L 5 R 1882/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 596/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1882/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.03.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1954 geborene Kläger absolvierte von April 1974 bis April 1977 eine Ausbildung zum Mechaniker (Verwaltungsakte S. 51; 361). Zuletzt war er von Mai 1998 bis Oktober 2004 bei der Firma K. Sch. GmbH als Armaturenmonteur versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist der Kläger arbeitslos.

In der im Verwaltungsverfahren erhobenen Arbeitgeberauskunft der Firma K. Sch. GmbH (Verwaltungsakte S. 281) wird angegeben, der Kläger sei vom 4.5.1998 bis 31.10.2004 vollschichtig als Monteur in der Armaturenmontage beschäftigt gewesen. Vorgesetztenfunktion habe er nicht ausgeübt. Bei der verrichteten Tätigkeit handele es sich um Arbeiten, die im Allgemeinen von ungelernten Arbeitern (weniger als 3 Monate Anlernzeit) geleistet würden. Der Stundenlohn des Klägers habe 11,70 EUR betragen.

Nachdem der Kläger am 7.11.2006 erstmals erfolglos Rente wegen Erwerbsminderung beantragt hatte (Verwaltungsakte S. 107; Ablehnungsbescheid vom 26.1.2007, Verwaltungsakte S.174a), stellte er am 29.6.2007 erneut einen Rentenantrag (Verwaltungsakte S. 177).

Vom 3.1. bis 20.3.2006 hatte der Kläger eine stationäre Rehabilitationsbehandlung im Therapiezentrum M., Kraichtal, absolviert. Im Entlassungsbericht vom 20.6.2006 (Reha-Akte) sind die Diagnosen Alkoholabhängigkeit, Nikotinabhängigkeit, kombinierte Persönlichkeitsstörung, emotional-instabile und passive-aggressive Merkmale, äthyltoxische Polyneuropathie sowie Zustand nach NPP LWK 4/5 links festgehalten. Als Reparaturschlosser könne der Kläger 6 Stunden täglich und mehr arbeiten und auch mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Internisten und Sozialmediziners MDir L. vom 31.8.2007 mit Zusatzgutachten des Internisten, Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. Schn. vom 15.8.2007 (Verwaltungsakte S. 225) sowie des Orthopäden Dr. Schu. vom 16.8.2007 (Verwaltungsakte S. 245).

Dr. Schn. führte aus, der Kläger habe nach eigenen Angaben keine psychischen Beschwerden, gute Stimmung und guten Appetit; er leide allein unter körperlichen Beschwerden an Schulter und Gelenken. Leichte Haus- und Gartenarbeiten könne er noch erledigen. Der Gutachter erhob einen Tagesablauf des Klägers (aufstehen um 5:00 Uhr, Frühstück richten, Goldfische und Katze füttern, mit dem Fahrrad zum Brötchen holen, Frühstück, Rätsel lösen und Bild-Zeitung lesen, Radio hören, tagsüber Reparaturarbeiten im Haus und Gartenarbeit - im Keller eine kleine Werkstatt -, gemeinsam mit der - bereits berenteten - Ehefrau zum Einkaufen fahren, in den Zoo oder spazieren gehen im Wald, nachmittags das erste Bier, abends Fernsehen, am Wochenende auf Feste oder Besuch bei Bekannten, zu Bett zwischen 21:30 Uhr und 22:00 Uhr, guter und erholsamer Schlaf) und diagnostizierte eine fortbestehende Alkoholabhängigkeit, äthyltoxische Polyneuropathie ohne Paresen sowie eine leichte kognitive Beeinträchtigung bedingt durch den Alkoholkonsum. Eine regelmäßige nervenfachärztliche Betreuung werde nicht wahrgenommen. Hinweise auf eine signifikante Antriebsminderung oder eine Einschränkung des Durchhaltevermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gebe es nicht. Einfache Tätigkeiten ohne geistig-psychische Belastung seien (unter qualitativen Einschränkungen: Tagschicht, kein Zeitdruck oder Akkord, keine Arbeit auf Gerüsten oder Leitern bzw. mit der Voraussetzung einer hundertprozentigen Stand- und Gangsicherheit) möglich.

