L 5 KR 5214/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 301/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5214/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beigeladenen Ziffer 2 wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. September 2008 aufgehoben und die Klage vollständig abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen Ziff. 1, 3 und 4, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Der Streitwert wird auf 4.954,92 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beigeladene Ziff. 1 vom 1. 2. 2006 bis 30. 11. 2006 bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Der 1969 geborene Beigeladene Ziff. 1 war von 1986 bis 1994 als Schlosser, danach von 1994 bis 1998 als Metallbaumeister versicherungspflichtig beschäftigt. Von Januar 1996 an arbeitete er als selbstständiger Metallbaumeister, bis er im Januar 2006 Insolvenz anmelden musste.

Als Auffanggesellschaft wurde daraufhin die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 19. 1. 2006 gegründet. Gegenstand des Unternehmens sind nach § 2 des Gesellschaftsvertrages im wesentlichen der Metallbau und Schlosserarbeiten, das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000 EUR, einzige Gesellschafterin war die damalige Ehefrau des Beigeladenen Ziff. 1 A. F. (F.), geboren 17. 11. 1975, die sich selbst zur alleinigen Geschäftsführerin der Gesellschaft bestellte (§ 2 des Vertrags über die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung). Für die Zeit vom 1. 2. bis 30. 11. 2006 wurde der Beigeladene Ziff. 1 von der Klägerin sodann als Arbeitnehmer bei der Beklagten gemeldet.

Weil A. F. das mit der Klägerin verbundene Risiko nicht mehr tragen wollte, die Ehe damals offensichtlich auseinander ging und der Insolvenzverwalter dem zustimmte, schloss sie unter dem 30. 11. 2006 mit dem Beigeladenen Ziff. 1 mit Wirkung ab 1. 12. 2006 einen Geschäftsführervertrag, mit dem dem Beigeladenen Ziff. 1 umfassende Vollmachten für die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft unter Befreiung von der Bestimmung des § 181 BGB erteilt wurden. Zum 1. 1. 2007 übertrug A. F. ihren Gesellschaftsanteil vollständig auf den Vater des Beigeladenen Ziff. 1, E. F.

Unter dem 4. 6. 2007 beantragte der Beigeladene Ziff. 1 die Beurteilung seines sozialversicherungsrechtlichen Status für die Zeit vom 19. 1. 2006 bis 30. 11. 2006 und für den Zeitraum danach. Speziell für den Zeitraum 19. 1. 2006 bis 30. 11. 2006 gab er an, seine Frau sei zwar alleinvertretungsberechtigte Alleingesellschafterin gewesen, die tatsächliche Abwicklung der Geschäfte sei jedoch ausschließlich über ihn erfolgt. Seine Mitarbeit sei in einem besonderen Arbeitsvertrag geregelt worden, die tarifliche Arbeitszeit habe 38 Stunden betragen, die tatsächliche durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit hingegen 50 Stunden. Er habe nicht wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht nach Zeit, Ort oder Art der Beschäftigung unterlegen. Ein Weisungsrecht sei in der Praxis auch tatsächlich nicht ausgeübt worden. Er habe seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten können mit Ausnahme der organschaftlichen Vertretung. Dabei habe er selbstständig ohne Einschränkungen Personal einstellen und/oder entlassen können. Seinen Urlaub habe er sich nicht genehmigen lassen müssen, eine Abberufung/Kündigung sei nur theoretisch möglich, vereinbart sei allerdings eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Jahresende. Unabhängig von der Ertragslage des Unternehmens sei ihm eine monatlich gleichbleibende Vergütung als Gegenleistung von 2.000 EUR für die geleistete Arbeit bezahlt worden. Die Verbuchung der Vergütung sei als Lohn/Gehalt erfolgt, von dieser Vergütung sei auch Lohnsteuer entrichtet worden.

