Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 666/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2712/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. April 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird geführt über die Versorgung der Klägerin mit einem mechanischen Rollstuhl-Zuggerät mit Motorunterstützung (Rollstuhl-Bike).
Die am 1948 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Sie ist vollschichtig als Buchhalterin in einem kirchlichen Verwaltungszentrum beschäftigt und ehrenamtlich in der katholischen Gemeinde ihres Wohnorts tätig. Sie leidet unter einer Paraspastik beider Beine. Sie ist deshalb auf den Rollstuhl angewiesen. Die Beklagte versorgte die Klägerin mit einem Aktivrollstuhl.
Facharzt für Orthopädie Dr. S. stellte die Verordnung vom 14. Oktober 2005 über ein mechanisches Rollstuhl-Zuggerät mit Motorunterstützung Speedy Duo für den vorhandenen Rollstuhl aus. Bei der Beklagten ging am 14. November 2005 der Kostenvoranschlag der Speedy Reha-Technik GmbH D. vom 10. November 2005 über das Gerät "Duo 2", Heilmittelverzeichnis-Nr. 18.99.05.0000 ein. Die Grundausstattung koste einschließlich Kupplungssystem, Nabenschaltung, Tacho, Trägheitslenkungsdämpfer, Ständer, Beleuchtung, Servomatik-Motor einschließlich Akkus und Ladegerät, Montage, Einweisung und Schulung EUR 4.180,00; hinzu kämen für waagerechte Kurbeln, Rücktrittbremse und Schaltung am Rahmen EUR 225,10, für Kettenummantelung aus Teflonrohr EUR 79,00 und für den Gepäckträger EUR 31,70. Abzüglich 10 % Kassenrabatt und zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer ergäben sich EUR 4.714,50. Beigefügt war der empfehlende Vorführbericht (A. Z., ohne Datum). Mit dem Gerät Speedy Duo 2 sei es der Klägerin ohne Probleme möglich, die Steigungen im bergigen Wohnumfeld und auch schwierige Wege wie Bordsteinkanten oder Kopfsteinpflaster zu bewältigen. Hierdurch könne wieder eine weitgehend selbstbestimmte Lebensführung erlangt werden. Zudem würden durch die Kurbelbewegung Muskelpartien sowie die Lunge und das Herz-Kreislauf-System trainiert. Demgegenüber wäre ein Elektrorollstuhl unwirtschaftlich; die durchschnittlichen jährlichen Betriebskosten für das begehrte Gerät betrügen EUR 40,00.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 24. November 2005 eine Kostenübernahme ab. Das Rollstuhl-Bike sei für Erwachsene als Hilfsmittel ausgeschlossen. Es werde grundsätzlich nicht zur Lebensbewältigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt. Bei Erfüllung der Voraussetzungen könne ein Elektrorollstuhl aus dem Kassenbestand zur Verfügung gestellt werden.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, Hilfsmittel wie das Speedy Duo seien im Einzelfall als Kassenleistung anzuerkennen (Verweis auf Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 16. September 1999 - B 3 KR 8/98 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 31). Einkäufe und soziale Kontakte, die zu den allgemeinen Grundbedürfnissen zählten, wären wieder möglich. Als Nebeneffekt würde die noch vorhandene Muskulatur trainiert. Es sei eine Verschlechterung der Behinderung zu vermeiden und eine selbstständige Lebensführung zu ermöglichen. Ein Elektrorollstuhl wäre unwirtschaftlich. In einen solchen müsste sie mit fremder Hilfe umgesetzt werden. Sie weise auf das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 08. September 2003 - S 8 KR 139/02 - hin. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2006. Es gehöre nicht zum Leistungsspektrum der Kasse, den Behinderten durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln in die Lage zu versetzen, Wegstrecken jeder Art und Länge zurückzulegen. Der zur Verfügung gestellte Rollstuhl gewährleiste eine ausreichende Bewegungsfreiheit zur Erfüllung der Grundbedürfnisse. Es bestehe nach wie vor die Bereitschaft, einen Elektrorollstuhl zur Verfügung zu stellen. Auf die geltend gemachten günstigen muskulären Effekte könne es nicht ankommen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung stehe dem zitierten Urteil des Sozialgerichts Leipzig entgegen.
