L 1 AS 4546/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 1849/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 4546/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichs Mannheim vom 26. August 2009 verpflichtet, dem Antragsteller darlehensweise ab 9. Juni 2009 bis 30. April 2010, längstens jedoch bis zur Bestandskraft des Bescheids vom 8. April 2009, Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe (derzeit 359,- EUR), einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung sowie Kosten der Unterkunft von monatlich insgesamt 59,- EUR zu gewähren.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. K., B., bewilligt.

Gründe:

Im Streit steht in der Hauptsache ein Anspruch des Antragstellers (Ast.) auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (Sozialgesetzbuch Zweites Buch; Arbeitslosengeld II [AlgII] sowie Kosten der Unterkunft [KdU]).

Der Ast. hat am 30. Januar 2008 den notariellen Kaufvertrag über den Kauf des Hauses an der og. Adresse abgeschlossen. Für das Haus hat er 50.000,- EUR bezahlt. In einem Verkehrswertgutachten vom 11. November 2004 war der Verkehrswert des Hauses auf 160.000,- EUR geschätzt worden. Das Hausgrundstück ist 804 qm groß; das Haus selbst verfügt über eine Wohnfläche von mindestens 137 qm. Das Haus befindet sich im Erdgeschoss in Teilen noch im Rohbauzustand. Die Heizungsanlage funktioniert nicht mehr; durch mehrere Wasserschäden im März 2008 sind einige Räume wegen Schimmelbildung und Nässe nicht bewohnbar. Der Antragsteller beabsichtigt, in dem Haus auf selbständiger Basis eine Musikschule zu betreiben; das Erdgeschoss sollte nach Instandsetzung vermietet werden.

Das Geld für den Hauskauf hat der Ast. von seiner Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbschaft erhalten, insgesamt 72.932,- EUR. Den den Kaufpreis von 50.000,- EUR übersteigenden Betrag hat der Kläger für Grunderwerbssteuer, Renovierung und die Finanzierung seines Lebensunterhalts bis September 2008 ausgegeben. Der Antragsteller hat von Frau M. S. ab September 2008 darlehensweise Unterstützungsleistungen erhalten, inzwischen insgesamt 10.000,- EUR. Sie besteht jetzt auf Rückzahlung in einer Summe und ist nicht bereit, weitere Leistungen zu erbringen. Frau S. war an einer beruflichen Zusammenarbeit mit dem Kläger interessiert und hat 1 Woche in dem og. Haus das Erdgeschoss genutzt. Sie hat ihren Mietvertrag wegen der Schimmelbildung an den Wänden jedoch sofort nach dem Einzug wieder fristlos gekündigt.

Am 25. September 2008 ging der Antrag des Ast. auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei der Ag. ein. Der Ast. ist privat krankenversichert. Für Strom bezahlt der Ast. einen monatlichen Abschlag von 31,- EUR, für Wasser und Abwasser 28,- EUR.

Am 13. Januar 2009 nahmen Mitarbeiter der Ag. eine Besichtigung des Hauses vor. Auf den Inhalt des Berichts vom gleichen Tag wird verwiesen.

Mit Bescheid vom 8. April 2009 lehnte die Ag. den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die angemessene Größe für ein Hausgrundstück liege bei 800qm, die für eine Wohnung bei 80 qm. Das Grundstück des Ast. sei jedoch 804 qm groß, die Wohnfläche des Hauses betrage 137 qm zuzüglich eines 18 qm großen Wintergartens. Da sowohl Grundstück als auch Wohnhaus eine angemessene Größe überschreiten würden, seien diese nicht nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II geschützt. Nach Äußerungen des Klägers sei eine Verwertung durch Verkauf oder Beleihen der Immobilie nicht beabsichtigt.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte vor, die geringfügige Überschreitung der Angemessenheitsgröße für das Hausgrundstück sei nicht beachtlich. Es könne auch nicht allein auf die planerische Wohnfläche, sondern müsse darauf abgestellt werden, was überhaupt zu Wohnzwecken genutzt werden könne. Dieser Teil belaufe sich auf maximal 80 qm. Angesichts des Zustands des Hauses könne er dieses nicht oder nur so unter Wert verkaufen, dass ihm nichts verbleiben würde. Er habe seine gesamten Ersparnisse in das Haus gesteckt und könne bei einem Verkauf auch nicht mehr seine selbständige Tätigkeit aufnehmen. Er könne das Haus auch nicht beleihen. Er habe bei Banken nach einem Kredit für den Einbau einer Heizung nachgefragt und sei darauf verwiesen worden, dass Kredite nur an Personen mit laufendem Einkommen gewährt würden. Es würde eine unbillige Härte darstellen, würde von ihm der Hausverkauf verlangt. Ihm werde seine Lebensgrundlage und Zukunftsplanung völlig entzogen.