Dr. Schu. diagnostizierte auf orthopädischem Fachgebiet ein Lumbalsyndrom bei leichter Osteochondrose und kleinem Prolaps L4/5, Restbeschwerden an der rechten Schulter nach operativ behandelter Eckgelenkssprengung, Epicondylitis radialis an beiden Ellenbogengelenken sowie einen Teilverlust des rechten 5. Fingers. Nebenbefundlich liege eine Sensibilitätsstörung der Ellenseite des rechten Daumens nach einer 2006 erlittenen Verletzung an der Unterseite über dem Daumengrundgelenk vor. Der Kläger könne leichte und teilweise mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts überwiegend im Sitzen oder in wechselnden Körperhaltungen 6 Stunden täglich verrichten; er sei auch wegefähig.

MDir L. führte in seinem Gutachten (abschließend) aus, beim Kläger lägen Alkoholabhängigkeit mit derzeit kontrolliertem Konsum und sensibler Polyneuropathie, Restbeschwerden mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks nach Operation einer Schultereckgelenkssprengung, mäßige Bewegungseinschränkungen der Rumpfwirbelsäule bei lumbaler Osteochondrose und kleinem Vorfall L4/5, der Teilverlust des 5. Fingers rechts, ein Lungenemphysem bei Nikotinabusus, ohne nachweisbare Beeinträchtigung der Atemleistung, sowie eine Hörminderung rechts, anamnestisch Hörsturz vor einigen Wochen, ohne Beeinträchtigung der Kommunikation, vor. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Stehen und Gehen, überwiegend im Sitzen (unter qualitativen Einschränkungen: kein besonderer Zeitdruck, keine besonderen Anforderungen an Konzentrations-/Reaktionsvermögen, keine längere Wirbelsäulenzwangshaltungen, kein häufiges Bücken, Knien/Hocken, Klettern und Steigen, keine häufige Überkopfarbeit, keine erhöhte Verletzungsgefahr, keine besonderen geistigen Ansprüche) 6 Stunden täglich und mehr verrichten. Im zuletzt ausgeübten Beruf könne er nur unter 3 Stunden täglich arbeiten.

Mit Bescheid vom 17.9.2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger (u. a.) vor, wie aus seinem Arbeitszeugnis (Verwaltungsakte S. 363) hervorgehe, habe er sämtliche Tätigkeiten eines Mechanikers verrichtet und müsse als Facharbeiter eingestuft werden. Von 1977 bis 1991 habe er bei der Firma AEG als bauleitender Monteur gearbeitet. Die Beklagte habe sein gesundheitliches Leistungsvermögen fehlerhaft eingeschätzt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.1.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Leistungsvermögen des Klägers sei nicht in rentenberechtigendem Maße gemindert. Berufsschutz als Facharbeiter genieße der Kläger nicht, da er zuletzt eine Tätigkeit mit weniger als 3 Monaten Anlernzeit ausgeübt habe und sich deshalb auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müsse.

Am 8.2.2008 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und holte die Arbeitgeberauskunft der Firma K. Sch. GmbH vom 23.4.2008 ein.

Die Firma K. Sch. GmbH teilte (ergänzend zur bereits vorliegenden Arbeitgeberauskunft) mit (SG-Akte S. 23), der vom 4.5.1998 bis 31.10.2004 beschäftigte Kläger sei als Monteur in der Armaturenmontage tätig gewesen. Er habe die Tätigkeiten der Montage von Industriearmaturen, deren Prüfung und Kennzeichnung ausgeübt sowie auch Armaturen-Reparaturen vorgenommen. Eine tarifliche Vergütung sei nicht gezahlt worden. Für die Ausübung der Tätigkeit sei eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht Voraussetzung. Die in der Praxis beschäftigten Personen verfügten ebenfalls nicht über abgeschlossene Berufsausbildungen. Eine Ausbildung erleichtere die Tätigkeit sicherlich, sei jedoch nicht zwingend notwendig. Die erforderliche Anlern- und Einarbeitungszeit könne pauschal mit ca. 6 bis 12 Wochen angegeben werden und hänge von der jeweiligen Person sowie den vorkommenden und relevanten Tätigkeiten ab.

