Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 1115/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4179/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2006 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 13. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2005 und der Änderungsbescheide vom 4. März 2005, 7. September 2005 und 15. November 2005 verurteilt, der Klägerin weitere 60,69 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet 1/6 der außergerichtliche Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005.
Die 1959 geborene Klägerin ist alleinstehend und bewohnt eine Ein-Zimmer-Wohnung, die durch zwei Gas-Einzelöfen und einen Heizlüfter im Bad beheizt wird. Für die Wohnung zahlt sie eine Kaltmiete in Höhe von 260 Euro zuzüglich Kosten für Gas in Höhe von 48 Euro bis einschließlich Februar 2005 und 52 Euro von März bis Juni 2005. Bis 21. Juni 2004 bezog sie Arbeitslosengeld in Höhe von 198,94 Euro wöchentlich, anschließend Arbeitslosenhilfe bis 31. Dezember 2004.
Im Oktober 2004 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) und legte dabei eine Bescheinigung ihrer Hausärztin vor, wonach bei ihr aufgrund eines Diabetes mellitus Diabeteskost erforderlich sei. Mit Bescheid vom 13. November 2004 bewilligte die Beklagte Alg II von Januar bis Mai 2005 in Höhe von 794,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 777,16 Euro, wobei die Beklagte zusätzlich zu einem befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 134 Euro einen monatlichen Mehrbedarf von 25,56 Euro für kostenaufwendige Ernährung berücksichtigte. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung zu gering sei und ihr einschließlich Praxisgebühr und Zuzahlung monatliche Kosten in Höhe von mindestens 50 Euro entstünden. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2005 bewilligte die Beklagte daraufhin für die Zeit von Januar bis Mai 2005 monatlich 795,23 Euro und für Juni 2005 775,18 Euro. Den darüber hinausgehenden Widerspruch wies sie als unbegründet zurück.
Am 1. März 2005 hat die Klägerin zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 4. März 2005 Leistungen in Höhe von 795,56 Euro für Januar, 805,56 Euro für Februar, 686,49 Euro für März, 807,56 Euro für April und Mai und 787,46 Euro für Juni 2005 bewilligt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 7. September 2005 hat sie die Leistungen für Januar 2005 auf 803,56 Euro festgesetzt und mit Änderungsbescheid vom 15. November 2005 schließlich für Januar und Februar auf 806,33 Euro, für März auf 689,26 Euro, für April auf 810,33 Euro, für Mai auf 802,82 Euro und für Juni 2005 auf 782,72 Euro.
Die Klägerin hat ihre Klage damit begründet, dass eine Anpassung des seit 1997 nicht erhöhten Mehrbedarfsbetrages zu erfolgen habe, zusätzliche Stromkosten von 11 Euro zu berücksichtigen seien, weil sie ihr Bad mit einem Heizlüfter beheize und die Regelleistung von 345 Euro zu gering sei.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, der Klägerin über die mit Bescheid vom 15. November 2005 zuerkannten Leistungen hinaus für März 2005 Leistungen in Höhe von 795,23 Euro (gemäß dem Widerspruchsbescheid), für Mai 2005 in Höhe von 807,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 784,46 Euro (gemäß dem Bescheid vom 4. März 2005) zu bewilligen. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen. Mit Urteil vom 29. Juni 2006 hat das SG die darüber hinausgehende Klage abgewiesen. Dabei ist es der Sache nach davon ausgegangen, dass auch Folgebescheide Gegenstand des Verfahrens geworden sind und sich der streitige Zeitraum bis 31. Mai 2006 erstreckt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Klägerin stünden keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu, als durch die Bescheide vom 15. und 30. November 2005 und das Anerkenntnis vom 29. Juni 2006 bereits gewährt worden seien. Zuzüglich zur Regelleistung von 345 Euro und dem befristeten Zuschlag seien die Kaltmiete von 260 Euro sowie die Gaskosten zu berücksichtigen. Von den Gaskosten sei jedoch ein Pauschalbetrag in Höhe von 6,23 Euro monatlich abzuziehen, weil die Kosten der Warmwasserbereitung bereits in der Regelleistung enthalten seien. Darüber hinaus seien wegen der teilweisen Heizung der Wohnung der Klägerin mit einem Heizlüfter bei einer Leistung von 2000 Watt und einer anzunehmenden Betriebsdauer von 30 Minuten täglich zusätzlich monatlich 3,25 Euro zu gewähren. Darüber hinaus stünden der Klägerin weitere Leistungen nicht zu. Sofern die Klägerin einen Mehrbedarf bei kostenaufwendiger Ernährung geltend mache, habe sie hierauf keinen Anspruch. Nach den "Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" (Kleinere Schriften des Deutschen Vereins Nr. 48, 2. Aufl., 1997), seien als Mehrbedarf bei Diabetes 25,56 Euro monatlich zu veranschlagen. Der "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwendiger Ernährung (Krankenkostzulagen) gemäß § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG)" des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe von 2002 sowie das "Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) e.V. u.a." gingen jedoch den Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 1997 wegen aktuellerer Erkenntnisse vor. Danach unterscheide sich die Basiskost bei Diabetes mellitus in ihrer Zusammensetzung nicht von der im Rahmen der Primärprävention zur Gesunderhaltung empfohlenen Ernährungsweise, die normale Vollkost erfülle auch die Bedingungen der Ernährungstherapie bei Diabetes mellitus. Es werde eine ausgewogene Mischkost empfohlen, die einer gesunden Normalkost entspreche, so dass ein finanzieller Mehraufwand nicht entstehe. Der für die Klägerin danach zu berechnende Bedarf liege niedriger als die bereits bewilligten Leistungen. Höhere als die bewilligten Leistungen stünden der Klägerin damit nicht zu.
Hiergegen richtet sich die am 23. August 2006 eingelegte Berufung der Klägerin, die sie unter anderem damit begründet hat, die Regelleistung nach dem SGB II sei in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Außerdem seien auch wegen der Erkrankung höhere Leistungen zu gewähren und schließlich dürfe bei den Kosten für die Haushaltsenergie kein Abzug vorgenommen werden.