Im Widerspruchsverfahren hat die Ag. ein Verkehrswertgutachten bei der Gemeinde W. in Auftrag gegeben. Dieses ist bislang noch nicht erstellt worden. Zu den Gründen wird unterschiedlich vorgetragen.

Am 9. Juni 2009 hat der Ast. Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Mannheim (SG) gestellt. Er hat zur Begründung im Wesentlichen den bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft sowie ergänzend vorgetragen, die Vermietung einzelner Räume sei aufgrund des Zustands des Hauses derzeit nicht möglich. Es sei ihm nur durch die Hilfe einer Bekannten möglich gewesen, die Zeit seit Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II zu überbrücken. Aus der darlehensweisen Überlassung der Mittel habe er nun erhebliche Schulden. Nach dem Einzug habe er feststellen müssen, dass die Heizung defekt sei, die Elektroleitungen nur im Rohbauzustand seien und auch die Fußbodenheizung nicht funktioniere. Dazu komme der Wasserschaden. Seine gesamten Pläne seien in sich zusammen gestürzt. Allein für die Renovierung seien rund 30.000,- EUR zu veranschlagen.

Die Ag. hat erwidert, sie gehe nicht von einer Wertlosigkeit aus. Die vom Ast. angesetzten Werte erschienen ihr zu hoch. Auch unter Berücksichtigung nur des Bodenwerts liege ein Vermögen vor, das über der Freigrenze liege. Es liege auch keine besondere Härte vor, da ein tragfähiges Konzept für die beabsichtigte Selbständigkeit fehle. Dem Ast. sei aber auch kein Darlehen nach § 23 Abs. 5 SGB II zu gewähren. Wenn offenbar eine Beleihung nicht möglich sei, dann komme als Verwertung nur ein Verkauf in Betracht. Dieser sei nicht sofort realisierbar. Wenn allerdings der Ast. gar nicht plane, das Haus zu verkaufen, würde eine Darlehensgewährung ins Leere laufen. Es könne schon nicht die Dauer der notwendigen Darlehensgewährung bestimmt werden. Wenn für nur einen Bewilligungsabschnitt Leistungen darlehensweise bewilligt würden, müsste die Ag. anschließend sofort die Zwangsvollstreckung in die Immobilie betreiben. Dies wäre wiederum für die Leistungsberechtigten mit hohen Kosten verbunden. Dies könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.

