L 4 R 3991/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 789/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3991/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1952 geborene Klägerin wurde von September 1967 bis März 1970 zur Einzelhandelskauffrau ausgebildet. Sie war sodann bis 30. November 1971 als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft sowie bis 30. April 1994 als Metzgereiverkäuferin beim (ersten) Ehegatten beschäftigt. Die vier Kinder aus erster Ehe wurden in den Jahren 1972, 1974, 1976 und 1983 geboren. Am 05. Oktober 1989 bestand die Klägerin die Fortbildungsprüfung zur Verkaufsleiterin im Nahrungsmittelhandwerk Fachrichtung Fleischerei. Vom 01. September 1994 bis 31. Dezember 2000 war die Klägerin als Außendienstangestellte für Ladenbau/Einrichtungen beschäftigt. Zuletzt bestand vom 01. Januar 2001 bis 30. April 2002 eine Beschäftigung als Verkaufsleiterin (Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Mitarbeiterschulung). Vom 16. Mai 2002 bis 07. März 2004 wurde Arbeitslosengeld bezogen. Anschließend blieb die Klägerin ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet.

Am 22. Mai 2003 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog das Gutachten der Ärztin Dr. E. des Arbeitsamts A. vom 27. November 2002 mit den hierzu vorgelegten ärztlichen Befunden bei. Dr. E. hielt die Klägerin für fähig, leichte Arbeiten vollschichtig in überwiegend sitzender Haltung unter Berücksichtigung von Einschränkungen auszuüben. Internist Dr. V. erstattete das Gutachten vom 09. Juli 2003. Es bestünden eine regressive Struma nodosa, ein Zustand nach Mammakarzinom, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom sowie anamnestisch Migräne. Die zuletzt ausgeübten Berufstätigkeiten seien weiterhin möglich, vorbehaltlich des Ausschlusses einer außerordentlichen Stressposition und unter Empfehlung eines regenerierenden Heilverfahrens. Im weiteren Gutachten vom 21. Juli 2003 legte Orthopäde Dr. S. dar, es bestünden ein Cervikalsyndrom bei Osteochondrose mit Uncarthrose HWK 4 -7 , eine Ischiolumbalgie bei rechtskonvexer thorakolumbaler Torsionsskoliose mit Osteochondrose L4/L5 sowie L5/S1, ferner eine Synovitis bei beginnender Gonarthrose beider Knie. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verkaufsleiterin mit vielen Fahrten sei wegen der hierdurch erklärbaren Rückenbeschwerden problematisch. Im Übrigen seien leichte Arbeiten in wechselnder Haltung sechs Stunden und mehr möglich. Durch Bescheid vom 31. Juli 2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche regelmäßig ausüben. Auch liege Berufsunfähigkeit nicht vor, da Beschäftigungen als Einkäuferin, Disponentin, Verkaufssachbearbeiterin, Buchhalterin oder Versandleiterin im Innendienst noch sechs Stunden täglich möglich seien.

Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch holte die Beklagte die Befundberichte der Allgemeinärztin Dr. G. vom 15. September 2003 (Verschlechterung der Knieschmerzen), des Frauenarztes Dr. W. vom 22. September 2003 (vorgesehen Strumaoperation und Gebärmutterentfernung) und des Facharztes für Chirurgie Ba. vom 21. Oktober 2003 (Besserung der Kniebeschwerden rechts nach Operation am 05. März 2003) ein. Die behandelnden Ärzte legten die ihnen übermittelten Arztbriefe vor. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2004. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Sie könne den aus den versicherungspflichtig verrichteten Beschäftigungen ermittelten bisherigen Beruf als kaufmännische Angestellte im Außendienst noch drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben. Unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes und der während des Erwerbslebens erlangten verwertbaren Kenntnisse und Fähigkeiten komme aber noch eine mindestens sechs Stunden tägliche Beschäftigung als Kauffrau im Innendienst in Betracht.