Mit Urteil vom 15. Dezember 2006 hat der Senat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat er auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen und im Übrigen ausgeführt, die Höhe der Regelleistung begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie einen Bedarf habe, der in der Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Insofern werde auf die Entscheidungsgründe des SG verwiesen, wonach ein Mehrbetrag für kostenaufwendige Ernährung nach dem Krankheitsbild der Klägerin nicht gerechtfertigt sei und die Kosten für Arztbesuche und Zuzahlungen im Regelbetrag enthalten seien.
Auf die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil vom 15. Dezember 2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen (Urteil vom 15. April 2008 - B 14/11b AS 3/07 R - (juris)). Es fehle an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen, die eine Überprüfung der Entscheidung des LSG ermöglichen würden. Auf der Grundlage des LSG-Urteils könne nicht nachvollzogen werden, ob das Berufungsgericht eine zutreffende Rechtsprüfung der geltend gemachten Ansprüche vorgenommen habe. Dies gelte insbesondere für die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für eine aufwendige Krankenernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II. Das BSG habe in seinen Urteilen vom 27. Februar 2008 (B 14/7b AS 32/06 R und B 14/7b AS 64/06 R) im Einzelnen dargelegt, dass jeweils eine Einzelfallprüfung zu erfolgen habe, wenn der ernährungsbedingte Mehrbedarf nach Inhalt und Höhe "streitig" bleibe. Den "Empfehlungen des Deutschen Vereins" hinsichtlich der Krankenkostzulagen komme dabei keine normative Wirkung zu. Es handele sich nicht um "antizipierte Sachverständigengutachten", sondern allenfalls um in der Verwaltungspraxis etablierte generelle Kriterien. Die Instanzgerichte hätten jeweils den genauen krankheitsbedingten Mehrbedarf der Kläger im Einzelnen aufzuklären. Auch bezüglich der von der Klägerin geltend gemachten Energiekosten werde nicht deutlich, inwieweit das LSG die Position des SG übernommen habe. Soweit das SG ausgeurteilt habe, dass in der Regelleistung bereits Warmwasserkosten in Höhe von 6,23 Euro enthalten seien, sei dies im Grundsatz nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin geltend mache, dass die Regelleistung bzw. die Festsetzung der Regelleistung gem. § 20 SGB II als solche verfassungswidrig sei, sei dem nicht beizutreten. Das BSG habe bereits mehrfach entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Regelleistung bestehen (SozR 4-4200 § 20 Nr. 3). Nach alledem werde das LSG festzustellen haben, in welcher Höhe der Klägerin bereits im Einzelnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gem. §§ 19 ff. SGB II bewilligt worden seien, welcher streitige Zeitraum zur Prüfung gestellt werde und welche Kostenfaktoren im Einzelnen zwischen den Beteiligten noch streitig seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 13. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2005 sowie der Änderungsbescheide vom 4. März 2005, 7. September 2005 und 15. November 2005 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 höheres Alg II zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat nach Zurückverweisung durch das BSG die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Die Hausärztin Dr. M. hat mit Schreiben vom 24. November 2008 mitgeteilt, die Klägerin leide seit Ende 1992 an einem Diabetes mellitus Typ I, der mit Insulin eingestellt sei. Bei der Klägerin bestehe ein hoher Energiebedarf von 2.800 Kalorien täglich. Auf ergänzende Nachfrage zur Begründung des hohen Energiebedarfs hat die Hausärztin mitgeteilt, laut Angaben der Patientin müsse diese sehr viel essen. Der Arzt für innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Kardiologie/Allergologie Dr. M. hat sich dahingehend geäußert, dass eine besondere Ernährung über eine übliche Diabetestherapie hinaus bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus nicht erforderlich sei, mangels Unterlagen könne er hierzu jedoch keine besonderen Angaben machen. Ergänzend hat der Senat ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei Dr. S. eingeholt. In dem Gutachten vom 17. August 2009 stellt Dr. S. bei der Klägerin folgende Erkrankungen fest: Diabetes mellitus, Hypertonie, Verdacht auf Immunthyreoiditis vom Typ Hashimoto sowie ein pathologisches Belastungs-EKG und - ohne sozialmedizinische Relevanz - eine Aorteninsuffizienz Grad I. Aufgrund des Diabetes mellitus bedürfe die Klägerin nicht einer besonderen Ernährung. Die Empfehlungen des deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1. Oktober 2008 gälten nach besonderer individueller Prüfung des medizinischen Sachverhaltes bei der Klägerin auch für diese. Es bestehe in der diabetologischen Fachliteratur kein Zweifel, dass eine spezielle und gegebenenfalls mit Mehraufwendungen verbundene sogenannte Diabetesdiät nicht mehr zeitgemäß sei. Der Kalorienbedarf der Klägerin liege bei ca. 2.000 Kalorien im normalen Bereich. Eine Erkrankung, die mit einem erhöhten Kalorienbedarf einhergehe, z.B. eine Überfunktion der Schilddrüse, eine erhebliche Resorptionsstörung des Magen-Darm-Traktes, eine Verdauungsstörung oder anders gelagerte Erkrankung, die mit erhöhtem Kalorienbedarf einher gehen könne, liege nicht vor. Die Neigung zur Unterfunktion der Schilddrüse begünstige eher einen erniedrigten Kalorienbedarf.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aller Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Gegenstand des Verfahrens ist allein noch die Höhe des der Klägerin zustehenden Alg II im Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2005, nachdem die Beteiligten einen entsprechenden Verfahrensvergleich geschlossen haben. Dabei sind die Leistungsansprüche der Klägerin im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Bei einem Streit um höhere Leistungen sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 Rdnr. 16 ff.).
Die form- und fristgerechte eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 SGG) ist statthaft (§ 143 SGG), da das SG über einen Leistungszeitraum von mehr als einem Jahr entschieden hat (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nur zu einem geringen Teil begründet. Die Klägerin hat lediglich Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung. Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen nicht, insbesondere besteht kein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Zuschlags für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf. Wegen des Verbots der reformatio in peius verbleibt es indes bei dem von der Beklagten zuerkannten Mehrbedarf in Höhe von 25,56 Euro monatlich (vgl. BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 2).