Mit Beschluss vom 26. August 2009 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, der Immobilie des Ast. komme schon nach dem Gesetzeswortlaut kein Schutz als Altersvorsorgevermögen zu. Allerdings komme auch keine Ausnahme von der Anrechnung als Vermögenswert als "selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe" in Betracht. Zwar dürfte das Grundstück von 804 qm angesichts der sehr abgelegenen Lage in ländlichem Gebiet noch als angemessen anzusehen sein. Dies gelte jedoch nicht für das Haus. Nach dem Verkehrswertgutachten 2004 belaufe sich die Wohnfläche auf 187 qm plus 18 qm Wintergarten sowie Keller und Nutzräume. Dies sei für eine Einzelperson offensichtlich unangemessen. Es sei nicht zulässig, von der derzeit als Wohnräume nutzbaren Wohnfläche auszugehen, jedenfalls dann nicht, wenn wie im Obergeschoss die Wohnräume nicht abgeschlossen und daher nicht als Teil-Einheiten anzusehen seien. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Verwertung unwirtschaftlich oder als besondere Härte anzusehen sei. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit könne nur angenommen werden, wenn der zu erwartende Nettoerlös erheblich unter dem tatsächlichen Wert liegen würde. Angesichts des Zustands des Hauses wäre vielmehr eine Verwertung zum jetzigen Zeitpunkt geradezu geboten, jedenfalls aber nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Eine besondere Härte, die einer Verwertung entgegen stehe, könne auch nicht in der Absicht des Ast., in dem Haus eine Musikschule einzurichten, gesehen werden. Dagegen spreche schon der Zustand des Hauses, darüber hinaus die abgelegene Lage des Wohnortes, der auch Zweifel daran wecke, ob überhaupt ein ausreichend großer Kundenkreis gewonnen werden könne. Bestünden danach bereits erhebliche Zweifel am Anordnungsanspruch liege jedenfalls ein Anordnungsgrund nicht vor. Der Ast. sei in der zurückliegenden Zeit von Frau S. unterstützt worden. Diese habe auch mitgeteilt, sollte der Ast. eine Nachzahlung von SGB II-Leistungen für die Vergangenheit erhalten, bestehe sie nicht auf der sofortigen Rückzahlung des Darlehens, sondern würde das Geld dem Ast. vorläufig weiter überlassen, damit er Geld zur Hausrenovierung und zur Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit habe. Damit würden faktisch SGB II-Leistungen zur Hausrenovierung verwendet, was nicht dem Sinn einer Leistungsgewährung im einstweiligen Rechtsschutz entspreche. Der laufende Lebensunterhalt würde durch Frau S. faktisch sicher gestellt. Daran würde sich auch nichts durch die letzte Äußerung von Frau S. ändern, dass sie den Ast. nicht weiter unterstütze.

Gegen den am 3. September 2009 zugestellten Beschluss hat der Ast. am 29. September 2009 Beschwerde eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, das Hausgrundstück habe aufgrund der erheblichen Baumängel keinen Verkehrswert, der über den Freibetrag hinaus gehe. Dies habe die Immobilien-Wertermittlung des R. F., Gutachter des Gutachterausschusses der Gemeinde M., der ehemaligen Wohngemeinde des Ast. ergeben. Danach belaufe sich der Wert auf noch 5.000,- EUR. Auch habe er keine Wohnfläche von 187 qm, sondern maximal 65 qm, nämlich die linke Haushälfte des Obergeschosses. Darüber hinaus sei ein Verkauf unwirtschaftlich, bevor die Schäden nicht behoben seien. Diesbezüglich habe er Schadensersatzansprüche gegen die Voreigentümer wegen der Wasserschäden geltend gemacht. Nicht zuletzt liege ein Anordnungsgrund vor. Denn Frau S. habe ihn zunächst nur für die Dauer von maximal 2 Monaten unterstützen wollen, bis Leistungen nach dem SGB II bewilligt seien. Nachdem sich die Entscheidung über den Antrag hingezogen und die Leistung letztlich abgelehnt worden sei, habe sie weiter darlehensweise geholfen, da er ansonsten völlig mittellos gewesen wäre. Ihre Leistungen dienten von Anbeginn an nicht dazu, Leistungen der Ag. zu ersetzen, sondern nur die Zeit bis zum tatsächlichen Leistungsbezug zu überbrücken.

Der Ast. beantragt, sinngemäß gefasst,

den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 28. August 2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe zu bewilligen und für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. K., B., zu bewilligen.

Die Ag. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung und führt zur Begründung aus, das Gutachten des Herr F. könne keine taugliche Schätzgrundlage darstellen. Schon der Umstand, dass er den Verkehrswert unter den reinen Bodenwert festgesetzt habe, mache es angreifbar. Sie schlage vor, der Ast. solle den sofortigen Verkauf des Hauses betreiben und während des Verkaufs darlehensweise Hilfegewährung der Ag. in Anspruch nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Ast. ist zulässig und begründet. Er hat jedenfalls einen Anspruch auf darlehensweise Leistungsgewährung nach dem SGB II.

Gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die einstweilige Anordnung dient lediglich der Sicherung von Rechten eines Antragstellers, nicht aber ihrer Befriedigung. Sie darf deshalb grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung ein wirksamer Rechtsschutz nicht erreicht werden kann und dieser Zustand dem Antragsteller unzumutbar ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Auflage 2008, § 86b Rdnr. 28 f.). Sowohl die schützenswerte Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, als auch die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 i.V.m § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).

