L 4 P 3390/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 3830/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3390/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Pflegegeld.

Die Klägerin ist am 1935 geboren und im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung Mitglied der Beklagten. Bei der Klägerin bestehen eine chronische Herzinsuffizienz, ein Bluthochdruck, ein tablettengeführter Diabetes mellitus, eine medikamentös behandelte Depression, starke Rückenschmerzen bei Osteochondrose am Wirbelsäulensegment L 4/5 mit Protrusion und Spondylarthrose, Übergewicht (118 kg bei einer Körpergröße von 166 cm) sowie eine Tröpfcheninkontinenz bei Blasenschwäche. Bei ihr ist das Merkzeichen G sowie seit 07. Oktober 2002 ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 und seit 17. September 2008 ein GdB von 80 festgestellt. Die Klägerin beantragte am 23. Mai 2008 Pflegegeld. Sie gab an, sie benötige Hilfe beim Waschen, Baden, Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen und Stehen sowie täglich Hilfe beim Waschen, Treppensteigen in der Wohnung, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Hinzu komme Hilfebedarf beim Einkaufen, Kochen, Geschirrspülen, Wechseln und Waschen der Kleidung und Reinigen der Wohnung. Im Auftrag der Beklagten begutachtete die Pflegefachkraft Z. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) die Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung. In ihrem Gutachten vom 17. Juli 2008 stellte die Gutachterin fest, dass die Klägerin frei gehen und stehen sowie mit viel Anstrengung und Pausen Treppen steigen könne. Die Feinmotorik der Hände sei leicht eingeschränkt. Das Gutachten beschrieb einen Bedarf an Hilfe bei der Grundpflege von zwölf Minuten am Tag (fünf Minuten bei der Ganzkörperwäsche und zwei Minuten beim Duschen sowie drei Minuten beim An- und zwei Minuten beim Entkleiden, jeweils einschließlich der Kompressionsstrümpfe). Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 22. Juli 2008 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch und legte verschiedene ärztliche Atteste vor. Die Beklagte erhob das nach Aktenlage erstellte Gutachten der Dr. B. vom MDK vom 25. August 2008, das einen Grundpflegebedarf von 25 Minuten (15 Minuten bei der Körperpflege und zehn Minuten bei der Mobilität) täglich annahm. Daraufhin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2008 zurück.

Die Klägerin erhob am 24. November 2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Sie verwies auf die der Beklagten vorgelegten Atteste und trug ergänzend vor, sie habe sich am 05. September 2008 den linken Ellenbogen (erneut) gebrochen und sei dringend auf Hilfe angewiesen.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG vernahm die behandelnden Ärzte der Klägerin, Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. M., Orthopäde Dr. L. und Internist Dr. Br., schriftlich als sachverständige Zeugen. Wegen des Ergebnisses dieser Vernehmungen wird auf die schriftlichen Aussagen vom 04., 12. und 15. Januar 2009 verwiesen. Danach ließ das SG die Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung von der Sachverständigen G.-Ge. begutachten. Die Sachverständige stellte in ihrem Gutachten vom 20. März 2009 fest, die Klägerin benötige bei der Grundpflege 26 Minuten und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten täglich Hilfe. Im Einzelnen seien täglich Teilübernahmen von zehn Minuten bei der Ganzkörperwäsche (fünfmal pro Woche), sechs Minuten bei der Teilwäsche Unterkörper (siebenmal pro Woche) und drei Minuten beim Baden (zweimal pro Woche) sowie von vier Minuten beim Ankleiden (siebenmal pro Woche), zwei Minuten beim Entkleiden (siebenmal) und eine Minute beim Stehen (zweimal wöchentlich je zweimal beim Baden) vonnöten. Weiterer Grundpflegebedarf bestehe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung und beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, allerdings nur während depressiver Phasen, bei denen die Klägerin unter Umständen Tage lang nicht aufstehe. Diese Phasen träten jedoch nur zeitweise auf, so dass keine Minutenwerte zu nennen seien. Den größten Hilfebedarf habe die Klägerin bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. Wegen der Feststellungen und Schlussfolgerungen der Sachverständigen im Einzelnen wird auf das Gutachten verwiesen. In Reaktion auf das Gutachten trug die Klägerin schriftlich vor, die von der Sachverständigen angenommenen Zeitwerte seien zu gering. Auch bestehe zusätzlicher Hilfebedarf bei der Zahnpflege von tagesdurchschnittlich zweimal je sechs Minuten, beim Kämmen von acht Minuten sowie beim täglich viermaligen Wechseln der Vorlagen einschließlich Teilwäsche des Unterkörpers von je vier Minuten.

