Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2370/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4089/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erhebt Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Sortis (Wirkstoff Atorvastatin) als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Begrenzung auf den Arzneimittelfestbetrag.
Der am 1940 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er ist seit einem ersten 1984 erlittenen Hinterwandinfarkt behandlungsbedürftig am Herzen. Nach seinen Angaben ("Krankengeschichte" vom Mai 2007) ereignete sich 1992 ein neuer Infarkt; im Jahr 2003 wurden zuletzt stationäre Behandlungen erforderlich. Seit 1990 befindet er sich in Behandlung bei Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. in K.-A ...
Am 09. Januar 2007 reichte der Kläger die Verordnung des Dr. F. vom selben Tag über 100 Stück Sortis 40 mg Filmtabletten N 3 sowie die Rechnung der R.-Apotheke K.-A. vom 09. Januar 2007 mit einem Zahlbetrag von (EUR 184,77 abzüglich Festbetrag EUR 86,00) EUR 98,77 bei der Beklagten ein. Er gab an, drei vergleichbare Arzneimittel hätten nicht angeschlagen, weshalb er die Übernahme des Gesamtbetrags beantrage. Er sei auf wirksame Cholesterinsenker angewiesen. Es handle sich um ein im Sinne der Rechtsprechung überlebenswichtiges Medikament. Die Beklagten lehnte mit Bescheid vom 15. Januar 2007 - ohne Rechtsbehelfsbelehrung - die Übernahme des Gesamtbetrags für das Medikament Sortis ab. Gemäß § 31 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) dürften die Krankenkassen die Kosten nur bis zum Festbetrag übernehmen; eine Ausnahmeentscheidung lasse das Gesetz nicht zu.
Den hiergegen mit der Begründung, nur Sortis habe die erwünschten Laborwerte erbracht, erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 13. April 2007 zurück. Für das Arzneimittel Sortis sei ein Festbetrag bestimmt worden. Entsprechend der gesetzlichen Regelung habe sie (die Beklagte) mit der Übernahme in diesem Rahmen ihren Leistungsanspruch erfüllt. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, dass Versicherte in Fällen wie dem vorliegenden den verbleibenden Betrag selbst zu zahlen hätten.
Mit der am 26. April 2007 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage begehrte der Kläger, ab Januar 2007 die durch Apothekenquittungen bestätigten Kosten für das vertragsärztlich verordnete Präparat Sortis, ausgenommen die gesetzlichen Zuzahlungen, ihm voll zu erstatten. Nach verschiedenen Tests mit anderen Medikamenten habe auch der Arzt festgestellt, dass nur dieses helfe. Er sei dringend auf die Senkung des Cholesterinspiegels angewiesen, nachdem dessen Erhöhung für die Herzinfarkte verantwortlich gewesen sei. Diätfehler habe er sich nicht zu Schulden kommen lassen. Mithin handle es sich um ein lebensrettendes Mittel im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG).
Die Beklagte trat der Klage entgegen und wies darauf hin, dass nach jetzigem Stand der Nutzenbewertung der Inhaltsstoff Atorvastatin als Wirkstoff von Sortis in die Festbetragsgruppe einbezogen worden sei.
Das SG befragte Allgemeinarzt Dr. F. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser gab zunächst unter dem 04. September 2007 an, die cholesterinsenkende Therapie werde seit über zehn Jahren mit dem Medikament Sortis durchgeführt, zuletzt seit März 2004 in der Dosis 40 mg. Behandlungsversuche mit Inegy ab 20. April 2005 (wegen Unverträglichkeit) und mit Ezetrol ab 03. Juli 2006 seien unbefriedigend gewesen. Simvastatin in Kombination mit Ezetrol sei ebenfalls nicht vertragen worden mit der Folge subjektiver Beschwerden und einer ungenügenden LDL-Senkung. Deswegen sei auch an eine höhere Dosierung der Alternativpräparate nicht mehr gedacht worden. Unter dem 18. Oktober 2007 ergänzte der behandelnde Arzt, nach einhelliger Expertenmeinung müsse nach koronarer Herzerkrankung eine LDL-Senkung unter 100 mg/dl erfolgen; dies habe hier nur eine Tablette Sortis 40 mg täglich erzielt. Die ansonsten ungenügende Senkung des LDL-Cholesterins könne sich auch durch mangelhafte cholesterinarme Diät erklären.