Der Erlass einer derartigen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrten Leistungen besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt.

Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (vlg. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008 § 86b Rn. 29 mwN). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - info also 2005, 166 unter Hinweis auf BVerfGE 82, 60, 80). Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers, ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden, gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (vgl. insoweit Hessisches LSG vom 27. Juli 2005 – L 7 AS 18/05 ER).

Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG vom 12. Mai 2005 – a. a. O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. etwa Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rn. 42, s. auch Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rn. 165 ff.). Deshalb sind auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zutage getreten sind, vom Senat zu berücksichtigen (vgl. etwa Beschluss des Hessischen LSG vom 6. Januar 2006 – L 7 AS 87/05 ER).

Sowohl der für den Erlass einer Regelungsanordnung erforderliche Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind vorliegend glaubhaft gemacht. Dabei sind angesichts der existenzbedrohenden Situation des Ast., der über keine finanziellen Mittel mehr verfügt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes geringere Anforderungen zu stellen.

Hilfebedürftig ist u.a. derjenige, der seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Vom Vermögen sind abzusetzen ein Grundfreibetrag in Höhe von 150,- EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II), Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II), geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II), ein Freibetrag für monatliche Anschaffungen in Höhe von 750,- EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen (§ 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II). Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen u.a. vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist (§ 12 Abs. 3 Nr. 3 SGB II) bzw. ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung (§ 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Als Vermögen sind weiter nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II).

Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, kann sich der Ast. auf die Privilegierungstatbestände der Altersvorsorge in Bezug auf seine Immobilie wohl nicht berufen. Soweit bestimmte Absetzmöglichkeiten in § 12 Abs. 2 SGB II vorgesehen sind, ist schon nach Wortlaut und Systematik (von vorhandenem Geldvermögen kann ebenfalls nur ein geldwerter Vermögensgegenstand abgesetzt werden) nur von geldwerten Ansprüchen auszugehen, die dazu dienen, den Lebensunterhalt im Alter zu sichern und daher ohne weiteres im Alter realisiert werden können (Mecke, in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, § 12 Rn. 47 ff, 50).

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann jedoch nicht abschließend geklärt werden, ob das Wohnhaus des Ast. unter einen anderen Privilegierungstatbestand fällt.

Soweit § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II (selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe) in Betracht kommt, muss im Hauptsacheverfahren geklärt werden, ob es sich bei dem Hausgrundstück des Ast. um eines von angemessener Größe handelt. Soweit die Ag. in Bezug auf das Grundstück selbst eine angemessene Grundstücksgröße von 800 qm veranschlagt, kann den Akten nicht entnommen werden, auf welche Grundlage diese Annahme gestützt wird. Zur Angemessenheit eines Hauses hat das Bundessozialgericht darüber hinaus in seiner Entscheidung vom 19. September 2008 (B 14 AS 54/07 R) ausgeführt, dass die für Eigentumswohnungen geltenden Angemessenheitsgrößen nicht ohne Korrekturen auf Wohnhäuser übertragen werden können und im Einzelfall zu ermitteln ist, ob ggf. besondere Umstände, z.B. im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten, es rechtfertigen können, auch eine größere Wohnfläche noch als angemessen anzusehen. Diesbezügliche Feststellungen hat die Ag. bislang noch nicht getroffen, sondern ist lediglich von der für Eigentumswohnungen geltenden Wert von 80 qm ausgegangen. Gerade wenn, wie das SG in seiner Entscheidung ausgeführt hat, die Wohngegend des Ast. sehr abgelegen und ländlich ist, könnten insoweit möglicherweise nach oben abweichende Werte anzusetzen sein. Diesbezüglich sind noch Feststellungen zu treffen.