Mit Urteil vom 24. Juni 2009 wies das SG die Klage ab. Bei der Klägerin bestehe "allenfalls" ein Grundpflegebedarf von 41 Minuten kalendertäglich. Auszugehen sei von der Einschätzung der Sachverständigen G.-Ge., die den Grundpflegebedarf auf 26 Minuten geschätzt habe. Unterstelle man das Vorbringen der Klägerin zur Hilfe beim Wechseln der Vorlagen und der Unterkörperwäsche als richtig, so sei der Bedarf um zehn Minuten zu erhöhen, denn sechs Minuten habe insoweit bereits die Sachverständige berücksichtigt. Hinzu kämen weitere fünf Minuten für das An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe. Zwar trage die Klägerin solche Strümpfe zurzeit nicht, jedoch sei ihre Verwendung notwendig, wie bereits das Gutachten des MDK vom 17. Juli 2008 aufgezeigt habe. Hilfe beim Kämmen und bei der Zahnpflege benötige die Klägerin nicht. Dies habe sie in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage eingeräumt. Auch aus medizinischer Sicht sei nicht anzunehmen, dass sie diese Verrichtungen nicht selbstständig verrichten könne. Weiterhin habe sie in ihrem Pflegeantrag vom 03. Juni 2008 angegeben, in diesen Bereichen keine Hilfe zu benötigen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 21. Juli 2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, ein Grundpflegebedarf von 46 Minuten ergebe sich aus den (vorgelegten) Attesten der behandelnden Ärzte. Die von der Sachverständigen angegebenen Zeitwerte seien sehr knapp berechnet. Sie legt hierzu unter anderem Atteste der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Wü. vom 08. Juli 2009 (der Zeitbedarf einer Pflegekraft beim Baden der Klägerin betrage jetzt zweimal zehn Minuten wöchentlich) und vom 10. September 2009 (der Grundpflegebedarf habe sich um acht Minuten erhöht, betrage jetzt also 49 Minuten täglich, nämlich fünf Minuten statt einer Minute für den Transfer in die und aus der Badewanne, sechs Minuten statt vier Minuten für das An- und vier statt zwei Minuten für das Entkleiden) vor.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 22. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2008 zu verurteilen, ihr ab dem 01. Mai 2008 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des SG und ihre Entscheidungen.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten unter dem 27. August 2009 darauf hingewiesen, dass der Senat durch Beschluss entscheiden wolle, und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14. September 2009 gegeben. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 10. und vom 12. September 2009, beim LSG eingegangen am 18. bzw. 16. September 2009, dieser Verfahrensweise ohne inhaltliche Begründung widersprochen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Dass ihr die Klägerin widersprochen hat, hindert nicht eine Entscheidung durch Beschluss. Sie setzt nicht die Zustimmung der Beteiligten voraus. Die Klägerin hat auch keine Gründe vorgetragen, die dieser Verfahrensweise inhaltlich entgegenstehen könnten.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das SG ihre Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2008 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu.

1. Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) anstelle der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XI ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Der Anspruch setzt voraus, dass der Antragsteller pflegebedürftig im Sinne einer dieser Pflegestufen ist.

Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.

Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Für die Ermittlung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen kommt es zudem allein auf den Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI aufgeführten Verrichtungen der Grundpflege an. Der Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI ist abschließend; sonstige dort nicht genannte Tätigkeiten können keine Berücksichtigung finden. Die Zeitkorridore, die die auf der Ermächtigung des § 17 SGB XI beruhenden Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) vom 21. März 1997 in der Fassung vom 11. Mai 2006 enthalten, können für die dem Normalfall entsprechenden Pflegemaßnahmen als "Orientierungswerte" zur Pflegezeitbemessung dienen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 15). Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft.

