L 9 R 486/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 3818/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 486/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1956 geborene Klägerin hat von August 1971 bis Juli 1974 den Beruf einer Bürokauffrau erlernt und war zuletzt bis 2. März 2005 in einem Supermarkt tätig, wo sie nach ihren Angaben zu 70% Bürotätigkeiten, Bildschirmarbeiten, und daneben Kassentätigkeiten zu verrichten sowie Neuware auszupacken und einzuräumen hatte. Seitdem war sie wegen eines Verdachts auf Schlaganfall, Kopfschmerzen und Rückenschmerzen arbeitsunfähig.

Vom 9.8. bis 6.9.2005 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der B. Klinik. Die dortigen Ärzte diagnostizierten im Entlassungsbericht vom 14.9.2005 bei der Klägerin ein Kopfschmerzsyndrom im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, ein Lumbalsyndrom mit rezidivierenden Lumboischialgien links, eine arterielle Hypertonie, einen Zustand nach Tumorexstirpation und Lymphknotendissektion bei Mammakarzinom links sowie eine Hypercholesterinämie. Sie führten aus, die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei nicht gemindert, aber auf Grund des psychisch fixierten Kopfschmerzsyndroms als gefährdet anzusehen. Mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, Stehen, Gehen in Tages-, Früh-/Spät- und Nachtschicht seien ihr vollschichtig zumutbar. Die Klägerin werde als arbeitsunfähig entlassen, da gegenwärtig eine Arbeitsaufnahme unrealistisch sei. Im weiteren Verlauf sollten gegebenenfalls innerbetriebliche oder alternative Möglichkeiten genutzt werden, um der Klägerin eine Arbeitsaufnahme zu erleichtern. Die erneute Aufnahme einer ambulanten Psychotherapie beinhalte die einzige Chance der Schmerzsyndromreduzierung.

Am 8.11.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 9.12.2005 bei, der weitere ärztliche Unterlagen vorlegte, und veranlasste eine neurologisch-psychiatrische Untersuchung der Klägerin.

Der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. diagnostizierte im Gutachten vom 31.1.2006 bei der Klägerin ein Mamma-Karzinom links, das 1997 im Frühstadium habe operiert werden können, ohne bisherigen Nachweis von Lymphknoten und Fernmetastasen sowie eine Somatisierungsstörung mit Kopfschmerzen, die keinem organischen Kopfschmerzsyndrom zugeordnet werden könnten. Darüber hinaus bestünden vielfältige weitere somatoforme Beschwerden mit Gelenk- und Muskelschmerzen, Magen-Darmbeschwerden, Schwitzen, Müdigkeit, Schwindel und Missempfindungen. Im Januar 2006 sei eine Wurzelirritation C 6 oder C 7 rechts infolge eines mediolateralen Bandscheibenvorfalls HWK 5/6 neu aufgetreten. Radikuläre Nervenausfallserscheinungen bestünden jedoch weder im Halswirbelsäulen(HWS)- noch im LWS-Bereich. Die Somatisierungsstörung führe zu einer Reduktion der Dauerkonzentration. Die Klägerin könne ihre bisherige Tätigkeit als Bürokauffrau bei der Firma Walmart lediglich noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten; auch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien der Klägerin in diesem zeitlichen Rahmen (drei bis unter sechs Stunden täglich) zumutbar.

Hierzu führte der Beratungsarzt der Beklagten Dr. C. in der Stellungnahme vom 26.2.2006 aus, die Leistungsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei nicht nachvollziehbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten - ohne wirbelsäulenbelastende Arbeiten, ohne überdurchschnittlichen Zeitdruck, ohne Nacht- oder Lärmarbeit - könne die Klägerin täglich sechs Stunden und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 20.3.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich arbeiten. Sie habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da sie in der Lage sei, eine zumutbare Tätigkeit als Kassiererin an der Etagenkasse mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Hiergegen legte die Klägerin am 28.3.2006 Widerspruch ein und ein Attest von Dr. S. vom 4.4.2006 vor, der ausführte, wegen der seit vielen Monaten persistierenden Kopfschmerzen, welche trotz intensiver diagnostischer Bemühungen sowie umfangreicher therapeutischer Maßnahmen nicht beherrschbar seien (aktuell Psychotherapie und zweimal wöchentlich Krankengymnastik), bestehe seines Erachtens bei der Klägerin eine zumindest vorübergehende Erwerbsunfähigkeit. Daraufhin ließ die Beklagte die Klägerin auf internistischem und orthopädischem Gebiet begutachten.

