Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 1338/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3363/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob die Beklagte zu Recht für von ihr nicht freigegebene Internetseiten in ihrem Berufsinformationszentrum (BIZ) eine personenbezogene Nutzerregistrierung vom Kläger verlangt.
Der 1972 geborene Kläger bezieht laufend Arbeitslosengeld II (Alg II) von der ARGE B.
Die beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) stellt im BIZ der Agentur für Arbeit (AA) Freiburg Internetarbeitsplätze zur Verfügung.
Im Juli 2004 führte die Zentrale der Beklagten mit der Handlungsempfehlung (HEGA) 7/2004 vom 20.07.2004 die personenbezogene Nutzerregistrierung in ihren Internetcentern ein. Da es in der Vergangenheit zu Verstößen gegen die bestehende Nutzerordnung gekommen sei, diese in einigen Fällen auch zu Straftaten geführt hätten und wegen der anonymen Nutzung der Plätze ein Täter nicht habe aufgedeckt werden können, wurde es zur Disposition jeder einzelnen AA gestellt, ob sie für die Internetseiten außerhalb des unmittelbaren Angebots der Beklagten (arbeitsagentur.de, Stellenbörsen im Arbeitsmarktportal, berufe.net.de, Filmseiten etc.) eine personenbezogene Nutzerregistrierung einführe. Die AA Freiburg verblieb daraufhin zunächst bei der anonymen Nutzung ohne Registrierung.
Nachdem die HEGA 12/2008 die HEGA 7/2004 aufhob und wegen nach wie vor bestehender Verstöße gegen die Nutzerordnung nunmehr die Nutzerregistrierung für Internetseiten außerhalb des Angebots der Beklagten verbindlich vorschrieb, führte auch die AA F. die Registrierungspflicht für nicht freigegebene Seiten sowie die Speicherung der personenbezogenen Daten und der Zugriffsdaten der Benutzer ein.
Hiergegen hat der Kläger am 16.03.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, ihm werde dadurch ein anonymes Abfragen von Informationen im Internet unmöglich. Seine Passwörter könnten eingesehen werden. Die Seiten, die er aufrufe, könnten ebenfalls eingesehen werden. Dies verstoße gegen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Er wolle nicht, dass andere erfahren könnten, wo er nach Stellen suche und sich über Unternehmen informiere. Er wolle auch nicht, dass seine E-Mails von anderen gelesen werden könnten.
Die Beklagte hat hierauf erwidert, dass das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung durch die Registrierungsmaßnahme nicht berührt oder gar verletzt werde. Die vom Kläger erhobene Leistungsklage erachte sie daher für unbegründet. Sie als Eigentümerin der Internetarbeitsplätze stelle der Öffentlichkeit ohne rechtliche Verpflichtung Internetarbeitsplätze zur Verfügung, um dem Bedürfnis nach Informationen über Teilhabemöglichkeiten am Arbeits-, Ausbildungs- und Weiterbildungsmarkt entgegenzukommen. Sie habe daher das Recht, für anmeldepflichtige Seiten, die nicht ihr unmittelbares Angebot beträfen, eine personenbezogene Registrierungspflicht einzuführen, damit das von ihr zur Verfügung gestellte Angebot sachgerecht genutzt werden könne, Missbrauch und ggf. Straftaten vermieden bzw. aufgedeckt werden könnten. Die Nutzung ihrer unmittelbar arbeitsmarktbezogenen Angebote und thematisch angrenzender Internetseiten anderer Anbieter sei nach wie vor anonym und anmeldefrei. Ergänzend hat sie auf die von ihr in Kopie übersandten HEGA 7/2004 und 12/2008 verwiesen. Hinsichtlich deren genauen Inhalts wird auf Bl. 5 - 7 der SG-Akte Bezug genommen.