Mit der am 20. Februar 2006 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage trug die Klägerin vor, es handle sich nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern um ein erforderliches Hilfsmittel. Wenn das Produkt nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sei, so stelle dieses nur eine unverbindliche Auslegungshilfe dar, weil das Hilfsmittelverzeichnis nicht die Wirkung eines abschließenden Positivkatalogs habe. Es werde ein gewisser Freiraum in der näheren Umgebung erschlossen. Sie sei nicht mehr in der Lage, Strecken im Nahbereich mit dem vorhandenen Rollstuhl selbstständig zurückzulegen. Es gehe nicht um reine Freizeitvergnügen. In einen Elektrorollstuhl müsse sie mit fremder Hilfe umgesetzt werden. Demgegenüber könnte sie das Speedy Duo selbstständig und allein benutzen. Der Radnabenmotor führe dazu, den zu erbringenden Kraftaufwand deutlich zu reduzieren. Die Vorderräder des Rollstuhls würden angehoben, was zu einer erhöhten Wendigkeit und zu einem deutlich leichteren Bewegungsablauf führe. Auf den erheblichen Trainingseffekt bezüglich der Muskelpartien, aber auch des Herz-Kreislauf-Systems und der Atmung sei nochmals hinzuweisen. Unter Berücksichtigung ihres Krankheitsbildes sei sie aufgrund der Konstruktion des Geräts in der Lage, dieses selbst anzukoppeln. Im Übrigen besitze sie einen Pkw (Van), in welchen sie den Rollstuhl verbringen könne. Zu Fuß könne sie vielleicht 100 Meter zurücklegen. Die durch das begehrte Gerät erlangte Bewegungsfreiheit stelle ein schutzwertes allgemeines Grundbedürfnis dar. Sie werde - allein lebend - von der Hilfe anderer unabhängig. Das Angebot der Beklagten, eine "Wiedereinsatzpauschale" für einen Elektrorollstuhl in Höhe von EUR 686,00 zur Verfügung zu stellen, lehne sie ab. Auch das beantragte Gerät sei zum Wiedereinsatz nach Wartung oder Instandsetzung geeignet.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Das BSG habe die Hilfsmitteleigenschaft eines vergleichbaren Geräts nur für Kinder und Jugendliche grundsätzlich bestätigt. Wenn ein gewöhnlicher Rollstuhl nicht ausreiche, müsse die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl geprüft werden. Deren Erforderlichkeit sei jedoch durch ärztliche Verordnung nachzuweisen. Ein nachvollziehbarer Vorteil des beantragten Geräts gegenüber einem Elektrorollstuhl könne bisher nicht erkannt werden. Wenn die Klägerin in der Lage sei, in ihr Kraftfahrzeug einzusteigen, dürfte es ihr auch möglich sein, sich ohne fremde Hilfe in einen Elektrorollstuhl zu setzen. Mit diesem könnten die typischen und üblichen Wege des Nahbereichs zurückgelegt werden.
Am 26. September 2006 fand beim SG ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts statt, in welchem das SG die Klägerin anhörte. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.
Durch Urteil vom 24. April 2007 verurteilte das SG unter Aufhebung ihres Bescheids vom 24. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2006 die Beklagte, die Klägerin mit einem "Speedy Duo 2" auszustatten. Zur Begründung legte es dar, das begehrte Hilfsmittel sei erforderlich, um das Gebot eines möglichst weitgehenden Behinderungsausgleichs zu erfüllen. Hierzu gehöre die Erschließung eines gewissen Freiraums. Die Klägerin könne unter Einsatz des begehrten Geräts ebenso wie unter Einsatz eines Elektrorollstuhls im Nahbereich alles erreichen, was für sie von wesentlicher Bedeutung sei. Es sei nicht widerlegt, dass sie bei Benutzung eines Elektrorollstuhls fremde Hilfe beanspruchen müsse. Bei dem hier anzuerkennenden Wahlrecht müsse der Wille respektiert werden, sich für das begehrte Gerät zu entscheiden. Die Frage des Wiedereinsatzes stelle sich für jedes Gerät gleichermaßen. Dass das begehrte Gerät nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sei, müsse ohne Bedeutung bleiben.
