L 12 AS 3573/09 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 1355/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3573/09 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 15. Juli 2009 wegen Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

In der Hauptsache wendet sich die Klägerin gegen eine Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und eine damit verbundene Erstattungsforderung der Beklagten in Höhe von 1.704,08 EUR. Für dieses Verfahren hat sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch Übernahme der Unterkunftskosten für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2008 in Höhe von 352,11 EUR. Mit Bescheid vom 2. Dezember 2008 bewilligte er für den Folgezeitraum Januar bis Juni 2009 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 365,18 EUR. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 30. Januar 2009 Arbeitslosengeld (Alg) beginnend ab 12. Juli 2008 für 450 Kalendertage mit einem täglichen Leistungsbetrag von 19,50 EUR (monatlich 585 EUR). Für die Zeit vom 12. Juli bis 21. November 2008 wurde das Alg der Agentur für Arbeit als Trägerin der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 2.551,92 EUR erstattet. Die Klägerin erhielt für die Zeit vom 21. November 2008 bis 31. Januar 2009 eine Nachzahlung über 1.348,08 EUR. Die Bundesagentur für Arbeit hob mit Bescheid vom 29. Januar 2009 die Leistungsbewilligung für den Zeitraum Juli bis Dezember 2008 hinsichtlich der Regelleistung nach dem SGB II wegen der Anrechnung des Alg auf und stellte bei der Einkommensanrechnung einen Einkommensüberhang für Juli 2008 von 276,08 EUR und für die Folgemonate von jeweils 204 EUR fest.

Mit Bescheid vom 3. März 2009 hob der Beklagte die Bescheide vom 29. Juli 2008 und 2. Dezember 2008 über die Gewährung der Kosten der Unterkunft mit Wirkung vom 1. Juli 2008 teilweise auf und forderte zu Unrecht gewährte Sozialleistungen in Höhe von 1.704,08 EUR zurück. Zur Begründung stützte sich der Beklagte auf §§ 48 Abs. 1, 50 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die auf die Unterkunftskosten erbrachten Leistungen seien verbraucht. Jedenfalls auf den Zeitraum vor dem Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht anwendbar. Die Klägerin habe die Nachzahlung auf das Alg erst im Anschluss an den Bescheid vom 30. Januar 2009 erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis 28. Februar 2009 sei eine Überzahlung von insgesamt 1.704,08 EUR entstanden; dieser Betrag werde zurückgefordert. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sei einschlägig. Die Klägerin habe Einkommen aus Alg erzielt, welches zur Minderung ihres Anspruchs geführt habe.

Hiergegen richtet sich die am 14. Mai 2009 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage, für welche die Klägerin die Gewährung von PKH beantragt.

Mit Beschluss vom 15. Juli 2009 hat das SG die Gewährung von PKH abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es fehle an der erforderlichen Erfolgsaussicht der Klage. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II sei § 48 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II. Nach § 48 Abs. 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintrete. Bereits rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an sei der Verwaltungsakt nach §§ 330 Abs. 3 SGB III, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zwingend aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, dass zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gelte in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen sei, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (Satz 3). Es liege ein Fall des Satzes 3 vor mit der Konsequenz, dass das nach bewilligte Alg auf seinen Bewilligungszeitraum anzurechnen sei, also ab 12. Juli 2008. Das Einkommen der Klägerin sei nach § 19 Satz 3 SGB II zunächst auf die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit anzurechnen, worauf diese mit offensichtlich bestandskräftigen Bescheiden vom 29. Januar 2009 den gegen sie gerichteten Anspruch auf Regelleistungen in Wegfall gebracht und einen Einkommensüberhang zu Gunsten des Beklagten errechnet habe. Wenn die Klägerin einwende, sie habe von der Agentur für Arbeit nur eine Nachzahlung von 1.348,08 EUR erhalten, liege dies zum einen daran, dass ein Teil der nachgezahlten Leistung in Form der Erstattung nach § 104 SGB X an die Bundesagentur für Arbeit als Träger der Regelleistung nach dem SGB II gegangen sei. Zum anderen betreffe die Nachzahlung nur die Zeit bis 31. Januar 2009, während die Teilaufhebung auch noch den Februar 2009 umfasse. An der Berechnung des Aufhebungsbetrags sei daher nichts zu beanstanden.

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer am 28. Juli 2009 eingelegten Beschwerde. Sie habe nicht 1.704 EUR, sondern lediglich 1.348,08 EUR ausgezahlt erhalten. Der Auszahlungsbetrag betreffe den Zeitraum 21. November 2008 bis 31. Januar 2009. Für den Zeitraum vom 1. bis 11. Juli 2008 (auslaufender Krankengeldbezug) habe die Klägerin nicht nachträglich Einkommen erzielt. Der Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 2008 liege zeitlich später. Es könne nicht sein, dass die Klägerin zur Rückzahlung von Erstattungsbeträgen verpflichtet sei, die überhaupt nie an sie ausbezahlt, sondern an nachrangig Leistungsverpflichtete erstattet worden seien. Soweit an die Klägerin für den Zeitraum vom 21. November 2008 bis 31. Januar 2009 1.348,08 EUR gezahlt worden seien, müsse gelten, dass sich § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X auf die Fälle beschränke, in denen sich die bezogene Sozialleistung und das zum Wegfall der Sozialleistung führende Einkommen zeitlich deckten. Der Beklagte nehme hingegen die Anrechnung für den Gesamtzeitraum vom 1. Juli 2008 bis 31. Januar 2009 vor. Schließlich dürfe im Fall einer tatsächlichen erfolgten Nachzahlung der Empfänger der Nachzahlung darauf vertrauen, den Betrag zur Deckung aufgelaufener Schulden aus der Lebenshaltung verwenden zu dürfen. Dies zumal dann, wenn der Leistungsträger davon absehe, die Erstattung an nachrangig verpflichtete Leistungsträger gemäß § 104 SGB X vorzunehmen. Die Klage habe somit Erfolgsaussicht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG) und damit zulässig, sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Bewilligung von PKH unter Beiordnung des benannten Rechtsanwalts für das Verfahren S 3 AS 1355/09 abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1997, 2102, 2103).

Erfolgsaussichten im dargestellten Sinn liegen hier nicht vor. Zur Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und überzeugenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist ergänzend auszuführen, dass es bezogen auf den Monat Juli 2008 nicht zur Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheids vom 3. März 2009 führt, dass dieser als Rechtsgrundlage allein § 48 SGB X nennt, obgleich die Aufhebung wegen des bezogenen Krankengeldes ihre Rechtsgrundlage in § 45 SGB X findet. Dies ist unschädlich, weil lediglich die Rechtsgrundlage ausgewechselt wird, die §§ 45, 48 SGB X auf dieselbe Rechtsfolge gerichtet sind und die Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung zudem nach §§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 2 und 3 SGB III zwingend vorgeschrieben ist (vgl. BSGE 95, 176).

Das Alg ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch für den gesamten Zeitraum ab 12. Juli 2008 anzurechnen. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Das Alg nach dem SGB III wurde für diesen Zeitraum gewährt, so dass insoweit die erforderliche zeitliche Deckungsgleichheit zwischen Sozialleistungen und Einkommen besteht (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 26 = BSGE 60, 180). Keine Rolle spielt dagegen, dass die Bundesagentur ihren Erstattungsanspruch durch die Auszahlung der Leistung an sich für den Zeitraum bis 21. November 2008 erfüllt hat (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 1991 - 7 RAr 46/90 - SozSich 1993 RsprNr. 4455 = DStR 1992, 880).

Schließlich muss die Klägerin entgegen ihrer Befürchtung auch nicht mehr an den Beklagten zurückzahlen, als sie tatsächlich an Alg erhalten hat. Im Juli 2008 läuft sich der Einkommensüberhang (aus Arbeitslosengeld und Krankengeld) auf 276,08 EUR, in den Folgemonaten jeweils auf 204 EUR. Dies ergibt sich aus dem anzurechnenden Einkommen von 555 EUR (585 EUR abzüglich der Versicherungspauschale gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 3 Nr. 2 Alg II-V) abzüglich der Regelleistung von 351 EUR, auf welche das Einkommen nach § 19 Satz 3 SGB II vorrangig anzurechnen ist. Der Betrag von 204 EUR für sieben Monate (August 2008 bis Februar 2009) zuzüglich des Einkommensüberhangs für Juli 2008 ergibt den geforderten Erstattungsbetrag von 1.704,08 EUR.

Da die Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung zwingend vorgesehen ist (§§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 2, 3 SGB III), besteht auch keinerlei Raum zur Ausübung von Ermessen oder zur Berücksichtigung von Härtegesichtspunkten. Insoweit kann auch nicht berücksichtigt werden, dass die Klägerin die Nachzahlung des Arbeitslosengeldes zur Tilgung privater Schulden verbraucht hat. Davon abgesehen steht einer bedarfsmindernden Berücksichtigung des Verbrauchs von Einkommen zur Schuldentilgung nach der Rechtsprechung des BSG ohnehin entgegen, dass Einkommen zuförderst zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen ist, auch wenn sich der Hilfebedürftige dadurch außerstande setzt, vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen. Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folgt, dass diese erst dann einzusetzen hat, wenn die Hilfebedürftigen ihnen zur Verfügung stehende Mittel verbraucht haben (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R - (juris); BSG SozR 4-4200 § 11 Nr. 5).

Das SG hat nach alledem zurecht den PKH-Antrag wegen fehlender Erfolgsaussichten des Klageverfahrens abgelehnt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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