Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 312/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1841/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. März 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer.
Die am 10. Mai 1937 geborene Klägerin, die bei der beklagten Krankenversicherung versichert ist, war im Jahr 1992 als Begleitperson ihres an einer Hauterkrankung (Vitiligo) erkrankten Sohnes auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung in einer Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer/Israel. Seither hat sie mehrfach ohne Erfolg beantragt, ihr eine Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer zu gewähren.
Im Januar 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut eine Maßnahme der stationären Rehabilitation in Form einer Bade-/Rehabilitationskur am Toten Meer mit balneophysikalischen Maßnahmen und Bewegungstherapie. Rehabilitationsziel sei die Verbesserung der Gelenkfunktion sowie die Linderung der ischialgieformen Schmerzen mit sensomotorischen Störungen. Dem Antrag lag eine entsprechende Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin H. zugrunde. Nach einem Attest des Hautarztes Dipl.-Med. G.-E. hätte eine Klimaheilbehandlung voraussichtlich einen positiven Effekt auf die Hautveränderungen der Klägerin im Bereich des behaarten Kopfes und des Gesichtes im Rahmen eines dysseborrhoischen Ekzems und würde eventuell über einen längeren Zeitraum Kosten für Externa ersparen.
Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) dahingehend Stellung genommen hatte, dass ambulante wohnortnahe Maßnahmen ausreichend und zweckmäßig seien, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 15. März 2005 ab. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie darauf, dass sie mögliche Behandlungen in Deutschland u. a. wegen ihrer Herzbeschwerden nicht vertrage und legte ein entsprechendes Attest des Allgemeinarztes H. vor. Außerdem übermittelte die Klägerin ein Attest des Orthopäden Dr. G., wonach die kurmäßige Heilmaßnahme von orthopädischer Seite aus zu unterstützen sei. Der MDK blieb hingegen in drei gutachtlichen Stellungnahmen bei seiner Einschätzung und empfahl erneut zunächst ambulante wohnortnahe Behandlungsmaßnahmen zu veranlassen, u. a. eine Vorstellung beim Schmerz- und Psychotherapeuten. Hierauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2005 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, es bestehe keine medizinische Notwendigkeit für die Durchführung einer Maßnahme am Toten Meer. Die Behandlungsmöglichkeiten im Inland seien nicht ausgeschöpft.
Die Klägerin hat hiergegen am 13. Januar 2006 Klage bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, in Deutschland seien Therapien, die den klimatisch bedingten Heilverfahren am Toten Meer vergleichbar seien, nicht möglich. Die in Deutschland zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten, wie Massagen, Streckungen, Elektro-, Wärme- und Heilschlammbehandlungen, seien bei ihr aufgrund von anhaltenden Taubheitsgefühlen, Schmerzen und Kreislaufproblemen nicht durchführbar. Die medikamentöse Behandlung verschaffe ihr nur eine oberflächliche Linderung. Eine Heilbehandlung am Toten Meer im Deutschen Medizinischen Zentrum E. B. sei die allerletzte Möglichkeit zur Behandlung ihres Asthmas, des Rheumas und der Hautkrankheiten und um sie noch lange Zeit vor gesundheitsbedingter Hilflosigkeit zu bewahren.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Dipl.Med G.-E. hat ausgeführt, dass die Klägerin an einem dysseborrhoischen Ekzem am Kopf, den Nasenfalten, der Brust und im Leistenbereich leide. Die verordneten Externa hätten jeweils Erscheinungsfreiheit gebracht. Die Klägerin fühle sich durch das Ekzem psychisch stark beeinträchtigt. Ein Kuraufenthalt am Toten Meer würde erfahrungsgemäß zu einem längeren erscheinungsfreien Intervall führen, jedoch zu keiner Heilung. Das Reizklima am Meer oder im Hochgebirge hätte ebenfalls einen günstigen Einfluss. Die Frage des SG, ob eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme in einer wohnortnahen Einrichtung ausreichend wäre, hat der Hausarzt bejaht. Der Allgemeinarzt H. hat mitgeteilt, nach Angaben der Klägerin vertrage diese konservative Maßnahmen nicht bzw. diese verschafften ihr keine Linderung. Wenn eine Rehabilitation notwendig wäre, dann eine kardiologische, die auch in Deutschland durchgeführt werden könne.
Die Klägerin hat noch ein Attest von Dr. G. vorgelegt, wonach die fortschreitenden degenerativen Leiden im Bereich der Wirbelsäule und der Gelenke durch balneo-physikalische Maßnahmen und entsprechende Physiotherapien beeinflusst werden könnten.