Die Klägerin ist im streitigen Zeitraum unstreitig leistungsberechtigt als erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie ist insbesondere auch hilfebedürftig (§ 9 Abs. 1 SGB II), da zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen im streitigen Zeitraum nicht vorliegen. Damit hat sie Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II).
Die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II mit 345 Euro im hier streitigen Zeitraum begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 3, nochmals bestätigt in der zurückverweisenden Entscheidung vom 15. April 2008, a.a.O.). Ebenso wenig können Zahlungen für Arzneimittel oder die Kosten für die Praxisgebühr berücksichtigt werden. Einen entsprechenden Mehrbedarf sieht § 21 SGB II nicht vor. Die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) pflichtversicherte Klägerin hat einen Anspruch auf Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln gegen ihre Krankenkasse nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V. Die Kosten für medizinisch nicht notwendige Arzneimittel sind von der Regelleistung gedeckt (vgl. BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 2).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der Senat zur vollen Überzeugung gelangt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung hat. Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Bei der Klägerin besteht seit Jahren konstant Normalgewicht mit einem Body-Mass-Index von 23 kg/m². An Erkrankungen, die einen ernährungsbedingten Mehrbedarf verursachen können, besteht bei ihr lediglich ein Diabetes mellitus vom Typ I. Eine Erkrankung, die einen erhöhten Energiebedarf und insoweit höhere Kosten für Ernährung verursacht, konnte durch das Gutachten von Dr. S. ausgeschlossen werden. Die vom Gutachter festgestellte Neigung zur Unterfunktion der Schilddrüse begünstigt eher einen erniedrigten Kalorienbedarf. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung das Ergebnis des Gutachtens von Dr. S. bezweifelt hat, konnte sie lediglich anführen, sie habe schon seit der Kindheit stets sehr viel essen müssen, woran dies liege, könne sie auch nicht sagen. Diese Ausführungen sind nicht geeignet, das schlüssige und überzeugende Gutachten in Frage zu stellen. Auch aus dem von der Klägerin vorgelegten Attest von Dr. M. vom 15. Oktober 2009 ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für einen krankheitsbedingt erhöhten Energieverbrauch. Soweit Dr. M. ausführt, die individuellen körperlichen und geistigen Tätigkeiten und Belastungen ergäben einen zusätzlichen Energiebedarf, kommt es hierauf nicht an. Im Regelsatz sind Pauschalen für Ernährung enthalten, die unabhängig von der individuellen Lebensführung gelten. Nur für aus medizinischen Gründen erforderliche kostenaufwändige Ernährung ist nach § 21 Abs. 5 SGB II ein Mehrbedarf zu gewähren (vgl. Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 21 Rdnr. 49). Es sind daher auch keine weiteren Ermittlungen erforderlich, um etwa über Kalorimetrie den tatsächlichen individuellen Grundumsatz der Klägerin festzustellen.
Auch aufgrund des vorliegenden Diabetes mellitus bedarf die Klägerin nicht einer kostenaufwändigen Ernährung. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1. Oktober 2008, welche an die Stelle der Empfehlungen aus dem Jahr 1997 treten, ist bei Diabetes mellitus und Hypertonie regelmäßig eine "Vollkost" angezeigt und in der Regel ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen. Nach dem Willen des Gesetzgebers können zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom Deutschen Verein entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden (BT-Drucks. 15/1516 S. 57). Ob den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins (3. Aufl., 2008) die Rechtsnatur eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommt (so Hessisches LSG, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - L 7 SO 7/08 B-ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Februar 2009 - L 9 B 339/08 AS - und Urteil vom 22. Januar 2009 - L 8 SO 32/07 -; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9. März 2009 - L 8 AS 68/08 - (alle juris)), ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Auf der Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens von Dr. S., der die Klägerin persönlich untersucht hat, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass auch bei dem individuellen Krankheitsbild der Klägerin eine besondere Ernährung nicht erforderlich, sondern eine Vollkost geboten ist.
Allerdings kann auf die Empfehlungen zurückgegriffen werden für die Frage, welchen Kostenaufwand eine Ernährung mit Vollkost verursacht. Eine in die Empfehlungen des deutschen Vereins eingegangene wissenschaftliche Ausarbeitung der deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema: Lebensmittelkosten für eine vollwertige Ernährung, April 2008 hat insoweit ergeben, dass der bei der Bemessung des Regelsatzes für Ernährung eingeflossene Betrag den Aufwand für eine Vollkost deckt (http://www.dge.de/pdf/ws/Lebensmittelkosten-vollwertige-Ernaehrung.pdf). Dabei wird Vollkost aktuell definiert als eine Kost, die 1. den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt, 2. in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt, 3. Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und (neu!) auch zur Therapie berücksichtigt, 4. in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist, soweit Punkt 1 bis 3 nicht tangiert werden (Empfehlungen des deutschen Vereins, 3. Aufl., S. 16).
Es muss daher nunmehr als wissenschaftlich gesichert gelten, dass Vollkost nicht teurer als "normale ungesunde" Kost ist, oder doch jedenfalls aus dem für Ernährung vorgesehenen Anteil des Regelsatzes finanziert werden kann (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. Januar 2009; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9.März 2009, jeweils a.a.O.). Einzelfallbezogene Ermittlungen, welchen Kostenaufwand eine vollwertige Ernährung verursacht, sind daher vorliegend nicht erforderlich (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 10. Juli 2009 - L 12 AS 3241/08 -). Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die Klägerin geltend macht, mehrere Zwischenmahlzeiten einnehmen zu müssen. Es spielt für die Frage der Ernährungskosten keine Rolle, auf wie viele Mahlzeiten am Tag die oben dargestellte Vollkost aufgeteilt wird.
Auch wenn die Klägerin nach alledem keinen Anspruch auf einen Mehrbedarfszuschlag nach § 21 Abs. 5 SGB II hat, ist ihr der von der Beklagten zuerkannte Mehrbedarf von 25,56 Euro monatlich wegen des Verbots der reformatio in peius zu belassen, eine Änderung der Bescheide kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 2).
