Oktober 2005 sei nicht als Arbeitslosmeldung zu werten. Nach Würdigung des Vortrags des Klägers stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger am 19. Oktober 2005 der Beklagten tatsächlich mitgeteilt habe, bis auf weiteres krank zu sein. Der Kläger habe nicht bestritten, damals angegeben zu haben, krank zu sein. Die Beklagte habe die Einlassung des Klägers so deuten müssen, als stehe er dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weshalb sie ihn auf die Notwendigkeit einer erneuten persönlichen Arbeitslosmeldung hingewiesen habe. Dabei können dahin stehen, ob die Erklärung, bis auf weiteres krank zu sein, den tatsächlichen Umständen entspreche oder lediglich eine Behauptung darstelle, da sowohl die eine wie auch die andere Alternative zum Wegfall der Verfügbarkeit führe. Auch der Erstattungsbescheid auf der Grundlage von § 50 Abs. 1 SGB X sei nicht zu beanstanden.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29. Januar 2009 Berufung eingelegt. Den hierfür gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe hat der Senat mit Beschluss vom 26. Juni 2009 abgelehnt. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 6. März 2009 die sofortige Vollziehung der Bescheide vom 7. und 13. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2005 angeordnet hinsichtlich der Aufhebung und Erstattung von Alg in Höhe von 1.827,54 EUR. Den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 26. Juni 2009 (L 12 AL 1361/09 ER) abgelehnt, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, das SG habe nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Das Verfahren sei auch nicht entscheidungsreif gewesen, da die Höhe des Alg zwischen den Beteiligten streitig sei und Vorverfahren noch nicht abgeschlossen seien. Die Meldung vom 19. Oktober 2005 sei auszulegen. Mit dem Hinweis auf die Kündigung zum 9. September 2005 ergebe sich klar eine Arbeitslosmeldung. Diese wirke mit dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ohne erneute Meldung. Es könne nicht entscheidungserheblich sein, ob sich jemand krank oder gesund arbeitslos melde. Ab dem 19. Oktober sei Alg zu gewähren. Es werde bestritten, dass der Kläger ein Merkblatt erhalten habe, außerdem werde bestritten, dass die Merkblätter der Beklagten verständlich seien. Ferner erklärt der Kläger erneut die Aufrechnung mit verschiedenen von ihm behaupteten Ansprüchen gegen die Beklagte.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 7. und 13. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2005 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld für die Zeit vom 19. Oktober bis 9. November 2005 auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts von 77,50 EUR zu gewähren,

hilfsweise, den Rechtsstreit an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers über die Berufung entscheiden, da der Kläger in der Ladung hierauf hingewiesen worden war (§ 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Für eine Terminsverlegung bestand kein Anlass. Soweit der Kläger dies mit Schreiben vom 29. Juli 2009 beantragt hat, hat er hierfür keine Gründe genannt. Im Übrigen ist dem Kläger auf seinen Antrag eigens zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auf Kosten der Staatskasse eine Bahnfahrkarte nach S. übersandt worden. Der Kläger hat sodann am Sitzungstag Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle genommen, ohne im Anschluss den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrzunehmen. Dem auf der Geschäftsstelle am Sitzungstag abgegebenen Antrag auf Terminsverlegung war ebenfalls nicht stattzugeben. Erhebliche Gründe für die gewünschte Verlegung (§§ 202 SGG, 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung) hat der Kläger nicht geltend gemacht. Sein Vorbringen, er habe erst am Terminstag unmittelbar vor dem Termin Akteneinsicht nehmen und die Berufung nicht abschließend begründen können, ist nicht zutreffend. Auf seinen Antrag wurde ihm bereits im April 2009 bei der Arbeitsagentur Pforzheim Einsicht in die Verwaltungsakten der Beklagten, die Senatsakte und die Verfahrensakte des SG gewährt. Soweit der Kläger am Sitzungstag Akteneinsicht genommen hat, war neu nur die ab diesem Zeitpunkt angefallene Senatsakte. Der hierin enthaltene Streitstoff ist dem Kläger jedoch ohnehin bekannt, denn die Akte besteht im wesentlichen aus seinen eigenen Schriftsätzen und den ihm bereits übersandten Stellungnahmen der Beklagten. Für die Vorbereitung der Berufungsverhandlung konnten sich insoweit keine neuen Aspekte ergeben.