Mit Urteil vom 25. März 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Krankenkasse könne die Kosten einer erforderlichen Behandlung im Ausland nur dann ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) und des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum (EWR) möglich sei. Dies sei nach den Mitteilungen der behandelnden Ärzte der Klägerin nicht der Fall.
Die Klägerin hat gegen das Urteil am 21. April 2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, das Verfahren in 1. Instanz sei fehlerhaft, weil die Verfahrensdauer mit mehr als drei Jahren überlang gewesen sei, was nach dem Beschluss des BSG vom 13. Dezember 2005, B 4 RA 220/04, zumindest einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention begründe. Die beantragte Kur am Toten Meer sei die einzige Maßnahme, um ihr eine lang anhaltende und nachhaltige Linderung ihrer gesundheitlichen Leiden sowie die lang anhaltende Erhaltung einer gewissen Unabhängigkeit von fremder Hilfe zu verschaffen. In Deutschland sei sie jedoch weitgehend austherapiert. Sie vertrage sämtliche in Betracht kommenden inländischen Behandlungen gesundheitlich nicht. Deswegen stehe ihr keine andere Therapie oder Behandlungsmöglichkeit im Inland zur Verfügung. § 18 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eröffne im Gegensatz zur Entscheidung des SG dem Entscheidungsträger einen erheblichen Ermessensspielraum. Zudem müssten die Regelungen des SGB V und die entsprechenden Richtlinien verfassungs- und europarechtskonform ausgelegt werden. Das bloße Befolgen der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nicht geeignet, eine sachgerechte Entscheidung zu finden. Die beantragte Kur wäre wesentlich weniger kostenintensiv als inländische Dauerbandlungen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. März 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine stationäre Klimaheilbehandlung am Toten Meer zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Sach- und Streitstand ist vom Berichterstatter des Senats mit den Beteiligten erörtert worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift (AS 36 ff der Senatsakten) Bezug genommen. Die Beteiligten sind im Erörterungstermin dazu gehört worden, dass beabsichtigt sei, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Von der weiteren Möglichkeit, sich ergänzend schriftlich zu äußern, haben sie keinen Gebrauch gemacht.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit die Klägerin auf die bisherige Verfahrensdauer und die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG im Beschluss vom 13. Dezember 2005, B 4 RA 220/04, SozR 4-1500 § 160a Nr. 11, abstellt, so wird diese Rechtsprechung mittlerweile auch vom BSG als überholt angesehen (vgl. nur BSG, Urteil vom 2. Oktober 2008, B 9 VH 1/07 R, SozR 4-3100 § 60 Nr. 4, Juris-Rn. 66; Beschluss vom 30. Juli 2009, B 1 KR 6/09 S, unveröffentlicht). Im Übrigen hat der 4. Senat des BSG für die Verfahrensdauer nicht isoliert auf die Instanzen, sondern auf das gesamte sozialgerichtliche Verfahren abgestellt. Bei Berücksichtigung der Dauer auch des Berufungsverfahrens wird die vom 4. Senat des BSG angenommene Obergrenze nicht erreicht. Im Übrigen wäre zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihre am 16. Januar 2006 erhobene Klage erstmals am 19. Oktober 2006 begründet hat. Sie hat damit zur Begründung ihrer Klage mehr Zeit benötigt als der Senat zur Entscheidung über die Berufung.
Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, § 40 SGB V umfasst die Krankenbehandlung auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.
Diese Leistungen werden aber nicht überall erbracht. Kosten für Leistungen außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der EG und des Abkommens über den EWR - also etwa in Israel - können nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann ganz oder teilweise übernommen werden, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur dort möglich ist. Nach der Rechtsprechung des BSG darf die Krankenkasse Kosten einer Auslandsbehandlung nicht übernehmen, wenn eine andere, gleich oder ähnlich erfolgversprechende Behandlung der Krankheit im Inland möglich ist. Der Vorrang kommt einer Inlandsbehandlung dabei auch dann zu, wenn das Leistungsangebot im Ausland wegen einer besonders modernen technischen Ausstattung eines Krankenhauses oder wegen des auch international herausragenden fachlichen Rufs des dortigen Arztes eine überdurchschnittliche Qualität aufweist (BSG, Urteil vom 16. Juni 1999, B 1 KR 4/98 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 4). Als Bestimmung, die eine Krankenbehandlung ausnahmsweise auch im (Nichtvertrags-)Ausland zulässt, ist die Vorschrift des § 18 Abs 1 SGB V im Gegensatz zur Ansicht der Klägerin nicht weit, sondern eng auszulegen. Sie ermöglicht es zwar, dass Versicherten bei etwaigen Versorgungsdefiziten in Deutschland eine Behandlung zuteil wird, soll aber andererseits der Gefahr des "Gesundheitstourismus" vorbeugen und hat - ausgestaltet als Ermessensleistung - im Blick, eine finanzielle Überforderung der Krankenkassen zu vermeiden (BSG, Urteil vom 17. Februar 2004, B 1 KR 5/02 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 2). Anlass für eine hiervon abweichende verfassungs- oder europarechtskonforme Auslegung hat der Senat nicht.