Gegen das ihr am 14. Mai 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. Mai 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie macht zur Begründung geltend, die Klägerin sei mit einem Rollstuhl versorgt. Soweit dieser nicht ausreiche, müssten die Voraussetzungen für einen Elektrorollstuhl geprüft werden. Mit einem solchen sei die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft möglich. Das Ankoppeln des streitigen Speedy Duo 2 an den vorhandenen Rollstuhl sei bei Paraspastik beider Beine aufwändiger als die Nutzung eines Elektrorollstuhls. Die Frage eines Wahlrechts stelle sich nach alledem nicht. Der Wiedereinsatz eines Elektrorollstuhls mit EUR 686,00 sei die wesentlich kostengünstigere Alternative (Neuanschaffung des Speedy Duo 2 nach dem Kostenvoranschlag EUR 4.714,50). Damit sei belegt, dass das Rollstuhl-Bike nicht als Hilfsmittel für Erwachsene verzeichnet sei. Wenn die Klägerin ihren Pkw ohne fremde Hilfe besteigen und verlassen sowie den Rollstuhl darin verstauen könne, sei es nicht nachvollziehbar, dass eine Umsetzung in den Elektrorollstuhl nicht ohne fremde Hilfe möglich sei. Auf den Effekt der Stärkung der Muskulatur dürfe es wiederum nicht ankommen. Die Beklagte hat den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2005 - L 5 KR 141/04 vorgelegt, wo die Erstattung der Kosten für ein selbstbeschafftes Elektromobil verneint werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. April 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verbleibt dabei, die Versorgung mit dem Speedy Duo sei durchaus erforderlich. Das Zurücklegen notwendiger Wege gehöre zum Grundbedürfnis der Mobilität und der Erschließung eines gewissen Freiraums. Sie könne außerhalb der Wohnung keine nennenswerte Entfernung zu Fuß zurücklegen. Sie verbleibe dabei, zum Umsetzen in einen Elektrorollstuhl fremder Hilfe zu bedürfen. Auch sei dabei zu verbleiben, dass das Gerät zur Stärkung der Muskulatur, des Herz-Kreislauf-Systems und der Lungenfunktion diene. Gerade wegen der guten Einstellmöglichkeiten könne die Beklagte geeignete Geräte zur Verfügung stellen. Lediglich die Kupplung müsse an den vorhandenen Rollstuhl angepasst werden. Das Übergewicht stehe der Benutzung des Speedy Duo 2 nicht entgegen.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 24. April 2007 die Leistungspflicht der Beklagten zu weit ausgelegt. Der ablehnende Bescheid vom 24. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2006 ist als rechtmäßig zu bestätigen.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V u. a. die Versorgung mit Hilfsmitteln. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind.
Das von der Klägerin begehrte mechanische Rollstuhl-Zuggerät mit Motorunterstützung (Rollstuhl-Bike) könnte zwar bei weiter Auslegung zu den Hilfsmitteln zu zählen sein, die erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen. Allein die ärztliche Verordnung (Facharzt für Orthopädie Dr. S., 14. Oktober 2005) reicht aber hierfür nicht aus, da gemäß § 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V ein Prüfungsrecht der Krankenkassen besteht (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 25 und 31). Andererseits kommt es, wie das SG zutreffend dargelegt hat, auf eine bereits erfolgte Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis (vgl. hierzu § 139 SGB V in der seit 01. April 2007 geltenden Fassung) nicht an. Das begehrte Gerät liegt jedoch aus den im Folgenden darzulegenden Gründen außerhalb der Leistungspflicht der Beklagten.
