L 6 VJ 767/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 VJ 3237/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VJ 767/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen 28.1.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Versorgungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen eines Impfschadens.

Der im Jahre 1939 geborene Kläger wurde am 31.10.2001 entsprechend der Empfehlungen der ständigen Impfkommission am R.-K.-Institut mit inaktiviertem Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff (Pneumopur, Chiron-Behring) geimpft. Ab November 2002 begab er sich wegen Reizhustens und einer Stirnhöhlenentzündung in ärztliche Behandlung. Im Rahmen der daraufhin durchgeführten Untersuchungen gab der Kläger nach den Arztberichten von Dr. K. vom 03.12.2002 und von Prof. Dr. D. vom 22.12.2002 am 29.11.2002 in der radiologischen Praxis Dr. O./Dr. Z. und am 11.12.2002 in der Klinik Sch. an, sein Reizhusten bestehe seit etwa zwei Monaten. Zytologisch wurde die Verdachtsdiagnose einer lymphozytischen Alveolitis gestellt. Bei der Untersuchung durch den Lungenfacharzt Dr. E. im November 2002 lag die Lungenfunktion im unteren Normbereich, im Dezember 2004 ließen sich relevante Einschränkungen nicht mehr feststellen.

Am 18.09.2006 beantragte der Kläger die Gewährung von Versorgungsleistungen nach § 60 IfSG. Zur Begründung legte er ein unter dem 15.07.2005 gefertigtes Privatgutachten von Dr. H. vor. Darin heißt es, der Kläger habe sich bis zur Pneumokokkenimpfung gesund gefühlt. Eine routinemäßige Röntgenuntersuchung des Thorax in 2 Ebenen vom 02.08.2000 habe einen im wesentlichen altersentsprechenden Herz- und Lungenbefund bescheinigt. Wenige Tage nach der Impfung sei dann erstmalig ein Reizhusten aufgetreten, der sich nicht verbessert, sondern einen chronischen Charakter angenommen habe. Im Frühsommer 2002 sei dann eine deutliche Verschlechterung eingetreten. Bei der in der Folgezeit festgestellten lymphozytischen Alveolitis handle es sich um die einzige gesicherte Diagnose, die die Beschwerden des Klägers erkläre. Zwar zähle eine lymphozytische Alveolitis bislang nicht zum bekannten Spektrum der unerwünschten Wirkungen der Pneumokokkenimpfung. Indes seien immunologisch vermittelte Nervenschäden der Pneumokokkenimpfung in Einzelfällen beschrieben worden. Nachdem die lymphozytische Alveolitis einen allergisch-entzündlichen Hintergrund habe und andere Auslöser anamnestisch nicht hätten gefunden werden können, sei sie aufgrund des sehr engen zeitlichen Zusammenhanges mit großer Wahrscheinlichkeit durch die Impfung ausgelöst worden.

Im Zuge der daraufhin eingeleiteten Ermittlungen teilte die Ehefrau des Klägers auf Anfrage des Landratsamts R. u. a. mit, der Kläger habe nach dem 31.10.2001 einen leichten Reizhusten bekommen. Dieser habe sich Anfang Sommer 2002 wesentlich verstärkt. Ab Oktober 2002 sei eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten. Der Kläger selbst gab an, er habe sich bis 2002 mit Naturheilmitteln selbst behandelt. In dem von ihm vorgelegten Arztbrief von Dr. E. vom 02.12.2002 ist eine vom Kläger anamnestisch angegebene Wellensittichhaltung aufgeführt

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 10.04.2007 heißt es, ein Impfschaden sei nicht nachgewiesen. Unter Berücksichtigung der Angaben vom November/Dezember 2002 zum nur wenige Monate zurückliegenden Beginn des Reizhustens sei ein enger zeitlicher Zusammenhang zur Impfung nicht erkennbar. Darüber hinaus bedürfe es für einen eindeutigen Beweis der lymphozytischen Alveolitis eines histologischen Nachweises, der jedoch fehle. Schließlich könne eine exogen allergische Alveolitis u. a. auch durch Inhalation organischer Stäube bei Wellensittichhaltung auftreten (Vogelhalterlunge).

Mit Bescheid vom 15.05.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine lymphozytische Alveolitis sei nicht nachgewiesen. Gleiches gelte für einen alsbald nach der Impfung aufgetretenen Reizhusten als möglichen Impfchaden. Darüber hinaus liege auch ein wahrscheinlicher Kausalzusammenhang nicht vor.

Der Kläger erhob Widerspruch, zu dessen Begründung er vortrug, der Reizhusten sei kurze Zeit nach der Impfung aufgetreten. Diesen habe er zunächst für ein nervöses Hüsteln gehalten. Erst nach ca. zwei Monaten sei klar geworden, dass es sich hierbei um etwas Ernsteres gehandelt habe. Seine Angabe gegenüber Dr. E., der Husten sei erst Ende 2002 eingetreten, sei ein Missverständnis. Darüber hinaus sei die lymphozytische Alveolitis nachgewiesen und liege der erforderliche Kausalzusammenhang mit Wahrscheinlichkeit vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2007 wies das Regierungspräsidium St. den Widerspruch im wesentlichen aus den Gründen der Ausgangsentscheidung zurück.