Der Kläger hat ergänzend ausgeführt, dass er beantrage, die Ausführungen der Beklagten abzuweisen und zu bestätigen, dass es sich bei der Einführung der Registrierungspflicht um einen Verwaltungsakt handele. Dieser sei nicht hinreichend bestimmt und willkürlich. Er habe als Hilfebedürftiger ein berechtigtes Interesse an der Nutzung der Internetarbeitsplätze. Es liege ein Verstoß gegen seine Grundrechte vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.06.2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Leistungsklage des Klägers zwar zulässig, jedoch unbegründet sei. Die Handhabung der Beklagten, für nicht freigegebene Internetseiten eine personenbezogene Nutzerregistrierung einzuführen, sei nicht zu beanstanden. Eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers liege nicht vor.
Gegen den am 19.06.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.07.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Einführung der Registrierungspflicht nach ständiger Rechtsprechung nichtig bzw. unzulässig sei, weil kein Vorverfahren stattgefunden habe. Zudem habe die Beklagte in ihrer Begründung kein einziges Gesetz genannt, dies verstoße gegen die Begründungspflicht, den Untersuchungsgrundsatz und die ständige Rechtsprechung und sei daher als willkürlich anzusehen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die uneingeschränkte Nutzung ihrer Internetarbeitsplätze ohne personenbezogene Nutzungsregistrierung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihren Vortrag in der ersten Instanz. Der Kläger stehe im Übrigen nicht in ihrem Leistungsbezug, sondern beziehe Leistungen der ARGE B ... Eine Leistungsakte des Klägers könne sie daher nicht vorlegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere liegen keine Ausschließungsgründe im Sinne von § 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG - vor.
Sie ist indessen unbegründet.
Die Klage ist als reine Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG statthaft und auch zulässig.
Der Kläger begehrt auf den Internetarbeitsplätzen im BIZ der Beklagten ungehinderten und anonymen Zugang auf alle Internetseiten, ohne hierfür seinen Namen und sein Passwort angeben zu müssen.
Damit ist sein Begehren nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern auf ein schlichtes Handeln der Beklagten gerichtet. Demnach ist ihm Rechtsschutz über die echte Leistungsklage zu gewähren (Hk-SGG/Castendiek, 3. Aufl., § 54 Rn. 117). Die Klage war daher ohne Durchführung eines Vorverfahrens und ohne Einhaltung der Klagefrist zulässig (Hk-SGG/Castendiek, § 54 Rn. 137; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 54, RdNr. 41).
Es besteht ferner ein individuelles Rechtschutzbedürfnis des Klägers, macht er doch geltend, die Arbeitsplätze im BIZ der Beklagten nutzen und auch andere Internetseiten als die der Beklagten und von Arbeits- oder Ausbildungsplatzbörsen aufrufen zu dürfen.
Die Leistungsklage ist jedoch, wie das SG in seinem Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf freien, ungehinderten und anonymen Zugang auf alle Internetseiten auf den Computerarbeitsplätzen der Beklagten. Eine konkrete einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage hat der Kläger in seiner Klage nicht benannt.
Eine solche ist auch weder aus dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - noch aus dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - ersichtlich.
Zwar soll die Agentur für Arbeit gemäß § 41 Abs.1 SGB III, der über § 16 Abs.1 Satz 2 SGB II auch für Alg II-Bezieher gilt, Ausbildungssuchenden, Arbeitssuchenden sowie Arbeitgebern in geeigneter Weise Gelegenheit geben, sich über freie Ausbildungs- und Arbeitsplätze sowie über Ausbildungs- und Arbeitssuchende zu unterrichten. Bei der Beratung, Vermittlung und Berufsorientierung sind nach § 41 Abs.2 SGB III Selbstinformationseinrichtungen einzusetzen. Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 SGB III hat die Agentur für Arbeit Vermittlung auch über die Selbstinformationseinrichtungen im Internet durchzuführen.