Der Klägerin stehen allerdings höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Unstreitig zu übernehmen und von der Beklagten anerkannt ist hier die Kaltmiete von 260 Euro. Hinzu kommen die Kosten für die Gasheizung (48 Euro für Januar und Februar, 52 Euro ab März 2005). Abzuziehen ist von den Heizkosten ein Anteil für die Warmwasserbereitung in Höhe von 6,22 Euro, da diese Energiekosten bereits in der Regelleistung enthalten sind (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 5 = BSGE 100, 94; BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R -; BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 - B 11b AS 45/06 R - (juris)). Weiter zu berücksichtigen ist der Anteil an den Stromkosten, der für eine angemessene Beheizung des Bades erforderlich ist, denn Stromkosten sind nur in der Regelleistung enthalten, soweit der Strom nicht als Heizenergie genutzt wird (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 5; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 48/08 R - (juris)). Da der konkrete Stromverbrauch zur Beheizung des Bades - etwa über einen getrennten Zähler - nicht erfasst wurde, und es ohnehin nur auf die angemessenen Heizkosten ankommt, ist der Ansatz des SG nicht zu beanstanden, von einem typischen Heizlüfter mit einer Leistung von 2.000 Watt auszugehen und über die Betriebsdauer unter Berücksichtigung des tatsächlichen Strompreises von 18,59 Cent pro Kilowattstunde die Heizkosten zu schätzen. Indes hält der Senat die vom SG berücksichtigte Betriebsdauer des Heizlüfters von einer halben Stunde täglich für sehr knapp bemessen und legt zu Gunsten der Klägerin im Rahmen der Schätzung eine volle Stunde zugrunde. Daraus ergeben sich bei 30 Tagen monatliche Heizkosten von 11,15 Euro, die umgerechnet auf eine Heizperiode von Oktober bis April bei für das Verbrauchsjahr einheitlichem Stromabschlag mit 6,50 Euro monatlich zu berücksichtigen sind.
Für Januar und Februar 2005 stehen der Klägerin demnach an Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt 308,28 Euro zu (260 + 48 - 6,22 + 6,50), gerundet somit 308 Euro (§ 41 Abs. 2 SGB II; vgl. BSG, Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 37/08 R - (juris)). Anerkannt hat die Beklagte entsprechend dem Änderungsbescheid vom 15. November 2005 lediglich 301,77 Euro, so dass ein Betrag von 6,23 Euro der Klägerin noch zu gewähren ist. Ab März 2005 belaufen sich die anzuerkennenden Kosten der Unterkunft und Heizung auf 312 Euro (260 + 52 - 6,22 + 6,50). Anerkannt hat die Beklagte bislang für März entsprechend dem Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2005 291 Euro, so dass ein Anspruch von 21 Euro verbleibt. Für April sind anerkannt gemäß Änderungsbescheid vom 15. November 2005 305,77 Euro, so dass 6,23 Euro noch nachzuzahlen sind. Für M. errechnet sich ein verbleibender Anspruch von 9 Euro (anerkannte Kosten der Unterkunft entsprechend Änderungsbescheid vom 4. März 2005 303 Euro) und für Juni von 12 Euro. Für Juni hat die Beklagte mit ihrem Teilanerkenntnis insgesamt 784,46 Euro anerkannt, wobei vermutlich ein Fehler vorliegt, da mit Änderungsbescheid vom 4. März 2005 insgesamt 787,46 Euro zuerkannt worden waren. Da gemäß diesem Bescheid bereits die Regelleistung, der ernährungsbedingte Mehrbedarf und der Zuschlag mit insgesamt 484,46 Euro zu Buche schlagen, verbleiben bereits übernommene Kosten der Unterkunft in Höhe von 300 Euro, woraus sich der Restanspruch von 12 Euro ergibt.
Insgesamt beläuft sich die der Klägerin zustehende Nachzahlung für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2005 auf 60,69 Euro. Zwar hat die Klägerin im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Bewilligung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs mehr an Leistungen erhalten, als ihr materiell zustehen. Eine Verrechnung mit dem Nachzahlungsanspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung kommt indes nicht in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei den Kosten der Unterkunft einerseits und den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts andererseits um voneinander abtrennbare Verfügungssätze und verschiedene Streitgegenstände (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = BSGE 97, 217). Wollte man hier eine Saldierung vornehmen und ginge davon aus, dass mit dem gewährten (zu hohen) Gesamtbetrag zugleich die eigentlich höheren Kosten der Unterkunft abgedeckt wären, würden damit die bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts reduziert. Handelt es sich insoweit aber um abtrennbare Verfügungssätze und damit die Beklagte nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und § 77 SGG mit ihrem Wirksamwerden (Bekanntgabe) materiell bindende Regelungen, ist bezüglich der zum Lebensunterhalt zustehenden Leistungen eine Bindungswirkung eingetreten, deren Verböserung auch im Rechtsmittelverfahren nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 und 48 SGB X zulässig ist, auch wenn der Bescheid nicht bestandskräftig geworden ist (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14 AS 23/07 R - (juris)). Die ausstehenden Kosten der Unterkunft und Heizung sind daher zusätzlich zu gewähren.
Kein höherer Anspruch ergibt sich unter Berücksichtigung des der Klägerin zustehenden Zuschlags. Nach § 24 Abs. 1 SGB II erhält der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Zuschlag, wenn er innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld Alg II bezieht. Der Zuschlag beträgt zwei Drittel des Unterschiedsbetrags zwischen dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld und dem erstmals nach Bezug von Arbeitslosengeld zustehenden Alg II (§ 24 Abs. 2 SGB II). Da sich der materielle Anspruch der Klägerin auf Alg II im Januar 2005 auf 653 Euro beläuft (345 + 308 KdU) und zuletzt Arbeitslosengeld in Höhe von 862,07 Euro monatlich bezogen wurde, errechnet sich ein Zuschlag in Höhe von 139,38 Euro anstelle der von der Beklagten zugestandenen 134 Euro. Insoweit ergibt sich jedoch kein Nachzahlungsanspruch, denn bei der Festsetzung des Zuschlags handelt es sich nicht um einen abtrennbaren Verfügungssatz (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14 AS 23/07 R - a.a.O.). Da der zuerkannte Gesamtbetrag im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts höher als der bestehende Anspruch ist, kommt es nicht darauf an, dass sich bei einzelnen Berechnungselementen abweichende Einzelbeträge ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14 AS 23/07 R - a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 2009 - L 1 AS 900/08 - (juris)). Weitere Leistungen im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind daher nicht zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet 1/6 der außergerichtliche Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005.