Der Internist Dr. G. führte im Gutachten vom 23.5.2006 aus, bei der Klägerin lägen ein Zustand nach Mammakarzinom links, eine arterielle Hypertonie, eine Steatose der Leber, ein degeneratives Wirbelsäulen-Bandscheiben-Gelenk-Syndrom sowie eine somatoforme Schmerzstörung vor. Im Vordergrund stünden Beschwerden, die auf orthopädischem bzw. psychiatrischem Gebiet lägen. Die Klägerin könne täglich sechs Stunden und mehr als kaufmännische Angestellte und Kassiererin arbeiten sowie sechs Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten.

Der Orthopäde Dr. Sp. diagnostizierte bei der Klägerin im Gutachten vom 7.6.2006 ein HWS-/ LWS-Syndrom ohne neurologische Ausfälle und führte aus, Einschränkungen bestünden für Tätigkeiten in Zwangshaltungen, Kälte und Nässe sowie mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg. Die Haupterkrankungen lägen nicht auf orthopädischem Gebiet. Die Klägerin sei in der Lage als Bürokauffrau sechs Stunden und mehr täglich zu arbeiten sowie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den genannten Einschränkungen täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten.

Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Ärztin T. vom 22.6.2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 28.7.2006 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 9.8.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte. Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen und holte Gutachten ein.

Der Neurologe Dr. H. erklärte unter dem 21.11.2006, er habe die Klägerin von April 2005 bis zuletzt August 2006 in großen zeitlichen Abständen untersucht. Aus neurologischer Sicht ergebe sich keine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens. Der Orthopäde Dr. M. gab am 30.11.2006 an, die Klägerin habe sich zuletzt am 28.4.2005 und dann erneut am 17.1.2006 vorgestellt. Wegen Verdachts auf einen Bandscheibenvorfall an der HWS sei die Klägerin zum NMR überwiesen worden. Hierbei sei ein Bandscheibenvorfall HWK 5/6 festgestellt worden. Daraufhin seien Krankengymnastik und Wärmeanwendungen verordnet worden. Der Befund an der HWS habe sich deutlich gebessert. Die Klägerin sei in der Lage, einer wenig belastenden Tätigkeit sechs Stunden täglich nachzugehen. Eine überwiegend in gleicher Position sitzende Tätigkeit (Computerarbeit, Arbeit an einer Scanner-Kasse) mit permanent verdrehtem Oberkörper sei schädlich, der Arbeitsplatz sollte dem Schaden an der HWS gerecht werden. Der Orthopäde Dr. P. berichtete unter dem 12.12.2006 über Behandlungen der Klägerin ab 20.6.2005 und vertrat die Ansicht, dass die Klägerin nach den von ihm erhobenen Befunden vermutlich in der Lage sein müsste, einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Eine eindeutige Klärung müsse jedoch im Rahmen eines Zusammenhangsgutachtens erfolgen. Dr. G., Arzt für Innere Medizin und Psychotherapeutische Medizin, erklärte, er behandele die Klägerin seit 29.11.2005; diese habe ihn als Facharzt für Psychotherapie aufgesucht. Auf Grund der chronisch permanenten Kopfschmerzen sei der Klägerin eine regelmäßige Tätigkeit nicht mehr zumutbar. Dr. S., der die Klägerin seit März 1994 betreut, gab am 12.12.2006 an, die Klägerin suche ihn seit Mai 2005 ein- bis zweimal pro Monat auf. Seines Erachtens sei die Klägerin auf Grund von Konzentrationsstörungen, Lärmempfindlichkeit und rezidivierendem Schwindel nicht mehr in der Lage, einer mindestens sechsstündigen Arbeit nachzugehen. Die Klägerin sei nur noch unter drei Stunden täglich belastbar, insbesondere für die Tätigkeit als Bürokauffrau oder Kassiererin an Etagenkassen. Die Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit bestehe seit August 2004 und beruhe auf den atypischen linksseitigen Gesichts- und Kopfschmerzen und somit auf Erkrankungen auf neurologischem Gebiet. Dr. K., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, gab am 28.12.2006 an, er behandele die Klägerin seit 12.9.2006. Nach seinem Dafürhalten sei die Klägerin trotz ihrer Beschwerden in der Lage, einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Das maßgebliche Leiden liege auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet. Die Walmart GmbH & Co. KG teilte unter dem 13.2.2007 mit, die Klägerin sei als kaufmännische Mitarbeiterin im Rechnungsbüro beschäftigt gewesen. Ihre praktischen und theoretischen Kenntnisse und Fähigkeiten entsprächen derjenigen einer gelernten Fachkraft. Die Klägerin sei in die Gruppe III/6. Bj. des Tarifvertrages des Einzelhandels Baden-Württemberg eingestuft gewesen. Diese Eingruppierung resultiere aus der Beschäftigung der Klägerin als Kassiererin bis 1999.

