L 8 U 4734/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 4260/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4734/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer höheren Verletztenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) im Wege des Zugunstenverfahrens streitig.

Der 1949 geborene Kläger erlitt am 16.09.1970 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Schädelkompression auf 12,5 cm mit Kopfschwartenwunde am linken Scheitel, Felsenbeinbrüche beidseitig, Berstungsbrüche an der Schädelkapsel, eine Gesichtslähmung links, eine Lähmung der Augenbewegung, eine Verlagerung des linken Auges und eine traumatische Hirnschädigung zuzog.

Mit Bescheid vom 11.08.1972 gewährte die Süddeutschen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft dem Kläger Verletztenrente vorläufig für die Zeit vom 03.05.1971 bis 15.09.1971 nach einer MdE von 40 vH, bis 15.03.1972 von 30 vH und bis 31.05.1972 von 20 vH und mit Bescheid vom 14.05.1973 auf Dauer ab 1.6.1972 nach einer MdE von 20 vH. Als Unfallfolgen wurden anerkannt Hirnprellungsfolgen leichten Grades, eine geringe Pupillenentrundung rechts, eine leichte Erweiterung und Entrundung der Pupille links, Doppeltsehen beim Blick nach links, links oben und links unten, eine Verlagerung des linken Auges nach unten sowie eine ganz geringgradige Schallleitungsschwerhörigkeit beiderseits. Nicht als Unfallfolgen wurden eine Migräne und Kurzsichtigkeit links festgestellt.

Am 19.11.1992 stellte der Kläger einen Rentenerhöhungsantrag. Gestützt auf das nervenärztliche Gutachten des Dr. H. vom 13.07.1993 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 01.09.1993 und 12.10.1993 und das chirurgische Gutachten des Prof. Dr. K. vom 06.10.1993 anerkannte die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 27.12.1993 unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 11.08.1972 und 14.09.1973 migräneähnliche Kopfschmerzen, verbunden mit synkopalen Ohnmachtsanfällen als weitere Folge des Arbeitsunfalles an und gewährte eine Dauerrente nach einer MdE von 30 vH ab 16.03.1972 mit einer Nachzahlung der Verletztenrente ab 01.01.1988. Gegen den Bescheid vom 27.12.1993 legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er eine MdE von mindestens 40 vH geltend machte und sich gegen den Beginn der Nachzahlung wandte. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.1995 zurückgewiesen. Eine daraufhin beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage (S 3 U 1141/95), nahm der Kläger in der öffentlichen Sitzung des SG am 02.08.1996 zurück.

Auf einen Kurantrag des Klägers holte die Beklagte Befundberichte ein und beauftragte Dr. Dr. Dr.B. mit der Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens. In seinem Gutachten vom 25.12.2000 gelangte Dr. Dr. Dr.B. zu der Einschätzung, dass beim Kläger auf nervenärztlichem Fachgebiet eine unfallbedingte MdE von 50 vH bestehe. Die Beklagte holte hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 29.01.2001 ein, der sich der Einschätzung des Dr. Dr. Dr.B. nicht anschloss und die Ansicht vertrat, dass die unfallbezogene MdE im Vergleich zum Bescheid vom 27.12.1993 gleich geblieben sei.

Mit Bescheid vom 01.03.2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Anspruch auf Erhöhung der Rente nicht bestehe, da eine wesentliche Verschlimmerung im Zustand der Unfallfolgen nicht eingetreten sei und ein Zusammenhang zwischen der depressiven Symptomatik und dem Unfall nicht nachgewiesen werden könne. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 19.03.2001 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2001 zurückgewiesen wurde. Hiergegen erhob der Kläger Klage beim SG (S 4 U 2761/01). Der Kläger berief sich auf einen Bescheid des Versorgungsamtes Karlsruhe vom 10.04.2001, mit dem das Versorgungsamt beim Kläger in Ausführung eines vom Kläger angenommenen Anerkenntnisses des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg im Berufungsverfahren beim Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 SB 1273/00 wegen eines hirnorganischen Psychosyndroms (Teil-GdB 40), Refluxkrankheit der Speiseröhre (Teil-GdB 10), Bluthochdruck (Teil-GdB 10) und Verschluss der rechten Arteria carotis interna mit Kopfschmerzen und Synkopen (Teil-GdB 20) den GdB mit 50 seit 15.01.1997 feststellte, sowie auf ein im Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz eingeholtes Gutachten des Dr. D. vom 25.01.1999, das er vorlegte.

