L 10 R 4307/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 3723/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4307/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.05.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die am 1950 geborene Klägerin hat von 1966 bis 1968 den Beruf einer Verkäuferin erlernt. Anschließend übte sie eine Bürotätigkeit aus und absolvierte von 1984 bis 1986 eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Unterbrochen durch eine Zeit der Arbeitslosigkeit war sie in diesem Beruf von 1987 bis 1990 beschäftigt. Nach einer sich anschließenden Krankheitszeit und einer Zeit der Arbeitslosigkeit war die Klägerin bis 1996 selbständig als Versicherungsagentin tätig. Hiernach absolvierte sie von Januar 1997 bis Dezember 1998 eine Ausbildung zur Industriekauffrau und war in diesem Beruf bis März 2002 beschäftigt. Seit April 2002 ist die Klägerin arbeitslos.

Im August 2002 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und machte als Gesundheitsstörungen Schmerzen in der Hals-, Lenden-, und Brustwirbelsäule, Kopfschmerzen, Depressionen, eine Kälteallergie sowie einen Tinnitus geltend. Die Beklagte veranlasste die Gutachten des Nervenarztes Dr. U. sowie des Orthopäden Dr. O. , die auf Grund ihrer Untersuchungen im September 2002 zum einen eine Somatisierungsstörung und zum anderen ein degeneratives HWS-LWS-Syndrom mit Zustand nach Nukleotomie L4/5 1991 sowie eine Chondropathie der Kniegelenke und der rechten Schulter diagnostizierten. Insgesamt erachteten sie die Klägerin für fähig, die zuletzt ausgeübten Bürotätigkeiten weiterhin zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten.

Mit Bescheid vom 05.11.2002 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, sie könne sowohl in ihrem bisherigen Beruf als auch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, verschiedene Krankheitsbilder, wie beispielsweise die Kälteurticaria, der Tinnitus, die Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits sowie die Schilddrüsenerkrankung seien unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der in der Reha-Klinik A. im Januar 1996 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme bei, holte Befundberichte bei den behandelnden Ärzten ein und veranlasste die Gutachten des HNO-Arztes Dr. K. , der einen Tinnitus aurium beidseits sowie eine geringgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit diagnostizierte, und des Hautarztes und Allergologen Dr. Ot. , der eine Kälteurticaria beschrieb. Beide Ärzte gingen übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin berufliche Tätigkeiten im bisherigen Berufsbereich zumindest sechs Stunden täglich ausüben könne. Dr. K. wollte der Klägerin Tätigkeiten überwiegend in Lärm und mit Publikumsverkehr nicht mehr zumuten und Dr. Ot. schloss Tätigkeiten unter Einfluss von kalter Zugluft aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 20.10.2003 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen die Notwendigkeit weiterer medizinischer Ermittlungen geltend gemacht.

Das SG hat den Hautarzt Dr. Sp. (Zustimmung zum Gutachten Dr. Ot. ), den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie V. (wegen Dysthymie nur unter sechs Stunden leistungsfähig), den Arzt für Orthopädie L. (Tätigkeiten im Sitzen nur unter zwei Stunden, in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden möglich), den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. (keine Leistungsfähigkeit mehr) und den Direktor der Hautklinik im S. Klinikum K. , Prof. Dr. G. (kein Kontakt zu kaltem Wasser, kalter Zugluft, kein rascher Temperaturwechsel zum Kalten zumutbar), schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Es hat ferner die Akte des Rechtsstreits S 12 SB 2748/03 zu dem Verfahren beigezogen, insbesondere die Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. Br. vom 19.01.2004 (Funktionseinschränkungen der Schultergelenke und der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen) und des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie Schm. vom 01.07.2004 (rezidivierende depressive Störung). Darüber hinaus hat das SG das auf Grund gutachterlicher Untersuchung am 21.04.2005 erstattete Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie sowie Psychotherapeutische Medizin Dr. W. eingeholt, der eine anhaltende affektive depressiv getönte Störung im Sinne einer Dysthymie sowie eine Somatisierungsstörung bei emotional instabiler Persönlichkeitsakzentuierung diagnostiziert hat. Berufliche Tätigkeiten als technische Angestellte hat er ebenso wie leichte und teilweise mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne ständige Wirbelsäulenzwangshaltung, Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit sowie ohne besondere Beanspruchung des Gehörs zumindest sechs Stunden täglich für zumutbar gehalten. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG ferner das psychosomatische Gutachten des Dr. F. , Chefarzt der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin im Krankenhaus S. , eingeholt. Dieser hat eine undifferenzierte Somatisierungsstörung, eine mittelgradige depressive Episode, einen Tinnitus aurium sowie ein Zervikobrachialsyndrom diagnostiziert und die Klägerin in ihrer körperlichen und geistigen Belastbarkeit so gravierend eingeschränkt erachtet, dass diese weder in ihrem erlernten Beruf noch in jedem anderen Beruf mehr als drei Stunden täglich tätig sein könne. Zu dieser Leistungsbeurteilung hat das SG die ergänzende Stellungnahme des Dr. W. eingeholt, der an seiner bisherigen Beurteilung festgehalten hat.

