Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 8071/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 5193/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. August 2006 abgeändert. Der Bescheid vom 8. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2004 wird aufgehoben, soweit damit die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt worden ist. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Verletztenrente für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis 30. November 2003 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. und für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 31. Mai 2004 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente auf Grund des Arbeitsunfalls vom 09.11.1998.
Die im Jahre 1961 in Rumänien geborene Klägerin arbeitete nach der Geburt ihres Sohnes und Erziehungsurlaub wieder bis 27.10.1998 als Stadtbahnfahrerin bei der S. Straßenbahnen AG. Am 09.11.1998 war sie dabei an einem Unfall beteiligt, als kurz vor der Einfahrt in eine Haltestelle ihr eine Frau in den Gleisbereich lief und nach Kollision mit der Stadtbahn noch am Unfallort verstarb. Die Klägerin erlitt einen Schock. Nach Arbeitsunfähigkeit vom 09.11. bis 17.11.1998 nahm sie ihre Arbeit am 18.11.1998 zunächst wieder auf. Es folgten weitere - einschlägige - Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 21. bis 23.06.1999 wegen eines Erschöpfungszustands, vom 23.04. bis 11.05.2001 wegen rezidivierender depressiver Störungen sowie vom 20.08.2001 bis 31.05.2002, während derer sie eine stationäre Rehabilitation in der Klinik H. absolvierte und vom 18.03. bis 31.05.2002 in ihr Arbeitsverhältnis wiedereingegliedert wurde. Vom 01.06. bis 28.11.2002 arbeitete sie wieder voll als Stadtbahnfahrerin im Tagdienst (unterbrochen durch kurzzeitige Arbeitsunfähigkeit wegen Virusinfektion und Pflege). Am 28.11.2002 erlebte sie nach ihren Angaben während der Arbeitszeit den Unfall einer Stadtbahn mit Personenschaden auf dem Gegengleis. Danach war sie bis 02.08.2003 arbeitsunfähig krank und arbeitete anschließend nicht mehr als Stadtbahnfahrerin (vgl. Bl. 169 VA). Vom 02.02.2004 bis 03.07.2006 wurde sie durch die Bundesagentur für Arbeit - unterbrochen durch verschiedene Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - zur Bürokauffrau umgeschult. Am 10.01.2007 nahm sie erneut bei den Stuttgarter Straßenbahnen eine Tätigkeit als Bürokauffrau in der Abteilung Bauabrechnungen auf. Seit 26.06.2007 ist die Klägerin auf Dauer arbeitsunfähig krank und erhält seit 01.04.2008 befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung vom Rentenversicherungsträger.
Auf die Unfallmeldung des Arbeitgebers mit Schreiben vom 09.12.1998 veranlasste die Beklagte zunächst nichts. Nachdem die Klägerin am 28.01.2003 telefonisch mitteilte, dass sie unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leide, ihre Tätigkeit als Stadtbahnfahrerin nicht mehr ausüben könne und sich umschulen lassen müsse, leitete die Beklagte Ermittlungen ein. Sie zog die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, das Erkrankungsverzeichnis der AOK Stuttgart und den ärztlichen Entlassungsbericht der psychotherapeutischen Abteilung der Klinik H. bei und holte Auskünfte bei den behandelnden Ärzten Dres. C., F., H. und H. ein. Dr. F., Facharzt für Allgemeinmedizin, teilte als Diagnose seiner Behandlung bis Oktober 2001 eine reaktive Depression mit, die er evident mit dem Unfall in Zusammenhang brachte, da die Symptome erstmals nach dem Unfall aufgetreten seien. Im Abschlussbericht über die stationäre Reha-Behandlung vom 19.12.2001 bis 27.02.2002 in der psychotherapeutischen Abteilung der Fachklinik H., Bad K., werden als Diagnosen eine mittelgradige depressive Episode ohne somatisches Syndrom (nach ICD 10: F32.1), posttraumatische Belastungsstörung (F43.1), narzisstische Persönlichkeitsstörung (F60.8), spirituelle Krise (Z 71.8), Somatisierungsstörung (F45.0), Neurasthenie, Burn-Out-Syndrom (F48.0) benannt bei belastenden Lebensumständen durch den Unfall, als alleinerziehende Mutter und nach erneuter Partnerschaftstrennung mit Erinnerung an den Verlust des Vaters. Dr. C., praktische Ärztin, die die Klägerin seit 1996 u.a. wegen eines Erschöpfungssyndroms und mäßig ausgeprägter larvierter Depression behandelt hatte, berichtete von steigenden Panikattacken mit Herzrasen, Schweißausbrüchen, Übelkeit und Erbrechen sowie Essstörungen seit dem Unfall. Dr. H., praktische Ärztin, hatte die Klägerin nur im Jahre 2001 wegen posttraumatischer Belastungsstörung behandelt und konnte keine aktuellen Angaben machen (Schreiben vom 13.03.2003). Bei einem Hausbesuch der Beklagten am 24.03.2003 berichtete die Klägerin, sie habe das Unfallereignis und ihre psychischen Probleme zunächst verdrängt auch um für ihren Sohn sorgen zu können. Dies habe sie dann aber wohl nach einer Dienstplanänderung im Jahr 2001, seit der sie die Unfallstelle 8x täglich befahren musste und am 02.12.2002 (richtig 28.11.2002) den anderen Unfall gesehen habe, nicht mehr verkraftet. Dipl.-Psychologin Di G. berichtete über ihre psychotraumatologische Betreuung der Klägerin nach permanenter Retraumatisierung als Stadtbahnfahrerin mit günstiger Prognose (Bericht v. 08.04.2003), sowie über ihre verhaltenstherapeutische Behandlung von 1994 bis 1996 in einer schwierigen Lebenssituation nach Migration und Scheidung (Bericht vom 29.04.2003). Dr. H. teilte neben einer posttraumatischen Belastungsstörung eine rasche psychische und physische Erschöpfbarkeit erstmals 1995 nach der Geburt des Sohnes und im September 2001 nach der Trennung vom Partner mit.
Die Beklagte holte das psychiatrische Gutachten von Dr. M., U. ein. Diese stellte bereits länger vorbestehende Angst und Depression sowie eine PTBS fest, wobei sie die aktuelle Beschwerdesymptomatik nahezu ausschließlich auf die PTBS zurückführte, weil die Klägerin bei Wiederantritt ihrer Stelle nach dem Erziehungsurlaub psychisch stabil gewesen sei. Sämtliche Arbeitsunfähigkeitszeiten nach dem Unfall - nachgefragt bis 31.08.2001 - seien in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfall zu sehen. Für nicht mit dem Beruf der Stadtbahnfahrerin artverwandte Tätigkeiten liege keine MdE vor (Gutachten vom 30.05.2003, Ergänzung vom 30.06.2003). Nachdem Beratungsarzt Dr. M. das Gutachten wegen der zeitlichen Verzögerung der Wiedererkrankung im Zusammenhang mit der Trennungsproblematik und der Vorgeschichte nicht für schlüssig hielt, erstattete Dr. G., Ärztlicher Direktor der Klinik H. das Gutachten vom 30.10.2003. Er ordnete die von der Klägerin geschilderten Symptome wie Nachhallerinnerungen, Alpträume, Fremdheitsgefühle, sozialer Rückzug, Aggressionsausbrüche bei Erinnerungen an das Trauma, vegetative Übererregbarkeit mit Vigilanzsteigerung einer ursächlich auf den Unfall zurückzuführenden PTBS zu. Die ungewöhnliche Latenzzeit von fast 3 Jahren erkläre sich dadurch, dass die Klägerin die Symptome erst wesentlich später in anamnestischen Gesprächen angegeben habe. Durch das Unfallereignis sei die bestehende depressive Vorerkrankung teilweise neu belebt und damit vorübergehend verschlimmert worden. Darüber hinaus seien durch den Unfall aber auch eindeutig neue psychische Symptome einer PTBS hervorgerufen worden, die unabhängig von der vorbestehenden depressiven Erkrankung seien, so dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten nach dem Unfall diesem zuzuordnen seien. Für die Tätigkeit als Straßenbahnfahrerin sei die Klägerin fahruntauglich, für andere Tätigkeiten bestehe keine MdE. Dr. M. gelangte in seiner erneuten beratungsärztlichen gutachterlichen Stellungnahme vom 28.11.2003 nach Aktenlage zu der Diagnose: rezidivierende depressive Störung/Angst und Depression gemischt, u.a. Straßenbahnphobie; akute Belastungsreaktion nach Stadtbahnunfall am 09.11.1998, narzisstische Persönlichkeitsstörung. Die Schwere des Ereignisses ("Beobachterstatus"), die dokumentierte zeitliche Abfolge und bereits das Erleben von Angst und Depression 1993 rechtfertige nicht die Diagnose einer PTBS. Die Verschlimmerung ab 2001 beruhe nicht auf dem Unfall, sondern auf der Vulnerabililtät und der Schadensanlage und sei auch durch die Trennung vom Lebensgefährten bedingt. Durch das Erleben des Unfalls auf der Gegenstrecke habe die Klägerin als Reaktion einer in den Tiefenschichten der Persönlichkeit rasch irritierbaren Persönlichkeit eine Straßenbahnphobie entwickelt; ohne eine Retraumatisierung erlitten zu haben.
Mit Bescheid vom 08.12.2003 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Bei dem Unfall am 09.11.1998 habe die Klägerin eine akute Belastungsreaktion und keine PTBS erlitten, die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht über den 17.11.1998 hinaus bedingt habe. Die festgestellten psychischen Störungen seien durch die vorbestehende Erkrankung bedingt. Nachdem die Klägerin zu einer weiteren Begutachtung nicht bereit war, blieb der Widerspruch ohne weitere Ermittlungen erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 05.11.2004).