Hieran gemessen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Behandlung der Klägerin auch in Deutschland möglich ist. Aus den sachverständigen Zeugenaussagen und den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ist nicht ersichtlich, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinische Erkenntnisse angemessene Behandlung der Klägerin nur am Toten Meer möglich ist. Das ergibt sich hinsichtlich der Hauterkrankung zwanglos aus der Auskunft von Dipl.-Med. G.-E., der auf die Erscheinungsfreiheit aufgrund der verordneten Externa hingewiesen hat. Er hat anlässlich der Vorstellung der Klägerin keine Notwendigkeit einer Rehabilitation gesehen. Zwischenzeitliche Veränderungen der hautärztlichen Befunde sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Hinsichtlich der kardiologischen Gesundheitsbeeinträchtigungen, für die der Allgemeinarzt H. eine stationäre Maßnahme angesprochen hat, ist eine Badekur am Toten Meer schon vom Ansatz her nicht angezeigt. Auch hat der Allgemeinarzt H. ausdrücklich die Möglichkeit, die Maßnahme in Deutschland durchzuführen, bejaht. Im Hinblick auf das Asthma der Klägerin ist keine aktuelle fachärztliche Behandlung bekannt. Diese Beschwerden am Toten Meer zu behandeln, hat auch der Allgemeinarzt H. weder in seiner Verordnung noch in seiner Aussage gegenüber dem SG für notwendig erachtet.
Bei den im Vordergrund stehenden orthopädischen Gesundheitsbeeinträchtigungen sieht der Senat im Einklang mit dem MDK die inländischen Maßnahmen nicht als ausgeschöpft an. Insoweit besteht im Inland eine Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten, angefangen bei fachärztlichen Behandlungen (Neurologie, Schmerztherapie) über Heilmittel bis zu ambulanten oder stationären Rehabilitationsmaßnahmen. Demgemäß hat auch der Allgemeinarzt H. in seiner Aussage gegenüber dem SG aus Gründen der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke eine Rehabilitationsmaßnahme in Israel nicht für notwendig gehalten. Auch Dr. G. hat eine solche zwar als förderlich und hilfreich angesehen, aber selbst nicht verordnet oder sonst zu erkennen gegeben, dass diese zwingend notwendig erscheint. Dass die inländischen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, weil die Klägerin diese allesamt nicht verträgt, erschließt sich dem Senat nicht. Der Allgemeinarzt H. hat insoweit lediglich Angaben der Klägerin weitergegeben, ohne diese sich selbst zu eigen zu machen. Nach den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin hat sie in den letzten zwei bis drei Jahren keinerlei Heilmittel (Massagen etc.) in Anspruch genommen. Dass bei der Klägerin sämtliche Möglichkeiten, die in diesem Bereich zur Verfügung stehen, wegen zu erwartender Beschwerden ausscheiden, ist rein spekulativ. Eine ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Inland wurde noch niemals versucht. Diese auf Antrag der Klägerin zu prüfen, ist die Beklagte im Erörterungstermin auch grundsätzlich bereit gewesen.
Rechtlich unerheblich ist, ob die beantragte Maßnahme am Toten Meer kostengünstiger als im Inland mögliche Behandlungen ist.
Weiterer Ermittlungen von Amts wegen bedarf es nicht, da der Sachverhalt geklärt ist. Auch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ist nicht erforderlich. Der Senat lehnt daher die hierauf abzielenden Beweisanregungen der Klägerin ab. Die Behauptung der Klägerin, dass sie sämtliche in Betracht kommende inländische Behandlungen gesundheitlich nicht verträgt, ist in dieser Allgemeinheit einem Nachweis mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer.