Mit der am 15. März 2004 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage, mit der sie Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrte, trug die Klägerin vor, sie leide unter den Folgen der Brustoperation vom 20. Dezember 2001. Ferner bestünden erhebliche Kniebeschwerden und ein Bandscheibenvorfall. Hinzu kämen Folgen der Schilddrüsenoperation, ein Tinnitus, Magenprobleme, Gallenpolypen und starke Wechseljahrbeschwerden. Eine Erwerbstätigkeit sei nicht mehr möglich. Inzwischen habe ein Herzkatheter gelegt werden müssen. Schließlich bestünden häufige Migräneanfälle. Wegen Schwerhörigkeit habe sie ein Hörgerät verordnet bekommen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und wandte ein, es bestünden kein wesentlicher krankhafter Befund und keine wesentlichen Funktionsausfälle.

Dr. G. erstattete die Zeugenaussage vom 30. April 2004 über die Behandlung seit 18. September 2002; zuletzt hätten Kniebeschwerden und eine reaktive Verstimmung im Vordergrund gestanden. Sie legte ihr zugegangene Arztbriefe vor.

Internist Dr. Sc. erstattete auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten vom 20. August 2004. Es bestünden wiederkehrende Wirbelsäulensyndrome bei leichter Fehlhaltung und Verschleißerscheinungen, ein Knorpelschaden an den Kniescheiben und Verschleißerscheinungen an den Kniegelenken mit zeitweisen Reizzuständen ohne wesentliche Funktionseinschränkung, ein Fibromyalgiesyndrom, eine inzwischen gebesserte Blutarmut bei noch leichtem nachweisbarem Eisenmangel, eine Innenohrschwerhörigkeit beiderseits, korrekt substituiertes Schilddrüsenhormon nach Teilentfernung der Schilddrüse im September 2003 sowie ein Zustand nach Entfernung eines Knotens aus der linken Brust im Stadium beginnender Bösartigkeit. Tätigkeiten im Berufsbereich der Einzelhandelskauffrau und der Verkaufsleiterin im Außendienst, ebenso leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, welche nicht mit Zwangshaltungen, nicht mit häufigem Bücken, Knien oder Hocken, nicht mit langem Stehen und Gehen verbunden seien sowie welche nicht besondere Ansprüche an das Hörvermögen stellten, könnten weiterhin sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Eine gewisse Einschränkung der Gehfähigkeit für lange Strecken sei festzustellen. Eine Gehstrecke von 500 Meter könne sie viermal am Tag mit weniger als zehn Minuten Gehstrecke zurücklegen. Gelegentliches Autofahren sei nicht gehindert.

Die Beklagte bewilligte die Heilmaßnahme in der A.-klinik I.-N. vom 26. Mai bis 16. Juni 2005. Im Entlassungsbericht vom 20. Juni 2005 (Orthopäde/Rheumatologe Dr. Z.) wurden genannt: Beginnende Gon- und Retropatellararthrose rechts, rückläufiges Bewegungs- und Belastungsdefizit, generalisiertes Wirbelsäulensyndrom bei überwiegend muskulären Dysbalancen mit Bewegungs- und Belastungsdefizit, Zustand nach Mammaoperation im Dezember 2001 sowie Angst und depressive Störung gemischt. Die Entlassung erfolge bei noch bestehendem psychophysischem Erschöpfungszustand und unveränderter Schmerzsituation als arbeitsunfähig bei dringender Indikation einer ambulanten Psychotherapie. Unter Fortsetzung einer ambulanten Psychotherapie könne damit gerechnet werden, dass die Klägerin mittelfristig wieder leistungsfähig sein werde.

Das SG holte sodann von Amts wegen das Gutachten der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie Dr. M.-T. vom 20. Oktober 2005 ein. Eine leichte Anpassungsstörung, Cervical- und Lumbalbeschwerden, ein zeitweiliger Tinnitus rechts und eine Migräne bewirkten zeitweilige Stimmungsschwankungen, eine gewisse allgemeine Frustriertheit und auch eine zeitweilige Fixiertheit. Jedoch seien die Störungen nur als leicht bei nur minimalen Beeinträchtigungen des Alltagslebens zu bewerten. Die Notwendigkeit einer Behandlung erscheine äußerst fraglich. Eine wesentliche Leistungseinschränkung bestehe nicht. Auszuschließen seien Stress, Druck und Nachtarbeit. Im Übrigen seien Tätigkeiten sechs Stunden täglich möglich.