Diese Aufgaben erfüllt die Beklagt u. a. mit der Bereitstellung der Computer im BIZ. Ein Anspruch auf ungehinderten und anonymen Zugang zum Internet auf diesen Computern kann aus der genannten Vorschrift nicht hergeleitet werden. Insoweit bestimmt § 41 Abs.3 Satz 1 SGB III, dass Daten über Arbeitssuchende in die Selbstinformationseinrichtungen nur aufzunehmen sind, soweit sie für die Vermittlung erforderlich sind bzw. § 35 Abs.3 Satz 2 SGB III, Daten aus den Selbstinformationseinrichtungen genutzt und übermittelt werden dürfen, soweit es für diesen Zweck erforderlich ist. Hier nimmt die Beklagte jedoch kein Daten des Klägers in das Selbstinformationssystem (SIS) auf, sondern erhebt für die nicht berufsbezogene Internetrecherche Nutzerdaten, um Missbrauch und Internetstraftaten zu verhindern. Demnach sind § 35 Abs. 3 Satz 2 und § 41 Abs. 3 SGB III schon tatbestandlich nicht einschlägig.
Einen Anspruch auf einen solchen ungehinderten Zugang kann der Kläger auch nicht aus dem von ihm benannten Recht auf informationelle Selbstbestimmung herleiten.
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, welches einen Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkörpert und sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG - und Art. 1 Abs.1 GG herleitet (BVerfGE 54, 148), gewährleistet dem Einzelnen die Befugnis "selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen" (Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl., Art. 2, Rn. 44 m. w. N.). Geschützt wird insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, auch wenn die Daten nicht die Privat- oder gar Intimsphäre betreffen (BVerfG, Urteil vom 05.12.1983 "Volkszählung" - 1 BvR 209/83 u. a. - in juris.de).
Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Grundrecht auf die informationelle Selbstbestimmung als Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes zu den sogenannten Freiheitsgrundrechten zählt, die primär gegen die Abwehr staatlicher Eingriffe gerichtet ist (Jarass/Pieroth, a.a.O., Vorb. vor Art. 1, Rn. 5; von Münch, in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Rn. 16 zu Vorb. Art. 1 - 19). Der Kläger kann daher aus diesem Grundrecht keinen Anspruch auf das von ihm Begehrte herleiten. Im Übrigen ist der Schutzbereich des Grundrechts des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung nicht berührt oder gar verletzt, da durch dieses nur die Befugnis des Einzelnen geschützt wird, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und wenn doch, wären die beanstandeten Einschränkungen aus den von der Beklagten angegebenen Rechtfertigungsgründen jedenfalls vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gedeckt. Der Kläger ist als Alg II-Bezieher und somit erwerbsfähiger Hilfebedürftiger zwar auf die Berufs- und Weiterbildungsvermittlungsangebote der Beklagten angewiesen; insoweit kann er die Arbeitsplätze der Beklagten aber ohne Namensnennung und Passworteingabe anonym nutzen.
Es steht dem Kläger überdies frei, die Computer der Beklagten für seine Internetrecherche oder gar für den Abruf seiner privaten E-Mails beim Provider zu verwenden, und er hat es insoweit selbst in der Hand zu entscheiden, ob er hierfür seine personenbezogenen Daten an die Beklagte weitergibt. Zu einer privaten Nutzung der Computerarbeitsplätze ist er indessen weder verpflichtet noch gezwungen. Insoweit nimmt er das Internetangebot der Beklagten ebenso wie z.B. die Leistungen eines dem Privatrecht unterworfenen Internetcafes in Anspruch.
Einen Anspruch auf ungehinderten anonymen Zugang kann der Kläger auch nicht aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG herleiten, denn aus diesem ergeben sich regelmäßig keine subjektiven Rechte (BVerfGE 27, 283). Es begründet keinen Anspruch auf bestimmte soziale Regelungen (BSG, Urteil vom 18.05.1983 - 6 RKa 22/80 - in juris.de). Aus ihm lässt sich auch regelmäßig kein Gebot dazu entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren (BVerfGE 110, 445). Angesichts seiner hohen Unbestimmtheit bedarf das Sozialstaatsprinzip in besonderem Maße der Konkretisierung durch den Gesetzgeber (in der Gestalt von einfachgesetzlichen Regelungen). Einfachgesetzliche Regelungen, die dem Kläger einen schrankenlosen anonymen Zugang zum Internet über die Einrichtungen der Beklagten gewähren, liegen - wie bereits oben ausgeführt - jedoch nicht vor.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob die Beklagte zu Recht für von ihr nicht freigegebene Internetseiten in ihrem Berufsinformationszentrum (BIZ) eine personenbezogene Nutzerregistrierung vom Kläger verlangt.