Der Ag. ist zuzugeben, dass es für die Frage der Angemessenheit der Wohnung grundsätzlich nicht darauf ankommen kann, welche Wohnfläche der Ast. tatsächlich bewohnt, da es sonst im Belieben eines jeden Leistungsempfängers liegen würde, ein an sich unangemessen großes Hausgrundstück entgegen der gesetzlichen Vorgabe zu halten, in dem er angibt, nur einen Teil der Wohnfläche tatsächlich zu nutzen. Im Hauptsacheverfahren dürfte jedoch zu klären sein, wie die Bestimmung der Angemessenheit zu erfolgen hat, wenn - wie hier - offensichtlich große Teile des Wohnhauses gar nicht bewohnbar sind, unabhängig vom Willen des Betroffenen, weil die baulichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Insoweit dürfte es allerdings auch dem Ast. im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten obliegen, an der Feststellung der Bewohnbarkeit und der tatsächlichen Wohnverhältnisse mitzuwirken. Soweit bereits Mitarbeiter der Ag. das Haus des Ast. besichtigt haben, dürfte es zweifelhaft sein, ob aufgrund deren Feststellungen die Frage der tatsächlichen Nutzbarkeit tatsächlich geklärt werden kann, jedenfalls dann, wenn es um technische Fragen (Heizung, Elektroinstallationen) bzw. Sanierung wegen Schimmel und Wasser, Sanierungsaufwand und Verkehrswert geht.

Sollte nach den erforderlichen Feststellungen, die im Eilverfahren durch das Gericht nicht getroffen werden können, feststehen, dass das Hausgrundstück und das Haus unangemessen groß sind, müssten auch zur Frage der Verwertbarkeit bzw. deren Unwirtschaftlichkeit weitere Feststellungen getroffen werden. Bei einem Grundstück hat das BSG a.a.O. beispielsweise auch die Frage aufgeworfen, ob es nach seiner Lage möglicherweise geteilt und anderweitiger Nutzung zugeführt werden kann. Die Ag. hat nach Auffassung des Senats zu Recht darauf hingewiesen, dass der Ast. gehalten ist, an der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens für die Wertfestsetzung des Hauses selbst durch den Gutachterausschuss der Wohngemeinde mitzuwirken, da für die Bewertung der Vermögensgegenstände nach § 12 Abs. 4 SGB II der Verkehrswert im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist. Da der Gutachterausschuss der Gemeinde schon aufgrund der besonderen Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten am ehesten in der Lage ist, den Verkehrswert darin belegener Hausgrundstücke festzustellen oder zur Verkäuflichkeit entsprechender Objekte Stellung zu nehmen, dürfte das Gutachten des Herrn F., das im Beschwerdeverfahren vorgelegt worden ist, dafür nicht ausreichen. Dahinstehen kann deshalb, ob es sich um ein Gefälligkeitsgutachten handelt oder nicht. Ebenso dahinstehen kann, ob schon aufgrund des Gutachtens vom November 2004 von einem höheren Verkehrswert auszugehen ist als der Gutachter F. angenommen oder der Ast. behauptet hat. Denn faktisch ist das Wohnhaus zu dem angenommenen Verkehrswert nicht verkauft worden und darüber hinaus sind offenbar wesentliche Einflussfaktoren auf den Verkehrswert (Funktionsfähigkeit der Heizanlage, Qualität der Wasser- und Stromleitungen - vgl. Seite 8 Ziff. 3.3 des Gutachtens) nicht in das besagte Gutachten eingeflossen oder haben sich jedenfalls nach der Erstellung des Gutachtens maßgeblich geändert.

Ist danach geklärt, ob das Hausgrundstück einen Verkehrswert besitzt, der über der für den Ast. geltenden Freibetragsgrenze liegt, wird weiter zu prüfen sein, ob ein Ausnahmetatbestand nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II vorliegt, also die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder eine besondere Härte vorliegt. Die erforderlichen Feststellungen sind ebenfalls der Hauptsacheentscheidung vorbehalten.

Der Begriff der Verwertbarkeit ist (BSG vom 16. Mai 2007 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 4) ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch nach den rechtlichen Verhältnissen (so bereits BSG, Urteil vom 30. Mai 1990 - 11 RAr 33/88 - zur Arbeitslosenhilfe und BVerwGE 106, 105, 107 - zum Bundessozialhilfegesetz [BSHG]). Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensbestandteile, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, sei es, dass Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder dass z.B. ein Grundstück infolge sinkender Immobilienpreise über den Marktwert hinaus belastet ist.