Ein Hilfsmittel ist nach gefestigter Rechtsprechung dann "erforderlich", wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Dazu gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) und zum anderen die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen des lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfasst. Maßstab ist der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation und mit Hilfe des von der Krankenkasse zu leistenden Hilfsmittels wieder aufschließen soll (BSGE 66, 245, 246 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 1; BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 7, 13, 16 und 31). Die Klägerin ist im Hinblick auf die bei ihr bestehende Paraspastik beider Beine auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Ihr steht sowohl zur Benutzung innerhalb der Wohnung als auch außerhalb davon jeweils ein Aktivrollstuhl zur Verfügung. Bei der Klägerin ist also das allgemeine Grundbedürfnis der "Bewegungsfreiheit" betroffen, das bei Gesunden durch die Fähigkeit des Gehens, Laufens, Stehens usw. sichergestellt wird. Ist diese Fähigkeit durch eine Behinderung beeinträchtigt, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise zu Fuß erreicht (BSG, a.a.O.). Das Erschließen eines körperlichen Freiraums bezieht sich danach im Sinne des Basisausgleichs auf die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei kurzen Spaziergängen an die frische Luft zu kommen oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG SozR 4-2500 § 33 Nrn. 2 und 3). Zu diesen Alltagsgeschäften gehört das Einkaufen von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs (BSG SozR 3 1200 § 33 Nr. 1). Auch wenn im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich der Wohnung liegen, also dafür längere Strecken zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise übersteigen, gehören diese längeren Strecken nicht mehr zu dem von der gesetzlichen Krankenversicherung zu garantierenden körperlichen Freiraum des Versicherten. Denn Besonderheiten des Wohnorts können für die Hilfsmitteleigenschaft nicht maßgebend sein (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31; Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 8/02 R -).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat es die Rechtsprechung stets abgelehnt, für Erwachsene das die Funktion eines Fahrrads ausfüllende Rollstuhl-Bike zu den Geräten zu zählen, die zur Erschließung "eines gewissen körperlichen Freiraums" als erforderlich zu erachten sind (vgl. eingehend BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31; hieran anschließend etwa Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 03. April 2001 - L 1 KR 35/00; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11. November 2008 - L 11 KR 1952/08, jeweils in Juris). Ausnahmen erwogen worden sind für Kinder und Jugendliche aus dem Gesichtspunkt der sozialen Integration (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27) oder für den Fall einer außergewöhnlichen Erkrankung (so das von der Klägerin zitierte Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 08. September 2004 - S 8 KR 139/02 - in Juris, im Fall der Glasknochenkrankheit). Die gesetzliche Krankenversicherung hat beim Verlust der Gehfähigkeit nur für einen Basisausgleich zu sorgen. Hierzu gehört zwar, dass die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen erreicht werden können, in denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Besonderheiten des Wohnorts oder individuelle Umstände in der Person des Behinderten - wie etwa die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes - können nicht berücksichtigt werden. Ebenso kann maßgebend nicht sein, dass das begehrte Gerät zur Stärkung der Muskulatur, des Herz-Kreislauf-Systems und der Lungenfunktion beiträgt (vgl. nochmals zusammenfassend BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31). Das vom SG erwogene "Wahlrecht" findet keine Grundlage.
Soweit die Klägerin in ihrem Widerspruch auch auf die §§ 55 und 58 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) verwiesen hat und damit sinngemäß das begehrte Rollstuhl-Bike als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 5 Nr. 4 SGB IX) begehrt hat, ergibt sich hieraus kein Anspruch. Zuständig für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind - unabhängig davon, ob die Beklagte dies hätte prüfen müssen, weil sie den Antrag nicht weitergeleitet hat (§ 14 SGB IX) - nach § 6 Nrn. 3, 5, 6 und 7 SGB IX nur die Rehabilitationsträger der gesetzlichen Unfallversicherung, der Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge, der öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialhilfe. Diese können für eine Versorgung der Klägerin mit dem begehrten Rollstuhl-Bike nicht zuständig sein, da die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht dieser Träger nicht gegeben sind, weil es an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für Leistungen aus diesen Bereichen der Sozialversicherung erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Zur Zulassung der Revision bestand angesichts gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird geführt über die Versorgung der Klägerin mit einem mechanischen Rollstuhl-Zuggerät mit Motorunterstützung (Rollstuhl-Bike).