Der 1972 geborene Kläger bezieht laufend Arbeitslosengeld II (Alg II) von der ARGE B.
Die beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) stellt im BIZ der Agentur für Arbeit (AA) Freiburg Internetarbeitsplätze zur Verfügung.
Im Juli 2004 führte die Zentrale der Beklagten mit der Handlungsempfehlung (HEGA) 7/2004 vom 20.07.2004 die personenbezogene Nutzerregistrierung in ihren Internetcentern ein. Da es in der Vergangenheit zu Verstößen gegen die bestehende Nutzerordnung gekommen sei, diese in einigen Fällen auch zu Straftaten geführt hätten und wegen der anonymen Nutzung der Plätze ein Täter nicht habe aufgedeckt werden können, wurde es zur Disposition jeder einzelnen AA gestellt, ob sie für die Internetseiten außerhalb des unmittelbaren Angebots der Beklagten (arbeitsagentur.de, Stellenbörsen im Arbeitsmarktportal, berufe.net.de, Filmseiten etc.) eine personenbezogene Nutzerregistrierung einführe. Die AA Freiburg verblieb daraufhin zunächst bei der anonymen Nutzung ohne Registrierung.
Nachdem die HEGA 12/2008 die HEGA 7/2004 aufhob und wegen nach wie vor bestehender Verstöße gegen die Nutzerordnung nunmehr die Nutzerregistrierung für Internetseiten außerhalb des Angebots der Beklagten verbindlich vorschrieb, führte auch die AA F. die Registrierungspflicht für nicht freigegebene Seiten sowie die Speicherung der personenbezogenen Daten und der Zugriffsdaten der Benutzer ein.
Hiergegen hat der Kläger am 16.03.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, ihm werde dadurch ein anonymes Abfragen von Informationen im Internet unmöglich. Seine Passwörter könnten eingesehen werden. Die Seiten, die er aufrufe, könnten ebenfalls eingesehen werden. Dies verstoße gegen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Er wolle nicht, dass andere erfahren könnten, wo er nach Stellen suche und sich über Unternehmen informiere. Er wolle auch nicht, dass seine E-Mails von anderen gelesen werden könnten.
Die Beklagte hat hierauf erwidert, dass das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung durch die Registrierungsmaßnahme nicht berührt oder gar verletzt werde. Die vom Kläger erhobene Leistungsklage erachte sie daher für unbegründet. Sie als Eigentümerin der Internetarbeitsplätze stelle der Öffentlichkeit ohne rechtliche Verpflichtung Internetarbeitsplätze zur Verfügung, um dem Bedürfnis nach Informationen über Teilhabemöglichkeiten am Arbeits-, Ausbildungs- und Weiterbildungsmarkt entgegenzukommen. Sie habe daher das Recht, für anmeldepflichtige Seiten, die nicht ihr unmittelbares Angebot beträfen, eine personenbezogene Registrierungspflicht einzuführen, damit das von ihr zur Verfügung gestellte Angebot sachgerecht genutzt werden könne, Missbrauch und ggf. Straftaten vermieden bzw. aufgedeckt werden könnten. Die Nutzung ihrer unmittelbar arbeitsmarktbezogenen Angebote und thematisch angrenzender Internetseiten anderer Anbieter sei nach wie vor anonym und anmeldefrei. Ergänzend hat sie auf die von ihr in Kopie übersandten HEGA 7/2004 und 12/2008 verwiesen. Hinsichtlich deren genauen Inhalts wird auf Bl. 5 - 7 der SG-Akte Bezug genommen.