Am 15.08.2007 erhob der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen Klage.

In der vom Sozialgericht eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des den Kläger vom Januar bis Dezember 2002 behandelnden Allgemeinmediziners Dr. R. vom 24.09.2008 sind Vorstellungen des Klägers wegen Heiserkeit bzw. Reizhustens erstmals für November 2002 aufgeführt. Der Arzt für Allgemeinmedizin Sch. gab an, er habe den Kläger in der Zeit von November 2001 bis Dezember 2002 nicht behandelt.

Der Kläger legte daraufhin allgemeine Informationen zu Impfschäden vor. In der vom Beklagten eingereichten Stellungnahme des Versorgungsarztes D. ist ausgeführt, die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Impfung und der lymphozytischen Alveolitis sei nicht wahrscheinlich, da die Erkrankung auch nach den Ausführungen von Dr. H. nicht zum bekannten Spektrum unerwünschter Wirkungen der Pneumokokkenimpfung zähle und mit dem Halten von Wellensittichen eine Allergenexposition vorliege, die grundsätzlich geeignet sei, eine allergische Alveolitis auszulösen. Darüber hinaus liege bei einer Behandlung mit Naturheilmitteln potentiell eine weitere Allergenexposition vor (z. B. Blüten, Pollen, Blätterstaub).

Mit Urteil vom 28.01.2009 wies das Sozialgericht die Klage aus den Gründen der angegriffenen Bescheide ab. Ergänzend ist ausgeführt, im Falle des Klägers sei zum einen kein Impfschaden, also kein über die übliche Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden, nachgewiesen. Zum anderen könne ein wahrscheinlicher Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und der vom Kläger auf die Impfung zurückgeführten Gesundheitsstörung nicht angenommen werden. Bei der lymphozytischen Alveolitis handle es sich bislang lediglich um eine Verdachtsdiagnose, die nicht durch eine histologische Untersuchung verifiziert sei. Darüber hinaus zähle die besagte Erkrankung, auch von Dr. H. bestätigt, bislang nicht zum bekannten Spektrum der unerwünschten Wirkungen einer Pneumokokkenimpfung. Vielmehr werde eine exogen allergische Aleovitis durch Inhalation organischer Stäube ausgelöst. Damit bestehe beim Kläger mit dem Halten von Wellensittichen sowie der Selbstbehandlung mit Naturheilmitteln eine mögliche anderweitige Allergenexposition. Am 17.02.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen auf das im Verwaltungsverfahren vorgelegte Gutachten von Dr. H. sowie die Angabe seiner Ehefrau zum Zeitpunkt des Auftretens gesundheitlicher Beschwerden berufen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28.01.2009 sowie den Bescheid vom 15.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die angegriffenen Entscheidungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten und die gleichfalls beigezogenen Akten des Sozialgerichts Stuttgart verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 1, 61 i. V. m. § 2 Nr. 11 IfSG für die Gewährung von Beschädigtenversorgung hat der Beklagte im Ausgangsbescheid vom 15.05.2007 zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG). Dass und weshalb die gem. § 61 Satz 1 IfSG für die Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung i. S. des 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erforderliche Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges nicht vorliegt, weil die lymphozytische Alveolitis bislang nicht zum bekannten Spektrum der unerwünschten Wirkungen einer Pneumokokkenimpfung und zudem beim Kläger mit dem Halten von Wellensittichen sowie der Selbstbehandlung mit Naturheilmitteln eine anderweitige Allergenexposition möglich ist, hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil ausführlich und ebenfalls zutreffend ausgeführt, so dass der Senat zur weiteren Begründung auf diese Ausführungen verweist (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die von Dr. H. im Gutachten vom 15.07.2005 vorgenommene Abschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen der Impfung der von ihm angenommenen lymphozytischen Alveolitis auch den Senat nicht zu überzeugen vermag. Denn seine Einschätzung, ein Ursachenzusammenhang sei trotz der nach seinen Ausführungen sehr seltenen allergischen Reaktionen auf eine Pneumokokkenimpfung plausibel (S. 11), sowie darüber hinaus auch angesichts des Umstandes, dass eine lymphozytische Alveolitis bislang nicht zum bekannten Spektrum der unerwünschten Wirkungen einer Pneumokokkenimpfung zählt, nicht auszuschließen (S. 12), schließlich aber wegen des von ihm angenommenen sehr engen zeitlichen Zusammenhangs mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen (S. 13) ist allenfalls dann schlüssig, wenn man seine weiteren Ausführungen, er habe andere Auslöser einer allergischen Aleovitis anamnestisch nicht gefunden (S. 13) in die Einschätzung einbezieht. Nachdem mit der Haltung von Wellensittichen allerdings eine derartige andere Allergenexposition vorlag, lässt sich der Einschätzung von Dr. H. nicht folgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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