L 12 AS 3901/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 2543/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3901/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 4. August 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt K., B.-B., wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen mehrere von der Antragsgegnerin erlassene Sanktionsbescheide.

Die Antragsgegnerin bewilligte dem 1958 geborenen Antragsteller und seinem mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden 1986 geborenen Sohn mit Bescheid vom 2. April 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum April bis Juni 2009 in Höhe von 922 EUR und für Juli bis September 2009 in Höhe von 1062 EUR.

Mit Bescheid vom 12. Februar 2009 ersetzte die Antragsgegnerin eine zwischen ihr und dem Antragsteller nicht zustande gekommene Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt mit Gültigkeit für den Zeitraum 12. Februar bis 19. Mai 2009. Geregelt war u.a. die Verpflichtung des Antragstellers, vom 18. Februar bis 15. Mai 2009 an dem Trainingslager Bereich: Lager bei U. in R. teilzunehmen. Den Widerspruch des Antragstellers wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2009 zurück, wogegen sich die unter dem Aktenzeichen S 6 AS 1520/09 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) anhängige Klage richtet.

Mit Bescheid vom 18. März 2009 senkte die Antragsgegnerin die dem Antragsteller bewilligte Regelleistung für den Zeitraum April bis Juni 2009 um 30% in Höhe von 105 EUR ab, da der Antragsteller nicht an dem Trainingslager teilgenommen hatte. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag senkte sie für den gleichen Zeitraum die Leistung um 10 % in Höhe von 35 EUR ab, da der Antragsteller zu einem Meldetermin am 26. Februar 2009 nicht erschienen war. Die auf die Widersprüche erlassenen Widerspruchsbescheide vom 7. April 2009 wurden bestandskräftig.

Am 24. März 2009 ersetzte die Antragsgegnerin eine weitere Eingliederungsvereinbarung für den Zeitraum 24. März bis 19. September 2009 durch Verwaltungsakt. Vorgesehen war u.a. die Pflicht des Antragstellers zur Teilnahme an der Maßnahme "Wege in Arbeit" vom 1. April bis 30. Juni 2009 bei B. in B ... Auch der nachfolgende Widerspruchsbescheid vom 15. April 2009 wurde bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 22. April 2009 senkte die Antragsgegnerin die Regelleistung des Antragstellers für den Zeitraum Mai bis Juli 2009 wegen eines wiederholten Meldepflichtversäumnisses um 20% in Höhe von 70 EUR. Im Widerspruchsverfahren machte der Antragsteller geltend, er habe schriftlich mitgeteilt, dass er wegen anderweitiger Termine bei seinem Rechtsanwalt und seiner Krankenkasse den Termin am 9. April 2009 nicht wahrnehmen könne. Hierzu legte er eine Bescheinigung seines Rechtsanwalts vor, aus welcher sich die Verlegung eines Besprechungstermin vom 9. April 2009 15 Uhr auf den 8. April um 17.30 Uhr wegen Teilnahme des Rechtsanwalts an einer Beerdigung ergibt. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück.

Mit weiterem Bescheid vom 22. April 2009 erfolgte eine Absenkung der Regelleistung ebenfalls für den Zeitraum Mai bis Juli 2009 um 60% in Höhe von 211 EUR wegen einer fehlenden Teilnahme an der Maßnahme "Wege in Arbeit". Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 zurück.

Mit Bescheid vom 29. April 2009 ersetzte die Antragsgegnerin erneut eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt für den Zeitraum 29. April bis 28. September 2009. Vorgesehen war die Teilnahme des Antragstellers an der Maßnahme "MAUI" (Motivieren, Aktivieren, Unterrichten, Integrieren) vom 2. Juni bis 1. Dezember 2009. Im Widerspruchsverfahren machte der Antragsteller u.a. geltend, er könne nicht gleichzeitig an den Maßnahmen in Bietigheim und Rastatt teilnehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2009 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers zurück.

Gegen die Widerspruchsbescheide vom 26. Mai 2009 und 14. Mai 2009 hat der Antragsteller Klage zum SG erhoben (S 6 AS 2542/09).

Mit Bescheid vom 12. Mai 2009 senkte die Antragsgegnerin die Regelleistung für den Zeitraum Juni bis August 2009 um 10% in Höhe von 28 EUR wegen der Versäumung eines Meldetermins am 9. April 2009 ab. Gegen den nachfolgenden Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2009 hat der Antragsteller ebenfalls Klage erhoben (S 6 AS 3375/09).

Mit Bescheid vom 2. Juli 2009 erfolgte eine weitere Absenkung der Regelleistung und der Kosten der Unterkunft des Antragstellers für den Zeitraum August bis Oktober 2009 um 100% wegen fehlender Teilnahme an der Maßnahme "MAUI". Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit inzwischen bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2009 zurück.