Mit Urteil vom 24.05.2006 hat das SG die Klage, im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten des Dr. W. und unter Berücksichtigung der beigezogenen Gutachten und eingeholten Auskünfte, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. F. sei vor dem Hintergrund des klar strukturierten Tagesablaufs der Klägerin, der Übernahme der Pflege des Vaters bzw. der Mutter sowie der Gründung einer Ich-AG zur Kinderbetreuung nicht überzeugend. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des der Bevollmächtigten der Klägerin am 20.07.2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Am 17.08.2006 hat die Klägerin dagegen Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Pflegetätigkeit trotz ihrer gesundheitlichen Situation aus einer familiären und moralischen Verpflichtung heraus angenommen zu haben. Hieraus resultiere der Belastungsfaktor, den Dr. F. für die vorhandene Somatisierungsstörung als ausschlaggebend erachtet habe. Die Kinderbetreuung habe sie im Übrigen in der Hoffnung übernommen, dass die Kinder sie ablenkten. Gleichwohl strenge sie diese Betreuung sehr an und sie fühle sich häufig überfordert. Diese Hintergründe habe Dr. W. nicht hinterfragt und bei seiner Beurteilung völlig außer Acht gelassen. Trotz ihres noch vorhandenen geregelten Tagesablaufs dürfe nicht übersehen werden, dass sich eine berufliche Tätigkeit, die im Rahmen eines strukturierten Arbeitsablaufs ausgeübt werde, völlig anders darstelle.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.05.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2003 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und hat zahlreiche medizinische Unterlagen vorgelegt, insbesondere den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums S. , wo die Klägerin vom 03. bis 24.07.2007 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt hat und aus der sie für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten für sechs Stunden und mehr leistungsfähig entlassen worden ist.

Der Senat hat die behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. unter dem 08.12.2006 sowie den Neurologen und Psychiater V. unter dem 15.12.2006 schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Danach führt die Klägerin seit Mai 2006 bei Dr. B. eine ambulante Psychotherapie durch, die sich stabilisierend ausgewirkt habe. Der Neurologe und Psychiater V. , bei dem die Klägerin sich im Jahr 2004 einmalig, 2005 viermal und 2006 fünfmal vorgestellt hatte, hat angegeben, keine wesentliche Verbesserung der psychischen Befindlichkeit festgestellt zu haben. Zu dem Berufungsvorbringen der Klägerin und den Auskünften der genannten Ärzte hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. W. eingeholt, der seine Leistungsbeurteilung weiterhin für zutreffend erachtet hat. Die frühere Berichterstatterin des Senats hat die Klägerin am 12.12.2007 persönlich angehört und im Anschluss hieran den Facharzt für Orthopädie Dr. Schw. , in dessen schmerztherapeutische Behandlung sich die Klägerin im November 2007 im Anschluss an ihren Umzug begeben hat, unter dem 28.01.2008 schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört (leichte Tätigkeiten seien sechs Stunden täglich zumutbar).