Die am 10. Mai 1937 geborene Klägerin, die bei der beklagten Krankenversicherung versichert ist, war im Jahr 1992 als Begleitperson ihres an einer Hauterkrankung (Vitiligo) erkrankten Sohnes auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung in einer Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer/Israel. Seither hat sie mehrfach ohne Erfolg beantragt, ihr eine Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer zu gewähren.
Im Januar 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut eine Maßnahme der stationären Rehabilitation in Form einer Bade-/Rehabilitationskur am Toten Meer mit balneophysikalischen Maßnahmen und Bewegungstherapie. Rehabilitationsziel sei die Verbesserung der Gelenkfunktion sowie die Linderung der ischialgieformen Schmerzen mit sensomotorischen Störungen. Dem Antrag lag eine entsprechende Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin H. zugrunde. Nach einem Attest des Hautarztes Dipl.-Med. G.-E. hätte eine Klimaheilbehandlung voraussichtlich einen positiven Effekt auf die Hautveränderungen der Klägerin im Bereich des behaarten Kopfes und des Gesichtes im Rahmen eines dysseborrhoischen Ekzems und würde eventuell über einen längeren Zeitraum Kosten für Externa ersparen.
Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) dahingehend Stellung genommen hatte, dass ambulante wohnortnahe Maßnahmen ausreichend und zweckmäßig seien, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 15. März 2005 ab. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie darauf, dass sie mögliche Behandlungen in Deutschland u. a. wegen ihrer Herzbeschwerden nicht vertrage und legte ein entsprechendes Attest des Allgemeinarztes H. vor. Außerdem übermittelte die Klägerin ein Attest des Orthopäden Dr. G., wonach die kurmäßige Heilmaßnahme von orthopädischer Seite aus zu unterstützen sei. Der MDK blieb hingegen in drei gutachtlichen Stellungnahmen bei seiner Einschätzung und empfahl erneut zunächst ambulante wohnortnahe Behandlungsmaßnahmen zu veranlassen, u. a. eine Vorstellung beim Schmerz- und Psychotherapeuten. Hierauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2005 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, es bestehe keine medizinische Notwendigkeit für die Durchführung einer Maßnahme am Toten Meer. Die Behandlungsmöglichkeiten im Inland seien nicht ausgeschöpft.
Die Klägerin hat hiergegen am 13. Januar 2006 Klage bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, in Deutschland seien Therapien, die den klimatisch bedingten Heilverfahren am Toten Meer vergleichbar seien, nicht möglich. Die in Deutschland zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten, wie Massagen, Streckungen, Elektro-, Wärme- und Heilschlammbehandlungen, seien bei ihr aufgrund von anhaltenden Taubheitsgefühlen, Schmerzen und Kreislaufproblemen nicht durchführbar. Die medikamentöse Behandlung verschaffe ihr nur eine oberflächliche Linderung. Eine Heilbehandlung am Toten Meer im Deutschen Medizinischen Zentrum E. B. sei die allerletzte Möglichkeit zur Behandlung ihres Asthmas, des Rheumas und der Hautkrankheiten und um sie noch lange Zeit vor gesundheitsbedingter Hilflosigkeit zu bewahren.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Dipl.Med G.-E. hat ausgeführt, dass die Klägerin an einem dysseborrhoischen Ekzem am Kopf, den Nasenfalten, der Brust und im Leistenbereich leide. Die verordneten Externa hätten jeweils Erscheinungsfreiheit gebracht. Die Klägerin fühle sich durch das Ekzem psychisch stark beeinträchtigt. Ein Kuraufenthalt am Toten Meer würde erfahrungsgemäß zu einem längeren erscheinungsfreien Intervall führen, jedoch zu keiner Heilung. Das Reizklima am Meer oder im Hochgebirge hätte ebenfalls einen günstigen Einfluss. Die Frage des SG, ob eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme in einer wohnortnahen Einrichtung ausreichend wäre, hat der Hausarzt bejaht. Der Allgemeinarzt H. hat mitgeteilt, nach Angaben der Klägerin vertrage diese konservative Maßnahmen nicht bzw. diese verschafften ihr keine Linderung. Wenn eine Rehabilitation notwendig wäre, dann eine kardiologische, die auch in Deutschland durchgeführt werden könne.
Die Klägerin hat noch ein Attest von Dr. G. vorgelegt, wonach die fortschreitenden degenerativen Leiden im Bereich der Wirbelsäule und der Gelenke durch balneo-physikalische Maßnahmen und entsprechende Physiotherapien beeinflusst werden könnten.