2. Die Klägerin ist nicht pflegebedürftig. Bei ihr liegt kein relevanter Grundpflegebedarf von mindestens 46 Minuten kalendertäglich vor. Dies ergibt sich insbesondere aus dem vom SG eingeholten Gutachten der Sachverständigen G.-Ge. vom 20. März 2009, das auch der Senat seiner Entscheidung zu Grunde legt.

a) Die Klägerin leidet an einer chronischen Herzinsuffizienz und arterieller Hypertonie (Bluthochdruck), an Diabetes mellitus, einem Zustand nach Ellenbogenfraktur links, einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), einem Zustand nach Sprengung einer Pulmonalklappe (verengte Herzklappe), einem Lumbalsyndrom bei Verdacht auf Spinalkanalstenose, einer Depression, an Adipositas (erhebliches Übergewicht) und an einer Tröpfcheninkontinenz bei Blasenschwäche. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen G.-Ge ... Diese Feststellungen hat die Sachverständige überzeugend aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen und, soweit dies möglich war, durch Augenschein während des Hausbesuchs bei der Klägerin getroffen. Sie decken sich mit den Diagnosen, die im Klagverfahren die behandelnden Ärzte der Klägerin mitgeteilt haben. Dr. L. hat zusätzlich bekundet, nach der Versorgung der Fraktur am linken Ellenbogen hätten sich reizlose Wundverhältnisse und keine Entzündungszeichen ergeben. Internist Br. hat außerdem angegeben, der Bluthochdruck sei befriedigend eingestellt und eine Stenose im Bereich der hirnversorgenden Gefäße habe ausgeschlossen werden können. Die Atteste, die die Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegt hat, enthalten keine weiteren Aussagen über zusätzliche gesundheitliche Beeinträchtigungen.

b) Diese Gesundheitsschäden bedingen nur zum Teil funktionelle Beeinträchtigungen bei der Klägerin, die zu einem einstufungsrelevanten Pflegebedarf führen. Im Wesentlichen schränkt die Herzinsuffizienz das Durchhaltevermögen ein und erschwert oder verhindert längere Gehstrecken. Wegen des Diabetes und der Hypertonie müssen Medikamente eingenommen werden, wobei dies nur zu einem Bedarf an Behandlungspflege führen kann, der nicht durch Leistungen der Pflegeversicherung abgedeckt wird. Wegen der Beeinträchtigungen am Ellenbogen kann die Klägerin ihren linken Arm nicht völlig strecken. Auch die Schmerzen wegen der Wirbelsäulenbeeinträchtigungen erschweren oder verhindern einige Bewegungen von Armen oder Beinen. Das erhebliche Übergewicht erschwert die Körperpflege insgesamt, und zusammen mit der Leistungseinschränkung wegen der Herzerkrankung verringert auch diese Beeinträchtigung das Durchhalte- und das Gehvermögen. Die Blasenschwäche führt zu einer Harninkontinenz, die allerdings noch gering ausgeprägt ist. Diese Funktionsbeeinträchtigungen hat die Sachverständige überzeugend aus den Gesundheitsschäden und vor allem ihrem Eindruck von der Klägerin bei der Begutachtung hergeleitet. Die Klägerin selbst hat auch weder im Klage- noch im Berufungsverfahren weitere Beeinträchtigungen vorgetragen, sondern pauschal und abstrakt einen höheren Pflegebedarf geltend gemacht.

c) Der tägliche Bedarf an grundpflegerischen Hilfeleistungen, der aus diesen Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin folgt, liegt bei - höchstens - 31 Minuten.

aa) Die Sachverständige G.-Ge. hat bei ihrem Hausbesuch bei der Klägerin einen Grundpflegebedarf von 26 Minuten angenommen, nämlich Hilfebedarf von 19 Minuten bei der Körperpflege, darunter zehn Minuten für die Ganzkörperwäsche (fünfmal wöchentlich), drei Minuten für das Baden (zweimal wöchentlich) und sieben Minuten bei der Mobilität, darunter täglich vier Minuten für das An- und zwei Minuten für das Entkleiden.