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten beider Rechtszüge sowie des Verfahrens S 12 SB 2748/03 hingewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 05.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, sodass ihr weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Klägerin bei Beachtung der näher aufgeführten qualitativen Einschränkungen sowohl Tätigkeiten in ihrem bisherigen Berufsbereich als auch solche des allgemeinen Arbeitsmarkts noch wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat schließt sich dieser Leistungsbeurteilung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. Danach ist die Klägerin noch in der Lage, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten mit der Möglichkeit des Haltungswechsels ohne erhöhte nervliche Belastung, ohne Exposition gegenüber Kälte und Zugluft sowie starkem Lärm zumindest sechs Stunden täglich auszuüben und sind diese Einschränkungen berücksichtigende Arbeitsplätze im Berufsbereich der Büro- und Industriekaufleute vorhanden.

Der Leistungseinschätzung des Sachverständigen Dr. F. , der vor dem Hintergrund der diagnostizierten Somatisierungsstörung und einer mittelgradigen depressiven Episode die körperliche und geistige Belastbarkeit der Klägerin so gravierend eingeschränkt gesehen hat, dass diese weder in ihrem erlernten Beruf noch in jedem anderen Beruf Tätigkeiten von mehr als drei Stunden täglich verrichten könne, vermag sich der Senat ebenso wenig wie das SG anzuschließen. Insoweit hat der Sachverständige dargelegt, durch die Somatisierungsstörung sei das Erleben der Klägerin geprägt von Gefühlen der Hilflosigkeit und Ohnmacht, die sich psychisch so gravierend auswirkten, dass die Klägerin ihre Fähigkeiten, die sie habe, nicht mehr adäquat einsetzen könne. Dadurch würden vor allem die Konzentration, die Fähigkeit zur Umstellung auf neue Situationen und die Einfühlung in andere Personen beeinträchtigt. Das im Rahmen der Depression aufgetretene resignative und unsichere Grundgefühl verhindere, dass die Klägerin Aufgaben anpacken könne. Die Schlafstörung und die chronische Müdigkeit beeinträchtigten alle geistigen Funktionen. In diesem Sinne sei die gesamte körperliche Leistungsfähigkeit reduziert, als dass nur noch wenig Vertrauen in den Körper und seine Fähigkeiten vorhanden sei. Die mangelnde Selbstfürsorge und die im Rahmen der depressiven Komponente auftretende Antriebsminderung erschwerten eine Verbesserung der körperlichen Funktion durch Pflege und Training.