Zu diesem Gutachten wandte die Klägerin ein, Dr. M.-T. habe sie nur 15 Minuten untersucht. Auch seien verschiedene von ihr gemachte Angaben nicht richtig wiedergegeben worden.

Durch Urteil vom 27. Juni 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, nach allen gutachterlichen Äußerungen seien sozial zumutbare Tätigkeiten als Kauffrau im Innendienst nicht gehindert. Auf die Entscheidungsgründe wird im Übrigen Bezug genommen.

Gegen das am 10. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08. August 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Kniebeschwerden hätten weiter zugenommen. Der Tinnitus belaste sie physisch und psychisch. Hals- und Lendenwirbel seien stark abgenutzt. Hinzu kämen die Wechseljahrbeschwerden, Migräneanfälle sowie eine vegetative Störung des Verdauungstrakts. Der Sachverständige Dr. Sc. habe ein Fibromyalgie-Syndrom genannt. All dies führe zu psychischen Beeinträchtigungen. Weder längeres Autofahren noch eine sitzende Tätigkeit im Innendienst seien regulär möglich. Die vom SG erhobenen Gutachten berücksichtigten weder ihre Gesamtsituation noch seien ihre einzelnen Beschwerden korrekt festgestellt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2004 zu verurteilen, ihr ab 01. Mai 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verbleibt dabei, vorbehaltlich des Nachweises einer Verschlechterung sei weiterhin kein wesentlich leistungsmindernder Befund zu erkennen.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Orthopäde Dr. K. hat unter dem 16. Januar 2007 angegeben, im Bereich der Halswirbelsäule sei es zu einer Verschlimmerung der Symptomatik wegen eines Bandscheibenvorfalls gekommen. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Gr. hat in der Aussage vom 18. Juli 2008 dargelegt, nachdem im Jahr 2006 Störungen an Armen und Händen berichtet worden seien, werde jetzt eine wiederkehrende Migräne geklagt. Ärztin Dr. G. hat unter dem 29. April 2009 über die weitere Behandlung berichtet und mehrere Arztbriefe vorgelegt (zuletzt Dr. Gr. vom 08. Oktober 2008 und 09. April 2009; ferner Internist Dr. M.-H. vom 07. April 2009 über eine Schilddrüsensonographie). Orthopäde Dr. K. hat nochmals unter dem 04. Mai 2009 über Verschlimmerungstendenzen jedenfalls bezüglich der subjektiven Angaben berichtet.

Arzt für Orthopädie Dr. B. vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm hat das Gutachten vom 15. Juni 2009 erstattet. Auf seinem Fachgebiet bestünden Cervikobrachialgien vor allem rechts bei bandscheibenbedingten degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäulen-Segmente, Bewegungseinschränkungen, muskulären Reizerscheinungen ohne Hinweise auf Nervenwurzelreize oder neurologische Ausfälle; cervikal überlagerte Schwindelerscheinungen; eine wiederkehrende Lumboischialgie bei degenerativen Veränderungen der Wirbelgelenke in den unteren Lendenwirbelsäulen-Segmenten, ein anamnestisch bekannter Bandscheibenvorfall mit nur geringen Funktionseinschränkungen, muskuläre Reizerscheinungen ohne belangvolle neurologische Ausfälle; ein Impingementsyndrom beider Schultergelenke ohne wesentliches Bewegungsdefizit bei Unmöglichkeit längerer Überkopftätigkeiten; eine Arthrose rechtes Handgelenk mit etwa drittelgradig und endgradig schmerzhafter Funktionseinschränkung; retropatellare Knorpelschäden beiderseits, Belastungsbeschwerden beider Kniegelenke, anamnestisch teils auch mit Reizerscheinungen, keine belangvollen Funktionsdefizite und geringe Minderung der Belastbarkeit; eine Großzehengrundgelenksarthrose rechts mehr als links, rechts mit deutlicher und schmerzhafter Bewegungseinschränkung. Hinzu kämen Zustand nach Mamma-Karzinom 2001, wiederkehrende Migräne in Stresszeiten zwei- bis dreimal pro Monat, teils mit freien Intervallen über Monate; Innenohrschwerhörigkeit beiderseits mit Tinnitus rechts, Zustand nach Hörsturz links 1997, wobei die Umgangssprache in ruhiger Umgebung lückenlos verstanden werde; leichte Anpassungsstörung mit kombinierter Angst- und depressiver Störung, 2004 Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms. Körperlich leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen oder längerwährende Zwangshaltungen für den Rumpf und die Wirbelsäule seien möglich. Längere Überkopftätigkeiten seien zu meiden. Es müsse ein Wechselrhythmus zwischen Sitzen, Gehen und Stehen eingehalten werden ohne Klettern und Steigen, ohne besonderen Zeitdruck, Nacht- oder Wechselschicht, an laufenden Maschinen, keine taktgebundenen Arbeiten oder Akkord. Weiter zu meiden seien Arbeiten unter ungünstigen Witterungsverhältnissen mit Einfluss von großen Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte oder Nässe, schließlich Arbeiten mit besonderer Anforderung an die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände, das Hörvermögen, die nervliche Belastbarkeit, das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit. In diesem Rahmen sei Arbeit von sechs Stunden täglich möglich. Wesentliche Abweichungen oder Änderungen gegenüber den Vorgutachten seien nicht zu beschreiben.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des SG vom 27. Juni 2006 ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 31. Juli 2003 (Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2004) die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt. Es besteht Anspruch weder auf Rente wegen voller, noch wegen teilweiser Erwerbsminderung noch wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin ist unter Berücksichtigung dieser Vorschriften weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden arbeitstäglich ausüben kann.