Durch Urteil vom 26. Juni 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, die (vorgelegten) Laborwerte zeigten, dass auch unter der Medikation mit Sortis in den allermeisten Fällen die Werte über dem von Dr. F. angenommenen Grenzwert von 100 mg/dl gelegen hätten, bei bis zu 139 und 150 mg/dl. Nur dreimal seien Werte unter 100 mg/dl gemessen worden. Demgegenüber fielen die Werte, die unter Inegy und unter reiner Ezetimib-Therapie gemessen worden seien (127 mg/dl bzw. 104 mg/dl), in keiner Weise aus dem Rahmen. Angesichts der gemessenen Laborwerte könne nicht davon gesprochen werden, dass eine Therapie mit den billigeren Statinen wie Simvastatin, Fluvastatin und Lovastatin aussichtslos gewesen sei und nicht zu einer ähnlichen LDL-Wert-Senkung hätte führen können wie die Therapie mit Sortis. Auch die HDL-Werte hätten generell zwischen 42 mg/dl und 66 mg/dl gelegen, in der Zeit der Therapie ohne Sortis mit 50 mg/dl und 46 mg/dl innerhalb der Bandbreite der ansonsten gemessenen Werte. Der Gesamtcholesterinwert sei zur Zeit der Ezetimib-Therapie mit 153 mg/dl sogar günstiger gewesen als während der Therapie mit Sortis mit Werten bis zu 222 mg/dl und 225 mg/dl. Die Frage, ob überhaupt keine andere Therapie in Betracht komme, stelle sich nicht, weshalb es nicht darauf ankomme, ob die Voraussetzungen des Beschlusses des BVerfG vom 06. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 = BVerfGE 115, 25) erfüllt sein könnten.
Gegen das am 24. Juli 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am (Montag) 25. August 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er weist darauf hin, die billigeren Präparate verursachten Kopfschmerzen und Bluthochdruck. Auch habe er von allen bisher eingenommenen Statinen Krämpfe, Muskelverspannungen, Schwindel, Kopfschmerzen und Verdauungsbeschwerden bekommen. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04. April 2006 (B 1 KR 7/05 R) nehme er Bezug. Es gehe um ein lebenswichtiges Medikament. Demgegenüber würden etwa Chemo-Tabletten, die sehr teuer seien, voll vergütet, obwohl diese nur sehr wenig Leben retteten. Diesbezüglich müsse eine gerechtere Verteilung angestrebt werden. Der Kläger hat eine Aufstellung der in den Jahren 2007 und 2008 erworbenen Tabletten des Arzneimittels Sortis zuzüglich Quittungen der gezahlten Aufpreise vorgelegt: 12. Januar 2007 EUR 98,77; 08. Mai 2007 EUR 61,46; 27. November 2007 EUR 25,73; Januar 2008 EUR 30,62; 18. März 2008 EUR 20,62; 23. Juni 2008 EUR 38,69; 10. September 2008 EUR 60,16; zusammen EUR 345,99.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2007 zu verurteilen, EUR 345,99 zu erstatten sowie ihn künftig nach ärztlicher Verordnung mit dem Arzneimittel Sortis ohne Begrenzung auf den Arzneimittelfestbetrag zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren vermöge daran nichts zu ändern.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat hat über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu durch Hinweisschreiben vom 28. Oktober 2008, nochmals in Bezug genommen mit Schreiben vom 23. Juni 2009 gehört worden. Anlass, von der angekündigten Verfahrensform abzugehen, hat sich im Anhörungsverfahren nicht mehr ergeben.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Zwar war Ausgangspunkt des Verfahrens lediglich die Rechnung der R.-Apotheke K.-A. vom 09. Januar 2007 mit einem Zahlbetrag von EUR 98,77, sodass der Beschwerdewert von EUR 750,00 (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung) nicht überschritten wäre. Der Kläger hat jedoch von Anfang an sinngemäß die Leistungspflicht der Beklagten auch für die Zukunft und damit in einem den zitierten Beschwerdewert übersteigenden Betrag geltend gemacht. Streitgegenstand war deshalb stets die Versorgung mit dem begehrten Arzneimittel ohne zeitliche Begrenzung und damit für die Dauer von mehr als einem Jahr (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der sinngemäße Antrag auf Verurteilung dem Grunde nach ist zulässig (§ 130 Abs. 1 SGG). Eine genaue Bezifferung ist insoweit nicht möglich und nicht zu verlangen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 24. September 2002 B 3 P 15/01 R - in juris).