Mit Urteil vom 25. März 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Krankenkasse könne die Kosten einer erforderlichen Behandlung im Ausland nur dann ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) und des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum (EWR) möglich sei. Dies sei nach den Mitteilungen der behandelnden Ärzte der Klägerin nicht der Fall.
Die Klägerin hat gegen das Urteil am 21. April 2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, das Verfahren in 1. Instanz sei fehlerhaft, weil die Verfahrensdauer mit mehr als drei Jahren überlang gewesen sei, was nach dem Beschluss des BSG vom 13. Dezember 2005, B 4 RA 220/04, zumindest einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention begründe. Die beantragte Kur am Toten Meer sei die einzige Maßnahme, um ihr eine lang anhaltende und nachhaltige Linderung ihrer gesundheitlichen Leiden sowie die lang anhaltende Erhaltung einer gewissen Unabhängigkeit von fremder Hilfe zu verschaffen. In Deutschland sei sie jedoch weitgehend austherapiert. Sie vertrage sämtliche in Betracht kommenden inländischen Behandlungen gesundheitlich nicht. Deswegen stehe ihr keine andere Therapie oder Behandlungsmöglichkeit im Inland zur Verfügung. § 18 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eröffne im Gegensatz zur Entscheidung des SG dem Entscheidungsträger einen erheblichen Ermessensspielraum. Zudem müssten die Regelungen des SGB V und die entsprechenden Richtlinien verfassungs- und europarechtskonform ausgelegt werden. Das bloße Befolgen der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nicht geeignet, eine sachgerechte Entscheidung zu finden. Die beantragte Kur wäre wesentlich weniger kostenintensiv als inländische Dauerbandlungen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. März 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine stationäre Klimaheilbehandlung am Toten Meer zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Sach- und Streitstand ist vom Berichterstatter des Senats mit den Beteiligten erörtert worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift (AS 36 ff der Senatsakten) Bezug genommen. Die Beteiligten sind im Erörterungstermin dazu gehört worden, dass beabsichtigt sei, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Von der weiteren Möglichkeit, sich ergänzend schriftlich zu äußern, haben sie keinen Gebrauch gemacht.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit die Klägerin auf die bisherige Verfahrensdauer und die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG im Beschluss vom 13. Dezember 2005, B 4 RA 220/04, SozR 4-1500 § 160a Nr. 11, abstellt, so wird diese Rechtsprechung mittlerweile auch vom BSG als überholt angesehen (vgl. nur BSG, Urteil vom 2. Oktober 2008, B 9 VH 1/07 R, SozR 4-3100 § 60 Nr. 4, Juris-Rn. 66; Beschluss vom 30. Juli 2009, B 1 KR 6/09 S, unveröffentlicht). Im Übrigen hat der 4. Senat des BSG für die Verfahrensdauer nicht isoliert auf die Instanzen, sondern auf das gesamte sozialgerichtliche Verfahren abgestellt. Bei Berücksichtigung der Dauer auch des Berufungsverfahrens wird die vom 4. Senat des BSG angenommene Obergrenze nicht erreicht. Im Übrigen wäre zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihre am 16. Januar 2006 erhobene Klage erstmals am 19. Oktober 2006 begründet hat. Sie hat damit zur Begründung ihrer Klage mehr Zeit benötigt als der Senat zur Entscheidung über die Berufung.
Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, § 40 SGB V umfasst die Krankenbehandlung auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.
Diese Leistungen werden aber nicht überall erbracht. Kosten für Leistungen außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der EG und des Abkommens über den EWR - also etwa in Israel - können nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann ganz oder teilweise übernommen werden, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur dort möglich ist. Nach der Rechtsprechung des BSG darf die Krankenkasse Kosten einer Auslandsbehandlung nicht übernehmen, wenn eine andere, gleich oder ähnlich erfolgversprechende Behandlung der Krankheit im Inland möglich ist. Der Vorrang kommt einer Inlandsbehandlung dabei auch dann zu, wenn das Leistungsangebot im Ausland wegen einer besonders modernen technischen Ausstattung eines Krankenhauses oder wegen des auch international herausragenden fachlichen Rufs des dortigen Arztes eine überdurchschnittliche Qualität aufweist (BSG, Urteil vom 16. Juni 1999, B 1 KR 4/98 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 4). Als Bestimmung, die eine Krankenbehandlung ausnahmsweise auch im (Nichtvertrags-)Ausland zulässt, ist die Vorschrift des § 18 Abs 1 SGB V im Gegensatz zur Ansicht der Klägerin nicht weit, sondern eng auszulegen. Sie ermöglicht es zwar, dass Versicherten bei etwaigen Versorgungsdefiziten in Deutschland eine Behandlung zuteil wird, soll aber andererseits der Gefahr des "Gesundheitstourismus" vorbeugen und hat - ausgestaltet als Ermessensleistung - im Blick, eine finanzielle Überforderung der Krankenkassen zu vermeiden (BSG, Urteil vom 17. Februar 2004, B 1 KR 5/02 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 2). Anlass für eine hiervon abweichende verfassungs- oder europarechtskonforme Auslegung hat der Senat nicht.