Dagegen hat die Klägerin am 04.12.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und ihr Begehren auf Entschädigung des Arbeitsunfalls weiterverfolgt. Das SG hat das psychologisch-psychotraumatologische Gutachten von Prof. Dr. F., Direktor des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie der T., 5. M., unter Mitarbeit von Dipl.-Psych. R. eingeholt. In seinem Gutachten vom 18.04.2005 stellte der Gutachter nach ausführlicher Untersuchung und Durchführung von Tests die Diagnose einer PTBS (F43.1) sowie einer leichten depressiven Episode (F32.0). Die PTBS sei rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis vom 09.11.1998 zurückzuführen, das auch objektiv als traumatogen einzustufen sei und nicht als Gelegenheitsursache angesehen werden könne. Die Depression werde auf die Schadensanlage zurückgeführt, die bei der Klägerin im Sinne von neurotischen Persönlichkeitszügen in der Folge von beziehungstraumatischen Erfahrungen in der Kindheit vorhanden sei. In ihrer Ausprägung sei diese jedoch nicht so stark, als dass von einer prätraumatischen Persönlichkeit mit erhöhter Vulnerabilität für traumatogene Ereignisse im Erwachsenenalter ausgegangen werden könne. Diese könnten auch nicht als rechtlich alleinige wesentliche Ursache für die aktuell vorliegende leichte Depression angesehen werden. Auch das Unfallereignis fungiere darüber hinaus als eine weitere Teilursache der Depression, jedoch nicht als wesentliche. Das Unfallereignis könne insofern in gewisser Weise als Verschlimmerung angesehen werden, als die bis zum Unfall nicht krankheitswertigen neurotischen Persönlichkeitszüge im Zuge der Verarbeitung des Unfallereignisses in Form der Depression manifest geworden seien. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit liege wegen der Unfallfolgen durchgängig ab August 2001 vor. Die MdE sei gestaffelt wie folgt zu schätzen: vom 18.11.1998 bis 31.08.2001 mit 10 v.H., vom 01.09.2001 bis 30.11.2002 mit 20 v.H. und vom 01.12.2002 bis aktuell auf 30 v.H.
Gestützt auf die neurologisch-psychiatrische Stellungnahme von Prof. Dr. G., N., ist die Beklagte dem Gutachten entgegengetreten. Es berücksichtige nicht ausreichend, dass die im August 2002 bei der Klägerin aufgetretenen Gesundheitsstörungen nicht rechtlich wesentlich durch den Arbeitsunfall bedingt seien. Es sei bei psychoreaktiven Störungen eine ergänzende Prüfung erforderlich, ob und inwieweit auch der weitere Verlauf noch rechtlich wesentlich auf die ursprüngliche Reaktion zurückzuführen sei und nicht andere aus der Psyche herauswirkende Kräfte in den Vordergrund getreten sind, was bei der Klägerin der Fall sei. Hinsichtlich der möglicherweise unfallbedingt entstandenen Phobie für das Führen einer Straßenbahn kämen möglicherweise Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht, sofern sich die Schwere der von der Klägerin geschilderten späteren Ereignisse nachweisen lasse.
Das SG hat hinsichtlich des Erlebens von weiteren Unfällen während der Tätigkeit anhand der Auflistung der Klägerin über die weiteren Ereignisse, bei der die Klägerin klarstellte, dass der wesentlich retraumatisierende Unfall nicht am 02.12. sondern am 28.11.2002 sich ereignet habe, eine Auskunft bei der S. Straßenbahnen AG eingeholt. Mit Schreiben vom 30.03.2006 hat diese Stadtbahn-Unfälle am 13.11., 16.11. und 28.11.2002 benannt und bestätigt, dass die Klägerin am 28.11. nur bis 12.38 Uhr statt bis 16 Uhr gearbeitet habe. Die Beklagte hat bezweifelt, dass es sich um selbsterlebte Situationen außergewöhnlicher Bedrohung gehandelt habe.
Das SG hat mit Urteil vom 17.08.2006 - über den Klagantrag hinaus - festgestellt, dass die posttraumatische Belastungsstörung Folge des Versicherungsfalls vom 09.11.1998 ist und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. ab dem 28.11.2002 bis 30.04.2005 und nach einer MdE von 20 v.H. ab dem 01.05.2005 bis auf Weiteres zu gewähren. Zur Begründung hat es sich in Teilen auf das Gutachten von Prof. Dr. F. gestützt. Der Beginn der Verletztenrente sei auf den 28.01.2002 festzusetzen, da die vorangegangenen Unfallereignisse und Beinaheunfälle aus dem Jahr 2001 nicht hinreichend erwiesen seien, wohl aber die Retraumatisierung am 28.11.2002. Mit der Herabsetzung der MdE auf 20 vH. ab 01.05.2005 werde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Klägerin eine Umschulung absolviert habe und gezeigt habe, dass sie bemüht sei, die Unfallfolgen mit spezialärztlicher Hilfe zu überwinden.
Gegen das ihr am 28.09.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.10.2006 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, dass sich das Gutachten von Prof. Dr. F. nicht an die Grundsätze für die Beurteilung psychischer Störungen halte und sich nur auf das subjektive Erleben der Klägerin stütze. Die unzureichende Überwindung der Unfallsituation liege in den Persönlichkeitszügen der Klägerin und in bereits zeitweise vorbestehenden depressiven Störungen durch lebensgeschichtliche Belastungen. Eine Retraumatisierung habe nicht stattgefunden, nachdem es sich Jahre später um Ereignisse ohne eigene Beteiligung gehandelt habe. Das Gutachten von Prof. Dr. F. gebe keine begründete Erklärung, warum die verletzungsbedingt psychische Somatik so ungewöhnlich lange, auch 8 Jahre nach dem Unfall, noch fortbestehen solle. Im Übrigen ließen sich die von der Klägerin jetzt noch vorgebrachten Beschwerden nicht mit einer PTBS in Einklang bringen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft in ein bis zwei Jahren überwunden werde. Prof. Dr. W. sei darin zuzustimmen, dass überwiegend von einer unfallunabhängigen behandlungsbedürftigen psychopathologischen Symptomatik auszugehen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. August 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. auch über den 30.04.2005 hinaus zu gewähren.
Sie hält das angefochtene Urteil im Wesentlichen für zutreffend und darüber hinaus gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. F. und Prof. Dr. P. auch die höhere MdE für zutreffend.
Der Senat hat die Krankenakte der AOK B., die Akten der Agentur für Arbeit und die Akten im Schwerbehinderten-Rechtsstreit des SG S 16 SB 6969/04 beigezogen und die erneute Auskunft der S.r Straßenbahnen AG eingeholt. In der Auskunft vom 28.03.2007 teilte diese mit, dass die Klägerin als Stadtbahnfahrerin den Unfall vom 14.11.2002 um 15 Uhr, der ohne Beteiligung von SSB-Fahrzeugen gewesen sei, kurz danach passiert und den Unfall am V. (vom 28.11.2002) um 9.00 Uhr um 9.16 Uhr passiert habe. Die Klägerin hat das nervenärztliche Gutachten von Dr. Sch. für die Deutsche Rentenversicherung vom 07.02.2008 auszugsweise vorgelegt.
Weiter hat der Senat Dres. Kaiser, H. und Alt-Richter als sachverständige Zeugen befragt und weitere nervenärztliche Gutachten eingeholt. Dr. Kaiser, Arzt für Allgemeinmedizin, berichtete über die seit November 2006 durchgeführte tiefenpsychologisch fundierte psychotherapeutische Behandlung auf Grund einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (Auskunft v. 08.04.2007). Dr. Alt-Richter teilte mit, dass bei ihrer Behandlung seit 2001 nicht die posttraumatische Belastungsstörung im Vordergrund gestanden habe. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. sah während seiner Behandlung eine posttraumatische Belastungsstörung bestätigt und wies auf zwanghafte und asthenische Persönlichkeitszüge als prädisponierende Faktoren hin.
Am 27.05.2008 (mit ergänzender Stellungnahme vom 05.09.2008 und weiterer Ergänzung vom 04.03.2009) erstattete Prof. Dr. W. das neurologisch-psychiatrische Gutachten - auf Grund nicht vorhersehbarer Erkrankungsdauer der Klägerin zum Untersuchungstermin zunächst nach Aktenlage, die Untersuchung der Klägerin wurde am 01.02.2009 nachgeholt. Er stellte die Diagnose einer inzwischen weitgehend abgeklungenen PTBS (F43.1), die sich auf Grund des Unfalls, verzögert und schleichend in den Jahren 1999/2000 entwickelt habe und im Rahmen von Retraumatisierungen im August 2001 und November 2002 exazerbiert sei. Daneben bestünden Angst und depressive Störung, gemischt (F41.2) auf dem Boden einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung und zahlreichen biographischen Belastungsfaktoren, die er als klinisch signifikante Vorerkrankung einstufe. Die unfallbedingte PTBS erscheine auf Grund der Unterlagen noch bis Sommer 2004 behandlungsbedürftig gewesen zu sein. Danach seien die bereits vor dem Unfall bestehenden psychischen Störungen, die durch die Angaben der verschiedenen Ärzte belegt seien, bei Weitem wieder im Vordergrund gestanden. Bis zum August 2001 sei zwar von einer bereits manifesten, bezüglich ihrer Auswirkungen jedoch subsyndromalen PTBS auszugehen, die mit einer MdE von unter 20 v.H. zu schätzen sei. Der Beginn der längeren Arbeitsunfähigkeits-Zeit am 20.08.2001 sei gleichzeitig als Beginn einer schwerer gradigen funktionsbeeinträchtigen PTBS anzusehen, die sich im Herbst 2003 dokumentiert gebessert habe. Bis dahin sei die MdE mit 30 v.H. zu schätzen. Ab dem 01.12.2003 sei lediglich noch ein "unvollständig ausgeprägtes Störungsbild" zu erkennen. Weshalb die MdE ab dieser Zeit auf 20 v.H. geschätzt werde. Mit Aufnahme der Umschulung, zunehmender Distanz zu der traumatisierenden Tätigkeit als Straßenbahnfahrerin und Beendigung der unmittelbaren Traumatherapie sei die MdE spätestens ab Ende Mai 2004 noch mit 10 v.H. zu bewerten.