Der von der Beklagten mit Schreiben vom 13. 7. 2007 gegenüber der Beigeladenen Ziff. 2 geäußerten Absicht, die Beschäftigung des Beigeladenen Ziff. 1 bei der Klägerin ab 1. 2. 2006 versicherungsfrei zu stellen, widersprach die Beigeladene Ziff. 2 mit Schreiben vom 30. 8. 2007. Für den Zeitraum ab 1. 12. 2006 könne der Beigeladene Ziff. 1 als "Kopf und Seele" des Unternehmens bezeichnet werden, weswegen es in diesem besonders gelagerten Einzelfall vertretbar sei, von einer selbstständigen Tätigkeit ab 1. 12. 2006 auszugehen. Für den Zeitraum bis 30. 11. 2006 sei der Kläger allerdings als abhängig Beschäftigter der Sozialversicherungspflicht unterstellt. Der Beigeladene Ziff. 1 habe zwar die fachlichen Kenntnisse zur Führung eines Schlossereibetriebes besessen, sei jedoch an die Weisungen der Geschäftsführung (seiner Frau) gebunden gewesen, die allein über die Rechtsmacht verfügt habe, Entscheidungen zu treffen und Weisungen zu erteilen. Er sei bereits auf Grund der vorangegangenen Insolvenz nicht mehr in der Lage gewesen, den Betrieb als Unternehmer weiter zu führen. Aus diesem Grund sei ja auch bewusst die Entscheidung getroffen worden, seine Frau zur alleinigen Gesellschafterin und Geschäftsführerin zu berufen, um den Betrieb weiter fortführen zu können.

Dieser Auffassung widersprach die Klägerin nach erfolgter Anhörung mit Schreiben vom 17. 9. 2007. Der einzige Unterschied zwischen beiden Zeiträumen liege in der Tatsache der organschaftlichen Geschäftsführerbestellung, eines Umstandes, der nicht so gravierend sei, dass sich hierdurch eine anders lautende sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ergebe. Der einzige Grund, warum der Beigeladene Ziff. 1 nicht schon ab Beginn der Tätigkeit der GmbH zum Geschäftsführer bestellt worden sei, liege in der vorangegangenen Insolvenz seines Einzelunternehmens zum 15. Januar 2006, da man seitens des Insolvenzverwalters geraten habe, zumindest bis zur Abwicklung des Einzelunternehmens dessen Ehefrau zur alleinigen Geschäftsführerin der Auffanggesellschaft zu bestellen. An der tatsächlichen Leitung und Führung des Unternehmens hätte sich keinerlei Unterschiede zur heutigen Situation ergeben, auch sei der Beigeladene Ziff. 1 der alleinige Branchenkenner, er habe das Unternehmen auch schon zuvor als Einzelunternehmer allein geführt und trage das wirtschaftliche Unternehmerrisiko und die alleinige Unternehmerinitiative. Dass die Anteile zunächst von der Ehefrau und danach vom Vater gehalten worden seien, habe insbesondere insolvenzrechtliche Gründe.

Mit Bescheiden vom 10. 10. 2007 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab dem 1. 12. 2006 selbstständig tätig, er jedoch vom 1. 2. 2006 bis 30. 11. 2006 abhängig beschäftigt gewesen sei. Ausführende Organe einer GmbH seien deren Geschäftsführer und die Gesellschafterversammlung. Nur sie allein könnten Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen. Als leitender Angestellter in einer GmbH habe der Beigeladene Ziff. 1 nicht verhindern können, dass ihm Weisungen durch die Geschäftsführerin (seine Frau) erteilt wurden. Diese Weisungen hätten durchaus stark eingeschränkt sein können, wie dies auch bei einer fremden Arbeitskraft in leitender Funktion üblich sei. Seine Frau allein habe über die Rechtsmacht verfügt, Entscheidungen zu treffen und Weisungen zu erteilen. Der Beigeladene Ziff. 1 sei wegen der vorangegangenen Insolvenz aus rechtlichen Gründen gar nicht mehr in der Lage gewesen, den Betrieb als Unternehmer weiter zu führen. Den hiergegen unter Berufung auf das Vorbringen im Anhörungsverfahren erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. 12. 2007 zurück. Ergänzend wies sie noch darauf hin, da Fremdgeschäftsführer nur ihre Arbeitskraft und kein eigenes Kapital in den Dienst der GmbH stellten, fehle bei ihnen das unternehmerische Risiko als weiteres wesentliches Indiz für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit.

Die Klägerin erhob hiergegen am 17. 1. 2008 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG). Eine Weisungsgebundenheit des Beigeladenen Ziff. 1 sei faktisch ausgeschieden. Seine damalige Ehefrau A. sei lediglich aus insolvenzrechtlichen Gründen Gesellschafterin und zur alleinigen Geschäftsführerin bestellt worden. Sie sei im Unternehmen allerdings nur stundenweise tätig gewesen und zwar mit Büroarbeiten und habe sich ansonsten um den Sohn Fe., geboren 2005, und um den Haushalt gekümmert. Mangels Fachkenntnissen und wegen fehlender Präsenz im Unternehmen habe sie keine leitende Funktion ausüben können. Beruflich sei sie Buchhalterin ohne Branchenkenntnisse im Bereich der Metallverarbeitung. Dem gegenüber sei der Beigeladene Ziff. 1 der alleinig Tätige und alleinige Branchenkenner gewesen. Er habe nach wie vor sämtliche Tätigkeiten im Betrieb leitend und eigenverantwortlich ausgeführt, sei es Wareneinkauf, Angebotserteilung, Produktion, Personalführung oder Vertrieb. Er habe somit nicht nur wesentlichen Einfluss im Unternehmen gehabt, sondern das Unternehmen tatsächlich beherrscht.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und wies darauf hin, dass der Kläger als abhängig beschäftigter Schlossermeister ihr als Einzugsstelle gemeldet worden sei. Das Entgelt sei in seinem Unternehmen als Betriebsausgabe gebucht und für die Bezüge des Klägers sei Lohnsteuer entrichtet worden. Der Beigeladene Ziff. 1 habe weder ein Unternehmerrisiko getragen, noch dem Betrieb Darlehen gewährt oder sonstige Sicherheiten übernommen, er habe auch keine Gewinnbeteiligung erhalten.

Das SG vernahm im Termin zur mündlichen Verhandlung A. F. sowie den Mitarbeiter P. M. als Zeugen. Wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 11. 9. 2008 Bl. (42 bis 48 SG-Akte) Bezug genommen. Durch Urteil vom 11. 9. 2008 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 10. 10. 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. 12. 2007 auf und stellte fest, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1, Herrn T. F., bei der Klägerin in der Zeit vom 1. 2. 2006 bis 30. 11. 2006 nicht um eine abhängige Beschäftigung gehandelt habe. Das SG verurteilte die Beklagte darüber hinaus, die zu Unrecht entrichteten Beiträge zu erstatten, soweit dies noch nicht geschehen sei. Das SG führte zur Begründung aus, bei einer Ein-Mann-GmbH bei der der Alleingesellschafter zu gleich Alleingeschäftsführer sei, könne auch bei einem gleichsam leitenden Angestellten eine abhängige Beschäftigung ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebs formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde und die Sachverhaltsgestaltung im Übrigen mit derjenigen eines Geschäftsführers einer Familiengesellschaft vergleichbar sei, bei der der Geschäftsführer faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führe, ohne dass ihn die Gesellschafter daran hinderten (Hinweis auf BSG vom 30. 1. 1990 - 11 RAr 47/88 Rdnr. 21). Ein solcher Ausnahmefall sei vorliegend gegeben. Obwohl wegen der insolvenzrechtlichen Folgen eine Neustrukturierung des bis dahin vom Beigeladenen Ziff. 1 als selbstständigen Handwerker geführten Betriebes erforderlich gewesen sei, habe sich tatsächlich nichts geändert. Dies hätten die Zeugen im Termin zur mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet. Zumal A. F. nach eigenen Angaben sich vornehmlich der Erziehung ihres Kindes gewidmet habe. Soweit sie im Bereich der Buchhaltung und der Büroorganisation tätig gewesen sei, habe es sich für den Betrieb nicht um entscheidende Aufgaben gehandelt. Auch habe sich nach Angaben der Zeugin A. F. ihr Mann nicht in das Geschäft "reinreden" lassen, eine Verhaltensweise, die letztlich auch zu der Trennung und schließlich der Scheidung der damaligen Eheleute geführt habe. Ungeachtet seiner formellen Stellung unterhalb der Ebene der Geschäftsführung, die ausschließlich der vorangegangenen Insolvenz geschuldet gewesen sei, habe der Beigeladene Ziff. 1 deshalb zur Überzeugung der Kammer die Geschäfte dieser Gesellschaft faktisch wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führen können.

Gegen das am 21. 10. 2008 ihr zugestellte Urteil hat die Beigeladene Ziff. 2 am 12. 11. 2008 Berufung eingelegt. Sie wiederholt im wesentlichen ihre Argumentation aus dem Verwaltungs- und Klageverfahren und vertritt die Auffassung, dass der Beigeladene Ziff. 1 vom 1. 2. 2006 bis 30. 11. 2006 in einem abhängigen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.

Die Beigeladene Ziff. 2 beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. September 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie beruft sich im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen und weist ergänzend darauf hin, der Rechtsschein der Geschäftsführerstellung habe keine Rolle gespielt, weil der Beigeladene Ziff. 1 auch ohne Eintragung im Handelsregister sämtliche betriebliche Funktionen ausgeübt habe, sei es die Einstellung und Führung von Personal, das Erstellen und Schreiben von Angeboten und Rechnungen, Materialeinkauf u. ä ... Er habe Unternehmerrisiko getragen, weil er über den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft bei Ehegattengemeinschaft sehr wohl vom wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit insgesamt abhängig gewesen sei, weil es sich um die einzige Einkunftsquelle der zusammenveranlagten Eheleute gehandelt habe.

Die Beklagte und die Beigeladene Ziff. 4 teilen die Auffassung der Beigeladenen Ziff. 2, haben aber keine Anträge gestellt. Die übrigen Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 2 sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beigeladenen Ziff. 2 ist statthaft. Der Rechtsstreit geht nicht um eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, sondern um die Feststellung, dass der Beigeladene Ziff. 1 im Zeitraum vom 1. 2. 2006 bis 30. 11. 2006 sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Berufung der Beigeladenen Ziff. 2 ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid des Beklagten vom 10. 10. 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. 12. 2007 aufgehoben. Der Beigeladene Ziff. 1 war im streitigen Zeitraum vom 1. 2. 2006 bis 30. 11. 2006 bei der Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Für diesen Zeitraum sind auch zurecht Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet worden.

Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 24 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und § 20 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dem gegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. 5. 1996 - 1 B v R 12/96). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (u. a. BSG vom 25. 1. 2006 - B 12 KR 30/04 R).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des bisherigen Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen. Beim am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 20, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1). Vergleichbares muss auch bei Geschäftsführern gelten, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Geschäftsanteile noch über eine sogenannte Sperrminorität verfügen. Auch für diesen Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (so BSG vom 4. 7. 2007 - B 11 a AL 5/06 R).

An anderer Stelle (BSG vom 17. 5. 2001 - B 12 KR 34/00 R) hat das BSG darauf hingewiesen, dass eine rechtlich bestehende Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein kann, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dennoch ausscheidet. Einzelfallbezogene Umstände, die gleichwohl unabhängig von den Gesellschafterrechten eine für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit vom Arbeitgeber zu vermeiden vermögen, hat das BSG angenommen, wenn ein Handwerker trotz Änderung der rechtlichen Verhältnisse "Kopf und Seele" des Handwerkbetriebes geblieben ist, den er zuvor als Alleininhaber geführt hat (BSG vom 23. 9. 1982 - 10 RAr 10/81). Vermag ein Geschäftsführer auf Grund der verwandtschaftlichen Beziehung faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen, ohne dass ihn die Gesellschafter daran hindern, fehlt es an der für eine beitragspflichtige Beschäftigung unabdingbaren Voraussetzung der persönlichen Abhängigkeit (BSG vom 8. 12. 1987 - 7 RAr 25/86). Schließlich hat das BSG in der Entscheidung vom 30. 1. 1990 - 11 RAr 47/88 die Auffassung vertreten, dass innerhalb eines Familienbetriebes derjenige, der faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte auch dann nicht abhängig beschäftigt ist, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt wird.

Die neuere Rechtsprechung des BSG (vgl. dazu BSG vom 25. 1. 2006 - B 12 KR 30/04 R) hebt ebenfalls darauf ab, dass sich das Gesamtbild nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinn sind jedoch auch die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich heraus ergebenden Schlussfolgerungen auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. 8. 1990 - 11 RAr 77/89 und vom 8. 12. 1994 - 11 RAr 49/94). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist.

Hiervon ausgehend kann trotz der tatsächlichen Führung aller Geschäfte durch den Beigeladenen Ziff. 1 nicht von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden. Der Beigeladene Ziff. 1 war weder Gesellschafter der Klägerin noch Geschäftsführer der GmbH, vielmehr stand er auf Grund eines Arbeitsvertrages in einem Anstellungsverhältnis zur GmbH als deren leitender Angestellter. Er hatte rein rechtlich keinerlei Möglichkeit, die Geschäftstätigkeit der GmbH zu beeinflussen und vermochte von seiner Rechtsstellung her nicht zu verhindern, dass seine Ehefrau (was sie - aus welchen Gründen auch immer - allerdings nicht getan hat, aber hätte jederzeit tun können), ihm in die täglichen Alltagsgeschäften hineinredet und abweichende Entscheidungen trifft. Die Klägerin verkennt, dass die tatsächlichen Verhältnissen allein nicht maßgebend sind, sondern die tatsächlichen Verhältnisse nur soweit zu berücksichtigen sind, wie sie rechtlich zulässig sind. Bei ihrer abweichenden rechtlichen Würdigung blendet die Klägerin die gesamten rechtlichen Rahmenbedingungen der GmbH, der Geschäftsführung und des Anstellungsvertrages des Beigeladenen Ziff. 1 aus. Diese rechtlichen Rahmenbedingungen waren indes nicht Vereinbarungen, die durch übereinstimmend praktizierte abweichende Handhabung schleichend ihre Bedeutung verloren haben, vielmehr handelt es sich um Vertragsgestaltungen, die im Zusammenhang mit der Insolvenz des Beigeladenen Ziff. 1 von rechtlich erheblicher Bedeutung waren und nach außen hin auch publik gemacht wurden. Gegenüber Kunden, Lieferanten und Banken wurde deutlich gemacht, dass nunmehr ein anderes Unternehmen mit den der gewählten Rechtsform entsprechenden Haftungseinschränkungen auf dem Markt tätig wird. Nach erfolgter Insolvenz vermochte der Beigeladene Ziff. 1 sein Geschäft gerade nicht mehr als selbstständiger Unternehmer weiterzuführen, vielmehr wurde das Geschäft übertragen auf die GmbH und von dieser und ihrer Geschäftsführerin fortgeführt. Damit wurde es ermöglicht, dass der Geschäftsbetrieb ab 1. 2. 2006 aufrecht erhalten werden konnte. Zugleich wurde dem Beigeladenen Ziff. 1 mit dem eingeräumten Bruttogehalt von 2.000,- EUR monatlich eine persönliche Existenzgrundlage gewährt. Unter haftungsrechtlichen Aspekten handelt es sich somit bei der Gründung der GmbH, der Geschäftsführung durch die Ehefrau des Klägers und das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen Ziff. 1 als abhängiger Beschäftigter um vertragliche Vereinbarungen, die im Außenverhältnis von rechtlich erheblicher Bedeutung waren und auf die erst ab 1. 12. 2006 nach Auffassung des Insolvenzverwalters teilweise verzichtet werden konnte.

Bei dieser Sachlage kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beigeladene Ziff. 1 - trotz persönlichem Interesse an dem Erfolg der GmbH - einem persönlichen Unternehmerrisiko ausgesetzt war. Das Unternehmerrisiko lag vielmehr allein bei der GmbH. Die Übernahme eines Unternehmerrisikos ist Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit immer dann, wenn auch tatsächlich Chancen und nicht nur Risiken mit der Einkommenserzielung verbunden sind und damit eigene unternehmerische Möglichkeiten des Beigeladenen Ziff. 1 sich eröffnen. Solche Chancen hatte der Beigeladene Ziff. 1 gerade nicht. Denn er war persönlich auf ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.000,- EUR als Entgelt für seine Tätigkeit für die GmbH beschränkt. Darüber hinaus gehende Gewinne konnten ihm allenfalls mittelbar zu Gute kommen, nämlich über eine Ausschüttung des Gewinns. Hierauf hatte er allerdings keinerlei rechtlichen Anspruch, weil Alleingesellschafterin seine Ehefrau war. Wenn ihm gleichwohl von der GmbH ausgeschütteter Gewinn zugeflossen sein sollte, so nicht wegen seiner rechtlichen Stellung als Beschäftigter der Gesellschaft, sondern allein auf Grund seines Einflusses als Ehemann auf seine Ehefrau. Dass damit keine sichere Rechtsposition verbunden war, zeigt der Umstand, dass die Ehe des Beigeladenen Ziff. 1 mit A. F. damals in der Krise war und A. F. rechtlich ohne weiteres auch eine andere Entscheidung hätte treffen können, als den Beigeladenen Ziff. 1 mit Vertrag vom 30. 11. 2006 zum alleinigen Geschäftsführer zu machen und ihre Anteile an der GmbH an den Vater des Beigeladenen Ziff. 1 abzutreten. (vgl. zum Unternehmerrisiko BSG vom 10. 7. 2004 - B 12 KR 21/07 R).

Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses liegen nicht vor. Eine irgendwie rechtlich verbindliche interne Absprache zwischen dem Beigeladenen Ziff. 1 und der A. F. sind nicht vorgetragen worden, obwohl die tatsächliche Handhabung einer treuhänderischen Bindung im Sinne einer Strohmanngestaltung entspricht, allerdings ohne Abschluss eines Treuhandvertrages. Da der Beigeladene Ziff. 1 auf Grund seines tatsächlichen Auftretens das gesamte Geschäftsgebaren und die gesamten rechtlichen Außenbeziehungen der GmbH auch ohne Treuhandvereinbarung mit A. F. dominiert hat, braucht die Nichtigkeit einer eventuellen Treuhandabrede hier auch nicht geprüft zu werden (vgl. zu Treuhandverhältnissen BSG vom 25. 1. 2006 - B 12 KR 30/04 R sowie BSG vom 30. 1. 1997 - 10 RAr 6/95).

Liegt somit eine Situation vor, in der der Beigeladene Ziff. 1 von der Rechtsmacht her keine Befugnisse hatte, von der tatsächlichen Seite her aber als alleiniger Kopf des Unternehmens frei schalten und walten konnten wie er wollte, zumal nur er die entsprechenden Fachkenntnisse besaß, ist bei der Abwägung jedoch den tatsächlichen Verhältnissen der Vorrang zu geben, wie sie sich bei Einhaltung der rechtlichen Gegebenheiten darstellen. Denn wegen der vorhergegangenen Insolvenz konnte der Beigeladene Ziff. 1 von Rechts wegen eben gerade nicht mehr so schalten und walten wie er wollte, vielmehr war ihm bei der nach der Insolvenz erfolgten Rechtsgestaltung die GmbH und deren Alleingeschäftsführerin vorgesetzt. Diese rechtlichen Verhältnisse können nicht nach Belieben (etwa der hier streitigen Frage der Sozialversicherungspflicht) ausgeblendet, in haftungsrechtlicher oder steuerrechtlicher Hinsicht (weil dann günstig) aber für maßgebend erklärt werden. Ein rein tatsächliches Verhalten genügt nicht für die Annahme selbstständiger Tätigkeit, wenn die selbstständige Tätigkeit in dieser Form nach den geschlossenen Verträgen rechtlich gerade ausgeschlossen sein sollte.

Aus diesen Gründen ist für den hier streitigen Zeitraum vom 1. 2. 2006 bis 30. 11. 2006 von einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen Ziff. 1 bei der Klägerin auszugehen. Die erfolgte Anmeldung geschah ebenso wie die geleisteten Beitragszahlungen zu Recht. Das Urteil des SG kann daher keinen Bestand haben und war aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Höhe des Streitwerts entspricht der Höhe der im Falle eines Obsiegens der Klägerin zu erwartenden Beitragsrückzahlung.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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