Der Kläger hat ergänzend ausgeführt, dass er beantrage, die Ausführungen der Beklagten abzuweisen und zu bestätigen, dass es sich bei der Einführung der Registrierungspflicht um einen Verwaltungsakt handele. Dieser sei nicht hinreichend bestimmt und willkürlich. Er habe als Hilfebedürftiger ein berechtigtes Interesse an der Nutzung der Internetarbeitsplätze. Es liege ein Verstoß gegen seine Grundrechte vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.06.2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Leistungsklage des Klägers zwar zulässig, jedoch unbegründet sei. Die Handhabung der Beklagten, für nicht freigegebene Internetseiten eine personenbezogene Nutzerregistrierung einzuführen, sei nicht zu beanstanden. Eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers liege nicht vor.
Gegen den am 19.06.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.07.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Einführung der Registrierungspflicht nach ständiger Rechtsprechung nichtig bzw. unzulässig sei, weil kein Vorverfahren stattgefunden habe. Zudem habe die Beklagte in ihrer Begründung kein einziges Gesetz genannt, dies verstoße gegen die Begründungspflicht, den Untersuchungsgrundsatz und die ständige Rechtsprechung und sei daher als willkürlich anzusehen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die uneingeschränkte Nutzung ihrer Internetarbeitsplätze ohne personenbezogene Nutzungsregistrierung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihren Vortrag in der ersten Instanz. Der Kläger stehe im Übrigen nicht in ihrem Leistungsbezug, sondern beziehe Leistungen der ARGE B ... Eine Leistungsakte des Klägers könne sie daher nicht vorlegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere liegen keine Ausschließungsgründe im Sinne von § 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG - vor.
Sie ist indessen unbegründet.
Die Klage ist als reine Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG statthaft und auch zulässig.
Der Kläger begehrt auf den Internetarbeitsplätzen im BIZ der Beklagten ungehinderten und anonymen Zugang auf alle Internetseiten, ohne hierfür seinen Namen und sein Passwort angeben zu müssen.
Damit ist sein Begehren nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern auf ein schlichtes Handeln der Beklagten gerichtet. Demnach ist ihm Rechtsschutz über die echte Leistungsklage zu gewähren (Hk-SGG/Castendiek, 3. Aufl., § 54 Rn. 117). Die Klage war daher ohne Durchführung eines Vorverfahrens und ohne Einhaltung der Klagefrist zulässig (Hk-SGG/Castendiek, § 54 Rn. 137; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 54, RdNr. 41).
Es besteht ferner ein individuelles Rechtschutzbedürfnis des Klägers, macht er doch geltend, die Arbeitsplätze im BIZ der Beklagten nutzen und auch andere Internetseiten als die der Beklagten und von Arbeits- oder Ausbildungsplatzbörsen aufrufen zu dürfen.
Die Leistungsklage ist jedoch, wie das SG in seinem Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf freien, ungehinderten und anonymen Zugang auf alle Internetseiten auf den Computerarbeitsplätzen der Beklagten. Eine konkrete einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage hat der Kläger in seiner Klage nicht benannt.
Eine solche ist auch weder aus dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - noch aus dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - ersichtlich.
Zwar soll die Agentur für Arbeit gemäß § 41 Abs.1 SGB III, der über § 16 Abs.1 Satz 2 SGB II auch für Alg II-Bezieher gilt, Ausbildungssuchenden, Arbeitssuchenden sowie Arbeitgebern in geeigneter Weise Gelegenheit geben, sich über freie Ausbildungs- und Arbeitsplätze sowie über Ausbildungs- und Arbeitssuchende zu unterrichten. Bei der Beratung, Vermittlung und Berufsorientierung sind nach § 41 Abs.2 SGB III Selbstinformationseinrichtungen einzusetzen. Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 SGB III hat die Agentur für Arbeit Vermittlung auch über die Selbstinformationseinrichtungen im Internet durchzuführen.