Der Senat hat letztlich nach § 109 SGG das psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. P., Universitätsklinikum U., Sektion Forensische Psychotherapie eingeholt, der ebenfalls eine PTBS (F43.1, DSM-IV 309.81) feststellte sowie eine aktuell remittierende rezidivierende depressive Störung (F33.4), die seit 04/2001 bzw. spätestens seit 10/2001 vorliege. Für beides sei der Unfall und seine Folgen hinreichend wahrscheinlich als wesentliche Teilursache anzusehen. Der verspätete Beginn der PTBS sei vor dem Hintergrund der hohen Leistungsbereitschaft und erheblicher Regulation des Selbstwerts durch die Arbeit als Straßenbahnschaffnerin (richtig: -fahrerin) nachvollziehbar. Daraus erkläre sich, dass die Klägerin eventuell bereits vorhandene Symptome nicht wahrgenommen habe und eine depressive Symptomatik sich erst nach Nachlassen des gewohnten Leistungsumfangs entwickelt habe. Hieraus leite sich ab, dass das Unfallereignis und die von der Klägerin als kränkend erlebte deutlich verringerte Leistungsfähigkeit als wesentlich teilursächlich für die depressive Störung einzuschätzen sei. Von einer erheblichen psychiatrischen Vorerkrankung oder einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung könne nicht ausgegangen werden. Das Ereignis vom 28.11.2002 sei als Retraumatisierung einzustufen. Die MdE werde mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit vom 20.08.2001 hinsichtlich der PTBS und der mittelschweren depressiven Episode mit je 30 v.H. und damit insgesamt mit von 30 v.H. bewertet. Auf Grund der im Gutachten der Fachklinik H. am 30.10.2003 beschriebenen deutlichen Besserung der depressiven Symptomatik sei die MdE hierfür nur noch mit 10 v.H. zu bewerten, für die weiter bestehende PTBS bei Flashbacks auch in den Jahren 2004 bis 2005 nach wie vor mit 30 v.H., woraus sich ab 30.10.2003 bis heute eine MdE von 30 v.H. ergebe. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), die beigezogenen Akten S 16 SB 6969/04 (2 Bände) die Reha- und die Leistungsakte der Bundesanstalt für Arbeit - Arbeitsamt Stuttgart (Az. 677A283516) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge (jeweils 2 Akten) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin - über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG) - sind zulässig und die Berufung der Beklagten begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht in unbegrenztem Umfang zur Gewährung einer Verletztenrente verurteilt. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nur für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis 30. November 2003 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. und für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 31. Mai 2004 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 08.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2004, mit dem die Beklagte die Gewährung von Leistungen abgelehnt hat. Hiergegen geht die Klägerin zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4). Auf den geltend gemachten Anspruch finden die ab 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) Anwendung, weil sich der Unfall danach ereignet hat.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Versicherungsfälle sind gem. § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach ständiger Rechtssprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Unfallereignis) und die Gesundheitsstörung, derentwegen Entschädigungsleistungen begehrt werden, erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 128). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 129); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr dafür als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285, 286) Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R).
Die erste Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente ist erfüllt. Die Klägerin lenkte zur Zeit des Unfalls im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit als Stadtbahnfahrerin eine Stadtbahn (sachlicher Zusammenhang). Diese Arbeit führte auch zu der Kollision mit der Fußgängerin als Unfallereignis (Unfallkausalität). Durch das Unfallereignis hat die Klägerin zunächst einen Schock erlitten.
Ob darüber hinaus überhaupt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch eine Beeinträchtigung ihres körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens gegeben ist und dass diese Beeinträchtigung in Folge des festgestellten Arbeitsunfalls eingetreten ist, also über einen längeren Zeitraum andauernde Unfallfolgen vorliegen, beurteilt sich nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung.
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben, was nach der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten auch für psychische Störungen. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorwiegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Festlegung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (z.B. ICD-10). Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, umso einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 26/04 R). Bestehen Zweifel an der Geeignetheit des als Krankheitsursache angeschuldigten Ereignisses, muss das Gericht die in dem ärztlichen Gutachten vorgenommene Zusammenhangsbeurteilung anhand des anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnis prüfen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 40/05 R).
In Anwendung dieser Maßstäbe geht der Senat davon aus, dass die Gesundheitsstörungen bei der Klägerin zweigeteilt und zwar zunächst als weitgehend abgeklungene PTBS (F43.01) zu bezeichnen ist.
Nach Einholung der verschiedenen nervenärztlichen Gutachten und der Auskünfte der Stuttgarter Straßenbahnen AG steht fest, dass die Klägerin eine PTBS nach dem Unfall entwickelt hat und Retraumatisierungen am 20.08.2001 als Zeugin eines Autounfalls mit Verletzten an der Fahrstrecke sowie am 28.11.2002 durch das Beobachten eines Unfalls auf dem Gegengleis mit Personenschaden stattgefunden haben. Um selbsterlebte Situationen außergewöhnlicher Bedrohung braucht es sich bei Retraumatisierungen nicht erneut zu handeln. Dies wird auch von der Beklagten letztlich nicht mehr bestritten, wie aus dem Vergleichsvorschlag vom 27.06.2008 deutlich wird. Das verantwortliche Miterleben eines Unfalls, bei dem ein anderer Mensch stirbt, ist ein Stressor, der dafür in Betracht kommt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO. S. 229). Auch wenn die PTBS in der Regel dem Trauma unmittelbar folgt und selten mit einer Latenzzeit bis zu 6 Monaten auftritt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO.), haben sowohl Prof. Dr. W., Prof. Dr. P., Prof. Dr. F. und Dr. G. für die wesentlich längere Latenzzeit bei der Klägerin bis zum August 2001 hierfür nach sorgfältiger differentialdiagnostischer Abgrenzung eine für den Senat nachvollziehbare Begründung gegeben. Anhand der dokumentierten Behandlungsunterlagen nach dem Unfall am 19.11.1998 kann nachvollzogen werden, dass sich die Symptomatik von Nachhallerinnerungen, Träumen, Flashbacks, Aggressionsausbrüche, vegetative Störung und Vermeidungsverhalten (vgl. Leitlinien der AWMF - www.uni-duesseldorf.de/awmf) schleichend verstärkt hat und die Verarbeitungsstrategie der leistungsorientierten Klägerin durch Verdrängung ("Funktionieren-Müssen") zunehmend versagt hat. Im Rahmen von Retraumatisierungen oder Reaktualisierungen im August 2001 durch das Miterleben eines Autounfalls in einer Beinahe-Situation und im November 2002 durch das Passieren einer Unfallstelle auf der Gegenfahrbahn, wo ebenfalls eine Passantin nach der Kollision mit einer Stadtbahn verletzt am Boden lag, - hieran besteht nach der nochmaligen Auskunft der S. Straßenbahnen AG kein Zweifel mehr - sind die Symptome exazerbiert.
Für das Entstehen der PTBS ist auch der Unfall kausal. Übereinstimmend halten alle Gutachter den Unfall für die wesentliche Bedingung der Entstehung der PTBS, weil bereits zeitnah nach dem Unfall posttraumatische Symptome vorhanden waren, jedoch verdrängt wurden. Prof. Dr. F. diskutiert in dem Zusammenhang zwar neurotische Persönlichkeitszüge und Prof. Dr. W. die Trennungsproblematik im Jahr 2001, messen diesen Umständen aber keine wesentliche Bedeutung bei.