Die am 1948 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Sie ist vollschichtig als Buchhalterin in einem kirchlichen Verwaltungszentrum beschäftigt und ehrenamtlich in der katholischen Gemeinde ihres Wohnorts tätig. Sie leidet unter einer Paraspastik beider Beine. Sie ist deshalb auf den Rollstuhl angewiesen. Die Beklagte versorgte die Klägerin mit einem Aktivrollstuhl.
Facharzt für Orthopädie Dr. S. stellte die Verordnung vom 14. Oktober 2005 über ein mechanisches Rollstuhl-Zuggerät mit Motorunterstützung Speedy Duo für den vorhandenen Rollstuhl aus. Bei der Beklagten ging am 14. November 2005 der Kostenvoranschlag der Speedy Reha-Technik GmbH D. vom 10. November 2005 über das Gerät "Duo 2", Heilmittelverzeichnis-Nr. 18.99.05.0000 ein. Die Grundausstattung koste einschließlich Kupplungssystem, Nabenschaltung, Tacho, Trägheitslenkungsdämpfer, Ständer, Beleuchtung, Servomatik-Motor einschließlich Akkus und Ladegerät, Montage, Einweisung und Schulung EUR 4.180,00; hinzu kämen für waagerechte Kurbeln, Rücktrittbremse und Schaltung am Rahmen EUR 225,10, für Kettenummantelung aus Teflonrohr EUR 79,00 und für den Gepäckträger EUR 31,70. Abzüglich 10 % Kassenrabatt und zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer ergäben sich EUR 4.714,50. Beigefügt war der empfehlende Vorführbericht (A. Z., ohne Datum). Mit dem Gerät Speedy Duo 2 sei es der Klägerin ohne Probleme möglich, die Steigungen im bergigen Wohnumfeld und auch schwierige Wege wie Bordsteinkanten oder Kopfsteinpflaster zu bewältigen. Hierdurch könne wieder eine weitgehend selbstbestimmte Lebensführung erlangt werden. Zudem würden durch die Kurbelbewegung Muskelpartien sowie die Lunge und das Herz-Kreislauf-System trainiert. Demgegenüber wäre ein Elektrorollstuhl unwirtschaftlich; die durchschnittlichen jährlichen Betriebskosten für das begehrte Gerät betrügen EUR 40,00.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 24. November 2005 eine Kostenübernahme ab. Das Rollstuhl-Bike sei für Erwachsene als Hilfsmittel ausgeschlossen. Es werde grundsätzlich nicht zur Lebensbewältigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt. Bei Erfüllung der Voraussetzungen könne ein Elektrorollstuhl aus dem Kassenbestand zur Verfügung gestellt werden.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, Hilfsmittel wie das Speedy Duo seien im Einzelfall als Kassenleistung anzuerkennen (Verweis auf Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 16. September 1999 - B 3 KR 8/98 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 31). Einkäufe und soziale Kontakte, die zu den allgemeinen Grundbedürfnissen zählten, wären wieder möglich. Als Nebeneffekt würde die noch vorhandene Muskulatur trainiert. Es sei eine Verschlechterung der Behinderung zu vermeiden und eine selbstständige Lebensführung zu ermöglichen. Ein Elektrorollstuhl wäre unwirtschaftlich. In einen solchen müsste sie mit fremder Hilfe umgesetzt werden. Sie weise auf das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 08. September 2003 - S 8 KR 139/02 - hin. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2006. Es gehöre nicht zum Leistungsspektrum der Kasse, den Behinderten durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln in die Lage zu versetzen, Wegstrecken jeder Art und Länge zurückzulegen. Der zur Verfügung gestellte Rollstuhl gewährleiste eine ausreichende Bewegungsfreiheit zur Erfüllung der Grundbedürfnisse. Es bestehe nach wie vor die Bereitschaft, einen Elektrorollstuhl zur Verfügung zu stellen. Auf die geltend gemachten günstigen muskulären Effekte könne es nicht ankommen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung stehe dem zitierten Urteil des Sozialgerichts Leipzig entgegen.
