Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 439/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3976/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein zum gerichtlichen Sachverständigen ernannter Bediensteter eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (hier: Chefarzt einer Rehabilitationsklinik der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See) ist in Rechtsstreitigkeiten gegen einen anderen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (hier: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) nicht wegen dieses Dienstverhätlnisses befangen.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 10.08.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht das Befangenheitsgesuch gegen den gerichtlichen Sachverständigen Dr. O. abgelehnt.
Nach § 60 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter - für Sachverständige gilt Gleiches (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 406 ZPO) - wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn der Richter oder Sachverständige tatsächlich befangen ist, sondern schon dann, wenn ein Beteiligter bei Würdigung aller Umstände und bei vernünftigen Erwägungen Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und der objektiven Einstellung des Richters bzw. Sachverständigen zu zweifeln. Ein im Rahmen gebotener Verfahrensweise liegendes Verhalten kann keinen Ablehnungsgrund begründen.
Der Ablehnungsantrag ist nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor der Vernehmung des Sachverständigen zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach seiner Ernennung. Nach Satz 2 der Regelung ist die Ablehnung zu einem späteren Zeitpunkt nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Hier ist das Ablehnungsgesuch zulässig. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihm der geltend gemachte Ablehnungsgrund erst durch die Übersendung des schriftlichen Gutachtens bekannt geworden ist. Er hat dann innerhalb von weniger als zwei Wochen das Ablehnungsgesuch angebracht.
Zutreffend hat indessen das Sozialgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 11.12.1992, 9a RV 6/92) ausgeführt, dass eine Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen Dr. O. nicht zu befürchten ist, weil dieser nicht im Dienste der Beklagten, sondern der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See steht. Dies sieht der Senat genauso.
Auch der Senat geht - insoweit zu Gunsten des Klägers - davon aus, dass Dr. O. im Dienst der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See steht. Er ist Chefarzt der R.-Klinik, einer eigenen Rehabilitationsklinik der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See. Es bedarf insoweit keiner Ausführungen zu der Frage, ob Dr. O. in Rechtsstreitigkeiten gegen diesen Versicherungsträger als befangen anzusehen wäre. Denn im vorliegenden Verfahren richtet sich die Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg. Zu diesem Versicherungsträger steht Dr. O. in keiner derartigen Verbindung.
Nach der zitierten, zum Versorgungsrecht ergangenen Rechtsprechung des BSG rechtfertigt ein Dienstverhältnis des Sachverständigen zur beklagten Verwaltung die Besorgnis der Befangenheit. Dies soll auch dann gelten, wenn der Sachverständige im Dienst der Verwaltung eines anderen Bundeslandes steht, wenn - wie sich aus der Begründung der Entscheidung des BSG ergibt - die Verwaltungen nach außen als Einheit auftreten, weil sie das Gesetz im Auftrag des Bundes auf dessen Kosten und nach einer einheitlichen Verwaltungspraxis ausführen.
Zutreffend hat das Sozialgericht erkannt, dass eine solche Fallkonstellation hier nicht vorliegt. Der Sachverständige steht gerade nicht in den Diensten der Beklagten. Anders als in Fällen der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder mit den vom BSG im Einzelnen dargestellten Einflussmöglichkeiten zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis sind die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung organisatorisch und inhaltlich unabhängig. Von einem Auftreten "unter dem Dach Deutsche Rentenversicherung" kann entgegen der insoweit missverständlichen, vom Kläger zur Begründung seiner Beschwerde aber übernommenen Formulierung im angefochtenen Beschluss keine Rede sein. Übereinstimmend ist insoweit und für alle Rentenversicherungsträger nur der vom Gesetz vorgegebene Namensteil "Deutsche Rentenversicherung" (vgl. § 125 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -). Ein gemeinsames "Dach" ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Vielmehr werden die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung von den in § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB VI so definierten Regionalträgern, wozu die Beklagte gehört, und den Bundesträgern, wozu die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See (§ 125 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) gerechnet wird, wahrgenommen. Es handelt sich bei diesen Versicherungsträgern um eigenständige, also voneinander unabhängige Rechtsträger in Form von rechtsfähigen Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 29 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -), bei den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Versicherungsträgern sogar mit unterschiedlicher Zuordnung zum Land (so die Beklagte als landesunmittelbarer Versicherungsträger, § 144 SGB VI i.V.m. § 90 Abs. 2 SGB IV) und zum Bund (so die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See als bundesunmittelbarer Versicherungsträger, vgl. § 143 Abs. 1 SGB VI).
Gibt es aber kein "Dach der Gesetzlichen Rentenversicherung" ist der hierauf abstellenden Argumentation des Klägers der Boden entzogen. Anderes folgt auch nicht aus der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 06.10.1998, 3 B 35/98 in NVwZ 1999, 184). Dort wird ein Befangenheitsgrund selbst dann abgelehnt, wenn der Sachverständige demselben Rechtsträger wie die am Rechtsstreit beteiligte Behörde angehört. Nur dann, wenn der Sachverständige derselben Behörde angehört, wird auf Grund einer solchen Abhängigkeit die Besorgnis der Befangenheit bejaht. Umgesetzt auf den vorliegenden Fall müsste Beklagte die R.-Klinik sein, um das Befangenheitsgesuch zu rechtfertigen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens. Eine gesonderte Kostenentscheidung hat daher nicht zu ergehen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht das Befangenheitsgesuch gegen den gerichtlichen Sachverständigen Dr. O. abgelehnt.