Das aktuelle psychische Beschwerdebild ist jedoch nicht mehr einer PTBS zuzuordnen und nicht mehr kausal auf den Unfall zurückzuführen. Wie die psychische Erkrankung nun zu bezeichnen ist, vermag der Senat anhand der unterschiedlichen Diagnostik der Gutachter auch unter Heranziehung der "AWMF-Leitlinie zur sozialmedizinischen Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen (www.uni-duesseldorf.de/awmf) nicht zu entscheiden. Es wird daher offen gelassen, ob es sich um Angst und depressive Störung, gemischt (F41.2), wovon Prof. Dr. W. ausgeht, oder dann um eine depressive Episode (F32.0), so Prof. Dr. F., oder um eine remittierende rezidivierende depressive Störung (F33.4) so Prof. Dr. P., handelt. Für die Annahme, dass hierfür der Unfall jedenfalls nicht mehr die wesentliche Bedingung ist, stützt sich der Senat auf das Gutachten von Prof. Dr. W ... Dieses Gutachten überzeugt, weil der Gutachter die für die Beurteilung des psychischen Zustands maßgeblichen Befundunterlagen detailliert im zeitlichen Längsschnitt geordnet wiedergegeben und seine daraus gezogenen Schlüsse für den Verlauf der psychischen Symptomatik bei der Klägerin anhand des Akteninhalts für den Senat nachvollziehbar begründet hat. Da die maßgeblichen Ereignisse Jahre zurückliegen, die konkreten Erinnerungen der Betroffenen zunehmend verblassen und die Erfahrungen und Erkenntnisse im Rahmen des Rechtsstreits zunehmend in den Vordergrund rücken, kommt hier dem sorgfältigen Aufarbeiten der Aktenlage herausragende Bedeutung zu, worauf Prof. Dr. W. zutreffend hingewiesen hat. Er hat die unterschiedlichen psychischen Belastungen der Klägerin einerseits durch private Umstände (familiäre Situation in Rumänien durch Eltern und Ehe, in Deutschland durch Lebensumstände) und andererseits durch das berufliche Unfallgeschehen sowie die zeitlichen Abläufe im Krankheitsverlauf auch nach Retraumatisierungen herausgearbeitet, die eine differenzierte Kausalitätsbetrachtung der psychischen Erkrankung rechtfertigen. Insbesondere ist auf Grund der komplexen Situation durch die detaillierte Aufarbeitung der in den Akten befindlichen Befundunterlagen, die Aussagen bis in das Jahr 1993 hinein zulassen, nachvollziehbar, dass die Klägerin primärpersönliche Besonderheiten durch belastende Lebensumstände aufweist und auch schon vor dem Unfall relevante behandlungsbedürftige psychische Probleme dokumentiert sind, die entgegen der Auffassung von Prof. Dr. F. zwischen April 1994 und 1996 eine nicht nur niederfrequente verhaltenstherapeutische Behandlung bei Dipl. Psychologin D. G. erforderlich machte und für die diese bereits damals die Diagnose "Angst und depressive Störung, gemischt" gestellt hat. Hierfür erfolgten auch in den Jahren 1997/1998 unmittelbar vor dem Unfallereignis 15 psychotherapeutische Sitzungen. Daraus folgt, dass die Probleme im Zusammenhang mit der schwierigen Lebenssituation nach Migration und anstehender Scheidung sowie Lebensneuorientierungsphase jedenfalls so stark psychisch belastend waren, dass nicht nur etwa die Beratung bei konfessionellen oder staatlichen Familienberatungsstellen ausgereicht hätte, sondern eine therapeutische Aufarbeitung erforderlich war - unabhängig davon, ob dies auf einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung basiert oder nicht, was zwischen Prof. Dr W. und Prof. Dr. P. streitig ist. Auch hat die Klägerin in der Fachklinik H. angegeben, bereits seit 1993 - was mit dem Beginn der Tätigkeit als Stadtbahnfahrerin am 01.01.1993 und ihren Eheproblemen zeitlich zusammenfällt - unter starker Unruhe, Schlaflosigkeit, starkem Herzklopfen bei nächtlichem Erwachen, Konzentrationsschwierigkeiten, ständiger Müdigkeit und Schwäche, wiederholt Müdigkeit und Erbrechen in Zusammenhang mit emotionalem Stress zu leiden. Von daher überzeugen die Erklärungsversuche der Klägerin, die die psychische Vorbelastung mit Distanz schildert und bagatellisiert, und z.B. Schlafstörungen mit dem schlechten Schlaf ihres Sohnes im Kleinkindalter bzw. früher als Symptome durch Schichtdienst in der Arbeit begründet, nicht. Prof. Dr. W. hat nachvollziehbar herausgearbeitet, dass hinsichtlich der unfallbezogenen Symptomatik - neben kurzen Reaktivierungen durch Unfallerlebnisse im Januar 2004 und Dezember 2005 - seit Oktober 2003 eine fortschreitende Stabilisierung hinsichtlich der unfallbezogenen Symptome eingetreten ist und die dann beschriebenen Symptome - Erschöpfung, Antriebs- und Konzentrationsstörung, Stimmungstiefs, Selbstzweifel und Schlafstörungen - erneut stark an die bereits anfangs der 90er Jahre berichteten Symptome erinnern. Auch beim Erstgespräch zur tiefenpsyhologischen Behandlung im November 2006 standen Vorwürfe gegen den deutschen Staat wegen der Erteilung eines Ausweises für Staatenlose und Vorwürfe gegen ihren Arbeitgeber im Vordergrund und nicht das Unfallereignis als solches. Die Symptome des Traumawiedererlebens sowie Alpträume nehmen in der Gesamtdarstellung nur noch einen geringen Raum ein. Von daher ist nachvollziehbar, dass eine Verschiebung der Wesensgrundlage stattgefunden hat und der weitere Verlauf nicht mehr rechtlich wesentlich auf die ursprüngliche Reaktion zurückzuführen ist, sonder andere aus der Psyche herauswirkende Kräfte in den Vordergrund getreten sind. Hiervon geht letztlich auch Prof. Dr. F. aus, wenn er die depressive Selbstwertproblematik mit Zukunfts- und Versagensängsten, Schuldgefühlen und Selbstzweifeln sowie auch die anderen depressiven Beschwerden wie Stimmungsschwankungen, Lust- und Freudlosigkeit, Erschöpfungszustände, gewisser Rückzug, Entfremdung, sich Abwenden von sozialen Kontakten, Empfinden von Kränkung über fehlendes Verständnis des Arbeitgebers und sich nicht anerkannt fühlen, den neurotischen Persönlichkeitszügen zuordnet und keinesfalls im Zusammenhang mit der PTSD sieht, sondern diese auf beziehungstraumatische Erfahrungen in der Kindheit zurückführt.
Ausgehend davon ist die MdE bei der Klägerin zeitlich zu staffeln. Maßgeblich für die Schätzung der MdE ist auch für psychische Störungen, die einen Krankheitswert besitzen, die funktionelle Einschränkung in ihrer Auswirkung auf das Erwerbsleben unter Berücksichtigung der Möglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Für die PTBS ist kennzeichnend, dass gleichermaßen psycho-emotionale und sozial-kommunikative Beeinträchtigungen bestehen. Der Grad der MdE bemisst sich z.B. nach dem Ausmaß und der Schwere der Erinnerungseinbrüche (Intrusion), der Übererregbarkeit, dem Vermeidungsverhalten und dem sozialen Rückzug. Ein unvollständig ausgeprägtes Störungsbild (Teil- oder Restsymptomatik) bedingt eine MdE von 20 v.H.; üblicherweise zu beobachtendes Störungsbild, geprägt durch starke emotional und durch Ängste bestimmte Verhaltensweisen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und gleichzeitig größere sozial-kommunikative Beeinträchtigungen eine MdE bis 30 v.H. (Foerster, Bork, Kaiser, G., Tegenthoff, Weise, Badke, Schreinicke, Lübke, Vorschläge zur MdE-Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, Med. Sachverständiger 2/2007, S. 52 ff).
Das Vollbild einer PTBS hat sich seit der Retraumatisierung mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 20.08.2001 entwickelt und hat zunächst zu einer erheblichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit geführt, was sich auch in der stationären Behandlungsbedürftigkeit in der Klinik H. bis 27.02.2002 und der längerfristigen Arbeitsunfähigkeit vom 02.12.2002 bis 02.08.2003 ausdrückte. Der Senat schätzt deshalb gestützt auf Prof. Dr. W. die MdE für die Zeit vom 20.08.2001 bis 30.11.2003 auf 30 v.H. Dokumentiert im Gutachten des Dr. G. vom 30.10.2003 hat sich ihr Zustand zu diesem Zeitpunkt eindeutig wieder gebessert. Danach ist nur noch bei einem unvollständig ausgeprägten Störungsbild von einer MdE um 20 v.H. auszugehen. Mit Aufnahme der Umschulung, zunehmender Distanz zu der traumatisierenden Tätigkeit als Straßenbahnfahrerin und Einstellung der unmittelbaren Traumatherapie - selbst wenn dies aus Zeitgründen erfolgt sein sollte - vermag der Senat gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. W. nur noch von einer leichten PTBS mit immer wieder auftretenden Exazerbationen unter entsprechenden Belastungen auszugehen, weil die beherrschenden Symptome nicht mehr dem Unfall zuzuschreiben sind, so dass die MdE ab 01.04.2005 mit 10 v.H. geschätzt wird. Hierfür spricht auch der von der Klägerin gegenüber Prof. Dr. P. geschilderte Tagesablauf mit Aufnahme eines 2-stündigen täglichen Laufpensums und Beginn eines Sprachkurses gleich nach der Berentung durch den Rentenversicherungsträger und regelmäßigen Treffen mit Freundin oder Nachbarin. Ein erhöhter Leidensdruck, Interessenverlust oder sozialer Rückzug kann dem nicht entnommen werden. Aus der Änderung der Verhaltensweise nach Bewilligung der Rente wegen Erwerbsminderung mit Zunahme der Aktivität wird ersichtlich, dass die Schilderungen der Klägerin über ihren psychischen Zustand möglicherweise auch von wunschbedingten Vorstellungen geprägt waren und sich nach der Wegnahme des finanziellen Drucks eine Besserung ergeben hat. Soweit diese Vorstellungen neben das als naturwissenschaftliche Ursache der bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen anzusehende Unfallereignis treten, sind sie als konkurrierende Ursache zu würdigen und können nach dem oben Gesagten der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen der versicherten Ursache Unfallereignis und den psychischen Gesundheitsstörungen entgegenstehen (BSG Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R mwN.). Dazu wiesen auch die Selbstbeurteilungsskalen bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. eine Besserung im Vergleich zur Voruntersuchung des Prof. Dr. F. auf.
Daraus folgt ein Anspruch der Klägerin auf Verletztenrente für die Zeit vom 01.06.2002 bis 30.11.2003 nach einer MdE um 30 v.H. und vom 01.12.2003 bis 31.05.2004 nach einer MdE um 20 v.H. Für die Zeit vom 20.08.2001 bis 31.05.2002 steht einer Rentengewährung der Anspruch der Klägerin auf Verletztengeld (§ 46 Abs. 1 SGB VII) während der Arbeitsunfähigkeit gem. § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII entgegen.
Im Ergebnis nicht gefolgt werden kann den Ausführungen von Prof. Dr. F. und Prof. Dr. P., soweit sie auch den späteren Krankheitsverlauf noch rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis zurückführen. Diese Annahmen stützen sich im Wesentlichen auf die Angaben der Klägerin, ohne den Widerspruch aufzuklären, warum es nach Beendigung der Tätigkeit als Stadtbahnfahrerin und damit der belastenden Stimuli nicht zu einer Besserung der Unfallfolgen kam und die verletzungsbedingt psychische Somatik so ungewöhnlich lange, jetzt auch über 10 Jahre nach dem Unfall, noch fortbestehen soll. Zudem hat Prof. Dr. F. nicht die Aktenlage exakt aufgearbeitet, der hier nach dem oben Gesagten große Bedeutung zukommt. Sein Gutachten ist insofern auch nicht schlüssig, als er einerseits die wesentlichen aktuellen Symptome der Klägerin als Ausdruck ihrer neurotischen Persönlichkeitszüge sieht, die er nicht dem Unfall anlastet, andererseits auf Grund von Unfallfolgen eine sich auf 30 v.H. steigernde MdE auch aktuell für gerechtfertigt hält. Bei Prof. Dr. P. wird nicht klar, womit er immer noch eine MdE von 30 vH. begründen will, nachdem die Klägerin sowohl gegenüber Prof. Dr. W. als auch gegenüber ihm (S. 8 des Gutachtens, Bl. 241 LSG-Akte) selber von einer Besserung ihres Zustandes hinsichtlich der Unfallfolgen ausgeht. Der einer deutlichen Einschränkung in der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entgegenstehende Tagesablauf, der einen Interessenverlust nicht erkennen lässt, wird nicht in die Betrachtung mit einbezogen.