Die Berufung ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 26. Juni 2008 zutreffend entschieden, dass die Beklagte im Bescheid vom 15. Januar 2007 (Widerspruchsbescheid vom 13. April 2007) Erstattung der Kosten des Medikaments Sortis über den Festbetrag hinaus zu Recht ablehnen durfte.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln. Versicherte haben nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit diese nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Die Versicherten erhalten nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit das Fünfte oder das Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs nichts Abweichendes vorsehen. Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 oder § 35a SGB V festgesetzt ist, trägt nach § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Krankenkasse (nur) die Kosten bis zur Höhe dieses Festbetrags.
Die Festbeträge werden gemäß § 35 Abs. 3 SGB V in der seit 01. Juli 2008 geltenden Fassung vom Spitzenverband Bund (bis zum 30. Juni 2008 gemeinsam und einheitlich von den Spitzenverbänden) der Krankenkassen auf der Grundlage von rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen festgesetzt. Sie sind nach Abs. 5 Satz 1 und 2 der Vorschrift so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten; sie haben Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherzustellen. Gemäß § 35 Abs. 5 Satz 3 bis 7 SGB V ist die regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Festbeträge an die Marktlage sowie die Bestimmung der Preissegmente geregelt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (vgl. § 35 Abs. 1 bis 3 SGB V) bestimmt in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V, für welche Gruppen von Arzneimitteln mit denselben oder pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung Festbeträge festgesetzt werden können. Die so gebildeten Gruppen müssen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB V gewährleisten, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen. Ausgenommen von diesen Gruppen sind Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten, wobei gemäß dem am 01. Mai 2006 in Kraft getretenen § 35 Abs. 1a Satz 1 und 3 SGB V eine therapeutische Verbesserung dann vorliegt, wenn das Arzneimittel einen therapierelevanten höheren Nutzen als andere Arzneimittel dieser Wirkstoffgruppe hat und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen oder Indikationsbereiche den anderen Arzneimitteln dieser Gruppe vorzuziehen ist; ein höherer Nutzen kann dabei auch eine Verringerung der Häufigkeit oder des Schweregrads therapierelevanter Nebenwirkungen sein. § 35 Abs. 1b Satz 4 bis 9 SGB V ordnet an, dass der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung auf Grund der Fachinformationen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin erfolgt, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht, und regelt im Einzelnen das Verfahren der Nutzenbewertung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Beschluss vom 20. Juli 2004 Anlage 2 der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien - AMR) - nach Neufassung der AMR Anlage IX AMR - um eine Festbetragsgruppe der Stufe 2 (Gruppen mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen) "HMG-CoA-Reduktasehemmer" ergänzt, welche die sogenannten Statine mit den Wirkstoffen Atorvastatin u.a. unter Angaben der jeweiligen Wirkstärkenvergleichsgrößen vereinigt (Bundesanzeiger Nr. 182 (S. 21 086) vom 25. September 2004). Auf dieser Grundlage haben die Spitzenverbände der Krankenkassen durch Bekanntmachung vom 29. Oktober 2004 mit Wirkung ab 01. Januar 2005 den Festbetrag auf Apothekeneinkaufspreis-Ebene für die Standardpackung (Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97 Packungsgröße 100) auf EUR 62,55 festgesetzt. Gegen diese Entscheidung haben Vertreiber eine Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, welche dieses durch Urteil vom 22. November 2005 - S 81 KR 3778/04 - (rechtskräftig, veröffentlicht in juris) abgewiesen hat. Nach Aktualisierung der Vergleichsgrößen durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13. März 2008 haben die Spitzenverbände der Krankenkassen durch Bekanntmachung vom 07. April 2008 mit Wirkung ab 01. Juni 2008 den Festbetrag für die Standardpackung (Wirkstärkenvergleichsgröße 0,4, Packungsgröße 100) zuletzt auf EUR 13,48 festgesetzt. Gegen die rechnerische Ermittlung des Festbetrags sind Einwände nicht erhoben oder ersichtlich.