Am 15. Juni 2009 hat sich der damals anwaltlich vertretene Antragsteller mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das SG gewendet und zunächst die Zahlung von SGB II-Leistungen für April und Mai 2009 in Höhe von 140 EUR bzw. 281 EUR sowie die Aufhebung der "Leistungskürzung durch Bescheid vom 29. April 2009 in Form des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2009" beantragt. Am 20. Juli 2009 hat er den Antrag ergänzt um Zahlung der Leistungen für August bis Oktober 2009.

Mit Beschluss vom 4. August 2009 hat das SG die Anträge abgelehnt. Es hat diese dahin ausgelegt, dass es dem Antragsteller um Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 15. Juni 2009 gehe wegen der Kürzung der Leistungen für April und Mai 2009, hinsichtlich der Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung durch Bescheid vom 29. April in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2009 sowie wegen der Leistungskürzung gemäß Bescheid vom 2. Juli 2009. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage sei nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Bei summarischer Prüfung spreche alles dafür, dass die Anfechtungsklage gegen die Bescheide vom 22. April 2009 erfolglos sein werde. Die Absenkung um 70 EUR wegen Nichterscheinen zum Meldetermin am 9. April 2009 um 11 Uhr ohne wichtigen Grund sei nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Rechtsgrundlage sei § 31 Abs. 2 SGB II. Dem Antragsteller sei bereits am 26. Februar 2009 ein Meldeversäumnis zur Last gelegt worden, so dass nach § 31 Abs. 3 Satz 3 SGB II eine Absenkung von insgesamt 20% vorzunehmen gewesen sei. Es sei auch kein wichtiger Grund für das Meldeversäumnis ersichtlich. Hinsichtlich eines kollidierenden Termins bei seiner Krankenkasse habe der Antragsteller keinen Nachweis erbracht. Den Besprechungstermin bei der Antragsgegnerin hätte der Antragsteller selbst dann wahrnehmen können, wenn der für 15 Uhr angesetzte Besprechungstermin bei dem Rechtsanwalt stattgefunden hätte. Gegen die Rechtmäßigkeit der weiteren Absenkung um 60% wegen einer wiederholten Pflichtverletzung (Teilnahme an der Maßnahme "Wege in Arbeit") spreche nicht, dass der Antragsteller gegen den Bescheid vom 24. März 2009 zur Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung Widerspruch eingelegt habe, denn dieser habe nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Die Sanktion finde ihre Rechtsgrundlage in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b i.V.m. § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II, die vorangegangene Pflichtverletzung liege in der Nichtteilnahme an der Maßnahme "Trainingscenter".

Auch die Klage gegen die Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung (Bescheid vom 29. April 2009) habe nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Rechtsgrundlage für die Ersetzung sei § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Sinn und Zweck der Regelung bestehe darin, die Eingliederungsbemühungen auch dann vorantreiben zu können, wenn sich der Leistungsempfänger weigere, daran mitzuwirken. Insoweit sei der Einwand des Antragstellers, die Eingliederungsvereinbarung dürfe nur solche Leistungen enthalten, die er beantragt oder denen er zugestimmt habe, nicht stichhaltig. Auch der weitere Einwand, der Antragsteller könne nicht an zwei Maßnahmen gleichzeitig teilnehmen sei unbeachtlich, da er nach der Sanktionierung der Weigerung zur Teilnahme an der Maßnahme "Wege in Arbeit" nicht mehr hierzu verpflichtet gewesen sei.

Auch der Bescheid vom 2. Juli 2009 erscheine rechtmäßig. Die Rechtsgrundlage für die Sanktion ergebe sich aus § 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II. Angesichts der dritten Pflichtverletzung wegen Nichtteilnahme an einer Maßnahme sei die Kürzung um 100% rechtmäßig.

Mit seiner am 26. August 2009 eingelegte Beschwerde trägt der Antragsteller vor, am 26. Februar 2009 habe er den Meldetermin wegen Migräne nicht wahrnehmen können, er habe den Fallmanager an diesem Tag telefonisch nicht erreichen können. Im Bescheid vom 29. April 2009 finde sich der Hinweis auf eine Trainingsmaßnahme nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 48 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). § 48 SGB III sei aber vom Gesetzgeber schon 2008 ersatzlos gestrichen worden, weshalb eine sich auf diese Vorschrift beziehende Festsetzung nicht rechtsgültig und damit der gesamte Verwaltungsakt nichtig sei. Nach dem eigentlich anzuwendenden § 46 Abs. 2 SGB III dürfe die Dauer von Trainingsmaßnahmen über vier maximal acht Wochen nicht hinausgehen. Es ergebe sich für den Antragsteller kein Grund, an einer Maßnahme teilzunehmen, nachdem noch nicht einmal die gültigen Paragraphen angegeben worden seien. Außerdem sei er überzeugt, dass ihm nach seinem beruflichen Werdegang die Trainingsmaßnahmen nicht helfen würden, da ihm dort nichts beigebracht werden könne, was er nicht besser schon selbst könne. Den Meldetermin am 9. April 2009 habe er Tage vorher abgesagt, es sei für ihn nicht ersichtlich, dass er trotzdem erscheinen müsse. Für das Beschwerdeverfahren beantragt der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt K ...