Die Ag. geht in ihrer ablehnenden Entscheidung davon aus, dass der Ast., wenn er denn nur wollte, das Hausgrundstück in absehbarer Zeit verkaufen könnte. Dabei ist jedoch nicht erkennbar, auf welche Tatsachengrundlagen die Ag. diese Annahme stellt. Es ist insbesondere zweifelhaft, ob die Ag. in ihre Überlegungen den Umstand eingestellt hat, dass das Hausgrundstück offenbar seit 2004 zum Verkauf gestanden hat und als "Schnäppchen" dem Ast. erst im Januar 2008 zu einem sehr geringen Preis verkauft werden konnte, was jedenfalls ein Indiz dafür sein könnte, dass die Verwertung durch Verkauf auch für den Ast. nicht ohne Probleme vonstatten gehen könnte. Des Weiteren dürfte zu bedenken sein, dass durch die zwischenzeitlich festgestellten Mängel (Wasserschäden, Schimmel, defekte Heizung, unzureichende Elektroleitungen) die Verwertung im Sinne eines Verkauf weiter erschwert sein könnte. Nicht zuletzt dürfte auch die Lage des Hausgrundstücks, nach den Ausführungen des SG in einer entlegenen ländlichen Gegend, ein weiterer Faktor sein, der eine Verwertung jedenfalls nicht erleichtert. Da es für die Frage der Verwertbarkeit nicht darauf ankommt, ob überhaupt irgendwann einmal ein Hausgrundstück einen Käufer finden, sondern darauf, ob dies in absehbarer Zeit gelingen kann, ist unter Berücksichtigung des Akteninhalts jedenfalls zweifelhaft, ob tatsächlich von einer Verwertbarkeit in absehbarer Zeit durch einen Verkauf ausgegangen werden kann.

Weiter dürfte (BSG vom 16. Mai 2007 a.a.O.) zu bedenken sein sein, ob eine Verwertung auch in der Weise erfolgen könnte, dass der Ast. das - lastenfreie - Grundstück zur Erlangung eines Darlehens beleiht. Wenn feststehen sollte, dass weder Veräußerung noch Belastung dem Ast. möglich sind, könnte sich möglicherweise auch die weitere Frage nach der Vermietung einzelner Zimmer oder der Schaffung einer abgeschlossenen zweiten Wohnung im Haus, wie es der Ast. vor Eintritt der Schäden ja auch geplant hatte, als Verwertungsalternative stellen. Angesichts des Umstands, dass durch die eingetretenen Schäden und die dadurch eingesetzten Finanzreserven des Ast. offenbar nunmehr keine Ersparnisse mehr vorhanden sind, die es ihm ermöglichen, die Renovierungen durchzuführen, müsste allerdings auch dieser Umstand bei der Frage der Verwertbarkeit durch Vermietung und der Verweisbarkeit des Ast. hierauf zu berücksichtigen sein.

Es ist nach dem Gesagten deshalb nicht ohne weitere Prüfungen zulässig, den Ast. auf den Verkauf des Hauses zu verweisen und mit dieser Begründung keine Leistungen, auch keine vorläufigen oder darlehensweisen, nach dem SGB II zu gewähren. Der Erfolg in der Hauptsache ist als zumindest offen zu bezeichnen und der Anordnungsanspruch deshalb glaubhaft gemacht. Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor, nämlich die besondere Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung.

Entgegen der Auffassung des SG und im Ergebnis wohl in Übereinstimmung mit der Ag. kann der Ast. nicht darauf verwiesen werden, dass er in der Vergangenheit von Frau S. darlehensweise Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten hat und diese Leistungen weiter erhalten wird. Unabhängig davon, dass Frau S. zunächst ausgeführt hat, dass sie dem Ast., sollte er Leistungen nach dem SGB II rückwirkend erhalten, die Rückzahlung des Darlehens stundet und nunmehr vorträgt, sie sei dazu nicht mehr bereit, da sie dieses Darlehen nur zur Unterstützung des Ast. in akuter Not, nicht zur Befreiung der Ag. von ihrer Leistungspflicht gewährt hat, hat der Ast. keinen Anspruch gegen Frau S. auf die Gewährung darlehensweiser Leistungen auch für die Zukunft. Die Konsequenz des Umstands, dass Frau S. dem Ast. für die Vergangenheit den Rückzahlungsanspruch möglicherweise stundet, ist ebenfalls eine Frage, die im Rahmen der Hauptsacheentscheidung zu prüfen ist. Anhaltspunkte dafür, dass zwischen den Beteiligten eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft bestanden hat oder besteht, die einen Leistungsanspruch begründen könnte, liegen ebenfalls nicht vor. Dazu haben sowohl der Ast. als auch Frau S. nach Aktenlage überzeugend vorgetragen.

