L 5 R 2862/07 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1903/06 PKH-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2862/07 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. März 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wandte sich im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Reutlingen (S 8 R 1902/06) gegen den Bescheid der Beklagten vom 30. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2006 über die Verrechnung von monatlich 250 EUR aus einer Beitragsforderung der beigeladenen Berufsgenossenschaft Metall Süd mit der Altersrente des Klägers. Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach einer vom Landratsamt Tuttlingen - Sozialamt - erstellten Berechnung vom 23. November 2005 habe ein Gesamtbedarf des Klägers und seiner Ehefrau in Höhe von 1.326,56 EUR (einschließlich 680 EUR Kosten der Unterkunft und 25,56 EUR Mehrbedarf für Diabeteskost) bestanden, während sich das Einkommen aus der Altersrente beider Eheleute auf monatlich 1.679,82 EUR belaufe, wovon für Unfall- und Hausratversicherung 5,97 EUR abgezogen wurden, sodass sich ein Gesamteinkommen von 1.673,85 EUR ergebe. Da das Einkommen des Klägers und das seiner Ehefrau den sozialhilferechtlichen Bedarf in Höhe von 1.326,56 EUR um 347,29 EUR übersteige, führe auch eine Verrechnung von monatlich 250 EUR nicht zur Hilfebedüftigkeit, sodass die Verrechnung nicht zu beanstanden sei.

Hiergegen hat der Kläger am 24. Mai 2006 Klage vor dem SG erhoben und gleichzeitig beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu gewähren.

Mit Beschluss vom 27. März 2007 hat das SG den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Das SG hat hierbei Bezug genommen auf den am gleichen Tag ergangenen Gerichtsbescheid, mit dem das SG die Klage abgewiesen hat. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 52 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) im Hinblick auf die dem Kläger zustehende Rente - mit Ermächtigung der Beigeladenen - die Ansprüche der Beigeladenen (aus geschuldeten Beiträgen) gegen den Berechtigten, mit der ihr obliegenden Geldleistung - der Rente - verrechnet habe, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig sei. Gemäß § 51 Abs. 2 SGB I sei die Aufrechnung gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen im Zusammenhang mit der Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und Beitragsansprüchen bis zu deren Hälfte erlaubt, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweise, dass er dadurch hilfebedürftig werde. Die Aufrechnung /Verrechnung könne daher im Rahmen des von der Beklagten auszuübenden Ermessens - ohne Beachtung der Pfändungsgrenzen des § 54 Abs. 4 SGB I - bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen erfolgen, soweit der Kläger dadurch nicht hilfebedüftig im Sinne der §§ 9 ff. SGB II oder §§ 19,27 ff. SGB XII werde, was von ihm nachzuweisen sei. Diesen Nachweis habe der Kläger mit der Vorlage des vom Kreissozialamt Tuttlingen ausgegebenen "Berechungsgang" vom 23. November 2005 nicht erbracht.

Insbesondere habe das Sozialamt den Kläger in seinem Schreiben vom 23. November 2005 auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die von ihm über den gesetzlichen Regelbedarf, den Kosten für Unterkunft und Heizung sowie einem Mehrbedarf wegen der Diabetes-Erkrankung hinaus geltend gemachten Aufwendungen sozialhilferechtlich nicht berücksichtigt werden könnten. So seien beispielsweise die Ausgaben für die Fahrzeughaltung, wie auch für den Strombezug bereits im Regelsatz enthalten.

Der Kläger hat gegen den seinen Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 10. April 2007 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt (L 5 R 2386/07) und gegen den Beschluss über die Versagung von Prozesskostenhilfe Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (Beschluss vom 30. Mai 2007).

Zur Begründung seiner Beschwerde macht er insbesondere geltend, es bestünden schon Zweifel, ob im Rahmen des zwischenzeitlich anhängigen Insolvenzverfahrens eine Verrechnung nach § 52 SGB I zulässig sei. Es werde insbesondere auf § 96 Insolvenzordnung (InsO) verwiesen, wonach eine Aufrechnung bzw. Verrechnung dann unzulässig sei, wenn die Forderung eines Gläubigers gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners gerichtet sei. Daneben sei sehr wohl nachgewiesen worden, dass er hilfebedüftig sei. Insbesondere seien die persönlichen Aufwendungen aufgrund seiner schweren Diabetes zu Unrecht nicht in vollem Umfang berücksichtigt worden. Ebenfalls sei nicht berücksichtigt worden, dass Kosten für Unterkunft und Heizung im Falle des Klägers wesentlich höher seien als ein vergleichbarer Satz, der von den Sozialbehörden zugrunde gelegt worden sei. Ihm bliebe derzeit aufgrund der Verrechnung weniger übrig als einem vergleichbaren Sozialhilfeempfänger, der Anspruch auf vollen Ausgleich der Mietkosten habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. März 2007 aufzuheben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt Schuhmacher Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 8 R 1902/06 zu bewilligen.

Die Beklagte hat sich hierzu nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände der mit der Klage vertretene Standpunkt in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht vertretbar erscheint oder anders formuliert, bei summarischer tatsächlicher und rechtlicher Prüfung eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsmittels besteht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl.; § 73a Rdnr. 7 mwN); im tatsächlichen Bereich müssen Tatsachen erweisbar sein; ein günstiges Beweisergebnis darf nicht unwahrscheinlich sein. Prozesskostenhilfe ist zu verweigern, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber eine nur entfernte ist (vgl. auch BVerfGE 81, 347; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

Die Klage hatte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung in Höhe von 250 EUR auf die Altersrente des Klägers dürfte vielmehr nicht zu beanstanden sein.