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere wäre im Hinblick auf die geltend gemachten Leistungen auch in der Hauptsache die Berufung zulässig, da die Berufungssumme von 750 EUR überschritten würde (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet, das SG hat die Anträge zu Recht abgelehnt.

Rechtsgrundlage für den vom Antragsteller begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist zum Einen die Bestimmung des § 86b Abs. 1 SGG, welche in Anfechtungssachen u.a. die gerichtliche Korrektur der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage regelt. Im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist der gestellte Antrag sachdienlich auszulegen (vgl. § 123 SGG) und ggf. auch umzudeuten, um dem erkennbar gewordenen Rechtsschutzziel zum Erfolg zu verhelfen (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage, Rdnr. 8). Wie das SG zutreffend erkannt hat, ist das Rechtsschutzverlangen insoweit unter die Bestimmungen des § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG zu fassen, denn durch die Sanktionsbescheide der Antragsgegnerin wird in die durch die Leistungsbewilligung vom 2. April 2009 für den Zeitraum 1. April bis 30. September 2009 erlangte Rechtsposition des Antragstellers eingegriffen. Da den Klagen des Antragstellers gegen diese Bescheide kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II; Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 39 Rdnr. 12), ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur gerichtlichen Korrektur die Regelung des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG heranzuziehen; hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Dies gilt auch für den Bescheid über die Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung vom 29. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2009, da gemäß der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung des § 39 Nr. 1 SGB II (Gesetz vom 21. Dezember 2008 - BGBl. I S. 2917) auch insoweit Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben.

Allerdings wird dem Rechtsschutzziel des Antragstellers bezüglich der für Oktober 2009 begehrten Leistung nicht hinreichend Rechnung getragen durch dessen Auslegung allein als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Denn allein durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen den Sanktionsbescheid hätte der Antragsteller noch keinen Zahlungsanspruch, da für diesen Monat noch gar keine Leistungsbewilligung vorliegt. Insoweit kommt eine einstweilige Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG in Form der Regelungsanordnung in Betracht.

1.) Die Eilentscheidung in Anfechtungssachen verlangt eine Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. April 2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B - info also 2006, 132; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 - L 8 AS 238/06 ER-B -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 9 AS 17/06 ER - (juris); Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnrn. 12 ff.). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 7. Januar 2002 - L 13 AL 3590/01 ER-B - und vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4269/02 ER-B - (beide juris)); dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon Bundessozialgericht (BSG) in BSGE 4, 151, 155; ferner Krodel, a.a.O., Rdnrn. 208 ff.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 12c). Ist der Verfahrensausgang dagegen als offen zu bezeichnen, ist darüber hinaus bei der Interessenabwägung in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfG NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.) auch die Schwere und Unabänderlichkeit des Eingriffs zu berücksichtigen, so dass - namentlich bei den der Existenzsicherung dienenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II und dem SGB XII - insoweit eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 31. März 2006 und 12. April 2006 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 205); in dieser Beziehung hat das Vollziehungsinteresse umso eher zurückzustehen, je schwerer und nachhaltiger die durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen.

Soweit der Antragsteller der Sache nach Leistungen für April 2009 in Höhe von 140 EUR beansprucht, ergibt sich eine Kürzung in dieser Höhe aus den Sanktionsbescheiden vom 18. März 2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7. April 2009. Da diese nicht angefochten wurden sondern bestandskräftig sind, ist insoweit kein Raum für die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung eines - nicht vorhandenen - Rechtsbehelfs (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 7).