Die MdE-Schätzungen von Dr. M. und Dr. G. sind nicht nachvollziehbar, da sie sich nicht auf die Auswirkungen bestimmter seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten der Klägerin auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, sondern nur als Stadtbahnfahrerin beziehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente auf Grund des Arbeitsunfalls vom 09.11.1998.
Die im Jahre 1961 in Rumänien geborene Klägerin arbeitete nach der Geburt ihres Sohnes und Erziehungsurlaub wieder bis 27.10.1998 als Stadtbahnfahrerin bei der S. Straßenbahnen AG. Am 09.11.1998 war sie dabei an einem Unfall beteiligt, als kurz vor der Einfahrt in eine Haltestelle ihr eine Frau in den Gleisbereich lief und nach Kollision mit der Stadtbahn noch am Unfallort verstarb. Die Klägerin erlitt einen Schock. Nach Arbeitsunfähigkeit vom 09.11. bis 17.11.1998 nahm sie ihre Arbeit am 18.11.1998 zunächst wieder auf. Es folgten weitere - einschlägige - Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 21. bis 23.06.1999 wegen eines Erschöpfungszustands, vom 23.04. bis 11.05.2001 wegen rezidivierender depressiver Störungen sowie vom 20.08.2001 bis 31.05.2002, während derer sie eine stationäre Rehabilitation in der Klinik H. absolvierte und vom 18.03. bis 31.05.2002 in ihr Arbeitsverhältnis wiedereingegliedert wurde. Vom 01.06. bis 28.11.2002 arbeitete sie wieder voll als Stadtbahnfahrerin im Tagdienst (unterbrochen durch kurzzeitige Arbeitsunfähigkeit wegen Virusinfektion und Pflege). Am 28.11.2002 erlebte sie nach ihren Angaben während der Arbeitszeit den Unfall einer Stadtbahn mit Personenschaden auf dem Gegengleis. Danach war sie bis 02.08.2003 arbeitsunfähig krank und arbeitete anschließend nicht mehr als Stadtbahnfahrerin (vgl. Bl. 169 VA). Vom 02.02.2004 bis 03.07.2006 wurde sie durch die Bundesagentur für Arbeit - unterbrochen durch verschiedene Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - zur Bürokauffrau umgeschult. Am 10.01.2007 nahm sie erneut bei den Stuttgarter Straßenbahnen eine Tätigkeit als Bürokauffrau in der Abteilung Bauabrechnungen auf. Seit 26.06.2007 ist die Klägerin auf Dauer arbeitsunfähig krank und erhält seit 01.04.2008 befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung vom Rentenversicherungsträger.
Auf die Unfallmeldung des Arbeitgebers mit Schreiben vom 09.12.1998 veranlasste die Beklagte zunächst nichts. Nachdem die Klägerin am 28.01.2003 telefonisch mitteilte, dass sie unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leide, ihre Tätigkeit als Stadtbahnfahrerin nicht mehr ausüben könne und sich umschulen lassen müsse, leitete die Beklagte Ermittlungen ein. Sie zog die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, das Erkrankungsverzeichnis der AOK Stuttgart und den ärztlichen Entlassungsbericht der psychotherapeutischen Abteilung der Klinik H. bei und holte Auskünfte bei den behandelnden Ärzten Dres. C., F., H. und H. ein. Dr. F., Facharzt für Allgemeinmedizin, teilte als Diagnose seiner Behandlung bis Oktober 2001 eine reaktive Depression mit, die er evident mit dem Unfall in Zusammenhang brachte, da die Symptome erstmals nach dem Unfall aufgetreten seien. Im Abschlussbericht über die stationäre Reha-Behandlung vom 19.12.2001 bis 27.02.2002 in der psychotherapeutischen Abteilung der Fachklinik H., Bad K., werden als Diagnosen eine mittelgradige depressive Episode ohne somatisches Syndrom (nach ICD 10: F32.1), posttraumatische Belastungsstörung (F43.1), narzisstische Persönlichkeitsstörung (F60.8), spirituelle Krise (Z 71.8), Somatisierungsstörung (F45.0), Neurasthenie, Burn-Out-Syndrom (F48.0) benannt bei belastenden Lebensumständen durch den Unfall, als alleinerziehende Mutter und nach erneuter Partnerschaftstrennung mit Erinnerung an den Verlust des Vaters. Dr. C., praktische Ärztin, die die Klägerin seit 1996 u.a. wegen eines Erschöpfungssyndroms und mäßig ausgeprägter larvierter Depression behandelt hatte, berichtete von steigenden Panikattacken mit Herzrasen, Schweißausbrüchen, Übelkeit und Erbrechen sowie Essstörungen seit dem Unfall. Dr. H., praktische Ärztin, hatte die Klägerin nur im Jahre 2001 wegen posttraumatischer Belastungsstörung behandelt und konnte keine aktuellen Angaben machen (Schreiben vom 13.03.2003). Bei einem Hausbesuch der Beklagten am 24.03.2003 berichtete die Klägerin, sie habe das Unfallereignis und ihre psychischen Probleme zunächst verdrängt auch um für ihren Sohn sorgen zu können. Dies habe sie dann aber wohl nach einer Dienstplanänderung im Jahr 2001, seit der sie die Unfallstelle 8x täglich befahren musste und am 02.12.2002 (richtig 28.11.2002) den anderen Unfall gesehen habe, nicht mehr verkraftet. Dipl.-Psychologin Di G. berichtete über ihre psychotraumatologische Betreuung der Klägerin nach permanenter Retraumatisierung als Stadtbahnfahrerin mit günstiger Prognose (Bericht v. 08.04.2003), sowie über ihre verhaltenstherapeutische Behandlung von 1994 bis 1996 in einer schwierigen Lebenssituation nach Migration und Scheidung (Bericht vom 29.04.2003). Dr. H. teilte neben einer posttraumatischen Belastungsstörung eine rasche psychische und physische Erschöpfbarkeit erstmals 1995 nach der Geburt des Sohnes und im September 2001 nach der Trennung vom Partner mit.
Die Beklagte holte das psychiatrische Gutachten von Dr. M., U. ein. Diese stellte bereits länger vorbestehende Angst und Depression sowie eine PTBS fest, wobei sie die aktuelle Beschwerdesymptomatik nahezu ausschließlich auf die PTBS zurückführte, weil die Klägerin bei Wiederantritt ihrer Stelle nach dem Erziehungsurlaub psychisch stabil gewesen sei. Sämtliche Arbeitsunfähigkeitszeiten nach dem Unfall - nachgefragt bis 31.08.2001 - seien in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfall zu sehen. Für nicht mit dem Beruf der Stadtbahnfahrerin artverwandte Tätigkeiten liege keine MdE vor (Gutachten vom 30.05.2003, Ergänzung vom 30.06.2003). Nachdem Beratungsarzt Dr. M. das Gutachten wegen der zeitlichen Verzögerung der Wiedererkrankung im Zusammenhang mit der Trennungsproblematik und der Vorgeschichte nicht für schlüssig hielt, erstattete Dr. G., Ärztlicher Direktor der Klinik H. das Gutachten vom 30.10.2003. Er ordnete die von der Klägerin geschilderten Symptome wie Nachhallerinnerungen, Alpträume, Fremdheitsgefühle, sozialer Rückzug, Aggressionsausbrüche bei Erinnerungen an das Trauma, vegetative Übererregbarkeit mit Vigilanzsteigerung einer ursächlich auf den Unfall zurückzuführenden PTBS zu. Die ungewöhnliche Latenzzeit von fast 3 Jahren erkläre sich dadurch, dass die Klägerin die Symptome erst wesentlich später in anamnestischen Gesprächen angegeben habe. Durch das Unfallereignis sei die bestehende depressive Vorerkrankung teilweise neu belebt und damit vorübergehend verschlimmert worden. Darüber hinaus seien durch den Unfall aber auch eindeutig neue psychische Symptome einer PTBS hervorgerufen worden, die unabhängig von der vorbestehenden depressiven Erkrankung seien, so dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten nach dem Unfall diesem zuzuordnen seien. Für die Tätigkeit als Straßenbahnfahrerin sei die Klägerin fahruntauglich, für andere Tätigkeiten bestehe keine MdE. Dr. M. gelangte in seiner erneuten beratungsärztlichen gutachterlichen Stellungnahme vom 28.11.2003 nach Aktenlage zu der Diagnose: rezidivierende depressive Störung/Angst und Depression gemischt, u.a. Straßenbahnphobie; akute Belastungsreaktion nach Stadtbahnunfall am 09.11.1998, narzisstische Persönlichkeitsstörung. Die Schwere des Ereignisses ("Beobachterstatus"), die dokumentierte zeitliche Abfolge und bereits das Erleben von Angst und Depression 1993 rechtfertige nicht die Diagnose einer PTBS. Die Verschlimmerung ab 2001 beruhe nicht auf dem Unfall, sondern auf der Vulnerabililtät und der Schadensanlage und sei auch durch die Trennung vom Lebensgefährten bedingt. Durch das Erleben des Unfalls auf der Gegenstrecke habe die Klägerin als Reaktion einer in den Tiefenschichten der Persönlichkeit rasch irritierbaren Persönlichkeit eine Straßenbahnphobie entwickelt; ohne eine Retraumatisierung erlitten zu haben.
Mit Bescheid vom 08.12.2003 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Bei dem Unfall am 09.11.1998 habe die Klägerin eine akute Belastungsreaktion und keine PTBS erlitten, die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht über den 17.11.1998 hinaus bedingt habe. Die festgestellten psychischen Störungen seien durch die vorbestehende Erkrankung bedingt. Nachdem die Klägerin zu einer weiteren Begutachtung nicht bereit war, blieb der Widerspruch ohne weitere Ermittlungen erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 05.11.2004).