Das SG holte das nervenärztliche Gutachten des Dr. Sch. vom 09.10.2002 ein, in dem der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangte, eine wesentliche Änderung in den Unfallfolgen sei nicht eingetreten. Die MdE wurde von Dr. Sch. weiterhin mit 30 vH seit Dezember 1993 eingeschätzt. In der öffentlichen Sitzung des SG am 28.11.2003 schlossen die Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreites einen Vergleich, mit dem sich die Beklagte verpflichtete, ausgehend von dem von Dr. D. erstatteten Gutachten nochmals zu prüfen, ob die im Bescheid vom 27.12.1993 festgestellten Unfallfolgen sowie die damals anerkannte MdE um 30 vH für die Zeit ab 01.01.1995 richtig festgestellt worden sind.

In Ausführung des beim SG geschlossenen Vergleichs holte die Beklagte zunächst das neuropsychiatrische Gutachten des Facharztes für Neurologie Dr. S. vom 28.04.2004 ein. Dr. S. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, beim Kläger lägen derzeit als Unfallfolgen eine beiderseitige kombinierte Schwerhörigkeit und Tinnitus links, eine zentral-vegetative Regulationsstörung mit posttraumatischen Kopfschmerzen und seltenen synkopalen Ereignissen sowie ein ACI-Verschluss rechts vor. Unabhängig vom Unfallereignis bestünden täglicher Spannungskopfschmerz und medikamentös indizierter Kopfschmerz, depressive Verstimmungszustände, eine Hypertonie und ein Z.n. Meniskus-OP. Dr. S. schätzte unter Berücksichtigung einer Teil-MdE auf HNO-Gebiet mit 10 vH die Teil-MdE auf neurologischem Gebiet mit 20 vH und die Gesamt-MdE mit 30 vH ab dem 01.01.1995 ein.

Mit Bescheid vom 27.05.2004 lehnte die Beklagte die Neufeststellung der MdE mit Überprüfung der Richtigkeit des Bescheides vom 27.12.1993 ab 01.01.1995 gestützt auf das Gutachten des Dr. S. gemäß § 44 SGB X ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die mit Bescheid vom 27.12.1993 eingeschätzte MdE von 30 vH sei richtig und entspreche der allgemeinen ärztlichen Erfahrung und der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit.

Gegen den Bescheid vom 27.05.2004 legte der Kläger am 08.06.2004 Widerspruch ein. Er erhob zur Begründung Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. S. und hielt eine Begutachtung durch Prof. Dr. F. auf psychiatrischem Fachgebiet für erforderlich, wie dies beim Abschluss des Vergleiches vor dem SG vereinbart worden sei.

Die Beklagte beauftragte Prof. Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens. Prof. Dr. F. gelangte in seinem psychiatrischen Gutachten vom 26.04.2006 nach einer Untersuchung des Klägers unter Berücksichtigung der Aktenlage sowie des außerdem eingeholten neuroradiologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. V. vom 12.09.2005 (Befund: Verschiedene, am ehesten mikroangiopathisch verursachte Läsionen, die leicht ausgeprägter seien als altersüblich und sich nicht auf das Trauma zurückführen ließen), des schlafmedizinischen Zusatzgutachtens des Dr. Si. vom 10.11.2005 (ein Schlafapnoe-Syndrom könne nicht diagnostiziert werden) und des neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Dipl. Psych. Dr. Schl. vom 06.12.2005 zu dem Ergebnis, der Kläger weise eine leicht depressive Störung auf, die weitgehend unfallunabhängig erscheine. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor. Die bestehende migräneartige Kopfschmerzsymptomatik sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch den traumatischen Verschluss der Arteria carotis interna bedingt. Die Ursache der synkopalen Ohnmachten habe nicht eindeutig geklärt werden können. Am wahrscheinlichsten seien traumatisch bedingte migräneartige Attacken mit Aura und vegetativer Dysregulation. Ein Hinweis auf hirnorganisch bedingte psychische oder kognitive Veränderungen habe sich nicht gefunden. Die Aufrechterhaltung der 1993 gewährten MdE von 30 vH erscheine für den neurologischen Komplex (Kopfschmerzen und Synkopen) weiterhin angemessen.