Die 1959 geborene Klägerin ist alleinstehend und bewohnt eine Ein-Zimmer-Wohnung, die durch zwei Gas-Einzelöfen und einen Heizlüfter im Bad beheizt wird. Für die Wohnung zahlt sie eine Kaltmiete in Höhe von 260 Euro zuzüglich Kosten für Gas in Höhe von 48 Euro bis einschließlich Februar 2005 und 52 Euro von März bis Juni 2005. Bis 21. Juni 2004 bezog sie Arbeitslosengeld in Höhe von 198,94 Euro wöchentlich, anschließend Arbeitslosenhilfe bis 31. Dezember 2004.
Im Oktober 2004 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) und legte dabei eine Bescheinigung ihrer Hausärztin vor, wonach bei ihr aufgrund eines Diabetes mellitus Diabeteskost erforderlich sei. Mit Bescheid vom 13. November 2004 bewilligte die Beklagte Alg II von Januar bis Mai 2005 in Höhe von 794,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 777,16 Euro, wobei die Beklagte zusätzlich zu einem befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 134 Euro einen monatlichen Mehrbedarf von 25,56 Euro für kostenaufwendige Ernährung berücksichtigte. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung zu gering sei und ihr einschließlich Praxisgebühr und Zuzahlung monatliche Kosten in Höhe von mindestens 50 Euro entstünden. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2005 bewilligte die Beklagte daraufhin für die Zeit von Januar bis Mai 2005 monatlich 795,23 Euro und für Juni 2005 775,18 Euro. Den darüber hinausgehenden Widerspruch wies sie als unbegründet zurück.
Am 1. März 2005 hat die Klägerin zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 4. März 2005 Leistungen in Höhe von 795,56 Euro für Januar, 805,56 Euro für Februar, 686,49 Euro für März, 807,56 Euro für April und Mai und 787,46 Euro für Juni 2005 bewilligt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 7. September 2005 hat sie die Leistungen für Januar 2005 auf 803,56 Euro festgesetzt und mit Änderungsbescheid vom 15. November 2005 schließlich für Januar und Februar auf 806,33 Euro, für März auf 689,26 Euro, für April auf 810,33 Euro, für Mai auf 802,82 Euro und für Juni 2005 auf 782,72 Euro.
Die Klägerin hat ihre Klage damit begründet, dass eine Anpassung des seit 1997 nicht erhöhten Mehrbedarfsbetrages zu erfolgen habe, zusätzliche Stromkosten von 11 Euro zu berücksichtigen seien, weil sie ihr Bad mit einem Heizlüfter beheize und die Regelleistung von 345 Euro zu gering sei.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, der Klägerin über die mit Bescheid vom 15. November 2005 zuerkannten Leistungen hinaus für März 2005 Leistungen in Höhe von 795,23 Euro (gemäß dem Widerspruchsbescheid), für Mai 2005 in Höhe von 807,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 784,46 Euro (gemäß dem Bescheid vom 4. März 2005) zu bewilligen. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen. Mit Urteil vom 29. Juni 2006 hat das SG die darüber hinausgehende Klage abgewiesen. Dabei ist es der Sache nach davon ausgegangen, dass auch Folgebescheide Gegenstand des Verfahrens geworden sind und sich der streitige Zeitraum bis 31. Mai 2006 erstreckt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Klägerin stünden keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu, als durch die Bescheide vom 15. und 30. November 2005 und das Anerkenntnis vom 29. Juni 2006 bereits gewährt worden seien. Zuzüglich zur Regelleistung von 345 Euro und dem befristeten Zuschlag seien die Kaltmiete von 260 Euro sowie die Gaskosten zu berücksichtigen. Von den Gaskosten sei jedoch ein Pauschalbetrag in Höhe von 6,23 Euro monatlich abzuziehen, weil die Kosten der Warmwasserbereitung bereits in der Regelleistung enthalten seien. Darüber hinaus seien wegen der teilweisen Heizung der Wohnung der Klägerin mit einem Heizlüfter bei einer Leistung von 2000 Watt und einer anzunehmenden Betriebsdauer von 30 Minuten täglich zusätzlich monatlich 3,25 Euro zu gewähren. Darüber hinaus stünden der Klägerin weitere Leistungen nicht zu. Sofern die Klägerin einen Mehrbedarf bei kostenaufwendiger Ernährung geltend mache, habe sie hierauf keinen Anspruch. Nach den "Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" (Kleinere Schriften des Deutschen Vereins Nr. 48, 2. Aufl., 1997), seien als Mehrbedarf bei Diabetes 25,56 Euro monatlich zu veranschlagen. Der "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwendiger Ernährung (Krankenkostzulagen) gemäß § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG)" des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe von 2002 sowie das "Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) e.V. u.a." gingen jedoch den Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 1997 wegen aktuellerer Erkenntnisse vor. Danach unterscheide sich die Basiskost bei Diabetes mellitus in ihrer Zusammensetzung nicht von der im Rahmen der Primärprävention zur Gesunderhaltung empfohlenen Ernährungsweise, die normale Vollkost erfülle auch die Bedingungen der Ernährungstherapie bei Diabetes mellitus. Es werde eine ausgewogene Mischkost empfohlen, die einer gesunden Normalkost entspreche, so dass ein finanzieller Mehraufwand nicht entstehe. Der für die Klägerin danach zu berechnende Bedarf liege niedriger als die bereits bewilligten Leistungen. Höhere als die bewilligten Leistungen stünden der Klägerin damit nicht zu.
Hiergegen richtet sich die am 23. August 2006 eingelegte Berufung der Klägerin, die sie unter anderem damit begründet hat, die Regelleistung nach dem SGB II sei in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Außerdem seien auch wegen der Erkrankung höhere Leistungen zu gewähren und schließlich dürfe bei den Kosten für die Haushaltsenergie kein Abzug vorgenommen werden.