Diese Aufgaben erfüllt die Beklagt u. a. mit der Bereitstellung der Computer im BIZ. Ein Anspruch auf ungehinderten und anonymen Zugang zum Internet auf diesen Computern kann aus der genannten Vorschrift nicht hergeleitet werden. Insoweit bestimmt § 41 Abs.3 Satz 1 SGB III, dass Daten über Arbeitssuchende in die Selbstinformationseinrichtungen nur aufzunehmen sind, soweit sie für die Vermittlung erforderlich sind bzw. § 35 Abs.3 Satz 2 SGB III, Daten aus den Selbstinformationseinrichtungen genutzt und übermittelt werden dürfen, soweit es für diesen Zweck erforderlich ist. Hier nimmt die Beklagte jedoch kein Daten des Klägers in das Selbstinformationssystem (SIS) auf, sondern erhebt für die nicht berufsbezogene Internetrecherche Nutzerdaten, um Missbrauch und Internetstraftaten zu verhindern. Demnach sind § 35 Abs. 3 Satz 2 und § 41 Abs. 3 SGB III schon tatbestandlich nicht einschlägig.
Einen Anspruch auf einen solchen ungehinderten Zugang kann der Kläger auch nicht aus dem von ihm benannten Recht auf informationelle Selbstbestimmung herleiten.
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, welches einen Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkörpert und sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG - und Art. 1 Abs.1 GG herleitet (BVerfGE 54, 148), gewährleistet dem Einzelnen die Befugnis "selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen" (Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl., Art. 2, Rn. 44 m. w. N.). Geschützt wird insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, auch wenn die Daten nicht die Privat- oder gar Intimsphäre betreffen (BVerfG, Urteil vom 05.12.1983 "Volkszählung" - 1 BvR 209/83 u. a. - in juris.de).
Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Grundrecht auf die informationelle Selbstbestimmung als Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes zu den sogenannten Freiheitsgrundrechten zählt, die primär gegen die Abwehr staatlicher Eingriffe gerichtet ist (Jarass/Pieroth, a.a.O., Vorb. vor Art. 1, Rn. 5; von Münch, in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Rn. 16 zu Vorb. Art. 1 - 19). Der Kläger kann daher aus diesem Grundrecht keinen Anspruch auf das von ihm Begehrte herleiten. Im Übrigen ist der Schutzbereich des Grundrechts des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung nicht berührt oder gar verletzt, da durch dieses nur die Befugnis des Einzelnen geschützt wird, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und wenn doch, wären die beanstandeten Einschränkungen aus den von der Beklagten angegebenen Rechtfertigungsgründen jedenfalls vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gedeckt. Der Kläger ist als Alg II-Bezieher und somit erwerbsfähiger Hilfebedürftiger zwar auf die Berufs- und Weiterbildungsvermittlungsangebote der Beklagten angewiesen; insoweit kann er die Arbeitsplätze der Beklagten aber ohne Namensnennung und Passworteingabe anonym nutzen.
Es steht dem Kläger überdies frei, die Computer der Beklagten für seine Internetrecherche oder gar für den Abruf seiner privaten E-Mails beim Provider zu verwenden, und er hat es insoweit selbst in der Hand zu entscheiden, ob er hierfür seine personenbezogenen Daten an die Beklagte weitergibt. Zu einer privaten Nutzung der Computerarbeitsplätze ist er indessen weder verpflichtet noch gezwungen. Insoweit nimmt er das Internetangebot der Beklagten ebenso wie z.B. die Leistungen eines dem Privatrecht unterworfenen Internetcafes in Anspruch.
Einen Anspruch auf ungehinderten anonymen Zugang kann der Kläger auch nicht aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG herleiten, denn aus diesem ergeben sich regelmäßig keine subjektiven Rechte (BVerfGE 27, 283). Es begründet keinen Anspruch auf bestimmte soziale Regelungen (BSG, Urteil vom 18.05.1983 - 6 RKa 22/80 - in juris.de). Aus ihm lässt sich auch regelmäßig kein Gebot dazu entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren (BVerfGE 110, 445). Angesichts seiner hohen Unbestimmtheit bedarf das Sozialstaatsprinzip in besonderem Maße der Konkretisierung durch den Gesetzgeber (in der Gestalt von einfachgesetzlichen Regelungen). Einfachgesetzliche Regelungen, die dem Kläger einen schrankenlosen anonymen Zugang zum Internet über die Einrichtungen der Beklagten gewähren, liegen - wie bereits oben ausgeführt - jedoch nicht vor.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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