Der Kläger erhob gegen das Gutachten des Prof. Dr. F. Einwendungen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2006 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.05.2004 von der Beklagten zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 07.09.2006 Klage beim SG. Er verwies zur Begründung auf sein bisheriges Vorbringen und berief sich auf das Anerkenntnis des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg im Berufungsverfahren L 11 SB 1273/00.

Das SG holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das nervenärztliche Gutachten des Dr. Sc. vom 20.01.2008 ein. Dr. Sc. gelangte in seinem Gutachten unter Einbeziehung des Ergebnisses einer testpsychologischen Zusatzuntersuchung durch Dipl.-Psych. E. Sc. zu der Bewertung, eine Verschlechterung der anerkannten psychischen Auffälligkeiten im kognitiven und emotionalen Bereich könne nicht auf den Unfall vom 16.09.1970 zurückgeführt werden. Bezüglich der Verschlechterung der nicht adäquat behandelten Kopfschmerzen spielten andere Faktoren eine wesentliche Rolle. Die Genese der Synkopen sei weiterhin unklar. Depressive Verstimmungen seien nicht mit Sicherheit auf das Unfallereignis zurückführbar. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor. Eine Verschlechterung des hirnorganischen Psychosyndroms seit der Zeit des Unfalls 1970 sei nicht feststellbar. Seit 01.01.1995 betrage die unfallbedingte MdE 30 vH. Eine auf den Unfall zurückführbare Verschlechterung ab dem 01.01.1995 sei nicht objektivierbar gewesen.

Mit Urteil vom 30.07.2008 wies das SG die Klage unter Bezug auf die Gründe des Bescheides vom 27.05.2004 und des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2006 ab. Es führte zur Begründung ergänzend aus, den Einwendungen des Klägers gegen die Schlüssigkeit des Gutachtens von Prof. Dr. F. griffen im Ergebnis nicht durch. Es erscheine fernliegend, die "Anfälle" des Klägers als Ausdruck eines Vermeidungsverhaltens zu interpretieren und auf diese Weise einer posttraumatischen Belastungsstörung zuzuordnen. Ein höherer Grad der MdE als 30 vH. lasse sich auch nicht auf das Anerkenntnis des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg stützen. Die gutachtliche Anhörung des Dr. Sc., der ebenfalls die unfallbedingte MdE mit 30 vH. eingeschätzt habe, habe den Kläger seinem Klagebegehren nicht näher zu bringen vermocht.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 08.09.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.10.2008 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung vorgetragen, die eingeholten Gutachten überzeugten nicht. Die Versorgungsverwaltung komme nachvollziehbar bei denselben Verletzungen/Unfallfolgen zu viel höheren Bewertungen. Die Beurteilungskriterien GdB und MdE seien keineswegs völlig unterschiedlicher Natur. Teilweise sei sogar die unmittelbare Übernahme angeordnet. Die hier in Rede stehenden Verletzungen könnten nur einheitlich beurteilt werden. Unfallfremde Faktoren hätten bei dem Anerkenntnis der Versorgungsverwaltung keine Rolle gespielt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheid vom 27. Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 29. März 1995 zu verurteilen, aufgrund der gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalles vom 16. September 1970 Verletztenrente nach einem höheren Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als 30 vom Hundert seit dem 1. Januar 1995 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat zur Begründung ausgeführt, der von der Versorgungsverwaltung zuerkannte GdB sei vorliegend nicht wechselseitig übertragbar.