Hieran gemessen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Behandlung der Klägerin auch in Deutschland möglich ist. Aus den sachverständigen Zeugenaussagen und den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ist nicht ersichtlich, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinische Erkenntnisse angemessene Behandlung der Klägerin nur am Toten Meer möglich ist. Das ergibt sich hinsichtlich der Hauterkrankung zwanglos aus der Auskunft von Dipl.-Med. G.-E., der auf die Erscheinungsfreiheit aufgrund der verordneten Externa hingewiesen hat. Er hat anlässlich der Vorstellung der Klägerin keine Notwendigkeit einer Rehabilitation gesehen. Zwischenzeitliche Veränderungen der hautärztlichen Befunde sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Hinsichtlich der kardiologischen Gesundheitsbeeinträchtigungen, für die der Allgemeinarzt H. eine stationäre Maßnahme angesprochen hat, ist eine Badekur am Toten Meer schon vom Ansatz her nicht angezeigt. Auch hat der Allgemeinarzt H. ausdrücklich die Möglichkeit, die Maßnahme in Deutschland durchzuführen, bejaht. Im Hinblick auf das Asthma der Klägerin ist keine aktuelle fachärztliche Behandlung bekannt. Diese Beschwerden am Toten Meer zu behandeln, hat auch der Allgemeinarzt H. weder in seiner Verordnung noch in seiner Aussage gegenüber dem SG für notwendig erachtet.
Bei den im Vordergrund stehenden orthopädischen Gesundheitsbeeinträchtigungen sieht der Senat im Einklang mit dem MDK die inländischen Maßnahmen nicht als ausgeschöpft an. Insoweit besteht im Inland eine Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten, angefangen bei fachärztlichen Behandlungen (Neurologie, Schmerztherapie) über Heilmittel bis zu ambulanten oder stationären Rehabilitationsmaßnahmen. Demgemäß hat auch der Allgemeinarzt H. in seiner Aussage gegenüber dem SG aus Gründen der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke eine Rehabilitationsmaßnahme in Israel nicht für notwendig gehalten. Auch Dr. G. hat eine solche zwar als förderlich und hilfreich angesehen, aber selbst nicht verordnet oder sonst zu erkennen gegeben, dass diese zwingend notwendig erscheint. Dass die inländischen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, weil die Klägerin diese allesamt nicht verträgt, erschließt sich dem Senat nicht. Der Allgemeinarzt H. hat insoweit lediglich Angaben der Klägerin weitergegeben, ohne diese sich selbst zu eigen zu machen. Nach den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin hat sie in den letzten zwei bis drei Jahren keinerlei Heilmittel (Massagen etc.) in Anspruch genommen. Dass bei der Klägerin sämtliche Möglichkeiten, die in diesem Bereich zur Verfügung stehen, wegen zu erwartender Beschwerden ausscheiden, ist rein spekulativ. Eine ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Inland wurde noch niemals versucht. Diese auf Antrag der Klägerin zu prüfen, ist die Beklagte im Erörterungstermin auch grundsätzlich bereit gewesen.
Rechtlich unerheblich ist, ob die beantragte Maßnahme am Toten Meer kostengünstiger als im Inland mögliche Behandlungen ist.
Weiterer Ermittlungen von Amts wegen bedarf es nicht, da der Sachverhalt geklärt ist. Auch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ist nicht erforderlich. Der Senat lehnt daher die hierauf abzielenden Beweisanregungen der Klägerin ab. Die Behauptung der Klägerin, dass sie sämtliche in Betracht kommende inländische Behandlungen gesundheitlich nicht verträgt, ist in dieser Allgemeinheit einem Nachweis mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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