Nach § 60 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter - für Sachverständige gilt Gleiches (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 406 ZPO) - wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn der Richter oder Sachverständige tatsächlich befangen ist, sondern schon dann, wenn ein Beteiligter bei Würdigung aller Umstände und bei vernünftigen Erwägungen Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und der objektiven Einstellung des Richters bzw. Sachverständigen zu zweifeln. Ein im Rahmen gebotener Verfahrensweise liegendes Verhalten kann keinen Ablehnungsgrund begründen.
Der Ablehnungsantrag ist nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor der Vernehmung des Sachverständigen zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach seiner Ernennung. Nach Satz 2 der Regelung ist die Ablehnung zu einem späteren Zeitpunkt nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Hier ist das Ablehnungsgesuch zulässig. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihm der geltend gemachte Ablehnungsgrund erst durch die Übersendung des schriftlichen Gutachtens bekannt geworden ist. Er hat dann innerhalb von weniger als zwei Wochen das Ablehnungsgesuch angebracht.
Zutreffend hat indessen das Sozialgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 11.12.1992, 9a RV 6/92) ausgeführt, dass eine Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen Dr. O. nicht zu befürchten ist, weil dieser nicht im Dienste der Beklagten, sondern der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See steht. Dies sieht der Senat genauso.
Auch der Senat geht - insoweit zu Gunsten des Klägers - davon aus, dass Dr. O. im Dienst der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See steht. Er ist Chefarzt der R.-Klinik, einer eigenen Rehabilitationsklinik der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See. Es bedarf insoweit keiner Ausführungen zu der Frage, ob Dr. O. in Rechtsstreitigkeiten gegen diesen Versicherungsträger als befangen anzusehen wäre. Denn im vorliegenden Verfahren richtet sich die Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg. Zu diesem Versicherungsträger steht Dr. O. in keiner derartigen Verbindung.
Nach der zitierten, zum Versorgungsrecht ergangenen Rechtsprechung des BSG rechtfertigt ein Dienstverhältnis des Sachverständigen zur beklagten Verwaltung die Besorgnis der Befangenheit. Dies soll auch dann gelten, wenn der Sachverständige im Dienst der Verwaltung eines anderen Bundeslandes steht, wenn - wie sich aus der Begründung der Entscheidung des BSG ergibt - die Verwaltungen nach außen als Einheit auftreten, weil sie das Gesetz im Auftrag des Bundes auf dessen Kosten und nach einer einheitlichen Verwaltungspraxis ausführen.
Zutreffend hat das Sozialgericht erkannt, dass eine solche Fallkonstellation hier nicht vorliegt. Der Sachverständige steht gerade nicht in den Diensten der Beklagten. Anders als in Fällen der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder mit den vom BSG im Einzelnen dargestellten Einflussmöglichkeiten zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis sind die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung organisatorisch und inhaltlich unabhängig. Von einem Auftreten "unter dem Dach Deutsche Rentenversicherung" kann entgegen der insoweit missverständlichen, vom Kläger zur Begründung seiner Beschwerde aber übernommenen Formulierung im angefochtenen Beschluss keine Rede sein. Übereinstimmend ist insoweit und für alle Rentenversicherungsträger nur der vom Gesetz vorgegebene Namensteil "Deutsche Rentenversicherung" (vgl. § 125 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -). Ein gemeinsames "Dach" ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Vielmehr werden die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung von den in § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB VI so definierten Regionalträgern, wozu die Beklagte gehört, und den Bundesträgern, wozu die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See (§ 125 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) gerechnet wird, wahrgenommen. Es handelt sich bei diesen Versicherungsträgern um eigenständige, also voneinander unabhängige Rechtsträger in Form von rechtsfähigen Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 29 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -), bei den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Versicherungsträgern sogar mit unterschiedlicher Zuordnung zum Land (so die Beklagte als landesunmittelbarer Versicherungsträger, § 144 SGB VI i.V.m. § 90 Abs. 2 SGB IV) und zum Bund (so die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See als bundesunmittelbarer Versicherungsträger, vgl. § 143 Abs. 1 SGB VI).
Gibt es aber kein "Dach der Gesetzlichen Rentenversicherung" ist der hierauf abstellenden Argumentation des Klägers der Boden entzogen. Anderes folgt auch nicht aus der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 06.10.1998, 3 B 35/98 in NVwZ 1999, 184). Dort wird ein Befangenheitsgrund selbst dann abgelehnt, wenn der Sachverständige demselben Rechtsträger wie die am Rechtsstreit beteiligte Behörde angehört. Nur dann, wenn der Sachverständige derselben Behörde angehört, wird auf Grund einer solchen Abhängigkeit die Besorgnis der Befangenheit bejaht. Umgesetzt auf den vorliegenden Fall müsste Beklagte die R.-Klinik sein, um das Befangenheitsgesuch zu rechtfertigen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens. Eine gesonderte Kostenentscheidung hat daher nicht zu ergehen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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