Mit der am 20. Februar 2006 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage trug die Klägerin vor, es handle sich nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern um ein erforderliches Hilfsmittel. Wenn das Produkt nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sei, so stelle dieses nur eine unverbindliche Auslegungshilfe dar, weil das Hilfsmittelverzeichnis nicht die Wirkung eines abschließenden Positivkatalogs habe. Es werde ein gewisser Freiraum in der näheren Umgebung erschlossen. Sie sei nicht mehr in der Lage, Strecken im Nahbereich mit dem vorhandenen Rollstuhl selbstständig zurückzulegen. Es gehe nicht um reine Freizeitvergnügen. In einen Elektrorollstuhl müsse sie mit fremder Hilfe umgesetzt werden. Demgegenüber könnte sie das Speedy Duo selbstständig und allein benutzen. Der Radnabenmotor führe dazu, den zu erbringenden Kraftaufwand deutlich zu reduzieren. Die Vorderräder des Rollstuhls würden angehoben, was zu einer erhöhten Wendigkeit und zu einem deutlich leichteren Bewegungsablauf führe. Auf den erheblichen Trainingseffekt bezüglich der Muskelpartien, aber auch des Herz-Kreislauf-Systems und der Atmung sei nochmals hinzuweisen. Unter Berücksichtigung ihres Krankheitsbildes sei sie aufgrund der Konstruktion des Geräts in der Lage, dieses selbst anzukoppeln. Im Übrigen besitze sie einen Pkw (Van), in welchen sie den Rollstuhl verbringen könne. Zu Fuß könne sie vielleicht 100 Meter zurücklegen. Die durch das begehrte Gerät erlangte Bewegungsfreiheit stelle ein schutzwertes allgemeines Grundbedürfnis dar. Sie werde - allein lebend - von der Hilfe anderer unabhängig. Das Angebot der Beklagten, eine "Wiedereinsatzpauschale" für einen Elektrorollstuhl in Höhe von EUR 686,00 zur Verfügung zu stellen, lehne sie ab. Auch das beantragte Gerät sei zum Wiedereinsatz nach Wartung oder Instandsetzung geeignet.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Das BSG habe die Hilfsmitteleigenschaft eines vergleichbaren Geräts nur für Kinder und Jugendliche grundsätzlich bestätigt. Wenn ein gewöhnlicher Rollstuhl nicht ausreiche, müsse die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl geprüft werden. Deren Erforderlichkeit sei jedoch durch ärztliche Verordnung nachzuweisen. Ein nachvollziehbarer Vorteil des beantragten Geräts gegenüber einem Elektrorollstuhl könne bisher nicht erkannt werden. Wenn die Klägerin in der Lage sei, in ihr Kraftfahrzeug einzusteigen, dürfte es ihr auch möglich sein, sich ohne fremde Hilfe in einen Elektrorollstuhl zu setzen. Mit diesem könnten die typischen und üblichen Wege des Nahbereichs zurückgelegt werden.
Am 26. September 2006 fand beim SG ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts statt, in welchem das SG die Klägerin anhörte. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.
Durch Urteil vom 24. April 2007 verurteilte das SG unter Aufhebung ihres Bescheids vom 24. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2006 die Beklagte, die Klägerin mit einem "Speedy Duo 2" auszustatten. Zur Begründung legte es dar, das begehrte Hilfsmittel sei erforderlich, um das Gebot eines möglichst weitgehenden Behinderungsausgleichs zu erfüllen. Hierzu gehöre die Erschließung eines gewissen Freiraums. Die Klägerin könne unter Einsatz des begehrten Geräts ebenso wie unter Einsatz eines Elektrorollstuhls im Nahbereich alles erreichen, was für sie von wesentlicher Bedeutung sei. Es sei nicht widerlegt, dass sie bei Benutzung eines Elektrorollstuhls fremde Hilfe beanspruchen müsse. Bei dem hier anzuerkennenden Wahlrecht müsse der Wille respektiert werden, sich für das begehrte Gerät zu entscheiden. Die Frage des Wiedereinsatzes stelle sich für jedes Gerät gleichermaßen. Dass das begehrte Gerät nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sei, müsse ohne Bedeutung bleiben.