Die der Eingruppierung in die Festbetragsgruppe zugrunde liegende Annahme des Gemeinsamen Bundesausschusses, dass die Wirkstoffe aller Statine im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar sind und dass Atorvastatin auch im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz und Abs. 1b Satz 1 und 3 SGB V keine therapeutische Verbesserung gegenüber den übrigen Statinen bedeutet, unterliegt grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung. Dies beruht auf dem Charakter der gesetzlichen Ermächtigung und der besonderen gesetzlichen Stellung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dessen Gestaltungsspielraum ist nur daraufhin zu überprüfen, ob die maßgeblichen Verfahrens- und Formvorschriften eingehalten sind, sich die untergesetzliche Norm auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums eingehalten sind. Soweit nicht die Situation gegeben ist, dass nur eine einzige Therapie eine reale Chance zur Erzielung des Heilerfolgs ergibt, hat der Gesetzgeber die Entscheidung, ob und welcher potentielle Zusatznutzen Mehrkosten rechtfertigt und deshalb die Herausnahme eines Präparats aus einer Festbetragsgruppe gebietet, dem fachkundig und interessenpluralistisch zusammengesetzten Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen. Die gerichtliche Sachaufklärung beschränkt sich auf die Frage, ob der Gemeinsame Bundesausschuss den Sachverhalt vollständig ermittelt und die vorhandenen Studien ausgewertet hat und ob deren Würdigung und die Gründe, aus denen der Gemeinsame Bundesausschuss von deren Einbeziehung abgesehen hat, nachvollziehbar sind. Auf ein Sachverständigengutachten im Einzelfall kommt es nicht an. Es handelt sich um die auf genereller Ebene angesiedelte Beurteilung, ob und ggf. bei welchen Patientengruppen nach dem Stand der Wissenschaft die Wirkstoffe vergleichbar und vergleichbar wirksam sind (vgl. hierzu auch BSGE 69, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr. 5).
In diesem Rahmen hat sich die für die Festbetragsbindung maßgebliche Zusammenfassung der Wirkstoffgruppe der Statine durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gehalten. Die seitens der betroffenen Pharmaunternehmen vorgetragenen Einwände sind bereits Gegenstand des zitierten Verfahrens beim Sozialgericht Berlin (Urteil vom 22. November 2005) gewesen. Die Spitzenverbände und der Gemeinsame Bundesausschuss haben sich auf das Arbeitspapier des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen "Nutzenbewertung der Statine unter besonderer Berücksichtigung von Atorvastatin" gestützt. Dabei konnten keine generellen therapeutischen Verbesserungen dieses Wirkstoffs gegenüber anderen Statinen festgestellt werden.
Nach alledem vermag der Kläger der Anwendung der Festbetragsregelung nicht entgegenzuhalten, im Einzelfall sei Sortis anderen Statinen therapeutisch überlegen, weil es wirksamer und nebenwirkungsfrei sei. Die Behauptung eines Behandlungserfolgs enthebt nicht von der Prüfung der in §§ 31, 34f. SGB V geregelten Voraussetzungen für die Übernahme der Behandlungskosten durch die Krankenkasse. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch umfasst nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Auf den individuellen Heilerfolg kommt es nicht an (vgl. zu alledem auch Sozialgericht Dresden, Urteil vom 10. Juli 2008 - S 18 KR 372/07 - veröffentlicht in juris).
Der Kläger vermag sich auch nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung zu berufen. Im Beschluss vom 06. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht für vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine insoweit ungünstige Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr oder der Gefahr des Verlusts eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion verfassungswidrig. Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben näher konkretisiert (vgl. BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 4; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 8). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung besteht nicht. Der Kläger leidet nicht an einer progredienten Herzerkrankung. Die Behandlung dient vorrangig der vorsorglichen Verringerung eines Risikofaktors, einer ungenügenden Senkung des LDL-Cholesterins. Der behandelnde Arzt Dr. F. hat dies in der Zeugenaussage vom 04. September 2007 auch durch mangelhafte cholesterinarme Diät erklärbar bezeichnet. Mithin sind die Mittel zur Bekämpfung des Risikofaktors nicht nachweislich ausgeschöpft. Die Laborwerte sind bei den Alternativtherapien nicht aus dem erwünschten Rahmen gefallen. Der Gesamtcholesterinwert hat auch unter der Sortis-Therapie keine deutlich günstigeren Werte erreicht, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt hat. Allein dass der Kläger darauf hinweist, billigere Präparate verursachten ihm Krämpfe, Muskelverspannungen, Schwindel, Kopfschmerzen und Verdauungsbeschwerden, ist eine Frage des Umfangs von Nebenwirkungen, was allein eine Durchbrechung der generellen Begrenzung auf den Festbetrag aus den dargelegten Gründen nicht rechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erhebt Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Sortis (Wirkstoff Atorvastatin) als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Begrenzung auf den Arzneimittelfestbetrag.