Dagegen hat die Klägerin am 04.12.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und ihr Begehren auf Entschädigung des Arbeitsunfalls weiterverfolgt. Das SG hat das psychologisch-psychotraumatologische Gutachten von Prof. Dr. F., Direktor des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie der T., 5. M., unter Mitarbeit von Dipl.-Psych. R. eingeholt. In seinem Gutachten vom 18.04.2005 stellte der Gutachter nach ausführlicher Untersuchung und Durchführung von Tests die Diagnose einer PTBS (F43.1) sowie einer leichten depressiven Episode (F32.0). Die PTBS sei rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis vom 09.11.1998 zurückzuführen, das auch objektiv als traumatogen einzustufen sei und nicht als Gelegenheitsursache angesehen werden könne. Die Depression werde auf die Schadensanlage zurückgeführt, die bei der Klägerin im Sinne von neurotischen Persönlichkeitszügen in der Folge von beziehungstraumatischen Erfahrungen in der Kindheit vorhanden sei. In ihrer Ausprägung sei diese jedoch nicht so stark, als dass von einer prätraumatischen Persönlichkeit mit erhöhter Vulnerabilität für traumatogene Ereignisse im Erwachsenenalter ausgegangen werden könne. Diese könnten auch nicht als rechtlich alleinige wesentliche Ursache für die aktuell vorliegende leichte Depression angesehen werden. Auch das Unfallereignis fungiere darüber hinaus als eine weitere Teilursache der Depression, jedoch nicht als wesentliche. Das Unfallereignis könne insofern in gewisser Weise als Verschlimmerung angesehen werden, als die bis zum Unfall nicht krankheitswertigen neurotischen Persönlichkeitszüge im Zuge der Verarbeitung des Unfallereignisses in Form der Depression manifest geworden seien. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit liege wegen der Unfallfolgen durchgängig ab August 2001 vor. Die MdE sei gestaffelt wie folgt zu schätzen: vom 18.11.1998 bis 31.08.2001 mit 10 v.H., vom 01.09.2001 bis 30.11.2002 mit 20 v.H. und vom 01.12.2002 bis aktuell auf 30 v.H.
Gestützt auf die neurologisch-psychiatrische Stellungnahme von Prof. Dr. G., N., ist die Beklagte dem Gutachten entgegengetreten. Es berücksichtige nicht ausreichend, dass die im August 2002 bei der Klägerin aufgetretenen Gesundheitsstörungen nicht rechtlich wesentlich durch den Arbeitsunfall bedingt seien. Es sei bei psychoreaktiven Störungen eine ergänzende Prüfung erforderlich, ob und inwieweit auch der weitere Verlauf noch rechtlich wesentlich auf die ursprüngliche Reaktion zurückzuführen sei und nicht andere aus der Psyche herauswirkende Kräfte in den Vordergrund getreten sind, was bei der Klägerin der Fall sei. Hinsichtlich der möglicherweise unfallbedingt entstandenen Phobie für das Führen einer Straßenbahn kämen möglicherweise Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht, sofern sich die Schwere der von der Klägerin geschilderten späteren Ereignisse nachweisen lasse.
Das SG hat hinsichtlich des Erlebens von weiteren Unfällen während der Tätigkeit anhand der Auflistung der Klägerin über die weiteren Ereignisse, bei der die Klägerin klarstellte, dass der wesentlich retraumatisierende Unfall nicht am 02.12. sondern am 28.11.2002 sich ereignet habe, eine Auskunft bei der S. Straßenbahnen AG eingeholt. Mit Schreiben vom 30.03.2006 hat diese Stadtbahn-Unfälle am 13.11., 16.11. und 28.11.2002 benannt und bestätigt, dass die Klägerin am 28.11. nur bis 12.38 Uhr statt bis 16 Uhr gearbeitet habe. Die Beklagte hat bezweifelt, dass es sich um selbsterlebte Situationen außergewöhnlicher Bedrohung gehandelt habe.
Das SG hat mit Urteil vom 17.08.2006 - über den Klagantrag hinaus - festgestellt, dass die posttraumatische Belastungsstörung Folge des Versicherungsfalls vom 09.11.1998 ist und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. ab dem 28.11.2002 bis 30.04.2005 und nach einer MdE von 20 v.H. ab dem 01.05.2005 bis auf Weiteres zu gewähren. Zur Begründung hat es sich in Teilen auf das Gutachten von Prof. Dr. F. gestützt. Der Beginn der Verletztenrente sei auf den 28.01.2002 festzusetzen, da die vorangegangenen Unfallereignisse und Beinaheunfälle aus dem Jahr 2001 nicht hinreichend erwiesen seien, wohl aber die Retraumatisierung am 28.11.2002. Mit der Herabsetzung der MdE auf 20 vH. ab 01.05.2005 werde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Klägerin eine Umschulung absolviert habe und gezeigt habe, dass sie bemüht sei, die Unfallfolgen mit spezialärztlicher Hilfe zu überwinden.
Gegen das ihr am 28.09.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.10.2006 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, dass sich das Gutachten von Prof. Dr. F. nicht an die Grundsätze für die Beurteilung psychischer Störungen halte und sich nur auf das subjektive Erleben der Klägerin stütze. Die unzureichende Überwindung der Unfallsituation liege in den Persönlichkeitszügen der Klägerin und in bereits zeitweise vorbestehenden depressiven Störungen durch lebensgeschichtliche Belastungen. Eine Retraumatisierung habe nicht stattgefunden, nachdem es sich Jahre später um Ereignisse ohne eigene Beteiligung gehandelt habe. Das Gutachten von Prof. Dr. F. gebe keine begründete Erklärung, warum die verletzungsbedingt psychische Somatik so ungewöhnlich lange, auch 8 Jahre nach dem Unfall, noch fortbestehen solle. Im Übrigen ließen sich die von der Klägerin jetzt noch vorgebrachten Beschwerden nicht mit einer PTBS in Einklang bringen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft in ein bis zwei Jahren überwunden werde. Prof. Dr. W. sei darin zuzustimmen, dass überwiegend von einer unfallunabhängigen behandlungsbedürftigen psychopathologischen Symptomatik auszugehen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. August 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. auch über den 30.04.2005 hinaus zu gewähren.
Sie hält das angefochtene Urteil im Wesentlichen für zutreffend und darüber hinaus gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. F. und Prof. Dr. P. auch die höhere MdE für zutreffend.
Der Senat hat die Krankenakte der AOK B., die Akten der Agentur für Arbeit und die Akten im Schwerbehinderten-Rechtsstreit des SG S 16 SB 6969/04 beigezogen und die erneute Auskunft der S.r Straßenbahnen AG eingeholt. In der Auskunft vom 28.03.2007 teilte diese mit, dass die Klägerin als Stadtbahnfahrerin den Unfall vom 14.11.2002 um 15 Uhr, der ohne Beteiligung von SSB-Fahrzeugen gewesen sei, kurz danach passiert und den Unfall am V. (vom 28.11.2002) um 9.00 Uhr um 9.16 Uhr passiert habe. Die Klägerin hat das nervenärztliche Gutachten von Dr. Sch. für die Deutsche Rentenversicherung vom 07.02.2008 auszugsweise vorgelegt.
Weiter hat der Senat Dres. Kaiser, H. und Alt-Richter als sachverständige Zeugen befragt und weitere nervenärztliche Gutachten eingeholt. Dr. Kaiser, Arzt für Allgemeinmedizin, berichtete über die seit November 2006 durchgeführte tiefenpsychologisch fundierte psychotherapeutische Behandlung auf Grund einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (Auskunft v. 08.04.2007). Dr. Alt-Richter teilte mit, dass bei ihrer Behandlung seit 2001 nicht die posttraumatische Belastungsstörung im Vordergrund gestanden habe. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. sah während seiner Behandlung eine posttraumatische Belastungsstörung bestätigt und wies auf zwanghafte und asthenische Persönlichkeitszüge als prädisponierende Faktoren hin.
Am 27.05.2008 (mit ergänzender Stellungnahme vom 05.09.2008 und weiterer Ergänzung vom 04.03.2009) erstattete Prof. Dr. W. das neurologisch-psychiatrische Gutachten - auf Grund nicht vorhersehbarer Erkrankungsdauer der Klägerin zum Untersuchungstermin zunächst nach Aktenlage, die Untersuchung der Klägerin wurde am 01.02.2009 nachgeholt. Er stellte die Diagnose einer inzwischen weitgehend abgeklungenen PTBS (F43.1), die sich auf Grund des Unfalls, verzögert und schleichend in den Jahren 1999/2000 entwickelt habe und im Rahmen von Retraumatisierungen im August 2001 und November 2002 exazerbiert sei. Daneben bestünden Angst und depressive Störung, gemischt (F41.2) auf dem Boden einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung und zahlreichen biographischen Belastungsfaktoren, die er als klinisch signifikante Vorerkrankung einstufe. Die unfallbedingte PTBS erscheine auf Grund der Unterlagen noch bis Sommer 2004 behandlungsbedürftig gewesen zu sein. Danach seien die bereits vor dem Unfall bestehenden psychischen Störungen, die durch die Angaben der verschiedenen Ärzte belegt seien, bei Weitem wieder im Vordergrund gestanden. Bis zum August 2001 sei zwar von einer bereits manifesten, bezüglich ihrer Auswirkungen jedoch subsyndromalen PTBS auszugehen, die mit einer MdE von unter 20 v.H. zu schätzen sei. Der Beginn der längeren Arbeitsunfähigkeits-Zeit am 20.08.2001 sei gleichzeitig als Beginn einer schwerer gradigen funktionsbeeinträchtigen PTBS anzusehen, die sich im Herbst 2003 dokumentiert gebessert habe. Bis dahin sei die MdE mit 30 v.H. zu schätzen. Ab dem 01.12.2003 sei lediglich noch ein "unvollständig ausgeprägtes Störungsbild" zu erkennen. Weshalb die MdE ab dieser Zeit auf 20 v.H. geschätzt werde. Mit Aufnahme der Umschulung, zunehmender Distanz zu der traumatisierenden Tätigkeit als Straßenbahnfahrerin und Beendigung der unmittelbaren Traumatherapie sei die MdE spätestens ab Ende Mai 2004 noch mit 10 v.H. zu bewerten.