Mit Urteil vom 15. Dezember 2006 hat der Senat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat er auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen und im Übrigen ausgeführt, die Höhe der Regelleistung begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie einen Bedarf habe, der in der Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Insofern werde auf die Entscheidungsgründe des SG verwiesen, wonach ein Mehrbetrag für kostenaufwendige Ernährung nach dem Krankheitsbild der Klägerin nicht gerechtfertigt sei und die Kosten für Arztbesuche und Zuzahlungen im Regelbetrag enthalten seien.
Auf die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil vom 15. Dezember 2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen (Urteil vom 15. April 2008 - B 14/11b AS 3/07 R - (juris)). Es fehle an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen, die eine Überprüfung der Entscheidung des LSG ermöglichen würden. Auf der Grundlage des LSG-Urteils könne nicht nachvollzogen werden, ob das Berufungsgericht eine zutreffende Rechtsprüfung der geltend gemachten Ansprüche vorgenommen habe. Dies gelte insbesondere für die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für eine aufwendige Krankenernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II. Das BSG habe in seinen Urteilen vom 27. Februar 2008 (B 14/7b AS 32/06 R und B 14/7b AS 64/06 R) im Einzelnen dargelegt, dass jeweils eine Einzelfallprüfung zu erfolgen habe, wenn der ernährungsbedingte Mehrbedarf nach Inhalt und Höhe "streitig" bleibe. Den "Empfehlungen des Deutschen Vereins" hinsichtlich der Krankenkostzulagen komme dabei keine normative Wirkung zu. Es handele sich nicht um "antizipierte Sachverständigengutachten", sondern allenfalls um in der Verwaltungspraxis etablierte generelle Kriterien. Die Instanzgerichte hätten jeweils den genauen krankheitsbedingten Mehrbedarf der Kläger im Einzelnen aufzuklären. Auch bezüglich der von der Klägerin geltend gemachten Energiekosten werde nicht deutlich, inwieweit das LSG die Position des SG übernommen habe. Soweit das SG ausgeurteilt habe, dass in der Regelleistung bereits Warmwasserkosten in Höhe von 6,23 Euro enthalten seien, sei dies im Grundsatz nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin geltend mache, dass die Regelleistung bzw. die Festsetzung der Regelleistung gem. § 20 SGB II als solche verfassungswidrig sei, sei dem nicht beizutreten. Das BSG habe bereits mehrfach entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Regelleistung bestehen (SozR 4-4200 § 20 Nr. 3). Nach alledem werde das LSG festzustellen haben, in welcher Höhe der Klägerin bereits im Einzelnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gem. §§ 19 ff. SGB II bewilligt worden seien, welcher streitige Zeitraum zur Prüfung gestellt werde und welche Kostenfaktoren im Einzelnen zwischen den Beteiligten noch streitig seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 13. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2005 sowie der Änderungsbescheide vom 4. März 2005, 7. September 2005 und 15. November 2005 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 höheres Alg II zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat nach Zurückverweisung durch das BSG die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Die Hausärztin Dr. M. hat mit Schreiben vom 24. November 2008 mitgeteilt, die Klägerin leide seit Ende 1992 an einem Diabetes mellitus Typ I, der mit Insulin eingestellt sei. Bei der Klägerin bestehe ein hoher Energiebedarf von 2.800 Kalorien täglich. Auf ergänzende Nachfrage zur Begründung des hohen Energiebedarfs hat die Hausärztin mitgeteilt, laut Angaben der Patientin müsse diese sehr viel essen. Der Arzt für innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Kardiologie/Allergologie Dr. M. hat sich dahingehend geäußert, dass eine besondere Ernährung über eine übliche Diabetestherapie hinaus bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus nicht erforderlich sei, mangels Unterlagen könne er hierzu jedoch keine besonderen Angaben machen. Ergänzend hat der Senat ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei Dr. S. eingeholt. In dem Gutachten vom 17. August 2009 stellt Dr. S. bei der Klägerin folgende Erkrankungen fest: Diabetes mellitus, Hypertonie, Verdacht auf Immunthyreoiditis vom Typ Hashimoto sowie ein pathologisches Belastungs-EKG und - ohne sozialmedizinische Relevanz - eine Aorteninsuffizienz Grad I. Aufgrund des Diabetes mellitus bedürfe die Klägerin nicht einer besonderen Ernährung. Die Empfehlungen des deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1. Oktober 2008 gälten nach besonderer individueller Prüfung des medizinischen Sachverhaltes bei der Klägerin auch für diese. Es bestehe in der diabetologischen Fachliteratur kein Zweifel, dass eine spezielle und gegebenenfalls mit Mehraufwendungen verbundene sogenannte Diabetesdiät nicht mehr zeitgemäß sei. Der Kalorienbedarf der Klägerin liege bei ca. 2.000 Kalorien im normalen Bereich. Eine Erkrankung, die mit einem erhöhten Kalorienbedarf einhergehe, z.B. eine Überfunktion der Schilddrüse, eine erhebliche Resorptionsstörung des Magen-Darm-Traktes, eine Verdauungsstörung oder anders gelagerte Erkrankung, die mit erhöhtem Kalorienbedarf einher gehen könne, liege nicht vor. Die Neigung zur Unterfunktion der Schilddrüse begünstige eher einen erniedrigten Kalorienbedarf.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aller Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Gegenstand des Verfahrens ist allein noch die Höhe des der Klägerin zustehenden Alg II im Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2005, nachdem die Beteiligten einen entsprechenden Verfahrensvergleich geschlossen haben. Dabei sind die Leistungsansprüche der Klägerin im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Bei einem Streit um höhere Leistungen sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 Rdnr. 16 ff.).
Die form- und fristgerechte eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 SGG) ist statthaft (§ 143 SGG), da das SG über einen Leistungszeitraum von mehr als einem Jahr entschieden hat (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nur zu einem geringen Teil begründet. Die Klägerin hat lediglich Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung. Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen nicht, insbesondere besteht kein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Zuschlags für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf. Wegen des Verbots der reformatio in peius verbleibt es indes bei dem von der Beklagten zuerkannten Mehrbedarf in Höhe von 25,56 Euro monatlich (vgl. BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 2).
Die Klägerin ist im streitigen Zeitraum unstreitig leistungsberechtigt als erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie ist insbesondere auch hilfebedürftig (§ 9 Abs. 1 SGB II), da zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen im streitigen Zeitraum nicht vorliegen. Damit hat sie Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II).