Gegen das ihr am 14. Mai 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. Mai 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie macht zur Begründung geltend, die Klägerin sei mit einem Rollstuhl versorgt. Soweit dieser nicht ausreiche, müssten die Voraussetzungen für einen Elektrorollstuhl geprüft werden. Mit einem solchen sei die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft möglich. Das Ankoppeln des streitigen Speedy Duo 2 an den vorhandenen Rollstuhl sei bei Paraspastik beider Beine aufwändiger als die Nutzung eines Elektrorollstuhls. Die Frage eines Wahlrechts stelle sich nach alledem nicht. Der Wiedereinsatz eines Elektrorollstuhls mit EUR 686,00 sei die wesentlich kostengünstigere Alternative (Neuanschaffung des Speedy Duo 2 nach dem Kostenvoranschlag EUR 4.714,50). Damit sei belegt, dass das Rollstuhl-Bike nicht als Hilfsmittel für Erwachsene verzeichnet sei. Wenn die Klägerin ihren Pkw ohne fremde Hilfe besteigen und verlassen sowie den Rollstuhl darin verstauen könne, sei es nicht nachvollziehbar, dass eine Umsetzung in den Elektrorollstuhl nicht ohne fremde Hilfe möglich sei. Auf den Effekt der Stärkung der Muskulatur dürfe es wiederum nicht ankommen. Die Beklagte hat den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2005 - L 5 KR 141/04 vorgelegt, wo die Erstattung der Kosten für ein selbstbeschafftes Elektromobil verneint werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. April 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verbleibt dabei, die Versorgung mit dem Speedy Duo sei durchaus erforderlich. Das Zurücklegen notwendiger Wege gehöre zum Grundbedürfnis der Mobilität und der Erschließung eines gewissen Freiraums. Sie könne außerhalb der Wohnung keine nennenswerte Entfernung zu Fuß zurücklegen. Sie verbleibe dabei, zum Umsetzen in einen Elektrorollstuhl fremder Hilfe zu bedürfen. Auch sei dabei zu verbleiben, dass das Gerät zur Stärkung der Muskulatur, des Herz-Kreislauf-Systems und der Lungenfunktion diene. Gerade wegen der guten Einstellmöglichkeiten könne die Beklagte geeignete Geräte zur Verfügung stellen. Lediglich die Kupplung müsse an den vorhandenen Rollstuhl angepasst werden. Das Übergewicht stehe der Benutzung des Speedy Duo 2 nicht entgegen.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 24. April 2007 die Leistungspflicht der Beklagten zu weit ausgelegt. Der ablehnende Bescheid vom 24. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2006 ist als rechtmäßig zu bestätigen.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V u. a. die Versorgung mit Hilfsmitteln. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind.
Das von der Klägerin begehrte mechanische Rollstuhl-Zuggerät mit Motorunterstützung (Rollstuhl-Bike) könnte zwar bei weiter Auslegung zu den Hilfsmitteln zu zählen sein, die erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen. Allein die ärztliche Verordnung (Facharzt für Orthopädie Dr. S., 14. Oktober 2005) reicht aber hierfür nicht aus, da gemäß § 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V ein Prüfungsrecht der Krankenkassen besteht (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 25 und 31). Andererseits kommt es, wie das SG zutreffend dargelegt hat, auf eine bereits erfolgte Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis (vgl. hierzu § 139 SGB V in der seit 01. April 2007 geltenden Fassung) nicht an. Das begehrte Gerät liegt jedoch aus den im Folgenden darzulegenden Gründen außerhalb der Leistungspflicht der Beklagten.