Mit richterlicher Verfügung vom 22.05.2009 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ist ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie sechs Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Der Senat hat den Antrag des Klägers sachdienlich gefasst. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es nach der Senatsrechtsprechung in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Dass ein Verwaltungsakt nach Eintritt der Bindungswirkung nicht mehr vor Gericht angefochten, sondern nur noch im Zugunstenverfahren zurückgenommen werden kann und dass hierüber nach § 44 Abs 3 SGB X die zuständige Verwaltungsbehörde entscheidet, rechtfertigt nicht den Schluss, dass auch im Prozess über die Ablehnung des Zugunstenantrags die Rücknahmeentscheidung nicht vom Gericht ersetzt werden kann. Wäre es anders, käme eine mit dem Verpflichtungsantrag verbundene Leistungsklage - die auch von der Gegenmeinung für zulässig gehalten wird - aus systematischen Gründen nicht in Betracht. Denn die Verwaltungsbehörde kann nicht zur Leistung verurteilt werden, ehe der entgegenstehende bestandskräftige (Ausgangs-)Bescheid beseitigt ist und solange nur die Behörde verpflichtet ist, ihn zurückzunehmen. Richtigerweise kann deshalb mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung - oder Abänderung - des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer höheren MdE als 30 vH im Wege einer vorliegend streitigen Zugunstenentscheidung nach § 44 SGB X. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18 m. w. H.). Dem entspricht vorliegend die Verfahrensweise der Beklagten, die eine Sachentscheidung im Rahmen des § 44 SGB X getroffen hat, zu der sie sich durch den im Klageverfahren S 4 U 2761/01 geschlossenen Vergleich verpflichtet hat. Einer näheren Erörterung dazu, dass sich der vorliegend streitige Antrag des Klägers sachlich als "rückdatierter Verschlimmerungsantrag" nach § 48 SGB X darstellt, bedarf es damit nicht.

Nach diesen Grundsätzen besteht kein Anspruch des Klägers darauf, den bestandskräftigen Bescheid vom 27.12.1993 gemäß § 44 SGB X mit Wirkung vom 01.01.1995 abzuändern.

Die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen beim Kläger nach dem Ergebnis der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. S. und Prof. Dr. F., die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, wie auch nach dem vom SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG einholten Gutachten des Dr. Sc., auch zur Überzeugung des Senats nicht vor. Die Sachverständigen haben in ihren Gutachten, z.T. unter Einbeziehung weiterer Zusatzgutachten, die der Senat ebenfalls im Wege des Urkundenbeweises verwertet, übereinstimmend und für den Senat nachvollziehbar und plausibel beim Kläger das Vorliegen vom Beklagten im Bescheid vom 27.12.1993 rechtswidrig nicht berücksichtigten Unfallfolgen nicht festgestellt und die MdE weiterhin mit 30 vH. für angemessen erachtet. Insbesondere liegt eine vom Kläger geltend gemachte posttraumatische Belastungsstörung nicht vor, wie Prof. Dr. F. und ihm folgend Dr. Sc. in ihren Gutachten überzeugend ausgeführt haben. Die vom Kläger gegen das Gutachten des Prof. Dr. F. erhobenen Einwendungen hält auch der Senat aus den vom SG im angefochtenen Urteil dargelegten Gründen für nicht berechtigt, auf die der Senat nach eigener Prüfung zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG). Auch Dr. Sc. ist in seinem Gutachten diesen Einwendungen des Kläger nicht gefolgt und hat das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung beim Kläger in Übereinstimmung mit Prof. Dr. F. verneint. Soweit Dr. S. und Dr. Sc. in ihren Gutachten von einer Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen des Klägers ausgegangen sind, wurde ein Zusammenhang mit dem Unfall vom 16.09.1970 jeweils überzeugend verneint. Für den Senat besteht kein Anlass, von den überzeugenden und übereinstimmenden Bewertungen der eingeholten Gutachten abzuweichen.

Allein die Anerkennung eines GdB von 50 durch die Versorgungsverwaltung Baden-Württemberg, worauf der Kläger im Berufungsverfahren maßgeblich abgestellt hat, rechtfertigt nach der einheitlichen und gefestigten Rechtsprechung der Sozialgerichte keine andere Bewertung, wie das SG im angefochtenen Urteil ebenso zutreffend ausgeführt hat. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholung ebenfalls Bezug. Eine rechtliche Bestimmung dahin, dass die Beklagte die Bewertung des GdB durch die Versorgungsverwaltung zu übernehmen hat, besteht nicht. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites bleibt vielmehr maßgeblich, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht vorliegen.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den für die Entscheidung relevanten Sachverhalt für aufgeklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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