Die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II mit 345 Euro im hier streitigen Zeitraum begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 3, nochmals bestätigt in der zurückverweisenden Entscheidung vom 15. April 2008, a.a.O.). Ebenso wenig können Zahlungen für Arzneimittel oder die Kosten für die Praxisgebühr berücksichtigt werden. Einen entsprechenden Mehrbedarf sieht § 21 SGB II nicht vor. Die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) pflichtversicherte Klägerin hat einen Anspruch auf Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln gegen ihre Krankenkasse nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V. Die Kosten für medizinisch nicht notwendige Arzneimittel sind von der Regelleistung gedeckt (vgl. BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 2).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der Senat zur vollen Überzeugung gelangt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung hat. Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Bei der Klägerin besteht seit Jahren konstant Normalgewicht mit einem Body-Mass-Index von 23 kg/m². An Erkrankungen, die einen ernährungsbedingten Mehrbedarf verursachen können, besteht bei ihr lediglich ein Diabetes mellitus vom Typ I. Eine Erkrankung, die einen erhöhten Energiebedarf und insoweit höhere Kosten für Ernährung verursacht, konnte durch das Gutachten von Dr. S. ausgeschlossen werden. Die vom Gutachter festgestellte Neigung zur Unterfunktion der Schilddrüse begünstigt eher einen erniedrigten Kalorienbedarf. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung das Ergebnis des Gutachtens von Dr. S. bezweifelt hat, konnte sie lediglich anführen, sie habe schon seit der Kindheit stets sehr viel essen müssen, woran dies liege, könne sie auch nicht sagen. Diese Ausführungen sind nicht geeignet, das schlüssige und überzeugende Gutachten in Frage zu stellen. Auch aus dem von der Klägerin vorgelegten Attest von Dr. M. vom 15. Oktober 2009 ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für einen krankheitsbedingt erhöhten Energieverbrauch. Soweit Dr. M. ausführt, die individuellen körperlichen und geistigen Tätigkeiten und Belastungen ergäben einen zusätzlichen Energiebedarf, kommt es hierauf nicht an. Im Regelsatz sind Pauschalen für Ernährung enthalten, die unabhängig von der individuellen Lebensführung gelten. Nur für aus medizinischen Gründen erforderliche kostenaufwändige Ernährung ist nach § 21 Abs. 5 SGB II ein Mehrbedarf zu gewähren (vgl. Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 21 Rdnr. 49). Es sind daher auch keine weiteren Ermittlungen erforderlich, um etwa über Kalorimetrie den tatsächlichen individuellen Grundumsatz der Klägerin festzustellen.
Auch aufgrund des vorliegenden Diabetes mellitus bedarf die Klägerin nicht einer kostenaufwändigen Ernährung. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1. Oktober 2008, welche an die Stelle der Empfehlungen aus dem Jahr 1997 treten, ist bei Diabetes mellitus und Hypertonie regelmäßig eine "Vollkost" angezeigt und in der Regel ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen. Nach dem Willen des Gesetzgebers können zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom Deutschen Verein entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden (BT-Drucks. 15/1516 S. 57). Ob den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins (3. Aufl., 2008) die Rechtsnatur eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommt (so Hessisches LSG, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - L 7 SO 7/08 B-ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Februar 2009 - L 9 B 339/08 AS - und Urteil vom 22. Januar 2009 - L 8 SO 32/07 -; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9. März 2009 - L 8 AS 68/08 - (alle juris)), ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Auf der Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens von Dr. S., der die Klägerin persönlich untersucht hat, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass auch bei dem individuellen Krankheitsbild der Klägerin eine besondere Ernährung nicht erforderlich, sondern eine Vollkost geboten ist.
Allerdings kann auf die Empfehlungen zurückgegriffen werden für die Frage, welchen Kostenaufwand eine Ernährung mit Vollkost verursacht. Eine in die Empfehlungen des deutschen Vereins eingegangene wissenschaftliche Ausarbeitung der deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema: Lebensmittelkosten für eine vollwertige Ernährung, April 2008 hat insoweit ergeben, dass der bei der Bemessung des Regelsatzes für Ernährung eingeflossene Betrag den Aufwand für eine Vollkost deckt (http://www.dge.de/pdf/ws/Lebensmittelkosten-vollwertige-Ernaehrung.pdf). Dabei wird Vollkost aktuell definiert als eine Kost, die 1. den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt, 2. in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt, 3. Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und (neu!) auch zur Therapie berücksichtigt, 4. in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist, soweit Punkt 1 bis 3 nicht tangiert werden (Empfehlungen des deutschen Vereins, 3. Aufl., S. 16).
Es muss daher nunmehr als wissenschaftlich gesichert gelten, dass Vollkost nicht teurer als "normale ungesunde" Kost ist, oder doch jedenfalls aus dem für Ernährung vorgesehenen Anteil des Regelsatzes finanziert werden kann (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. Januar 2009; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9.März 2009, jeweils a.a.O.). Einzelfallbezogene Ermittlungen, welchen Kostenaufwand eine vollwertige Ernährung verursacht, sind daher vorliegend nicht erforderlich (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 10. Juli 2009 - L 12 AS 3241/08 -). Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die Klägerin geltend macht, mehrere Zwischenmahlzeiten einnehmen zu müssen. Es spielt für die Frage der Ernährungskosten keine Rolle, auf wie viele Mahlzeiten am Tag die oben dargestellte Vollkost aufgeteilt wird.
Auch wenn die Klägerin nach alledem keinen Anspruch auf einen Mehrbedarfszuschlag nach § 21 Abs. 5 SGB II hat, ist ihr der von der Beklagten zuerkannte Mehrbedarf von 25,56 Euro monatlich wegen des Verbots der reformatio in peius zu belassen, eine Änderung der Bescheide kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 2).
