L 10 U 6079/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2462/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 6079/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26.11.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Berechnung der Verletztenrente des Klägers einen höheren Jahresarbeitsverdienst (JAV) zugrunde zu legen hat.

Der am 1940 geborene Kläger erlitt während seiner im September 1964 begonnenen Lehre zum Steinmetz am 18.02.1965 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Innen- und Außenknöchelfraktur links zuzog, und erhielt für die Zeit vom 21.06. bis 31.12.1965 eine Gesamtvergütung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) und einem JAV entsprechend dem erzielten Verdienst in Höhe von 5.067,35 DM. Ohne zeitliche Verzögerung schloss der Kläger mit Ablegung der Gesellenprüfung für das Steinmetz-Handwerk seine Lehre am 08.04.1967 ab. In der Folgezeit absolvierte er - eine während der ersten beiden Wochen nach Beginn der Lehre gefasste Absicht verwirklichend - die Meisterschule und legte am 26.03.1971 die Meisterprüfung ab. Danach besuchte er die Technikerschule, die er 1972 mit der Prüfung zum Staatlichen Steintechniker erfolgreich abschloss.

Wegen einer Verschlimmerung der Unfallfolgen bezieht der Kläger seit dem 20.01.1999 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. und auf der Grundlage des § 90 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) nach einem JAV entsprechend dem Tariflohn eines Steinmetzgesellen Stand 08.04.1967 in Höhe von 10.035,36 DM (Bescheid vom 15.11.1999 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.12.1999).

Im Zuge einer letztendlich erfolglos geltend gemachten Verschlimmerung der Unfallfolgen begehrte der Kläger auch die Zugrundelegung eines höheren JAV. Mit Urteil vom 10.02.2005 (L 6 U 4809/02) verurteilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Mannheim (SG) vom 28.10.2002 (S 11 U 2818/01), dem Kläger rückwirkend ab 20.01.1999 höhere Verletztenrente unter Zugrundelegung des JAV eines Steinmetz- und Steinbildhauermeisters zu gewähren. Maßgebend für die Berechnung des JAV sei gemäß § 90 Abs. 1 SGB VII der Arbeitsverdienst entsprechend dem Berufsziel des Klägers im Unfallzeitpunkt. Da der Kläger damals bereits die Absicht gehabt habe, als selbstständiger Steinmetz tätig zu sein, müsse der JAV nach dem Verdienst eines Meisters berechnet werden. Die Beklagte holte beim Sozialministerium Baden-Württemberg eine Tarifauskunft ein und führte mit Bescheid vom 14.04.2005 das Urteil des LSG aus, indem sie für die Berechnung der Verletzenrente ab dem 20.01.1999 den JAV entsprechend dem Tariflohn eines Steinmetzmeisters Stand 26.03.1971 mit 15.129,28 DM neu festsetzte (monatlicher Zahlbetrag zum 20.01.1999: 491,25 DM; Rentennachzahlung 598,67 EUR). Zur Feststellung der tarifvertraglichen Einzelheiten wird auf die erwähnte Tarifauskunft und die dieser Auskunft beigefügten Unterlagen Bezug genommen, hinsichtlich der zeitlich gestaffelten Zahlbeträge auf den Bescheid vom 14.04.2005. Der Widerspruch, mit dem der Kläger den JAV nach seinem letzten Verdienst errechnet haben wollte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 01.12.2005).

Am 13.12.2006 wandte sich der Kläger an die Beklagte und machte geltend, das Urteil des LSG vom 10.02.2005 sei fehlerhaft und widerspreche einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.11.2000 (B 2 U 31/99 R). Danach sei für die Rentenhöhe in den Fällen, in denen das Unfallereignis nicht zum Abbruch der Ausbildung geführt habe, sondern erst später durch Wiedererkrankung aufgrund der Unfallfolgen eine Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit eingetreten sei, auf das zuletzt erzielte Einkommen abzustellen. Demnach sei für die Berechnung seiner Rente sein zuletzt beim Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) erzieltes Einkommen von monatlich 5.400,00 DM maßgeblich. Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Antrag gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) und wies den Kläger darauf hin, dass die vorgenommene Neufeststellung des JAV entsprechend dem von ihm genannten Urteil vorgenommen worden sei, nämlich zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Da der Kläger an seiner Auffassung festhielt, dass der JAV unter Anwendung des erwähnten Urteils mit dem zuletzt erzielten Einkommen festzustellen sei, lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 26.02.2007 ab, den Bescheid vom 14.04.2005 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen. Bei Erlass dieses Bescheids sei das Recht weder unrichtig angewandt worden noch sei von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweise. Auch das vom Kläger herangezogene Urteil des BSG biete keine Grundlage für die Annahme, dass das Recht unrichtig angewandt worden sei. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag wiederholte. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Über die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid hinaus wurde insbesondere dargelegt, der vom Kläger zitierten Entscheidung des BSG könne nicht entnommen werden, dass für die Bestimmung des JAV auf den Zeitpunkt abzustellen sei, in dem auf Grund der Unfallfolgen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit eintrete. Das Gericht habe sich vielmehr mit der vom Fall des Kläger abweichenden Frage einer Neufestsetzung des JAV in Fällen befasst, in denen der Versicherte zwar von der ursprünglichen Ausbildungsplanung abweiche, sein Berufsziel aber gleichwohl erreiche.