Der am 1940 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er ist seit einem ersten 1984 erlittenen Hinterwandinfarkt behandlungsbedürftig am Herzen. Nach seinen Angaben ("Krankengeschichte" vom Mai 2007) ereignete sich 1992 ein neuer Infarkt; im Jahr 2003 wurden zuletzt stationäre Behandlungen erforderlich. Seit 1990 befindet er sich in Behandlung bei Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. in K.-A ...
Am 09. Januar 2007 reichte der Kläger die Verordnung des Dr. F. vom selben Tag über 100 Stück Sortis 40 mg Filmtabletten N 3 sowie die Rechnung der R.-Apotheke K.-A. vom 09. Januar 2007 mit einem Zahlbetrag von (EUR 184,77 abzüglich Festbetrag EUR 86,00) EUR 98,77 bei der Beklagten ein. Er gab an, drei vergleichbare Arzneimittel hätten nicht angeschlagen, weshalb er die Übernahme des Gesamtbetrags beantrage. Er sei auf wirksame Cholesterinsenker angewiesen. Es handle sich um ein im Sinne der Rechtsprechung überlebenswichtiges Medikament. Die Beklagten lehnte mit Bescheid vom 15. Januar 2007 - ohne Rechtsbehelfsbelehrung - die Übernahme des Gesamtbetrags für das Medikament Sortis ab. Gemäß § 31 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) dürften die Krankenkassen die Kosten nur bis zum Festbetrag übernehmen; eine Ausnahmeentscheidung lasse das Gesetz nicht zu.
Den hiergegen mit der Begründung, nur Sortis habe die erwünschten Laborwerte erbracht, erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 13. April 2007 zurück. Für das Arzneimittel Sortis sei ein Festbetrag bestimmt worden. Entsprechend der gesetzlichen Regelung habe sie (die Beklagte) mit der Übernahme in diesem Rahmen ihren Leistungsanspruch erfüllt. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, dass Versicherte in Fällen wie dem vorliegenden den verbleibenden Betrag selbst zu zahlen hätten.
Mit der am 26. April 2007 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage begehrte der Kläger, ab Januar 2007 die durch Apothekenquittungen bestätigten Kosten für das vertragsärztlich verordnete Präparat Sortis, ausgenommen die gesetzlichen Zuzahlungen, ihm voll zu erstatten. Nach verschiedenen Tests mit anderen Medikamenten habe auch der Arzt festgestellt, dass nur dieses helfe. Er sei dringend auf die Senkung des Cholesterinspiegels angewiesen, nachdem dessen Erhöhung für die Herzinfarkte verantwortlich gewesen sei. Diätfehler habe er sich nicht zu Schulden kommen lassen. Mithin handle es sich um ein lebensrettendes Mittel im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG).
Die Beklagte trat der Klage entgegen und wies darauf hin, dass nach jetzigem Stand der Nutzenbewertung der Inhaltsstoff Atorvastatin als Wirkstoff von Sortis in die Festbetragsgruppe einbezogen worden sei.
Das SG befragte Allgemeinarzt Dr. F. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser gab zunächst unter dem 04. September 2007 an, die cholesterinsenkende Therapie werde seit über zehn Jahren mit dem Medikament Sortis durchgeführt, zuletzt seit März 2004 in der Dosis 40 mg. Behandlungsversuche mit Inegy ab 20. April 2005 (wegen Unverträglichkeit) und mit Ezetrol ab 03. Juli 2006 seien unbefriedigend gewesen. Simvastatin in Kombination mit Ezetrol sei ebenfalls nicht vertragen worden mit der Folge subjektiver Beschwerden und einer ungenügenden LDL-Senkung. Deswegen sei auch an eine höhere Dosierung der Alternativpräparate nicht mehr gedacht worden. Unter dem 18. Oktober 2007 ergänzte der behandelnde Arzt, nach einhelliger Expertenmeinung müsse nach koronarer Herzerkrankung eine LDL-Senkung unter 100 mg/dl erfolgen; dies habe hier nur eine Tablette Sortis 40 mg täglich erzielt. Die ansonsten ungenügende Senkung des LDL-Cholesterins könne sich auch durch mangelhafte cholesterinarme Diät erklären.