Ein Hilfsmittel ist nach gefestigter Rechtsprechung dann "erforderlich", wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Dazu gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) und zum anderen die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen des lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfasst. Maßstab ist der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation und mit Hilfe des von der Krankenkasse zu leistenden Hilfsmittels wieder aufschließen soll (BSGE 66, 245, 246 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 1; BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 7, 13, 16 und 31). Die Klägerin ist im Hinblick auf die bei ihr bestehende Paraspastik beider Beine auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Ihr steht sowohl zur Benutzung innerhalb der Wohnung als auch außerhalb davon jeweils ein Aktivrollstuhl zur Verfügung. Bei der Klägerin ist also das allgemeine Grundbedürfnis der "Bewegungsfreiheit" betroffen, das bei Gesunden durch die Fähigkeit des Gehens, Laufens, Stehens usw. sichergestellt wird. Ist diese Fähigkeit durch eine Behinderung beeinträchtigt, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise zu Fuß erreicht (BSG, a.a.O.). Das Erschließen eines körperlichen Freiraums bezieht sich danach im Sinne des Basisausgleichs auf die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei kurzen Spaziergängen an die frische Luft zu kommen oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG SozR 4-2500 § 33 Nrn. 2 und 3). Zu diesen Alltagsgeschäften gehört das Einkaufen von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs (BSG SozR 3 1200 § 33 Nr. 1). Auch wenn im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich der Wohnung liegen, also dafür längere Strecken zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise übersteigen, gehören diese längeren Strecken nicht mehr zu dem von der gesetzlichen Krankenversicherung zu garantierenden körperlichen Freiraum des Versicherten. Denn Besonderheiten des Wohnorts können für die Hilfsmitteleigenschaft nicht maßgebend sein (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31; Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 8/02 R -).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat es die Rechtsprechung stets abgelehnt, für Erwachsene das die Funktion eines Fahrrads ausfüllende Rollstuhl-Bike zu den Geräten zu zählen, die zur Erschließung "eines gewissen körperlichen Freiraums" als erforderlich zu erachten sind (vgl. eingehend BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31; hieran anschließend etwa Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 03. April 2001 - L 1 KR 35/00; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11. November 2008 - L 11 KR 1952/08, jeweils in Juris). Ausnahmen erwogen worden sind für Kinder und Jugendliche aus dem Gesichtspunkt der sozialen Integration (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27) oder für den Fall einer außergewöhnlichen Erkrankung (so das von der Klägerin zitierte Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 08. September 2004 - S 8 KR 139/02 - in Juris, im Fall der Glasknochenkrankheit). Die gesetzliche Krankenversicherung hat beim Verlust der Gehfähigkeit nur für einen Basisausgleich zu sorgen. Hierzu gehört zwar, dass die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen erreicht werden können, in denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Besonderheiten des Wohnorts oder individuelle Umstände in der Person des Behinderten - wie etwa die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes - können nicht berücksichtigt werden. Ebenso kann maßgebend nicht sein, dass das begehrte Gerät zur Stärkung der Muskulatur, des Herz-Kreislauf-Systems und der Lungenfunktion beiträgt (vgl. nochmals zusammenfassend BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31). Das vom SG erwogene "Wahlrecht" findet keine Grundlage.
Soweit die Klägerin in ihrem Widerspruch auch auf die §§ 55 und 58 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) verwiesen hat und damit sinngemäß das begehrte Rollstuhl-Bike als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 5 Nr. 4 SGB IX) begehrt hat, ergibt sich hieraus kein Anspruch. Zuständig für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind - unabhängig davon, ob die Beklagte dies hätte prüfen müssen, weil sie den Antrag nicht weitergeleitet hat (§ 14 SGB IX) - nach § 6 Nrn. 3, 5, 6 und 7 SGB IX nur die Rehabilitationsträger der gesetzlichen Unfallversicherung, der Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge, der öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialhilfe. Diese können für eine Versorgung der Klägerin mit dem begehrten Rollstuhl-Bike nicht zuständig sein, da die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht dieser Träger nicht gegeben sind, weil es an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für Leistungen aus diesen Bereichen der Sozialversicherung erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Zur Zulassung der Revision bestand angesichts gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kein Anlass.
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