Auch dies ist überzeugend. Die zuvor genannten Einschränkungen erfordern keine vollständige Übernahme der Verrichtungen, sondern nur eine Teilübernahme durch die Pflegeperson, wovon auch die Sachverständige ausgegangen ist. Wegen der Einschränkungen in der Beweglichkeit des linken Arms und des Übergewichts benötigt die Klägerin Hilfe - nur - bei der Intimpflege und beim An- und Entkleiden, weil hier zum Teil eine erhöhte Beweglichkeit und Fertigkeit der Arme und Hände notwendig ist. Die Einschätzungen decken sich auch mit den beiden Gutachten des MDK, insbesondere mit dem von Dr. B. erstellten Gutachten vom 25. August 2008, die der Senat als Urkunden verwertet. Dr. B. hatte einen Grundpflegebedarf von 25 Minuten ermittelt. Auch Pflegefachkraft Z. hatte Hilfebedarf im Wesentlichen nur bei der Körperpflege, also beim Baden oder ersatzweise der Ganzkörperwäsche, und beim An- und Entkleiden gesehen. Weiterhin haben die behandelnden Ärzte in ihren Zeugenaussagen keinen weiteren Hilfebedarf bekundet. Dr. Meier hat ausgeführt, Einschränkungen bei der Körperhygiene könne sie nicht beurteilen, aber selbst Einkaufen, Kochen und selbstständiges Essen stellten keine Probleme dar. Dr. L. hat hierzu keine Angaben gemacht. Internist Br. hat sogar ausdrücklich Einschränkungen der Klägerin bei der Körperhygiene, der Ernährung und der Mobilität verneint.

Der Minutenumfang, den die Sachverständige G.-Ge. und auch schon Dr. B. für diese Hilfen angenommen hatten, entspricht den nach §§ 17, 53a SGB XI erlassenen Begutachtungs-Richtlinien. Diese sehen im Regelfall für Vollübernahmen bei der Ganzkörperwäsche 20 bis 25 Minuten, beim Baden 20 bis 25 Minuten, beim Ankleiden acht bis zehn Minuten und beim Entkleiden vier bis sechs Minuten vor. Ist nur eine Teilübernahme nötig, so wie bei der Klägerin, sind diese Werte nach dem individuellen Bedarf zu verringern. Angesichts der nicht erheblichen funktionellen Beeinträchtigungen der Klägerin ist es nicht zu beanstanden, dass die Sachverständige G.-Ge. durchschnittlich die Hälfte des Mittelwerts der genannten Zeitkorridore veranschlagt hat, nämlich bei der Ganzkörperwäsche 14 Minuten (70 Minuten wöchentlich bei fünfmaliger Ganzkörperwäsche pro Woche), beim Baden zehneinhalb Minuten (21 Minuten wöchentlich bei zweimaligem Baden pro Woche) sowie vier bzw. zwei Minuten für das An- und Entkleiden.

bb) Wie es bereits das SG getan hat, kann ein weiterer Hilfebedarf für das Anlegen von Kompressionsstrümpfen von fünf Minuten täglich bejaht werden.

Der Zeitbedarf für eine derartige Maßnahme nach § 15 Abs. 3 Satz 2 SGB XI wird auch dann bei der Ermittlung des Grundpflegebedarfs berücksichtigt, wenn die Maßnahme eine verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahme im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) ist und daher zu Leistungsansprüchen gegen die gesetzliche Krankenversicherung führt. Das Anlegen von Kompressionsstrümpfen ist eine solche Maßnahme (Bundestags-Drucksache 16/3100, S. 104, vgl. zuletzt LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Mai 2009, L 4 KR 4793/07, veröffentlicht in Juris, Rn. 25). Weiterhin steht es einer Berücksichtigung nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Kompressionsstrümpfe zurzeit nicht benutzt. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass dieser Bedarf der Klägerin unfreiwillig unbefriedigt bleibt. Die Klägerin hatte der Sachverständigen G.-Ge. gegenüber angegeben, sie lege den Kompressionsstrumpf deswegen nicht an, weil sie ihn nur mühsam anziehen könne.

Für das An- und Ausziehen der Strümpfe jeweils (fiktiv) zusätzlich zweieinhalb Minuten zu veranschlagen, also insgesamt sechseinhalb Minuten für das An- und viereinhalb Minuten für das Entkleiden, spiegelt auch den tatsächlichen Zeitbedarf ausreichend wider. Insgesamt ist damit der Mittelwert des Zeitkorridors erreicht, den die Begutachtungs-Richtlinien für eine Vollübernahme veranschlagen, die hier aber nicht vorliegt.

cc) Weiterer oder größerer Hilfebedarf, der zu einem Grundpflegebedarf von mindestens 46 Minuten führen könnte, liegt nicht vor.