Der Senat konnte in unveränderter Besetzung über die Berufung entscheiden. Die Ablehnungsgesuche des Klägers gegen den Vorsitzenden bzw. die übrigen Senatsmitglieder wurden mit Beschlüssen vom 20. Juli 2009 und 11. August 2009 zurückgewiesen bzw. verworfen.

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Das SG konnte durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG setzt das Einverständnis der Beteiligten mit dieser Verfahrensweise nicht voraus. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG nach § 159 Abs. 1 SGG kommt nicht in Betracht.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab Arbeitsaufnahme ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, die Verpflichtung zur Erstattung des überzahlten Alg beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X. Das SG hat zutreffend auf diese Rechtsgrundlagen abgestellt und mit überzeugender und ausführlicher Begründung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids dargelegt. Ebenso hat das SG unter korrekter Darstellung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg mit überzeugender Begründung dargelegt, warum der Kläger in der Zeit vom 19. Oktober bis 9. November 2005 keinen Anspruch auf Alg hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen weist der Senat daher die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück und verweist auf die dortigen ausführlichen und überzeugenden Ausführungen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Eine andere Beurteilung ist auch im Hinblick auf den im wesentlichen wiederholenden Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren nicht angezeigt. An der groben Fahrlässigkeit des Klägers hinsichtlich der unterlassenen Mitteilung der Arbeitsaufnahme hat der Senat keine Zweifel. Unabhängig von Merkblättern ist der Kläger selbst in dem Bewilligungsbescheid vom 8. Juli 2005 noch auf seine Mitteilungspflichten hingewiesen worden. Die Höhe der Erstattungsforderung hängt nicht davon ab, in welcher Höhe dem Kläger Alg in früheren oder späteren Zeiträumen zugestanden hat (hierzu sind teilweise noch Verfahren anhängig), sondern allein in welcher Höhe er im Zeitraum vom 25. Juli bis 30. September 2005 tatsächlich Leistungen bezogen hat.

Schließlich ergibt sich eine andere Beurteilung auch nicht im Hinblick auf die vom Kläger erklärten Aufrechnungen mit Gegenforderungen. Die teilweise schon während des Klageverfahrens S 11 AL 4343/05 gegenüber der Beklagten erklärten Aufrechnungen führen nicht dazu, dass die angefochtenen Bescheide nunmehr als rechtswidrig anzusehen wären. Für die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 25. Juli 2005 ist dies ohne weiteres ersichtlich, ebenso gilt dies für die Festsetzung der Erstattungsforderung. Der Erstattungsbescheid enthält die Festsetzung des zu erstattenden Betrags. Streitgegenstand der dagegen gerichteten Anfechtungsklage ist die Behauptung des Klägers, die Festsetzung der Erstattungsforderung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Diese Behauptung kann nicht mit einer Aufrechnungserklärung begründet werden. Die Festsetzung der Erstattungsforderung im Bescheid bildet lediglich den Rechtsgrund für die Forderung. Dieser Rechtsgrund entfällt nicht mit der Erfüllung der Forderung und damit auch nicht mit einem Erfüllungssurrogat in Form einer etwaigen Aufrechnung. Eine Aufrechnung berührt daher die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Erstattungsforderung nicht und ist folglich im Anfechtungsprozess unbeachtlich (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Juni 1983 - 8 C 43/81 - (juris)). Eine Zahlungsaufforderung, die zu einer anderen Beurteilung führen würde, ist in dem Erstattungsbescheid ausdrücklich nicht enthalten. Der Einwand, die Erstattungsforderung sei durch Aufrechnung erloschen, ist daher nicht im vorliegenden Verfahren, sondern im Vollstreckungsverfahren geltend zu machen. Insoweit wird zur Vermeidung weiteren Rechtsstreits vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Beklagte selbst die dem Kläger nach dem gerichtlichen Vergleich im Verfahren S 9 AL 2608/04 zu zahlende Nachzahlung von 682,82 EUR mit dem hier streitigen Erstattungsbetrag aufgerechnet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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