Der Klägerin stehen allerdings höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Unstreitig zu übernehmen und von der Beklagten anerkannt ist hier die Kaltmiete von 260 Euro. Hinzu kommen die Kosten für die Gasheizung (48 Euro für Januar und Februar, 52 Euro ab März 2005). Abzuziehen ist von den Heizkosten ein Anteil für die Warmwasserbereitung in Höhe von 6,22 Euro, da diese Energiekosten bereits in der Regelleistung enthalten sind (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 5 = BSGE 100, 94; BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R -; BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 - B 11b AS 45/06 R - (juris)). Weiter zu berücksichtigen ist der Anteil an den Stromkosten, der für eine angemessene Beheizung des Bades erforderlich ist, denn Stromkosten sind nur in der Regelleistung enthalten, soweit der Strom nicht als Heizenergie genutzt wird (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 5; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 48/08 R - (juris)). Da der konkrete Stromverbrauch zur Beheizung des Bades - etwa über einen getrennten Zähler - nicht erfasst wurde, und es ohnehin nur auf die angemessenen Heizkosten ankommt, ist der Ansatz des SG nicht zu beanstanden, von einem typischen Heizlüfter mit einer Leistung von 2.000 Watt auszugehen und über die Betriebsdauer unter Berücksichtigung des tatsächlichen Strompreises von 18,59 Cent pro Kilowattstunde die Heizkosten zu schätzen. Indes hält der Senat die vom SG berücksichtigte Betriebsdauer des Heizlüfters von einer halben Stunde täglich für sehr knapp bemessen und legt zu Gunsten der Klägerin im Rahmen der Schätzung eine volle Stunde zugrunde. Daraus ergeben sich bei 30 Tagen monatliche Heizkosten von 11,15 Euro, die umgerechnet auf eine Heizperiode von Oktober bis April bei für das Verbrauchsjahr einheitlichem Stromabschlag mit 6,50 Euro monatlich zu berücksichtigen sind.
Für Januar und Februar 2005 stehen der Klägerin demnach an Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt 308,28 Euro zu (260 + 48 - 6,22 + 6,50), gerundet somit 308 Euro (§ 41 Abs. 2 SGB II; vgl. BSG, Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 37/08 R - (juris)). Anerkannt hat die Beklagte entsprechend dem Änderungsbescheid vom 15. November 2005 lediglich 301,77 Euro, so dass ein Betrag von 6,23 Euro der Klägerin noch zu gewähren ist. Ab März 2005 belaufen sich die anzuerkennenden Kosten der Unterkunft und Heizung auf 312 Euro (260 + 52 - 6,22 + 6,50). Anerkannt hat die Beklagte bislang für März entsprechend dem Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2005 291 Euro, so dass ein Anspruch von 21 Euro verbleibt. Für April sind anerkannt gemäß Änderungsbescheid vom 15. November 2005 305,77 Euro, so dass 6,23 Euro noch nachzuzahlen sind. Für M. errechnet sich ein verbleibender Anspruch von 9 Euro (anerkannte Kosten der Unterkunft entsprechend Änderungsbescheid vom 4. März 2005 303 Euro) und für Juni von 12 Euro. Für Juni hat die Beklagte mit ihrem Teilanerkenntnis insgesamt 784,46 Euro anerkannt, wobei vermutlich ein Fehler vorliegt, da mit Änderungsbescheid vom 4. März 2005 insgesamt 787,46 Euro zuerkannt worden waren. Da gemäß diesem Bescheid bereits die Regelleistung, der ernährungsbedingte Mehrbedarf und der Zuschlag mit insgesamt 484,46 Euro zu Buche schlagen, verbleiben bereits übernommene Kosten der Unterkunft in Höhe von 300 Euro, woraus sich der Restanspruch von 12 Euro ergibt.
Insgesamt beläuft sich die der Klägerin zustehende Nachzahlung für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2005 auf 60,69 Euro. Zwar hat die Klägerin im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Bewilligung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs mehr an Leistungen erhalten, als ihr materiell zustehen. Eine Verrechnung mit dem Nachzahlungsanspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung kommt indes nicht in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei den Kosten der Unterkunft einerseits und den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts andererseits um voneinander abtrennbare Verfügungssätze und verschiedene Streitgegenstände (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = BSGE 97, 217). Wollte man hier eine Saldierung vornehmen und ginge davon aus, dass mit dem gewährten (zu hohen) Gesamtbetrag zugleich die eigentlich höheren Kosten der Unterkunft abgedeckt wären, würden damit die bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts reduziert. Handelt es sich insoweit aber um abtrennbare Verfügungssätze und damit die Beklagte nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und § 77 SGG mit ihrem Wirksamwerden (Bekanntgabe) materiell bindende Regelungen, ist bezüglich der zum Lebensunterhalt zustehenden Leistungen eine Bindungswirkung eingetreten, deren Verböserung auch im Rechtsmittelverfahren nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 und 48 SGB X zulässig ist, auch wenn der Bescheid nicht bestandskräftig geworden ist (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14 AS 23/07 R - (juris)). Die ausstehenden Kosten der Unterkunft und Heizung sind daher zusätzlich zu gewähren.
Kein höherer Anspruch ergibt sich unter Berücksichtigung des der Klägerin zustehenden Zuschlags. Nach § 24 Abs. 1 SGB II erhält der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Zuschlag, wenn er innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld Alg II bezieht. Der Zuschlag beträgt zwei Drittel des Unterschiedsbetrags zwischen dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld und dem erstmals nach Bezug von Arbeitslosengeld zustehenden Alg II (§ 24 Abs. 2 SGB II). Da sich der materielle Anspruch der Klägerin auf Alg II im Januar 2005 auf 653 Euro beläuft (345 + 308 KdU) und zuletzt Arbeitslosengeld in Höhe von 862,07 Euro monatlich bezogen wurde, errechnet sich ein Zuschlag in Höhe von 139,38 Euro anstelle der von der Beklagten zugestandenen 134 Euro. Insoweit ergibt sich jedoch kein Nachzahlungsanspruch, denn bei der Festsetzung des Zuschlags handelt es sich nicht um einen abtrennbaren Verfügungssatz (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14 AS 23/07 R - a.a.O.). Da der zuerkannte Gesamtbetrag im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts höher als der bestehende Anspruch ist, kommt es nicht darauf an, dass sich bei einzelnen Berechnungselementen abweichende Einzelbeträge ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14 AS 23/07 R - a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 2009 - L 1 AS 900/08 - (juris)). Weitere Leistungen im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind daher nicht zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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