Dass sich eine Somatisierungsstörung in einer schweren Ausprägung auf die körperliche und geistige Belastbarkeit so gravierend auswirken kann, dass berufliche Tätigkeiten mehr als drei Stunden täglich nicht mehr verrichtet werden können, zieht auch der Senat nicht in Zweifel. Jedoch lässt sich eine Ausprägung, wie sie der Sachverständige Dr. F. seiner Leistungsbeurteilung zu Grunde gelegt hat, bei der Klägerin gerade nicht feststellen. Denn die Lebenssituation der Klägerin, die sie im Wesentlichen übereinstimmend gegenüber den Sachverständigen Dr. W. und Dr. F. geschildert hat und die sich auch in ihrem Tagesablauf widerspiegelt, belegt derart gravierende Einschränkungen gerade nicht. So ist nicht ersichtlich, dass sich bei der Klägerin bereits ein resignatives und unsicheres Grundgefühl entwickelt hat, das sie daran hindert, Aufgaben anzupacken. Entsprechendes gilt für die angegebene Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit, die die Fähigkeit zur Umstellung auf neue Situationen und die Einfühlung in andere Personen erheblich beeinträchtigen kann. Mit einer gravierenden Einschränkung dieser Funktionen lässt sich nach Überzeugung des Senats nicht in Einklang bringen, dass die Klägerin erst wenige Monate vor der gutachtlichen Untersuchung bei Dr. F. - entsprechend ihren dortigen Schilderungen - eine "Ich-AG" mit dem Gegenstand der Kinderbetreuung gegründet hat, für die sie finanzielle Unterstützung vom Arbeitsamt erhielt. Denn dies zeigt auf, dass die Klägerin gerade nicht resignativ ist, vielmehr in Eigeninitiative versucht hat, sich ein neues berufliches Tätigkeitsfeld zu erschließen und dieses Vorhaben dann sogar so weit vorangetrieben hat, dass ihr Unterstützungsleistungen des Arbeitsamtes gewährt wurden. Dieses Vorgehen steht auch der Annahme einer mangelnden Umstellungsfähigkeit entgegen, gleichermaßen der von Dr. F. beschriebenen Einschränkung der Fähigkeit, sich in andere Personen einzufühlen. Denn gerade im Bereich der Kinderbetreuung sind solche Fähigkeiten unumgänglich und in besonderem Maße gefragt. Auch mit einer chronischen Müdigkeit sind derartige Arbeiten, die die Klägerin zu einem Zeitpunkt aufgenommen hatte, zu dem sie neben ihrem eigenen Haushalt noch die Pflege und Versorgung der im selben Haus wohnenden Mutter durchführte, nur schwer in Einklang zu bringen. Im Hinblick auf die Betreuung ihrer Mutter hat die Klägerin angegeben, für diese das Waschen und Putzen vollständig übernehmen zu müssen, außerdem vollständig deren anfallende Verwaltungsarbeiten zu erledigen und sämtliche Fahrten zu Ärzten durchführen zu müssen, wobei sie dreimal wöchentlich zur Lymphdrainage begleitet werden müsse. Auch die von dem Sachverständigen Dr. F. angenommene mangelnde Selbstfürsorge der Klägerin, die im Hinblick auf die vorliegende Antriebsminderung eine Verbesserung der körperlichen Funktion der Klägerin durch Pflege und Training erschwere, vermag der Senat vor dem Hintergrund ihrer eigenen Schilderungen gegenüber dem Sachverständigen Ende 2005 nicht zu erkennen. So hat die Klägerin angeben, aufgrund ihrer Wirbelsäulen- und Schulterprobleme täglich ihre krankengymnastischen Übungen durchzuführen, zweimal wöchentlich Nordic Walking zu machen, außerdem ins Fitnessstudio zu gehen und ab und zu das Thermalbad zu besuchen. Diese zahlreichen Aktivitäten deuten weder auf eine erhebliche Antriebsminderung hin, noch bieten sie Anhaltspunkte für eine mangelnde Selbstfürsorge. Auch das SG hat seine Zweifel an der Leistungseinschätzung der Sachverständigen Dr. F. auf diese Gesichtspunkte gestützt, indem es deutlich gemacht hat, dass die Lebensgestaltung der Klägerin eine Agilität und Belastbarkeit zeigt, die eine allenfalls dreistündige berufliche Belastbarkeit nicht schlüssig nachvollziehbar erscheinen lässt. In diesem Sinne hat sich auch die Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. M. in ihrer von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme geäußert, die zusätzlich noch darauf hingewiesen hat, dass die therapeutischen Maßnahmen - wovon auch der Sachverständige Dr. F. ausgegangen ist - nicht ausgeschöpft seien und vor diesem Hintergrund ein erheblicher Leidensdruck eher nicht vorhanden sei.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, die Versorgung der Mutter aus einer familiären und moralischen Verpflichtung heraus durchzuführen und mit der Kinderbetreuung im Wesentlichen Ablenkung gesucht zu haben, rechtfertigen diese Gesichtspunkte keine andere Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Denn wie bereits dargelegt, steht der Umstand, dass die Klägerin all diese Aktivitäten, die ihr Leben prägen, tatsächlich durchführt und zu bewältigen sucht, der Annahme einer schweren, rentenrechtlich relevanten, bloß noch geringfügigen Belastbarkeit, die geprägt ist von Hilflosigkeit, mangelnder Konzentrationsfähigkeit und Antriebsminderung, entgegen. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keine Gründe, warum die Klägerin diese noch vorhandenen Fähigkeiten nicht auch im Rahmen einer leichten sechsstündigen beruflichen Tätigkeit im Bürobereich hätte einsetzen können. Darauf, dass die Klägerin möglicherweise überfordert wäre, wenn sie solche Tätigkeiten auch noch zusätzlich zu den von ihr übernommenen Aufgaben wahrgenommen hätte, kommt es für der Frage, ob die Klägerin in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit quantitativ und damit rentenrechtlich relevant gemindert ist, nicht an.