Durch Urteil vom 26. Juni 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, die (vorgelegten) Laborwerte zeigten, dass auch unter der Medikation mit Sortis in den allermeisten Fällen die Werte über dem von Dr. F. angenommenen Grenzwert von 100 mg/dl gelegen hätten, bei bis zu 139 und 150 mg/dl. Nur dreimal seien Werte unter 100 mg/dl gemessen worden. Demgegenüber fielen die Werte, die unter Inegy und unter reiner Ezetimib-Therapie gemessen worden seien (127 mg/dl bzw. 104 mg/dl), in keiner Weise aus dem Rahmen. Angesichts der gemessenen Laborwerte könne nicht davon gesprochen werden, dass eine Therapie mit den billigeren Statinen wie Simvastatin, Fluvastatin und Lovastatin aussichtslos gewesen sei und nicht zu einer ähnlichen LDL-Wert-Senkung hätte führen können wie die Therapie mit Sortis. Auch die HDL-Werte hätten generell zwischen 42 mg/dl und 66 mg/dl gelegen, in der Zeit der Therapie ohne Sortis mit 50 mg/dl und 46 mg/dl innerhalb der Bandbreite der ansonsten gemessenen Werte. Der Gesamtcholesterinwert sei zur Zeit der Ezetimib-Therapie mit 153 mg/dl sogar günstiger gewesen als während der Therapie mit Sortis mit Werten bis zu 222 mg/dl und 225 mg/dl. Die Frage, ob überhaupt keine andere Therapie in Betracht komme, stelle sich nicht, weshalb es nicht darauf ankomme, ob die Voraussetzungen des Beschlusses des BVerfG vom 06. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 = BVerfGE 115, 25) erfüllt sein könnten.
Gegen das am 24. Juli 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am (Montag) 25. August 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er weist darauf hin, die billigeren Präparate verursachten Kopfschmerzen und Bluthochdruck. Auch habe er von allen bisher eingenommenen Statinen Krämpfe, Muskelverspannungen, Schwindel, Kopfschmerzen und Verdauungsbeschwerden bekommen. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04. April 2006 (B 1 KR 7/05 R) nehme er Bezug. Es gehe um ein lebenswichtiges Medikament. Demgegenüber würden etwa Chemo-Tabletten, die sehr teuer seien, voll vergütet, obwohl diese nur sehr wenig Leben retteten. Diesbezüglich müsse eine gerechtere Verteilung angestrebt werden. Der Kläger hat eine Aufstellung der in den Jahren 2007 und 2008 erworbenen Tabletten des Arzneimittels Sortis zuzüglich Quittungen der gezahlten Aufpreise vorgelegt: 12. Januar 2007 EUR 98,77; 08. Mai 2007 EUR 61,46; 27. November 2007 EUR 25,73; Januar 2008 EUR 30,62; 18. März 2008 EUR 20,62; 23. Juni 2008 EUR 38,69; 10. September 2008 EUR 60,16; zusammen EUR 345,99.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2007 zu verurteilen, EUR 345,99 zu erstatten sowie ihn künftig nach ärztlicher Verordnung mit dem Arzneimittel Sortis ohne Begrenzung auf den Arzneimittelfestbetrag zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren vermöge daran nichts zu ändern.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat hat über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu durch Hinweisschreiben vom 28. Oktober 2008, nochmals in Bezug genommen mit Schreiben vom 23. Juni 2009 gehört worden. Anlass, von der angekündigten Verfahrensform abzugehen, hat sich im Anhörungsverfahren nicht mehr ergeben.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Zwar war Ausgangspunkt des Verfahrens lediglich die Rechnung der R.-Apotheke K.-A. vom 09. Januar 2007 mit einem Zahlbetrag von EUR 98,77, sodass der Beschwerdewert von EUR 750,00 (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung) nicht überschritten wäre. Der Kläger hat jedoch von Anfang an sinngemäß die Leistungspflicht der Beklagten auch für die Zukunft und damit in einem den zitierten Beschwerdewert übersteigenden Betrag geltend gemacht. Streitgegenstand war deshalb stets die Versorgung mit dem begehrten Arzneimittel ohne zeitliche Begrenzung und damit für die Dauer von mehr als einem Jahr (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der sinngemäße Antrag auf Verurteilung dem Grunde nach ist zulässig (§ 130 Abs. 1 SGG). Eine genaue Bezifferung ist insoweit nicht möglich und nicht zu verlangen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 24. September 2002 B 3 P 15/01 R - in juris).