Der Neurologe und Psychiater Dr. N. stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 3.5.2007 folgende Diagnosen: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Kopfschmerzen), leichtgradige depressive Episode und HWS- und LWS-Beschwerden ohne radikuläre Störung. Zu vermeiden seien mittelschwere bis schwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 7 kg, Arbeiten mit überwiegendem Stehen, Gehen und Sitzen, gleichförmige Körperhaltungen wie Zwangshaltungen und häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie an laufenden Maschinen, in Kälte und Nässe sowie im Freien, mit höherer geistiger Beanspruchung und Verantwortung, Akkord- und Fließbandarbeiten, Nacht- und Überkopfarbeiten. Arbeiten an Büromaschinen, Schichtarbeiten und Arbeiten bei Publikumsverkehr und mit zeitweisem Zeitdruck ohne größere geistige Beanspruchung seien sechs Stunden und mehr möglich. Auf Grund der bestehenden somatoformen Schmerzstörung und der depressiven Episode sei die Klägerin nicht so sehr in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt, dass sie nicht eine sechsstündige Tätigkeit bewältigen könne. Dies ergebe sich insbesondere aus der Tagesstrukturierung, wo es ihr gelinge, ihre Haushaltsarbeiten und Verpflichtungen sowie auch andere Tätigkeiten zu bewältigen. Die Tätigkeit als Kassiererin an Etagenkassen entspreche dabei dem positiven Leistungsbild der Klägerin.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Dr. S. mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser nannte im Gutachten vom 18.12.2007 als krankhafte Befunde eine leichte Adipositas (163 cm, 78 kg), eine leichtgradige Hypertonie (RR 160/100 mmHg), eine eingeschränkte Beweglichkeit der HWS, eine diffuse Druckschmerzhaftigkeit der paravertebralen Muskulatur der HWS, Brustwirbelsäule (BWS) und LWS, eine Einschränkung der Hüftgelenksbeweglichkeit links, leichte Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, eine depressive Verstimmung mit Antriebsschwäche, Freudlosigkeit und eine vegetative Symptomatik. Der Klägerin seien lediglich noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis maximal drei kg in abwechslungsreicher Körperhaltung sowie Arbeiten an Büromaschinen ohne Schichtarbeit, Zeitdruck, Publikumsverkehr und Lärmbelastung möglich. Derartige Tätigkeiten könne die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich verrichten. Sollte sich das Gericht seiner Einschätzung nicht anschließen können, halte er eine weitere Begutachtung auf psychiatrischem Gebiet für erforderlich, da die Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit überwiegend auf diesem Fachgebiet begründet sei.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 28.2.2008 führte Dr. N. aus, seines Erachtens decke sich die Befunderhebung von Dr. S. mit den von ihm erhobenen Befunden. Im Gutachten vom 3.5.2007 habe er die Leistungsbeurteilung damit begründet, dass der Schweregrad der Beschwerden nicht so ausgeprägt sei, dass sich hierdurch eine quantitative Leistungseinschränkung ableiten lasse. Schließlich habe er auch auf die erhaltene Fähigkeit einer sinnvollen Tagesstrukturierung hingewiesen. So habe die Klägerin ihm gegenüber angegeben, dass sie regelmäßig aufstehe, am Vormittag Erledigungen mache, am Nachmittag spazierengehe, anschließend ihre Hausarbeiten verrichte, auch wenn sie hierfür längere Zeit als früher brauche, und am Abend regelmäßig koche. Unter Berücksichtigung der von ihm bereits zitierten erhaltenen Fähigkeit zur Tagesstrukturierung lasse sich keine quantitative Leistungseinbuße ableiten.