Auch die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen rechtfertigen es nicht, von einer Leistungsminderung der Klägerin in einem rentenberechtigenden Grade auszugehen. Entsprechendes kann insbesondere nicht aus der Auskunft der Dr. B. hergeleitet werden, bei der die Klägerin im Mai 2006 eine ambulante psychotherapeutische Behandlung begonnen hat. Aus dem Umstand, dass die Klägerin im Anschluss an die entsprechenden Hinweise des Sachverständigen Dr. F. und der Nervenärztin Dr. M. nunmehr eine psychotherapeutische Behandlung begonnen hat, vermag der Senat insbesondere nicht zu schließen, dass eine Verschlimmerung der Beeinträchtigungen eingetreten ist. Denn Dr. B. hat im Rahmen ihrer Auskunft als sachverständige Zeugin von Beschwerdeschilderungen der Klägerin berichtet, wie sie im Wesentlichen auch schon für die Zeit davor dokumentiert sind. Soweit diese ausgeführt hat, sie erachte es für unwahrscheinlich, dass sämtliche Beschwerden und Einschränkungen der Klägerin vollständig verschwinden und wieder eine volle psychische Belastbarkeit und damit Arbeitsfähigkeit erreichbar werde, ist darauf hinzuweisen, dass für eine Wiedereingliederung der Klägerin in den Arbeitsprozess nicht Voraussetzung ist, dass sämtliche Beschwerden und Einschränkungen vollständig verschwinden. Denn die Klägerin ist in ihrer Leistungsfähigkeit zweifellos eingeschränkt und gegenwärtig wie voraussichtlich auch zukünftig psychisch nicht voll belastbar. Jedoch kann sie Tätigkeiten, die dieser eingeschränkten Belastbarkeit Rechnung tragen, durchaus zumindest sechs Stunden täglich ausüben.

Die vom SG zu Grunde gelegte Leistungseinschätzung wird im Übrigen auch durch die Ausführungen im Entlassungsbericht des Reha-Zentrums S. , wo die Klägerin im Juli 2007 stationär behandelt worden war, bestätigt. Auch die dort behandelnden Ärzte sind im Rahmen ihrer sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung davon ausgegangen, dass der Klägerin eine zumindest leichte Tätigkeit ständig im Sitzen, Gehen oder Stehen im Umfang von sechs Stunden täglich und mehr ohne Schichtarbeit zugemutet werden kann. Die seinerzeit ausgeübte Tätigkeit als Haushaltshilfe und Tagesmutter ist nur wegen der seinerzeit vorhanden gewesenen depressiven Stimmungslage im Umfang von lediglich drei bis unter sechs Stunden für zumutbar erachtet worden. Diese Leistungsbeurteilung ist für die vorliegend in Rede stehende Erwerbsminderungsrente jedoch nicht von Belang, da eine Tätigkeit als Haushaltshilfe und Tagesmutter ohnehin kaum dem oben dargelegten Leistungsbild der Klägerin entsprechen dürfte.

Letztlich lassen sich auch aus der Auskunft des Orthopäden Dr. Schw. , bei dem die Klägerin seit ihrem Umzug nach F. in schmerztherapeutischer Behandlung steht, keine Gesichtspunkte herleiten, die auf eine Verschlimmerung ihrer Gesundheitsstörungen und damit einhergehend auf ein Herabsinken ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit auf weniger als sechs Stunden täglich hindeuten könnte. Dr. Schw. hat im Wesentlichen den von orthopädischer Seite bereits bekannten Befund beschrieben, auf die psychische Komponente der Erkrankung der Klägerin hingewiesen, durch die das Konzentrationsvermögen und die Belastbarkeit bezüglich Tätigkeiten unter Zeitdruck und mit Publikumsverkehr beeinträchtigt sei, und eine sechsstündige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten bejaht. Eine rentenrechtlich relevante quantitative Leistungsminderung vermag der Senat hieraus nicht abzuleiten. Gegen eine Verschlimmerung der Situation von psychiatrischer Seite spricht im Übrigen auch die Angabe der Klägerin im Rahmen des von der früheren Berichterstatterin durchgeführten Erörterungstermins vom 12.12.2007, wonach die Pflege der Mutter nach ihrem Umzug nunmehr von der Tochter übernommen worden sei und es ihr hierdurch besser ginge und sie sich etwas wohler fühle.

Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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