Dagegen hat der Kläger am 13.07.2007 beim SG Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag wiederholt, wonach der Berechnung seiner Rente ein JAV von insgesamt 64.800,00 DM ab 19.01.1999 zu Grunde zu legen sei. Dem Urteil des LSG könne nicht gefolgt werden, da dies nicht dazu führe, dass seine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit entschädigt werde. Durch sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben habe er bei einem gleichzeitigem Verlust von Rentenansprüchen und dem Wegfall seiner Krankenversicherung, die für ihn nicht bezahlbar sei, von 1997 bis zum Rentenalter einen Einkommensverlust von 456.000,00 DM erlitten, der durch die Zahlungen der Beklagten nur mit weniger als 10% entschädigt werde.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.11.2007 hat das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und unter ausführlicher Darlegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Bestimmung des JAV abgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 21.12.2007 beim LSG Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen die finanziellen Folgen dargelegt, die er durch die unfallbedingt aufgetretenen Spätfolgen erlitten habe. Diese rechtfertigten die begehrte Berechnung des JAV nach dem letzten Verdienst.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26.11.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.06.2007 zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 14.04.2005 höhere Verletztenrente unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes von 64.800,00 DM zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten beider Rechtszüge sowie der Akten der früheren Rechtsstreite verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.06.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es abgelehnt hat, ihren Ausführungsbescheid vom 14.04.2005 abzuändern und die Verletztenrente des Klägers unter Zugrundelegung eines höheren JAV neu zu berechnen. Denn dieser Bescheid vom 14.04.2005 bietet keinen Anlass zur Beanstandung. Die Beklagte hat bei dessen Erlass im Sinne des § 44 SGB X das Recht nämlich weder falsch angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat.

Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden die rechtliche Grundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 14.04.2005 (§ 44 SGB X) dargelegt und das SG hat hierauf zu Recht Bezug genommen sowie mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die vom Kläger begehrte Rentenberechnung im geltenden Recht der gesetzlichen Unfallversicherung keine Stütze findet. Hierzu hat das SG umfangreiche Ausführungen gemacht, insbesondere auch zur Bestimmung des JAV. Der Senat verweist daher, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.

Es bleibt somit dabei, dass - wie der 6. Senat in seinem Urteil vom 10.02.2005 unter teilweiser Bezugnahme auf den Gerichtsbescheid des SG vom 28.10.2002 zutreffend ausgeführt hat - der JAV nach § 90 Abs. 1 SGB VII zu berechnen ist. Danach ist der JAV von dem Zeitpunkt an neu festzusetzen, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre, wenn der Versicherungsfall - wie im Fall des Klägers - während der Berufsausbildung eintritt und dies für den Versicherten günstiger ist (Satz 1) als die Regelberechnung nach dem erzielten Einkommen (vgl. §§ 82 ff. SGB VII). Zu Grunde gelegt wird nach Satz 2 der Regelung das Arbeitsentgelt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen ist. Somit ist der 6. Senat in seinem Urteil zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass das maßgebliche Entgelt nach dem vom Kläger im Zeitpunkt des Unfalls beabsichtigten und dann auch erreichten Ausbildungsziel eines Steinmetzmeisters zu bestimmen ist. Dem entsprechend legte die Beklagte das gegenüber dem damaligen Verdienst höhere tarifliche Gehalt eines Steinmetzmeisters der Berechnung des JAV und damit der Verletztenrente zu Grunde. Fehler in den Rechenvorgängen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Mehr kann der Kläger nicht verlangen. Die von ihm in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG (Urteil vom 15.06.1983, 9b/8 RU 58/81 in SozR 2200 § 573 Nr. 11; Urteil vom 07.11.2000, B 2 U 31/99 R) lassen die vom Kläger hieraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht zu und stützen somit auch das klägerische Vorbringen nicht. Vielmehr wird auch dort die Berechnung des JAV nach den oben dargestellten Grundsätzen vorgenommen. Es ist keine Rede davon, dass bei einem vorzeitigen unfallbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben der zuletzt tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst maßgebend wäre.

Der Kläger verkennt, dass die Gewährung von Verletztenrente lediglich dem Ausgleich des durch den Versicherungsfall bedingten abstrakten Schadens dient. Abstrakt bedeutet, dass anders als im Zivilrecht gerade keine konkrete Schadensberechnung durchgeführt wird, mithin nicht auf den tatsächlichen Entgeltschaden und dessen Höhe abgestellt wird. Maßgeblich ist vielmehr allein der abstrakt bemessene Verlust von Erwerbsmöglichkeiten aufgrund des verbliebenen Gesundheitsschadens, der als MdE bezeichnet wird. Die Rente wird dann entsprechend der MdE als Prozentsatz der Vollrente gewährt, deren Berechnung ein JAV zu Grunde gelegt wird, der sich - wie bereits erwähnt - gemäß § 82 SGB VII grundsätzlich nach dem Arbeitseinkommen des Versicherten in den letzten zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, bestimmt. Nach keiner Vorschrift kommt dem am Ende des Berufslebens erzielten Entgelt für die Rentenberechnung Bedeutung zu.

Da die Berufung des Klägers nach alledem somit keinen Erfolg haben kann, ist diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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