Wie das SG im parallel ergangenen Gerichtsbescheid in der Hauptsache bereits ausgeführt hat, dürfte die Beklagte nämlich zu Recht hier in Höhe von 250 EUR mit der Altersrente des Klägers hinsichtlich der zum damaligen Zeitpunkt noch offenen Beitragsforderung der Beigeladenen verrechnet haben. Denn auch nach Verrechnung in Höhe der hier streitigen 250 EUR sind dem Kläger und seiner Ehefrau noch Einnahmen verblieben, die über der vom Sozialamt festgestellten maßgeblichen Grenze für die Sozialhilfebedürftigkeit gelegen haben. Die Beklagte dürfte auch vielmehr ihr Ermessen, gerade auch im Hinblick darauf, dass sie hier dem Kläger noch darüber hinausgehende Finanzmittel belassen hat, in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt haben. Ob und inwieweit dem Kläger tatsächlich in einzelnen Bereichen höhere Kosten entstehen, (hier wohl geltend gemacht hinsichtlich der Kosten der Unterkunft, wobei nach seiner eigenen Aufstellung - Bl. 27 Senatsakte - Miete, Heizkosten und Nebenkosten 682,13 EUR betragen, 680 EUR sind vom Sozialamt angesetzt) ist hier unbeachtlich. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung ist die allein maßgebliche Grenze die Grenze der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII bzw. SGB II. Diese aber ist von der Beklagten beachtet worden.

Insbesondere dürfte auch der Hinweis des Klägerbevollmächtigten auf das zwischenzeitlich anhängige Insolvenzverfahren zu keinem anderen Ergebnis führen. So ergibt sich aus § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO, dass grundsätzlich auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit zu diesem Zeitpunkt noch nicht fälligen Forderungen aufgerechnet werden kann, sobald die Voraussetzungen eingetreten sind. Ausgangspunkt ist hierbei § 94 InsO, der klarstellt, dass eine im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungslage durch die Verfahrenseröffnung nicht berührt wird und die Aufrechnung zulässig bleibt. § 95 InsO will auch denjenigen schützen, der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens darauf vertrauen durfte, dass er sich durch eine später entstehende Aufrechnungslage Befriedigung für seine Forderung verschaffen kann. Wenn bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Forderung bereits besteht, soll der Insolvenzgläubiger darauf vertrauen dürfen, dass er nach Fälligkeit bzw. nach Eintritt der Bedingung sich durch Aufrechnung befriedigen kann (siehe Kroth in Braun InsO, Kommentar, 3. Aufl. § 95 Rdnr. 1). Die hier von der Beklagten berechnete Forderung der Beigeladenen besteht auf Grund der bestandskräftigen Beitragsbescheide vom 22. April 1996 (für 1995) bzw. 21. April 1997 (für 1996) bzw. der Bescheide über Säumniszuschläge vom 27. Juni 1996 und 19. Dezember 1996. Die Forderung war auch bereits mit Schreiben der Beigeladenen vom 1. Oktober 1998 im Hinblick auf in der Zukunft zu bewilligende Altersrente von der Beigeladenen der Beklagten gegenüber benannt und eine Ermächtigung zur Verrechnung bereits erteilt worden. Die Verrechnung in Höhe von 250 EUR mit der jeweils monatlich fälligen Altersrente des Klägers dürfte daher trotz des Insolvenzverfahrens zulässig sein (siehe hierzu etwa auch Urteile des BSG - B 5 RJ 18/03 R - in SozR 4-1200 § 52 Nr. 2 = BSGE 92, 1). Aus § 96 InsO ergibt sich nichts anderes. Danach ist die Aufrechnung unzulässig, wenn (Nr. 1) ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, wenn (Nr. 2) ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat, wenn (Nr. 3) ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat oder wenn (Nr. 4) ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet. Keiner dieser Ausschussgründe ist gegeben. Sofern der Klägerbevollmächtigte hier insbesondere an den Ausschlussgrund nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO gedacht haben sollte, dürfte dieser hier jedoch nicht eingreifen. Diese Regelung dient der Klarstellung. Sie betrifft z. B. rechtsgeschäftliche Verpflichtungen, die der Schuldner (hier also der Kläger) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingegangen ist. Da der Schuldner einerseits die Masse nicht verpflichten kann, andererseits der Neuerwerb in die Masse fällt (§ 35), kann der mit dem Schuldner kontrahierende Gläubiger in solchen Fällen lediglich auf das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners zugreifen. Da dieses aber regelmäßig nicht pfändbar sein dürfte, ist der Gläubiger bei wirtschaftlicher Betrachtung nahezu rechtlos gestellt (siehe Kroth a. a. O. § 96 Rdnr. 14). Hier aber hat der Kläger nicht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens irgendwelche Verpflichtungen mit der Beklagten bzw. mit der eigentlichen Forderungsinhaberin, der Beigeladenen getroffen. Die Forderungen der Beigeladenen stammen vielmehr aus den Jahren 1995/96. Daneben ist die allein maßgebliche Grenze bei der Verrechnung nach § 52 SGB I nicht die Pfändungsfreigrenze, sondern die niedriger liegende Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit, sodass also durchaus auch eine Verrechnung in unpfändbares Einkommen zulässig ist.

Schließlich führt auch die Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R - in SozR 4-1200 § 52 Nr.1), wonach die Erklärung der Aufrechnung bzw. Verrechnung nicht in Form eines Verwaltungsakts, sondern als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung zu erklären ist, zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach Auffassung des 4. Senats wäre dann hier gegebenenfalls der entsprechende Verwaltungsakt aufzuheben, sofern aber die übrigen Voraussetzungen für eine Aufrechnung/Verrechnung vorlagen und diese (wenn auch in Form des Verwaltungsakts) erklärt wurde, verbliebe es im Übrigen bei der wirksamen Verrechnung.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGB i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved