L 7 AS 3843/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 2488/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 3843/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 12. August 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren und auf Beiordnung von Rechtsanwalt D. wird abgelehnt.

Gründe:

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, wenn es sich - wie hier - nicht um einen Fall nach § 86b Abs. 1 SGG handelt, bei dem die Suspensivwirkung von Rechtsbehelfen im Streit steht, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind jedoch auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).

Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, da die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes nicht begehrt wird. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 11. Juni 2008 - L 7 AS 2309/08 ER-B - und vom 04. April 2008 - L 7 AS 5626/07 - (beide juris)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen um so niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 11. Juni 2008 - L 7 AS 2309/08 ER-B - und vom 4. April 2008 - L 7 AS 5626/07 -; Hk-SGG/Binder, SGG, 3. Auflage, § 86b Rdnr. 35; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Auflage, § 123 Rdnr. 62; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rdnrn. 333 ff.). Anders als im Hauptsacheverfahren kann im Eilverfahren eine Leistung durch Regelungsanordnung erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht zugesprochen werden. Denn die einstweilige Anordnung dient der Behebung einer aktuellen - noch bestehenden - Notlage (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 28. März 2007 - L 7 AS 121/07 ER-B - (juris) und vom 6. Oktober 2009 - L 7 SO 3329/09 ER-B -); dies steht einer Bewilligung von Leistungen für die Vergangenheit grundsätzlich entgegen, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht (OVG) Brandenburg, Beschluss vom 17. September 2003 - 4 B 39/03 - (juris); Verwaltungsgerichtshof (VGH) München, Beschluss vom 16. Dezember 1996 - 12 CE 95.2728 -, BayVBl. 1997, 470; Beschluss vom 17. September 1997 - 12 ZE 97.1331 -, FEVS 48, 163; Beschluss vom 23. September 1998 - 12 ZE 98.2194, 12 CE 98.2194 -, FEVS 49, 397; OVG Münster, Beschluss vom 16. März 2000 - 16 B 308/00 -, ZFSH/SGB 2000, 558 f.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. März 1995 - 12 M 1928/95 - (juris); VGH Kassel, Beschluss vom 9. Juni 1994 - 9 T 1446/94 -, FEVS 45, 335, 337 und Beschluss vom 23. März 1994 - 9 T 369/94 -, FEVS 45, 238, 239; Senatsbeschluss vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164).

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen kann jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung des Senats der Eilantrag keinen Erfolg haben. Soweit die Antragstellerin beim Sozialgericht Mannheim am 29. Juli 2009 beantragt hat, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Arbeitslosengeld II zu gewähren, hat sie die Antragsgegnerin durch den Bescheid vom 6. August 2009, aufgrund dessen ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung monatlich in Höhe von insgesamt 578,50 EUR für die Zeit vom 1. August 2009 bis 31. Januar 2010 bewilligt wurden, für diesen Zeitraum klaglos gestellt. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 29. Juli 2008 (L 7 AS 4178/08 ER-B), auf den vollinhaltlich verwiesen wird, im Einzelnen ausgeführt hat, steht einem Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vor dem 1. August 2009 § 7 Abs. 5 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) aufgrund ihres Bachelor-Studiums im Studiengang Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Mannheim entgegen. Mit ihrem Antrag vom 29. Juli 2009 hat die Antragstellerin allerdings zugleich eine Studienbescheinigung der Universität Mannheim in Kopie vorgelegt, aus der sich ergibt, dass sie für das Herbst-/Wintersemester 2009/2010 beurlaubt ist. Da die Semesterzeiten an der Universität Mannheim für das Sommersemester vom 1. Februar bis 31. Juli und für das Wintersemester vom 1. August bis 31. Januar laufen (vgl. § 29 Abs. 5 des Gesetzes über die Hochschulen in Baden-Württemberg - Landeshochschulgesetz - (LHG) vom 1. Januar 2005 (GBl. S. 1) i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 der Zulassungs- und Immatrikulationsordnung der Universität Mannheim vom 23. Mai 2006), war die Antragstellerin somit bis zum 31. Juli 2009 (Ende des Sommersemesters 2009) noch nicht "von der Verpflichtung zu einem ordnungsgemäßen Studium befreit" (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 LHG - Beurlaubung -). Bis zum 31. Juli 2009 besaß sie daher gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II keinen Anspruch auf das von ihr im Wege der einstweiligen Anordnung am 29. Juli 2009 beantragte Arbeitslosengeld II.

Das von der Antragsgegnerin ab 1. August 2009 bewilligte Arbeitslosengeld II in Höhe von 578,50 EUR setzt sich zusammen aus der Regelleistung (359 EUR), dem Mehrbedarf für Alleinerziehende mit einem Kind unter sieben Jahren (129 EUR) sowie dem auf die Antragstellerin entfallenden hälftigen Anteil der tatsächlichen Kosten der Unterkunft (90,50 EUR). Soweit die Antragstellerin mit Schreiben vom 17. August 2009 geltend gemacht hat, die Antragsgegnerin habe am 12. August 2009 lediglich 296 EUR überwiesen, ergeben sich aus der von der Antragsgegnerin am 3. November 2009 vorgelegten Darstellung der Mittelbewirtschaftung, dass auf das Konto der Antragstellerin am 11. August 2009 90,50 EUR, 167,50 EUR sowie 129,00 EUR, insgesamt somit 387 EUR überwiesen wurden. Wegen eines ihr bzw. ihrem minderjährigen Sohn Hannes im Jahr 2008 gewährten Darlehens zur Begleichung von Stromrechnungen hat die Antragsgegnerin auch für die Zeit ab August 2009 zunächst monatlich 21,00 EUR einbehalten. Mit Schreiben vom 10. November 2009 hat sie mitgeteilt, an dieser Praxis für die Zeit ab 1. August 2009 bis zum Ausgang des noch anhängigen Klageverfahrens nicht mehr festhalten und der Antragstellerin den einbehaltenen Betrag nachträglich ausbezahlen zu wollen. Prozessbeendende Erklärungen hat die Antragstellerin gleichwohl auch nicht teilweise abgegeben. Außerdem hat die Antragsgegnerin an die MVV Energie AG 80,00 EUR für Strom und Gas überwiesen. Hierin enthalten war ein heizungsbedingter Kostenanteil für Gas in Höhe von 29,15 EUR, den die Antragsgegnerin - nachdem sie hiervon im September 2009 Kenntnis erlangt hatte - der Antragstellerin im September 2009 für August 2009 nachträglich überwiesen hat. Der Restbetrag (50,85 EUR) entfällt auf Stromkosten (40,00 EUR) und die Kosten für die Warmwasserbereitung (10,85 EUR). Beide Bedarfe sind in der Regelleistung enthalten und daher dieser zuzuschlagen. Schließlich wurden an die Vermieterin der von der Antragstellerin und ihrem Sohn bewohnten Unterkunft (GBG Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH) für die Antragstellerin ein Mietanteil von 90,50 EUR überwiesen. Insgesamt wurden der Antragstellerin somit, wenn auch nicht am 1. August 2009, die bewilligten Leistungen in Höhe von 578,50 EUR gewährt, wobei 437,15 EUR (90,50 EUR + 167,50 EUR + 129,00 EUR + 29,15 EUR + 21 EUR) direkt an sie und der Restbetrag von 141,35 an die Vermieterin (90,50 EUR) und die MVV Energie AG (50,85 EUR) geflossen sind.

Dass der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebende, am 8. Juni 2005 geborene Sohn Hannes, der in diesem Verfahren nicht Beteiligter ist, über Einkommen in Form von Unterhaltsvorschuss und Kindergeld verfügt und letzteres nach § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II als dessen Einkommen nur insoweit ihm zuzurechnen ist, als es zur Sicherung seines Lebensunterhalts benötigt wird, wirkt sich bei der Bedarfsberechnung im Ergebnis nicht zu Lasten der Antragstellerin aus.

Auch soweit die Antragstellerin die Übernahme der Kosten für den Umzug und die Einlagerung von Möbeln für die Dauer ihrer Unterbringung in der Obdachlosenunterkunft Zellerstraße 54, 68167 Mannheim beantragt hat, ist dem die Antragsgegnerin im beantragten Umfang nachgekommen. Mit Änderungsbescheid vom 7. September 2009 hat sie über die bereits bewilligten Leistungen hinaus entsprechend dem Antrag der Antragstellerin vom 17. August 2009 ab 1. August 2009 die Einlagerungskosten deren Hausrats bei der Spedition Kübler in Höhe von monatlich 130,00 EUR, eine einmalige Bearbeitungsgebühr in Höhe von 10,00 EUR sowie die Kosten für den Umzugstransporter in Höhe von 179,00 EUR als Bedarf im Sinne des § 22 SGB II anerkannt. Am 10. September 2009 hat die Antragsgegnerin auf das Konto der Antragstellerin 319,00 EUR überwiesen.

Da somit jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über die Beschwerde der Antragstellerin die Antragsgegnerin dem Begehren der Antragstellerin - soweit Anordnungsansprüche glaubhaft gemacht worden sind - entsprochen hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Bereits aus den oben genannten Gründen hat das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin keinen Erfolg (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung), sodass es auf das Vorliegen der übrigen Bewilligungsvoraussetzungen nicht ankommt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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