Für Mai 2009 - hier geht es dem Antragsteller um die Auszahlung von 281 EUR, die im Falle der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 22. April 2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. Mai 2009 (S 6 AS 2542/09) nach der ursprünglichen Bewilligung auszuzahlen wären - führt die gebotene Interessenabwägung nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss auf Seiten 8 bis 10 Bezug und weist die Beschwerde aus den dort genannten Gründen zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist auszuführen, dass der Antragsteller keinen wichtigen Grund i.S.v. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II für sein Verhalten glaubhaft gemacht hat. Soweit es um die erstmalige Versäumung eines Meldetermins am 26. Februar 2009 geht - ungeachtet der Frage, ob die Rechtmäßigkeit der ersten Sanktion bei insoweit bestandskräftigem Bescheid im Rahmen der wiederholten Sanktion überhaupt zu prüfen ist - hat der Antragsteller jedenfalls keine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, welche eine akute Erkrankung an diesem Tag bestätigt. Auch am 9. April 2009 hatte der Antragsteller keinen wichtigen Grund, den Termin abzusagen. Tatsächlich kollidierende Termine, die eine Vorsprache um 11 Uhr unmöglich gemacht hätten, sind nicht glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der Teilnahme an den Maßnahmen ist zu ergänzen, dass diese dem Antragsteller ohne weiteres zumutbar waren unabhängig von dessen eigener Einschätzung von deren Sinnhaftigkeit. Auch aus der Dauer der vorgesehenen Maßnahme ergibt sich kein wichtiger Grund zur Ablehnung. Soweit der Antragsteller auf § 46 Abs. 2 SGB III und die dort vorgesehene zeitliche Begrenzung hinweist, sind diese Einschränkungen (vom Arbeitgeber durchgeführte Maßnahme oder Vermittlung von beruflichen Kenntnissen) hier schon inhaltlich nicht einschlägig. Auch die Tatsache, dass die Antragsgegnerin in der Begründung der Verpflichtung zur Teilnahme an der Maßnahme auf den nicht mehr existierenden § 48 SGB III Bezug genommen hat, stellt keinen wichtigen Grund dar, hieran nicht teilzunehmen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers macht die Zitierung einer unzutreffenden Rechtsgrundlage den Verwaltungsakt nicht nichtig, da die Voraussetzungen des § 40 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht erfüllt sind. Die maßgebende Rechtsgrundlage des § 16 Abs. 1 SGB II ist genannt, damit ist der in § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X geregelten Begründungspflicht Genüge getan.

Hinsichtlich der Sanktion für August bis Oktober 2009 gemäß Bescheid vom 2. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2009 kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2009 bestandskräftig geworden ist. Es gelten insoweit die zu April 2009 gemachten Ausführungen entsprechend. Eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2009 hat der Antragsteller laut telefonischer Auskunft des SG nicht erhoben. Eine solche könnte jetzt auch nicht mehr zulässig erhoben werden, da die Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG abgelaufen ist. Die genannten Bescheide sind auch nicht Gegenstand der Klage vom 15. Juni 2009 (S 6 AS 2542/09). Weder liegt ein Anwendungsfall des § 96 Abs. 1 SGG vor, noch haben der Antragsteller oder sein Prozessbevollmächtigter im Verfahren S 6 AS 2542/09 irgendeine Erklärung abgegeben, die als Klageerweiterung i.S.v. § 99 SGG diesbezüglich gewertet werden könnte. Der Schriftsatz vom 17. Juli 2009 bezieht sich inhaltlich trotz Angabe des Aktenzeichens der Klage allein auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und erweitert für dieses den Antrag. Allein die Mitteilung in einem Klageverfahren, dass bezüglich eines weiteren Bescheids Widerspruch erhoben wurde, kann nicht als (wegen fehlendem Abschluss des Vorverfahrens auch noch unzulässige) Klageerhebung angesehen werden, zumal wenn ein Rechtsanwalt tätig ist. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2009 sind keine Prozesserklärungen ersichtlich, die eine Anfechtung dieses Bescheids zum Gegenstand hätten.

Hinsichtlich der Klage gegen den Bescheid vom 29. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2009 hat die anhängige Klage ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des SG auf Seite 11 des angefochtenen Beschlusses Bezug und weist die Beschwerde insoweit aus den zutreffenden und überzeugenden Gründen des angefochtenen Beschlusses Bezug. Aus dem Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.

2.) Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Für Oktober 2009 kommt eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 42).

Für Oktober 2009 kann der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes schon deshalb keine Leistungen verlangen, weil der Absenkungsbescheid vom 2. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2009 bestandskräftig geworden ist und damit eine wirksame Absenkung der Leistung um 100% vorliegt, welche auch einer Neubewilligung für diesen Zeitraum entgegen steht. Damit ist ein Anordnungsanspruch auf Zahlung des Arbeitslosengeldes II für Oktober 2009 nicht gegeben.

Die Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren kommt nicht in Betracht.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1997, 2102, 2103). Erfolgsaussichten im dargestellten Sinn liegen hier nicht vor, insoweit wird auf die oben gemachten Ausführungen Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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