Die Berufung ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 26. Juni 2008 zutreffend entschieden, dass die Beklagte im Bescheid vom 15. Januar 2007 (Widerspruchsbescheid vom 13. April 2007) Erstattung der Kosten des Medikaments Sortis über den Festbetrag hinaus zu Recht ablehnen durfte.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln. Versicherte haben nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit diese nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Die Versicherten erhalten nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit das Fünfte oder das Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs nichts Abweichendes vorsehen. Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 oder § 35a SGB V festgesetzt ist, trägt nach § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Krankenkasse (nur) die Kosten bis zur Höhe dieses Festbetrags.
Die Festbeträge werden gemäß § 35 Abs. 3 SGB V in der seit 01. Juli 2008 geltenden Fassung vom Spitzenverband Bund (bis zum 30. Juni 2008 gemeinsam und einheitlich von den Spitzenverbänden) der Krankenkassen auf der Grundlage von rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen festgesetzt. Sie sind nach Abs. 5 Satz 1 und 2 der Vorschrift so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten; sie haben Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherzustellen. Gemäß § 35 Abs. 5 Satz 3 bis 7 SGB V ist die regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Festbeträge an die Marktlage sowie die Bestimmung der Preissegmente geregelt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (vgl. § 35 Abs. 1 bis 3 SGB V) bestimmt in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V, für welche Gruppen von Arzneimitteln mit denselben oder pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung Festbeträge festgesetzt werden können. Die so gebildeten Gruppen müssen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB V gewährleisten, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen. Ausgenommen von diesen Gruppen sind Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten, wobei gemäß dem am 01. Mai 2006 in Kraft getretenen § 35 Abs. 1a Satz 1 und 3 SGB V eine therapeutische Verbesserung dann vorliegt, wenn das Arzneimittel einen therapierelevanten höheren Nutzen als andere Arzneimittel dieser Wirkstoffgruppe hat und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen oder Indikationsbereiche den anderen Arzneimitteln dieser Gruppe vorzuziehen ist; ein höherer Nutzen kann dabei auch eine Verringerung der Häufigkeit oder des Schweregrads therapierelevanter Nebenwirkungen sein. § 35 Abs. 1b Satz 4 bis 9 SGB V ordnet an, dass der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung auf Grund der Fachinformationen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin erfolgt, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht, und regelt im Einzelnen das Verfahren der Nutzenbewertung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Beschluss vom 20. Juli 2004 Anlage 2 der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien - AMR) - nach Neufassung der AMR Anlage IX AMR - um eine Festbetragsgruppe der Stufe 2 (Gruppen mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen) "HMG-CoA-Reduktasehemmer" ergänzt, welche die sogenannten Statine mit den Wirkstoffen Atorvastatin u.a. unter Angaben der jeweiligen Wirkstärkenvergleichsgrößen vereinigt (Bundesanzeiger Nr. 182 (S. 21 086) vom 25. September 2004). Auf dieser Grundlage haben die Spitzenverbände der Krankenkassen durch Bekanntmachung vom 29. Oktober 2004 mit Wirkung ab 01. Januar 2005 den Festbetrag auf Apothekeneinkaufspreis-Ebene für die Standardpackung (Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97 Packungsgröße 100) auf EUR 62,55 festgesetzt. Gegen diese Entscheidung haben Vertreiber eine Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, welche dieses durch Urteil vom 22. November 2005 - S 81 KR 3778/04 - (rechtskräftig, veröffentlicht in juris) abgewiesen hat. Nach Aktualisierung der Vergleichsgrößen durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13. März 2008 haben die Spitzenverbände der Krankenkassen durch Bekanntmachung vom 07. April 2008 mit Wirkung ab 01. Juni 2008 den Festbetrag für die Standardpackung (Wirkstärkenvergleichsgröße 0,4, Packungsgröße 100) zuletzt auf EUR 13,48 festgesetzt. Gegen die rechnerische Ermittlung des Festbetrags sind Einwände nicht erhoben oder ersichtlich.