Ist aber davon auszugehen, dass der Ast. jedenfalls seit Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über keine Einkünfte zur Sicherstellung des Lebensunterhalts verfügt, die einen Leistungsanspruch der Ag. ausschließen könnten, bestehen keine Zweifel am Anordnungsgrund für die Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II.

Da nach dem Ausgeführten jedoch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Frage der Verwertbarkeit und damit eines unbedingten Leistungsanspruchs des Antragstellers nicht abschließend festgestellt werden kann, die existenzsichernden Leistungen jedoch zur Bestreitung des Lebensunterhalts benötigt werden und andererseits in die Überlegungen einzustellen ist, dass im Fall des Leistungsausschlusses wegen verwertbaren Vermögens die Ag. Rückforderungsansprüche an den Ast. hat, erachtet es der Senat als angemessen, die dem Ast. zu gewährenden Leistungen dem Rechtsgedanken der §§ 9 Abs. 4, 23 Abs. 5 Satz 1 SGB II entsprechend darlehensweise zuzusprechen.

Soweit die Ag. im SG-Verfahren vorgetragen hat, nach ihrer Auffassung sei im vorliegenden Fall die darlehensweise Leistungsgewährung nicht dem Zweck des Gesetzes entsprechend, so dass der Ast. im Ergebnis auch nicht vorläufig Mittel zu Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung zu stellen seien, vermochten diese Argumente, die die Ag. aber offenbar im Beschwerdeverfahren selbst nicht mehr für überzeugend hält, eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Zum einen sieht § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB II gerade für diesen Fall die darlehensweise Leistungsgewährung vor. Zum anderen kann die Ag. dem Ast. nicht deshalb Leistungen versagen, weil er - von ihrer Rechtsauffassung abweichend - jedenfalls bis zur rechtskräftigen Feststellung, dass er zur Verwertung im Sinne eines Verkaufs verpflichtet ist, sich mit einer solchen Verwertung nicht einverstanden erklärt. Gerade die aufgezeigten und nach Auffassung des Senats noch nicht festgestellten Umstände, die einer Verwertung möglicherweise entgegen stehen könnten, machen die Haltung des Ast. zumindest nachvollziehbar. Ggf. hätte es der Ag. oblegen, dem Ast. unter Setzung einer angemessenen Frist aufzugeben, Verwertungsbemühungen darzulegen und für diese Zeit auch darlehensweise Leistungen zu gewähren. Dass dies für die Ag., sollte sie ihre möglichen Rückzahlungsansprüche dinglich sichern wollen, mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, macht dieses Vorgehen weder unzumutbar, noch dürfte es eine komplette Leistungsversagung rechtfertigen.