Entgegen ihrem schriftlichen Vortrag im Klagverfahren hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, sie reinige ihre Zähne selbst und könne sich auch noch ausreichend kämmen. Auch die Sachverständige G.-Ge. hat hier keinen Bedarf gesehen. Etwas anders wäre auch nicht nachvollziehbar, da die Klägerin lediglich an einem Arm in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt ist.

Auch der weitere Bedarf, den die Klägerin nach Einholung des Gutachtens vor dem SG und erneut im Berufungsverfahren vorgetragen hat, besteht nicht. Die Klägerin kann ihre Vorlagen selbst wechseln und auch ihren Intimbereich selbst reinigen, wie die Sachverständige G.-Ge. festgestellt hat. Warum sich der Bedarf beim Baden und beim An- und Entkleiden erhöht haben soll, wie die Klägerin zuletzt unter Vorlage des Attests von Dr. Wü. vom 10. September 2009 vorgetragen hat, ist nicht nachvollziehbar. Möglicherweise wird hier ein höherer Zeitaufwand im Hinblick auf das An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe veranschlagt; dies hat der Senat aber durch Anerkennung eines zusätzlichen Bedarfs von fünf Minuten bereits berücksichtigt. Selbst wenn aber dieser zusätzliche Bedarf berücksichtigt würde, so wäre ein Grundpflegebedarf von 46 Minuten nicht erreicht. Legte man bei der Klägerin nunmehr zehn Minuten täglich für das Baden zu Grunde und ginge man von täglichem Baden aus, fiele dafür der Aufwand für die Ganzkörperwäsche weg, sodass sich der Hilfebedarf gegenüber den von der Sachverständigen G.-Ge. ermittelten (durchschnittlich) 13 Minuten sogar um drei Minuten verringern würde. Hätte sich der Bedarf für das An- und Entkleiden (ohne Kompressionsstrümpfe) auf zusammen zehn Minuten erhöht und ließe man allen anderen Bedarf aus dem Gutachten sowie den Bedarf für das Anlegen der Kompressionsstrümpfe unverändert, so betrüge der gesamte tägliche Grundpflegebedarf 37 Minuten.

Zusätzlicher Bedarf für die Mobilität ist nicht gegeben. Die Klägerin kann sich auch außerhalb ihrer Wohnung allein bewegen, sie fühlt sich nach ihren Angaben gegenüber der Sachverständigen G.-Ge. hierbei lediglich unsicher, weshalb die Gutachterin einen Rollator empfohlen hat. Außerdem ist eine Hilfe für die Mobilität außerhalb der Wohnung nur teilweise zu berücksichtigen, nämlich nur dann, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG SozR 2-3300 § 14 Nr. 5 m.w.N.). Dazu zählen Arztbesuche, aber auch Wege zur Krankengymnastik, zum Logopäden oder zur Ergotherapie, soweit sie der Behandlung einer Krankheit dienen (vgl. BSG SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 m.w.N.). Voraussetzung ist in jedem Fall, dass eine ärztliche Verordnung vorliegt und der Pflegeaufwand mindestens einmal wöchentlich anfällt (BSG a.a.O.). Eine Frequenz von mindestens einmal pro Woche erreichen die Arztbesuche der Klägerin nach den Angaben ihrer behandelnden Ärzte vor dem SG jedoch nicht.

Der Grundpflegebedarf ist auch nicht deshalb zu erhöhen, weil die Klägerin in Phasen der Depression zusätzlicher Hilfe bedarf. Denn die depressiven Phasen der Klägerin dauern nach ihren eigenen Angaben jeweils keine sechs Monate an, sondern nur einige Tage. Sie stellten also keinen pflegeversicherungsrechtlich relevanten Dauerzustand dar.

d) Den größten Hilfebedarf hat die Klägerin nach den Feststellungen der Sachverständigen G.-Ge. bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (wobei Dr. M. hier jeglichen Hilfebedarf verneint). Dieser kann jedoch nur höchstens mit 60 Minuten veranschlagt werden, wie es die Gutachterin auch getan hat. Er allein kann eine Pflegestufe I nicht bedingen, solange der Grundpflegebedarf 46 Minuten nicht erreicht.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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