Der Chirurg Dr. J. führte unter dem 30.4.2008 (SG-Akte S. 31) aus, die von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen schlössen die vollschichtige Verrichtung einer körperlich leichten Berufstätigkeit nicht aus; dem schloss sich der HNO-Arzt Dr. H. im Bericht vom 28.5.2008 (SG-Akte S. 33) an. Dr. M. gab an, er könne die Frage nach vollschichtiger Leistungsfähigkeit nicht mit absoluter Sicherheit beantworten, halte eine Berufsausübung aber unter dem Gesichtspunkt des anzunehmenden Alkoholismus für nicht realistisch (Bericht vom 11.5.2008, SG-Akte S. 32).

Nachdem der Kläger zu einer vom Sozialgericht in Auftrag gegebenen Begutachtung durch den Neurologen und Psychiater Dr. W. nicht erschienen war (Aktenvermerk SG-Akte S. 44) wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 2.3.2009 ab. Zur Begründung führte es aus, dem Kläger stehe weder Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) noch wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) zu. Er sei in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Das gehe aus den von der Beklagten erhobenen Gutachten und den Berichten der Dres. J. und H. überzeugend hervor. Im Hinblick auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bei der Firma K. Sch. GmbH sei der Kläger den angelernten Arbeitern des unteren Bereichs zuzuordnen, da für die Tätigkeit in der Armaturenmontage eine Berufsausbildung nicht notwendig sei und die erforderliche Einarbeitungszeit lediglich etwa 6 bis 12 Wochen betrage; Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wie ein Facharbeiter entlohnt worden sei, gebe es nicht. Er müsse sich deshalb auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen.

Auf das ihm am 24.3.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.4.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er halte an der Auffassung fest, dass er wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes und der bei ihm vorliegenden Multimorbidität nicht mehr vollschichtig arbeiten könne. Das Sozialgericht hätte die eingeleitete Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, gegebenenfalls durch Beauftragung eines anderen Gutachters, zum Abschluss bringen müssen; dies möge nunmehr nachgeholt werden. Außerdem sei der Bericht des Dr. M. nicht gewürdigt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2.3.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.1.2008 zu verurteilen, ihm ab 1.6.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat weist die Berufung des Klägers gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Erwerbsminderungsrente zu gewähren; er hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Der Senat teilt die Beweiswürdigung des Sozialgerichts. Erkrankungen des orthopädischen Fachgebiets hindern den Kläger nicht daran, leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig zu verrichten. Das geht aus dem Verwaltungsgutachten des Dr. Schu. vom 16.8.2007 schlüssig und überzeugend hervor. Der behandelnde Chirurg Dr. J. hat diese Leistungseinschätzung in seinem Bericht vom 30.4.2008 bestätigt. Auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegen keine rentenberechtigenden Leistungseinschränkungen vor. Das hat Dr. Schn. im Verwaltungsgutachten vom 15.8.2007 festgestellt. Der Kläger hatte im Übrigen selbst angegeben, unter keinen psychischen Problemen zu leiden. Die Erhebung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens ist danach nicht veranlasst. Substantiierte und stichhaltige Einwendungen gegen die genannten Gutachten bzw. den Bericht des Dr. J. sind weder erhoben noch sonst ersichtlich.

Dr. M. hat im Bericht vom 11.5.2008 eine hinreichend fundierte und begründete Leistungseinschätzung nicht abgegeben, die entsprechende Frage des Sozialgerichts vielmehr letztendlich unbeantwortet gelassen und statt dessen die - nicht weiter führende - Auffassung geäußert, eine Berufstätigkeit sei unter dem Gesichtspunkt des anzunehmenden Alkoholismus des Klägers nicht realistisch. Die Alkoholkrankheit des Klägers ist indessen von den Gutachtern Dr. Schn. bzw. MDir L. berücksichtigt und gewürdigt worden; sozialmedizinisch beachtliche Leistungseinschränkungen, die einen Rentenanspruch begründen könnten, haben die Gutachter nicht festgestellt.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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