Die der Eingruppierung in die Festbetragsgruppe zugrunde liegende Annahme des Gemeinsamen Bundesausschusses, dass die Wirkstoffe aller Statine im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar sind und dass Atorvastatin auch im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz und Abs. 1b Satz 1 und 3 SGB V keine therapeutische Verbesserung gegenüber den übrigen Statinen bedeutet, unterliegt grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung. Dies beruht auf dem Charakter der gesetzlichen Ermächtigung und der besonderen gesetzlichen Stellung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dessen Gestaltungsspielraum ist nur daraufhin zu überprüfen, ob die maßgeblichen Verfahrens- und Formvorschriften eingehalten sind, sich die untergesetzliche Norm auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums eingehalten sind. Soweit nicht die Situation gegeben ist, dass nur eine einzige Therapie eine reale Chance zur Erzielung des Heilerfolgs ergibt, hat der Gesetzgeber die Entscheidung, ob und welcher potentielle Zusatznutzen Mehrkosten rechtfertigt und deshalb die Herausnahme eines Präparats aus einer Festbetragsgruppe gebietet, dem fachkundig und interessenpluralistisch zusammengesetzten Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen. Die gerichtliche Sachaufklärung beschränkt sich auf die Frage, ob der Gemeinsame Bundesausschuss den Sachverhalt vollständig ermittelt und die vorhandenen Studien ausgewertet hat und ob deren Würdigung und die Gründe, aus denen der Gemeinsame Bundesausschuss von deren Einbeziehung abgesehen hat, nachvollziehbar sind. Auf ein Sachverständigengutachten im Einzelfall kommt es nicht an. Es handelt sich um die auf genereller Ebene angesiedelte Beurteilung, ob und ggf. bei welchen Patientengruppen nach dem Stand der Wissenschaft die Wirkstoffe vergleichbar und vergleichbar wirksam sind (vgl. hierzu auch BSGE 69, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr. 5).
In diesem Rahmen hat sich die für die Festbetragsbindung maßgebliche Zusammenfassung der Wirkstoffgruppe der Statine durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gehalten. Die seitens der betroffenen Pharmaunternehmen vorgetragenen Einwände sind bereits Gegenstand des zitierten Verfahrens beim Sozialgericht Berlin (Urteil vom 22. November 2005) gewesen. Die Spitzenverbände und der Gemeinsame Bundesausschuss haben sich auf das Arbeitspapier des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen "Nutzenbewertung der Statine unter besonderer Berücksichtigung von Atorvastatin" gestützt. Dabei konnten keine generellen therapeutischen Verbesserungen dieses Wirkstoffs gegenüber anderen Statinen festgestellt werden.
Nach alledem vermag der Kläger der Anwendung der Festbetragsregelung nicht entgegenzuhalten, im Einzelfall sei Sortis anderen Statinen therapeutisch überlegen, weil es wirksamer und nebenwirkungsfrei sei. Die Behauptung eines Behandlungserfolgs enthebt nicht von der Prüfung der in §§ 31, 34f. SGB V geregelten Voraussetzungen für die Übernahme der Behandlungskosten durch die Krankenkasse. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch umfasst nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Auf den individuellen Heilerfolg kommt es nicht an (vgl. zu alledem auch Sozialgericht Dresden, Urteil vom 10. Juli 2008 - S 18 KR 372/07 - veröffentlicht in juris).
Der Kläger vermag sich auch nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung zu berufen. Im Beschluss vom 06. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht für vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine insoweit ungünstige Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr oder der Gefahr des Verlusts eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion verfassungswidrig. Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben näher konkretisiert (vgl. BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 4; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 8). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung besteht nicht. Der Kläger leidet nicht an einer progredienten Herzerkrankung. Die Behandlung dient vorrangig der vorsorglichen Verringerung eines Risikofaktors, einer ungenügenden Senkung des LDL-Cholesterins. Der behandelnde Arzt Dr. F. hat dies in der Zeugenaussage vom 04. September 2007 auch durch mangelhafte cholesterinarme Diät erklärbar bezeichnet. Mithin sind die Mittel zur Bekämpfung des Risikofaktors nicht nachweislich ausgeschöpft. Die Laborwerte sind bei den Alternativtherapien nicht aus dem erwünschten Rahmen gefallen. Der Gesamtcholesterinwert hat auch unter der Sortis-Therapie keine deutlich günstigeren Werte erreicht, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt hat. Allein dass der Kläger darauf hinweist, billigere Präparate verursachten ihm Krämpfe, Muskelverspannungen, Schwindel, Kopfschmerzen und Verdauungsbeschwerden, ist eine Frage des Umfangs von Nebenwirkungen, was allein eine Durchbrechung der generellen Begrenzung auf den Festbetrag aus den dargelegten Gründen nicht rechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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