Dem Ast. steht deshalb jedenfalls seit Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem SGB II zu. Auch wenn Frau S. nunmehr mit sofortiger Wirkung auf der Darlehensrückzahlung besteht, ist dieser Umstand nicht ausreichend, eine Leistungspflicht der Ag. im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch für die Vergangenheit auszusprechen. Ein Anordnungsgrund wäre für die Vergangenheit nur dann zu bejahen, wenn noch ein gegenwärtiger schwerer unzumutbarer Nachteil besteht (Sächsisches LSG, Beschluss vom 30.10.2007 – L 2 B 372/07 AS-ER – m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.04.2006 – L 10 B 134/06 AS-ER –), also ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. hierzu OVG Brandenburg, Beschluss vom 17. September 2003 - 4 B 39/03 -; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Auflage, RdNr. 1245 m.w.N.). Dies ist jedoch nicht der Fall. Es ist nicht hinreichend glaubhaft dargetan, dass Frau S. ihren Rückzahlungsanspruch tatsächlich mit sofortiger Wirkung vollstreckt und dem Ast. daher faktisch keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleiben würden, wenn die Ag. bezahlt. Auch wenn Frau S. dem Ast. ausweislich des im PKH-Verfahren vorgelegten Kontoauszugs noch am 3. September 2009 500,- EUR zur Sicherung des Lebensunterhalts überwiesen hat, begründet dies keinen Leistungsausschluss für diesen Monat bzw. die zurückliegenden. Denn da der Ast. über keinerlei finanzielle Mittel verfügte und die Ag. auch eine darlehensweise oder vorläufige Leistungsbewilligung versagte, kann ihm nicht leistungsausschließend entgegen gehalten werden, dass er auf andere Art und Weise sein Überleben sicherte.

Bei seiner Beurteilung des Beginns der Leistungspflicht verkennt der Senat nicht, dass ohne die Darlehensgewährung dem Ast. schon aufgrund des langen Prüfungsverfahrens der Ag. bis zum Erlass des Bescheids vom 8. April 2009 (Antragstellung am 25. September 2008) keine existenzsichernden Leistungen zur Verfügung gestanden hätten. Dies genügt jedoch nicht, eine rückwirkende Leistungsbewilligung für Zeiten vor der Antragstellung zu begründen.

Dem Ast. ist deshalb ab Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Arbeitslosengeld II in Höhe von derzeit 359,- EUR monatlich zu gewähren, ebenso hat die Ag. einen Zuschuss zu den Kosten der privaten Krankenversicherung in gesetzlicher Höhe zu übernehmen (§ 26 Abs. 2 SGB II). Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft (§ 22 Abs. 1 SGB II) hat der Ast. durch die Kontoauszüge bislang nachgewiesen Stromkosten von monatlich 31,- EUR, für Wasser und Abwasser 28,- EUR monatlich. Jedenfalls diese Kosten sind von der Ag. als monatliche Kosten der Unterkunft zu bezahlen.

Der Anspruch des Ast. war für die Zukunft zu begrenzen. § 41 Satz 4 SGB II sieht grundsätzlich einen Bewilligungszeitraum von 6 Monaten vor, der bis zu 12 Monaten verlängert kann (§ 41 Satz 5 SGB II), wenn eine Veränderung der Verhältnisse in diesem Zeitraum nicht zu erwarten ist. Ausgehend von der Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Anfang Juni 2009 wäre bei einer sechsmonatigen Leistungsbewilligung eine Leistungsverpflichtung der Ag. bis Anfang Dezember 2009 auszusprechen. Angesichts der Komplexität der für einen Leistungsanspruch des Ast. noch festzustellenden Tatsachen, insbesondere der Notwendigkeit, das Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses der Gemeinde Walldürn abzuwarten, und darüber hinaus der ggf. bestehenden Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zur Feststellung der tatsächlichen Verwertbarkeit des Hausgrundstücks und deren Zumutbarkeit ist nicht zu erwarten, dass der nach der Entscheidung des Senats noch verbleibende Zeitraum von knapp einem Monat genügt, um die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Da der Ast. jedoch auf existenzsichernde Leistungen angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, zugleich jedoch erwartet werden kann, dass die erforderlichen Maßnahmen alsbald aufgenommen werden und der Ast. im erforderlichen Umfang mitwirkt, erachtet der Senat, ausgehend vom Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über die Beschwerde Ende Oktober 2009 weitere 6 Monate als vorläufigen Leistungszeitraum für angemessen aber auch ausreichend. Die Leistungsbewilligung war maximal bis zur Bestandskraft des Bescheids vom 8. April 2009 zu begrenzen. Da die begehrten Leistungen nur darlehensweise gewährt werden, war die Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen.

Da das Beschwerdeverfahren im Wesentlichen Erfolg hatte, der Ast. ohne Einkommen ist und verwertbares Vermögen derzeit nicht festgestellt werden konnte, war Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Eine Kostenteilung kam aufgrund des geringfügigen Unterliegens des Ast. nicht in Betracht.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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