Der Senat hat letztlich nach § 109 SGG das psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. P., Universitätsklinikum U., Sektion Forensische Psychotherapie eingeholt, der ebenfalls eine PTBS (F43.1, DSM-IV 309.81) feststellte sowie eine aktuell remittierende rezidivierende depressive Störung (F33.4), die seit 04/2001 bzw. spätestens seit 10/2001 vorliege. Für beides sei der Unfall und seine Folgen hinreichend wahrscheinlich als wesentliche Teilursache anzusehen. Der verspätete Beginn der PTBS sei vor dem Hintergrund der hohen Leistungsbereitschaft und erheblicher Regulation des Selbstwerts durch die Arbeit als Straßenbahnschaffnerin (richtig: -fahrerin) nachvollziehbar. Daraus erkläre sich, dass die Klägerin eventuell bereits vorhandene Symptome nicht wahrgenommen habe und eine depressive Symptomatik sich erst nach Nachlassen des gewohnten Leistungsumfangs entwickelt habe. Hieraus leite sich ab, dass das Unfallereignis und die von der Klägerin als kränkend erlebte deutlich verringerte Leistungsfähigkeit als wesentlich teilursächlich für die depressive Störung einzuschätzen sei. Von einer erheblichen psychiatrischen Vorerkrankung oder einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung könne nicht ausgegangen werden. Das Ereignis vom 28.11.2002 sei als Retraumatisierung einzustufen. Die MdE werde mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit vom 20.08.2001 hinsichtlich der PTBS und der mittelschweren depressiven Episode mit je 30 v.H. und damit insgesamt mit von 30 v.H. bewertet. Auf Grund der im Gutachten der Fachklinik H. am 30.10.2003 beschriebenen deutlichen Besserung der depressiven Symptomatik sei die MdE hierfür nur noch mit 10 v.H. zu bewerten, für die weiter bestehende PTBS bei Flashbacks auch in den Jahren 2004 bis 2005 nach wie vor mit 30 v.H., woraus sich ab 30.10.2003 bis heute eine MdE von 30 v.H. ergebe. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), die beigezogenen Akten S 16 SB 6969/04 (2 Bände) die Reha- und die Leistungsakte der Bundesanstalt für Arbeit - Arbeitsamt Stuttgart (Az. 677A283516) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge (jeweils 2 Akten) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin - über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG) - sind zulässig und die Berufung der Beklagten begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht in unbegrenztem Umfang zur Gewährung einer Verletztenrente verurteilt. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nur für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis 30. November 2003 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. und für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 31. Mai 2004 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 08.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2004, mit dem die Beklagte die Gewährung von Leistungen abgelehnt hat. Hiergegen geht die Klägerin zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4). Auf den geltend gemachten Anspruch finden die ab 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) Anwendung, weil sich der Unfall danach ereignet hat.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Versicherungsfälle sind gem. § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach ständiger Rechtssprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Unfallereignis) und die Gesundheitsstörung, derentwegen Entschädigungsleistungen begehrt werden, erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 128). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 129); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr dafür als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285, 286) Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R).
Die erste Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente ist erfüllt. Die Klägerin lenkte zur Zeit des Unfalls im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit als Stadtbahnfahrerin eine Stadtbahn (sachlicher Zusammenhang). Diese Arbeit führte auch zu der Kollision mit der Fußgängerin als Unfallereignis (Unfallkausalität). Durch das Unfallereignis hat die Klägerin zunächst einen Schock erlitten.
Ob darüber hinaus überhaupt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch eine Beeinträchtigung ihres körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens gegeben ist und dass diese Beeinträchtigung in Folge des festgestellten Arbeitsunfalls eingetreten ist, also über einen längeren Zeitraum andauernde Unfallfolgen vorliegen, beurteilt sich nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung.
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben, was nach der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten auch für psychische Störungen. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorwiegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Festlegung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (z.B. ICD-10). Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, umso einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 26/04 R). Bestehen Zweifel an der Geeignetheit des als Krankheitsursache angeschuldigten Ereignisses, muss das Gericht die in dem ärztlichen Gutachten vorgenommene Zusammenhangsbeurteilung anhand des anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnis prüfen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 40/05 R).
In Anwendung dieser Maßstäbe geht der Senat davon aus, dass die Gesundheitsstörungen bei der Klägerin zweigeteilt und zwar zunächst als weitgehend abgeklungene PTBS (F43.01) zu bezeichnen ist.
Nach Einholung der verschiedenen nervenärztlichen Gutachten und der Auskünfte der Stuttgarter Straßenbahnen AG steht fest, dass die Klägerin eine PTBS nach dem Unfall entwickelt hat und Retraumatisierungen am 20.08.2001 als Zeugin eines Autounfalls mit Verletzten an der Fahrstrecke sowie am 28.11.2002 durch das Beobachten eines Unfalls auf dem Gegengleis mit Personenschaden stattgefunden haben. Um selbsterlebte Situationen außergewöhnlicher Bedrohung braucht es sich bei Retraumatisierungen nicht erneut zu handeln. Dies wird auch von der Beklagten letztlich nicht mehr bestritten, wie aus dem Vergleichsvorschlag vom 27.06.2008 deutlich wird. Das verantwortliche Miterleben eines Unfalls, bei dem ein anderer Mensch stirbt, ist ein Stressor, der dafür in Betracht kommt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO. S. 229). Auch wenn die PTBS in der Regel dem Trauma unmittelbar folgt und selten mit einer Latenzzeit bis zu 6 Monaten auftritt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO.), haben sowohl Prof. Dr. W., Prof. Dr. P., Prof. Dr. F. und Dr. G. für die wesentlich längere Latenzzeit bei der Klägerin bis zum August 2001 hierfür nach sorgfältiger differentialdiagnostischer Abgrenzung eine für den Senat nachvollziehbare Begründung gegeben. Anhand der dokumentierten Behandlungsunterlagen nach dem Unfall am 19.11.1998 kann nachvollzogen werden, dass sich die Symptomatik von Nachhallerinnerungen, Träumen, Flashbacks, Aggressionsausbrüche, vegetative Störung und Vermeidungsverhalten (vgl. Leitlinien der AWMF - www.uni-duesseldorf.de/awmf) schleichend verstärkt hat und die Verarbeitungsstrategie der leistungsorientierten Klägerin durch Verdrängung ("Funktionieren-Müssen") zunehmend versagt hat. Im Rahmen von Retraumatisierungen oder Reaktualisierungen im August 2001 durch das Miterleben eines Autounfalls in einer Beinahe-Situation und im November 2002 durch das Passieren einer Unfallstelle auf der Gegenfahrbahn, wo ebenfalls eine Passantin nach der Kollision mit einer Stadtbahn verletzt am Boden lag, - hieran besteht nach der nochmaligen Auskunft der S. Straßenbahnen AG kein Zweifel mehr - sind die Symptome exazerbiert.
Für das Entstehen der PTBS ist auch der Unfall kausal. Übereinstimmend halten alle Gutachter den Unfall für die wesentliche Bedingung der Entstehung der PTBS, weil bereits zeitnah nach dem Unfall posttraumatische Symptome vorhanden waren, jedoch verdrängt wurden. Prof. Dr. F. diskutiert in dem Zusammenhang zwar neurotische Persönlichkeitszüge und Prof. Dr. W. die Trennungsproblematik im Jahr 2001, messen diesen Umständen aber keine wesentliche Bedeutung bei.
Das aktuelle psychische Beschwerdebild ist jedoch nicht mehr einer PTBS zuzuordnen und nicht mehr kausal auf den Unfall zurückzuführen. Wie die psychische Erkrankung nun zu bezeichnen ist, vermag der Senat anhand der unterschiedlichen Diagnostik der Gutachter auch unter Heranziehung der "AWMF-Leitlinie zur sozialmedizinischen Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen (www.uni-duesseldorf.de/awmf) nicht zu entscheiden. Es wird daher offen gelassen, ob es sich um Angst und depressive Störung, gemischt (F41.2), wovon Prof. Dr. W. ausgeht, oder dann um eine depressive Episode (F32.0), so Prof. Dr. F., oder um eine remittierende rezidivierende depressive Störung (F33.4) so Prof. Dr. P., handelt. Für die Annahme, dass hierfür der Unfall jedenfalls nicht mehr die wesentliche Bedingung ist, stützt sich der Senat auf das Gutachten von Prof. Dr. W ... Dieses Gutachten überzeugt, weil der Gutachter die für die Beurteilung des psychischen Zustands maßgeblichen Befundunterlagen detailliert im zeitlichen Längsschnitt geordnet wiedergegeben und seine daraus gezogenen Schlüsse für den Verlauf der psychischen Symptomatik bei der Klägerin anhand des Akteninhalts für den Senat nachvollziehbar begründet hat. Da die maßgeblichen Ereignisse Jahre zurückliegen, die konkreten Erinnerungen der Betroffenen zunehmend verblassen und die Erfahrungen und Erkenntnisse im Rahmen des Rechtsstreits zunehmend in den Vordergrund rücken, kommt hier dem sorgfältigen Aufarbeiten der Aktenlage herausragende Bedeutung zu, worauf Prof. Dr. W. zutreffend hingewiesen hat. Er hat die unterschiedlichen psychischen Belastungen der Klägerin einerseits durch private Umstände (familiäre Situation in Rumänien durch Eltern und Ehe, in Deutschland durch Lebensumstände) und andererseits durch das berufliche Unfallgeschehen sowie die zeitlichen Abläufe im Krankheitsverlauf auch nach Retraumatisierungen herausgearbeitet, die eine differenzierte Kausalitätsbetrachtung der