Nachdem bei der Klägerin im März 2008 eine knotige Fettgewebshyperplasie ohne Malignität (Arztbrief von Professor Dr. F. vom 20.3.2008) diagnostiziert worden war, zog das SG den Operationsbericht über eine Mamma-Probeexstirpation links vom 20.3.2008 bei und hörte Dr. Sch. Arzt für Gynäkologie, schriftlich als sachverständigen Zeugen, der über Behandlungen ab August 2000 berichtete und die Ansicht vertrat, dass die Klägerin auf Grund von Lymphödemen lediglich drei Stunden täglich arbeiten könne. Das maßgebliche Leiden liege auf psychiatrischem Gebiet und wirke sich auf den körperlichen Zustand mit aus.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.12.2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin erfülle nicht die Anspruchsvoraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente. Auf Grund ihres beruflichen Werdegangs und der zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Beschäftigung als kaufmännische Angestellte in einem Supermarkt sei die Klägerin als Angestellte mit einer regulären Ausbildungsdauer von drei Jahren im Sinne des Mehrstufenschemas des BSG anzusehen. Sie sei damit verweisbar auf Tätigkeiten der nächst unteren Stufe, also auf Tätigkeiten, die ihrerseits nur eine Ausbildung bis zu zwei Jahren Dauer voraussetzen würden. In Betracht komme für die Klägerin, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt habe, eine Tätigkeit als Kassiererin an einer Etagen- oder Sammelkasse eines Kaufhauses. Eine solche Tätigkeit könne die Klägerin sowohl in körperlicher als auch in geistiger Hinsicht ausüben. Dies leite das SG aus dem von Amts wegen eingeholten schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Dr. N. ab. Dieser habe einen umfangreichen neurologischen und psychiatrischen Befund erhoben und die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden in seine Leistungsbeurteilung mit einbezogen. Der Schweregrad der von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden sei insgesamt nicht so ausgeprägt, dass daraus eine quantitative Leistungsminderung folge. So habe Dr. N. bei der Untersuchung der Klägerin nur leichtgradige Auffassungs- und Gedächtnisstörungen, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, keine Wahn-, Wahrnehmungs- oder Ich-Störungen feststellen können. Auch sei die Klägerin in der Lage, ihren Tag ausreichend gut zu strukturieren. Nicht anzuschließen vermöge sich das SG der von Dr. S. getroffenen Leistungseinschätzung. So habe Dr. N. in seinem Gutachten ausführlich und einleuchtend begründet, dass der Schweregrad der Beschwerden nicht so ausgeprägt sei, dass sich hieraus eine quantitative Leistungseinschränkung ableiten lasse. Auch unter Berücksichtigung der erhaltenen Fähigkeit der Klägerin zur Tagesstrukturierung vermöge das Gericht daher der von Dr. S. getroffenen Leistungsbeurteilung nicht zu folgen. Die Leiden der Klägerin auf orthopädischem, internistischem und gynäkologischem Fachgebiet begründeten keine weiteren zusätzlich zu den bereits im Gutachten von Dr. N. aufgeführten Leistungseinschränkungen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 9.1.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 28.1.2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, auf Grund ihres gesundheitlichen Zustandes sei sie nur noch unter drei Stunden täglich belastbar und könne in ihrem bisherigen Beruf auf Grund der dortigen hohen Belastungen überhaupt nicht mehr tätig sein. Dies habe ihr langjährig behandelnder Arzt festgestellt und attestiert. Außerdem habe das SG das Leistungsbild einer Kassiererin einer Etagenkasse eines Kaufhauses verkannt. Diese Tätigkeit bestehe gerade nicht in einer leichten körperlichen Arbeit in sitzender Körperhaltung ohne besondere körperliche Anforderungen und ohne Zwangshaltungen, die einen Wechsel der Körperhaltung gewährleiste. Die Kassiererin müsse vielmehr über viele Stunden hinweg in immer gleicher, den gesamten Körper belastender Haltung verbleiben und unter großer Hektik sowie unter hoher Lärm- und Stressbelastung arbeiten. Dies sei ihr über einen Zeitraum von mehr als drei Stunden täglich nicht möglich.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Dezember 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr entsprechend ihrem Antrag vom 8. November 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, das SG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Es habe den festgestellten Sachverhalt zutreffend gewürdigt und seine Entscheidung überzeugend begründet.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass sich eine volle oder teilweise Erwerbsminderung der Klägerin, d. h. ein Absinken ihrer beruflichen oder körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen von weniger als sechs oder drei Stunden, nicht belegen lässt. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem Entlassungsbericht der B. Klinik vom 14.9.2005, den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Sch. vom 31.1.2006 nebst beratungsärztlicher Stellungnahme von Dr. C. vom 26.2.2006, des Internisten Dr. G. vom 23.5.2006, des Orthopäden Dr. Sp. vom 7.6.2006 sowie der beratungsärztlichen Stellungnahme der Ärztin T. vom 22.6.2006, der im Klageverfahren eingeholten Zeugenauskünfte der Orthopäden Dr. M. und Dr. P. vom 30.11. und 12.12.2006 sowie der Neurologen und Psychiater Dr. H. und Dr. K. vom 21.11. und 28.12.2006 sowie des Sachverständigengutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 3.5.2007 nebst ergänzender Stellungnahme vom 28.2.2008. Die hiervon abweichenden Beurteilungen des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S., des Internisten und Psychotherapeuten Dr. G. sowie des Gynäkologen Dr. Sch. entbehren einer hinreichend schlüssig und nachvollziehbar dargelegten Begründung und vermögen im Ergebnis keine der Klägerin günstigere Entscheidung zu begründen.

Nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen aller Ärzte liegt das maßgebliche Leiden der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet. Hierbei handelt es sich um eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Kopfschmerzen) und eine leichtgradige depressive Episode. Die mit diesen Gesundheitsstörungen verbundenen Beschwerden führen zwar zu qualitativen Einschränkungen, hindern jedoch die Klägerin nicht daran, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Denn die mit den obengenannten Erkrankungen verbundenen Beeinträchtigungen sind nicht derart gravierend, dass dadurch die Leistungsfähigkeit der Klägerin wesentlich eingeschränkt wäre. So war die Klägerin bei den gutachterlichen Untersuchungen durch die Neurologen und Psychiater Dr. Sch. und Dr. N. bewusstseinsklar und allseits orientiert. Es fanden sich keine Wahn-, Wahrnehmungs- oder Ich-Störungen. Auffassung und Gedächtnis waren lediglich leichtgradig eingeschränkt. Die Klägerin verfügt über soziale Kontakte (z. B. zur Tochter, zu den Eltern bzw. zur Mutter, zum Lebenspartner) sowie über eine erhaltene Tagesstruktur (gegen 7:30 Uhr Aufstehen, Frühstücken, Beschäftigung mit der Katze, Besuch der Eltern bzw. Betreuung des Vaters vor seinem Tod, Besuch der Tochter, Einkäufe, Wahrnehmung von Arztterminen, Mittagessen, Spaziergänge über eine Stunde, Verrichtung von Hausarbeiten, Kochen bzw. Zubereitung des Abendessens für sich und den Lebensgefährten, Abendessen, Lesen, Fernsehen, Nachtruhe gegen 23:00 Uhr).