Im Vordergrund stehen Beschwerden des Bewegungsapparates sowie im Bereich der Wirbelsäule. Es bestehen Beschwerden der Halswirbelsäule vor allem rechts bei bandscheibenbedingten degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäulen-Segmente. Diese verursachen zwar Bewegungseinschränkungen und muskuläre Reizerscheinungen, jedoch ohne Hinweise auf Nervenwurzelreize oder neurologische Ausfälle. Schwindelerscheinungen können sich ebenfalls im Bereich der Halswirbelsäule auswirken. Hinzu kommen wiederkehrende Rückenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen der Wirbelgelenke in den unteren Lendenwirbelsäulen-Segmenten. Ein von früher bekannter Bandscheibenvorfall bewirkt nur geringe Funktionseinschränkungen; auch hier bestehen muskuläre Reizerscheinungen ohne belangvolle neurologische Ausfälle. Ein Impingementsyndrom beider Schultergelenke bewirkt kein wesentliches Bewegungsdefizit, schließt aber längere Überkopftätigkeiten aus. Hinzu kommt eine Arthrose des rechten Handgelenks mit etwa drittelgradig und endgradig schmerzhafter Funktionseinschränkung. Knorpelschäden der Kniegelenke mit Belastungsbeschwerden beiderseits gehen teils mit Reizerscheinungen überein, bewirken aber keine belangvollen Funktionsdefizite und eine nur geringe Minderung der Belastbarkeit. Eine Großzehengrundgelenksarthrose rechts mehr als links, rechts mit deutlicher und schmerzhafter Bewegungseinschränkung schließt die Defizite auf orthopädischem Gebiet ab. Dies ergibt sich aus dem im Berufungsverfahren erhobenen Gutachten des Dr. B. vom 15. Juni 2009. Abweichende Befunde ergeben sich auch nicht aus dem vom SG erhobenen Gutachten des Dr. Sc. und dem Entlassungsbericht des Dr. Z. vom 20. Juni 2005. Auch sie haben keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen oder andere Funktionsausfälle beschrieben.

Auf psychiatrischem/psychotherapeutischem Gebiet besteht allenfalls eine leichte Anpassungsstörung, die ihre Ursache in dem gesundheitlichen Zustand sowie der Arbeitslosigkeit hat. Dies ergibt sich übereinstimmend aus dem Gutachten der Dr. M.-T. und dem Entlassungsbericht des Dr. Z. vom 20. Juni 2005 über das stationäre Heilverfahren. Gegen eine schwere psychiatrische Erkrankung spricht, dass eine entsprechende fachärztliche psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlung nicht erfolgte und auch jetzt nicht erfolgt. Auch Dr. Sc. konnte keine eigenständige psychiatrische Diagnose stellen. Auch aus dem Gutachten des Dr. B. ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine zwischenzeitlich eingetretene erhebliche Verschlechterung insoweit.