psychischen Erkrankung rechtfertigen. Insbesondere ist auf Grund der komplexen Situation durch die detaillierte Aufarbeitung der in den Akten befindlichen Befundunterlagen, die Aussagen bis in das Jahr 1993 hinein zulassen, nachvollziehbar, dass die Klägerin primärpersönliche Besonderheiten durch belastende Lebensumstände aufweist und auch schon vor dem Unfall relevante behandlungsbedürftige psychische Probleme dokumentiert sind, die entgegen der Auffassung von Prof. Dr. F. zwischen April 1994 und 1996 eine nicht nur niederfrequente verhaltenstherapeutische Behandlung bei Dipl. Psychologin D. G. erforderlich machte und für die diese bereits damals die Diagnose "Angst und depressive Störung, gemischt" gestellt hat. Hierfür erfolgten auch in den Jahren 1997/1998 unmittelbar vor dem Unfallereignis 15 psychotherapeutische Sitzungen. Daraus folgt, dass die Probleme im Zusammenhang mit der schwierigen Lebenssituation nach Migration und anstehender Scheidung sowie Lebensneuorientierungsphase jedenfalls so stark psychisch belastend waren, dass nicht nur etwa die Beratung bei konfessionellen oder staatlichen Familienberatungsstellen ausgereicht hätte, sondern eine therapeutische Aufarbeitung erforderlich war - unabhängig davon, ob dies auf einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung basiert oder nicht, was zwischen Prof. Dr W. und Prof. Dr. P. streitig ist. Auch hat die Klägerin in der Fachklinik H. angegeben, bereits seit 1993 - was mit dem Beginn der Tätigkeit als Stadtbahnfahrerin am 01.01.1993 und ihren Eheproblemen zeitlich zusammenfällt - unter starker Unruhe, Schlaflosigkeit, starkem Herzklopfen bei nächtlichem Erwachen, Konzentrationsschwierigkeiten, ständiger Müdigkeit und Schwäche, wiederholt Müdigkeit und Erbrechen in Zusammenhang mit emotionalem Stress zu leiden. Von daher überzeugen die Erklärungsversuche der Klägerin, die die psychische Vorbelastung mit Distanz schildert und bagatellisiert, und z.B. Schlafstörungen mit dem schlechten Schlaf ihres Sohnes im Kleinkindalter bzw. früher als Symptome durch Schichtdienst in der Arbeit begründet, nicht. Prof. Dr. W. hat nachvollziehbar herausgearbeitet, dass hinsichtlich der unfallbezogenen Symptomatik - neben kurzen Reaktivierungen durch Unfallerlebnisse im Januar 2004 und Dezember 2005 - seit Oktober 2003 eine fortschreitende Stabilisierung hinsichtlich der unfallbezogenen Symptome eingetreten ist und die dann beschriebenen Symptome - Erschöpfung, Antriebs- und Konzentrationsstörung, Stimmungstiefs, Selbstzweifel und Schlafstörungen - erneut stark an die bereits anfangs der 90er Jahre berichteten Symptome erinnern. Auch beim Erstgespräch zur tiefenpsyhologischen Behandlung im November 2006 standen Vorwürfe gegen den deutschen Staat wegen der Erteilung eines Ausweises für Staatenlose und Vorwürfe gegen ihren Arbeitgeber im Vordergrund und nicht das Unfallereignis als solches. Die Symptome des Traumawiedererlebens sowie Alpträume nehmen in der Gesamtdarstellung nur noch einen geringen Raum ein. Von daher ist nachvollziehbar, dass eine Verschiebung der Wesensgrundlage stattgefunden hat und der weitere Verlauf nicht mehr rechtlich wesentlich auf die ursprüngliche Reaktion zurückzuführen ist, sonder andere aus der Psyche herauswirkende Kräfte in den Vordergrund getreten sind. Hiervon geht letztlich auch Prof. Dr. F. aus, wenn er die depressive Selbstwertproblematik mit Zukunfts- und Versagensängsten, Schuldgefühlen und Selbstzweifeln sowie auch die anderen depressiven Beschwerden wie Stimmungsschwankungen, Lust- und Freudlosigkeit, Erschöpfungszustände, gewisser Rückzug, Entfremdung, sich Abwenden von sozialen Kontakten, Empfinden von Kränkung über fehlendes Verständnis des Arbeitgebers und sich nicht anerkannt fühlen, den neurotischen Persönlichkeitszügen zuordnet und keinesfalls im Zusammenhang mit der PTSD sieht, sondern diese auf beziehungstraumatische Erfahrungen in der Kindheit zurückführt.
Ausgehend davon ist die MdE bei der Klägerin zeitlich zu staffeln. Maßgeblich für die Schätzung der MdE ist auch für psychische Störungen, die einen Krankheitswert besitzen, die funktionelle Einschränkung in ihrer Auswirkung auf das Erwerbsleben unter Berücksichtigung der Möglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Für die PTBS ist kennzeichnend, dass gleichermaßen psycho-emotionale und sozial-kommunikative Beeinträchtigungen bestehen. Der Grad der MdE bemisst sich z.B. nach dem Ausmaß und der Schwere der Erinnerungseinbrüche (Intrusion), der Übererregbarkeit, dem Vermeidungsverhalten und dem sozialen Rückzug. Ein unvollständig ausgeprägtes Störungsbild (Teil- oder Restsymptomatik) bedingt eine MdE von 20 v.H.; üblicherweise zu beobachtendes Störungsbild, geprägt durch starke emotional und durch Ängste bestimmte Verhaltensweisen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und gleichzeitig größere sozial-kommunikative Beeinträchtigungen eine MdE bis 30 v.H. (Foerster, Bork, Kaiser, G., Tegenthoff, Weise, Badke, Schreinicke, Lübke, Vorschläge zur MdE-Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, Med. Sachverständiger 2/2007, S. 52 ff).
Das Vollbild einer PTBS hat sich seit der Retraumatisierung mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 20.08.2001 entwickelt und hat zunächst zu einer erheblichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit geführt, was sich auch in der stationären Behandlungsbedürftigkeit in der Klinik H. bis 27.02.2002 und der längerfristigen Arbeitsunfähigkeit vom 02.12.2002 bis 02.08.2003 ausdrückte. Der Senat schätzt deshalb gestützt auf Prof. Dr. W. die MdE für die Zeit vom 20.08.2001 bis 30.11.2003 auf 30 v.H. Dokumentiert im Gutachten des Dr. G. vom 30.10.2003 hat sich ihr Zustand zu diesem Zeitpunkt eindeutig wieder gebessert. Danach ist nur noch bei einem unvollständig ausgeprägten Störungsbild von einer MdE um 20 v.H. auszugehen. Mit Aufnahme der Umschulung, zunehmender Distanz zu der traumatisierenden Tätigkeit als Straßenbahnfahrerin und Einstellung der unmittelbaren Traumatherapie - selbst wenn dies aus Zeitgründen erfolgt sein sollte - vermag der Senat gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. W. nur noch von einer leichten PTBS mit immer wieder auftretenden Exazerbationen unter entsprechenden Belastungen auszugehen, weil die beherrschenden Symptome nicht mehr dem Unfall zuzuschreiben sind, so dass die MdE ab 01.04.2005 mit 10 v.H. geschätzt wird. Hierfür spricht auch der von der Klägerin gegenüber Prof. Dr. P. geschilderte Tagesablauf mit Aufnahme eines 2-stündigen täglichen Laufpensums und Beginn eines Sprachkurses gleich nach der Berentung durch den Rentenversicherungsträger und regelmäßigen Treffen mit Freundin oder Nachbarin. Ein erhöhter Leidensdruck, Interessenverlust oder sozialer Rückzug kann dem nicht entnommen werden. Aus der Änderung der Verhaltensweise nach Bewilligung der Rente wegen Erwerbsminderung mit Zunahme der Aktivität wird ersichtlich, dass die Schilderungen der Klägerin über ihren psychischen Zustand möglicherweise auch von wunschbedingten Vorstellungen geprägt waren und sich nach der Wegnahme des finanziellen Drucks eine Besserung ergeben hat. Soweit diese Vorstellungen neben das als naturwissenschaftliche Ursache der bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen anzusehende Unfallereignis treten, sind sie als konkurrierende Ursache zu würdigen und können nach dem oben Gesagten der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen der versicherten Ursache Unfallereignis und den psychischen Gesundheitsstörungen entgegenstehen (BSG Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R mwN.). Dazu wiesen auch die Selbstbeurteilungsskalen bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. eine Besserung im Vergleich zur Voruntersuchung des Prof. Dr. F. auf.
Daraus folgt ein Anspruch der Klägerin auf Verletztenrente für die Zeit vom 01.06.2002 bis 30.11.2003 nach einer MdE um 30 v.H. und vom 01.12.2003 bis 31.05.2004 nach einer MdE um 20 v.H. Für die Zeit vom 20.08.2001 bis 31.05.2002 steht einer Rentengewährung der Anspruch der Klägerin auf Verletztengeld (§ 46 Abs. 1 SGB VII) während der Arbeitsunfähigkeit gem. § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII entgegen.
Im Ergebnis nicht gefolgt werden kann den Ausführungen von Prof. Dr. F. und Prof. Dr. P., soweit sie auch den späteren Krankheitsverlauf noch rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis zurückführen. Diese Annahmen stützen sich im Wesentlichen auf die Angaben der Klägerin, ohne den Widerspruch aufzuklären, warum es nach Beendigung der Tätigkeit als Stadtbahnfahrerin und damit der belastenden Stimuli nicht zu einer Besserung der Unfallfolgen kam und die verletzungsbedingt psychische Somatik so ungewöhnlich lange, jetzt auch über 10 Jahre nach dem Unfall, noch fortbestehen soll. Zudem hat Prof. Dr. F. nicht die Aktenlage exakt aufgearbeitet, der hier nach dem oben Gesagten große Bedeutung zukommt. Sein Gutachten ist insofern auch nicht schlüssig, als er einerseits die wesentlichen aktuellen Symptome der Klägerin als Ausdruck ihrer neurotischen Persönlichkeitszüge sieht, die er nicht dem Unfall anlastet, andererseits auf Grund von Unfallfolgen eine sich auf 30 v.H. steigernde MdE auch aktuell für gerechtfertigt hält. Bei Prof. Dr. P. wird nicht klar, womit er immer noch eine MdE von 30 vH. begründen will, nachdem die Klägerin sowohl gegenüber Prof. Dr. W. als auch gegenüber ihm (S. 8 des Gutachtens, Bl. 241 LSG-Akte) selber von einer Besserung ihres Zustandes hinsichtlich der Unfallfolgen ausgeht. Der einer deutlichen Einschränkung in der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entgegenstehende Tagesablauf, der einen Interessenverlust nicht erkennen lässt, wird nicht in die Betrachtung mit einbezogen.
Die MdE-Schätzungen von Dr. M. und Dr. G. sind nicht nachvollziehbar, da sie sich nicht auf die Auswirkungen bestimmter seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten der Klägerin auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, sondern nur als Stadtbahnfahrerin beziehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
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