Auf Grund des von Dr. Sch. und Dr. N. erhobenen Befundes auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet und der erhaltenen Tagesstruktur mit zahlreichen Aktivitäten gelangt der Senat - ebenso wie das SG - zur Überzeugung, dass die Klägerin nicht gehindert ist, die von Dr. N. genannten Tätigkeiten (leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit Heben und Tragen von Lasten bis 7 kg, ohne häufiges Bücken und ohne Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und nicht an laufenden Maschinen, in Kälte, Nässe, im Freien sowie ohne Akkord-, Fließband- und Nachtarbeiten) zu verrichten. Damit ist die Klägerin nach Auffassung des Senats auch in der Lage, ihren erlernten Beruf als Bürokauffrau weiterhin auszuüben, zumal es sich hierbei um eine körperlich leichte Tätigkeit handelt, die überwiegend im Sitzen zu ebener Erde verrichtet wird, mit der Möglichkeit zwischendurch aufzustehen und nicht mit Einwirkungen von Kälte und Nässe verbunden ist. Unerheblich ist, ob der bisherige Arbeitsplatz der Klägerin, bei dem sie neben reinen Bürotätigkeiten auch Kassierertätigkeiten und Aushilfstätigkeiten im Supermarkt (Auspacken und Einräumen) verrichten musste, und der nach ihren Angaben mit Lärm- und Lichteinwirkungen verbunden war, mit ihrem Leistungsvermögen vereinbar ist. Entscheidend ist vielmehr, mit welchen Anforderungen üblicherweise eine Tätigkeit als Bürokauffrau verbunden ist. Insoweit ist auch unerheblich, ob die Klägerin einer Tätigkeit als Kassiererin an einer Etagen- oder Sammelkasse gewachsen wäre.

Der Beurteilung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S., der auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine gravierenderen Befunde als Dr. N. erhoben hat, vermag sich der Senat nicht anzuschließen, zumal er nicht überzeugend begründet hat, warum die Klägerin - trotz erhaltender Tagesstruktur und zahlreicher Aktivitäten - nicht in der Lage sein soll, einer körperlich leichten Tätigkeit bzw. der Tätigkeit einer Bürokauffrau sechs Stunden täglich nachzugehen. Die von ihm als Begründung für das geminderte Leistungsvermögen angeführte deutliche Reduktion des Konzentrationsvermögens der Klägerin steht im Widerspruch zu den von ihm selbst genannten leichten Konzentrationsstörungen der Klägerin. Darüber hinaus fällt die Beurteilung derartiger Störungen eher in das Fachgebiet der Neurologen und Psychiater. Die Beurteilung des Internisten und Psychotherapeuten Dr. G. weicht von den Beurteilungen der Neurologen und Psychiater Dr. H. und Dr. K. ab und ist durch das Gutachten von Dr. N. widerlegt, der nachvollziehbar dargelegt hat, dass die anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei der Klägerin nicht so ausgeprägt ist, dass leichte Tätigkeiten nicht mindestens sechs Stunden täglich möglich wären. Der Beurteilung des Gynäkologen Dr. Sch.l folgt der Senat schon deshalb nicht, weil er das maßgebende Leiden ebenfalls auf psychischem Gebiet sieht, für dessen Beurteilung die Neurologen und Psychiater sowie insbesondere der Sachverständige Dr. N., der einen umfassenden neurologisch-psychiatrischen Befund erhoben hat, fachlich kompetenter sind. Soweit Dr. Sch. eine Leistungseinschränkung auf Grund von Lymphödemen annimmt, ist festzustellen, dass Dr. G. bei seiner Untersuchung ein signifikantes Lymphödem nicht feststellen konnte. Eine Bewegungseinschränkung bestand in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht. Der Hausarzt Dr. S. erwähnt in dem am 5.12 2007 erhobenen körperlichen Befund auch keine Schwellung des linken Arms oder der linken Hand, die nach Angaben der Klägerin gegenüber Dr. N. häufiger aufträten. Nachdem die Klägerin aber nach ihren eigenen Angaben gegenüber Dr. G. weiterhin zwei Mal wöchentlich zur Lymphdrainage geht, sind diese Gesundheitsstörungen auch gut behandelbar und führen zu keiner weiteren Leistungseinschränkung.

Neue medizinische Gesichtspunkte haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben. Da die Klägerin nach Auffassung des Senats ihren bisherigen Beruf als Bürokauffrau noch sechs Stunden täglich ausüben kann, ist die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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