Die im Jahre 2001 erfolgte Brustoperation hat keine Auswirkungen hinterlassen. Ein Rezidiv ist nicht aufgetreten. Nachsorgeuntersuchungen waren nach Angaben der Klägerin gegenüber Dr. B. unauffällig.

Bezüglich der Schilddrüse ist die Medikation optimal (Berichte des Dr. M.-H. vom 21. April 2005, 14. April 2008 und 07. April 2009). Die histologische Untersuchung des am 23. September 2003 operativ entfernten Gewebes ergab keine Malignität (Bericht des Pathologen Dr. Ho. vom 29. September 2003).

Es besteht eine Migräne, die behandelt wird. Ferner besteht eine Innenohrschwerhörigkeit beiderseits mit Tinnitus rechts bei Zustand nach Hörsturz links (1997), wobei Umgangssprache in ruhiger Umgebung verstanden wird.

Die vom Sachverständigen Dr. B. genannten Gesundheitsstörungen, soweit nicht das eigene orthopädische Fachgebiet betreffend, sind dem Entlassungsbericht des Orthopäden/Rheumatologen Dr. Z. vom 20. Juni 2005 sowie dem von Amts wegen eingeholten Gutachten Dr. M.-T. vom 20. Oktober 2005 entnommen. Weitere Befunde oder eine auffällige Verschlechterung der seinerzeit genannten Störungen sind im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens nicht hinzugekommen (vgl. Zusammenfassung Ärztin Dr. G. in der Zeugenaussage vom 29. April 2009 mit Vorlage neuerer Arztbriefe). Die wiederkehrende Migräne wird von Dr. Gr. in der Aussage vom 18. Juli 2008 aufgeführt. Mithin sind die von Dr. B. genannten Diagnosen zutreffend und vollständig wiedergegeben.

Unter Berücksichtigung dessen ist die Einschätzung der zeitlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin durch den Sachverständigen Dr. B. mit mehr als sechs Stunden für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachvollziehbar und schlüssig, sodass der Senat ihr folgt. Die von ihm formulierte Leistungsumschreibung entspricht ebenfalls den Vorgutachten, insbesondere dem Gutachten des Dr. Sc., und lässt keine Widersprüche erkennen. Hiernach sind, wie bereits genannt, längere Überkopftätigkeiten zu meiden. Ebenso zu meiden sind schweres Heben und Tragen oder lange währende Zwangshaltungen für Rumpf und Wirbelsäule. Zu fordern ist die Einhaltung eines Wechselrhythmus zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne Klettern und Steigen, ohne besonderen Zeitdruck, Nacht- oder Wechselschicht, ohne Arbeit an laufenden Maschinen, ohne Takt oder Akkord, schließlich ohne ungünstige Witterungsverhältnisse, Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte oder Nässe, ohne Arbeiten mit besonderer Anforderung an die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände, das Hörvermögen, die nervliche Belastbarkeit, das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit. In diesem Rahmen ist Arbeit von sechs Stunde täglich möglich. Mithin sind die Voraussetzungen weder für Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung erfüllt. Die in der Berufungsbegründung vorgebrachten Beschwerden und Belastungen sind von den Ärzten, zuletzt vom Sachverständigen Dr. B. berücksichtigt worden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist beim formulierten Leistungsprofil nicht gefordert.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 des RV-Altergrenzen-anpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Bisheriger Beruf der Klägerin ist derjenige einer kaufmännischen Angestellten. Diesen kann sie bei Beschränkung auf Innendienst ohne Notwendigkeit regelmäßiger Fahrten - beim formulierten Leistungsprofil noch sechs Stunden arbeitstäglich ausüben. Eine Leistungseinschränkung, die kaufmännische Tätigkeiten ersichtlich hindern würde, ist nicht beschrieben. Mithin ist die Klägerin nicht berufsunfähig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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