Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 VG 257/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 1834/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 01.04.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Strittig ist die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Der 1960 geborene Kläger ist bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger. Mit Schreiben vom 08.07.2003 wies das Regierungspräsidium S. - Bezirksstelle für Asyl - die Polizeidirektion H. an, den Kläger am 22.07.2003 in seiner Wohnung in H. festzunehmen, zum Flughafen F. zu verbringen und dort dem Bundesgrenzschutz zu überstellen. Der Kläger sei gemäß vollziehbarer Abschiebungsandrohung seit 31.12.1998 zur Ausreise verpflichtet. Abflugzeit sei 12:05 Uhr. Dem entsprechend wurde der Kläger in den frühen Morgenstunden des 22.07.2003 durch Kräfte der Abschiebegruppe L. in seiner Wohnung abgeholt, nach F. verbracht und gegen 9:10 Uhr durch Beamte der Zentralen Rückführungsgruppe der Bundespolizei übernommen. Als er gegen 11:20 Uhr zum bereitgestellten Flugzeug verbracht werden sollte, entstand bei den bewachenden Beamten der Eindruck, der Kläger habe einen Schwächeanfall erlitten. Er wurde deshalb dem Medizinalrat (MedR) z.A. M. vom Ärztlichen Dienst des Bundesgrenzschutzamts vorgestellt. Ausweislich von dessen ärztlichem Befundbericht vom 22.07.2003 dauerte die Untersuchung von 11:15 Uhr bis 12:15 Uhr. Zum Befund wird ausgeführt, der Kläger sei anlässlich der bevorstehenden Abschiebemaßnahme schlafend im Aufenthaltsraum vorgefunden worden. Bei seiner Untersuchung sei er nur schwer erweckbar gewesen. Die Vitalfunktionen seien intakt gewesen. Zum Ausschluss einer Intoxikation erbat MedR M. eine stationäre Überwachung. Um 13:13 Uhr wurde der Kläger ausweislich der vorliegenden Krankentransportmeldung mit dem Rettungswagen zum Krankenhaus F.-H. abtransportiert. Dort befand er sich vom 22. bis 23.07.2003 in stationärer Behandlung der Klinik für Innere Medizin, Abteilung 1 und vom 23. bis 24.07.2003 in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Städtischen Kliniken F. Nach seiner Einlieferung in der Klinik für Innere Medizin war er zunächst nicht ansprechbar und bewegte die Extremitäten nicht. Eine organische Ursache dieser Symptomatik konnte nicht eruiert werden. Die kardiologische Untersuchung und ein craniales Computertomogramm waren unauffällig. Nach konsiliarärztlicher Untersuchung wurde der Kläger deshalb in die Klink für Psychiatrie und Psychotherapie desselben Krankenhauses verlegt. Obwohl er in der Lage war, seine Extremitäten zu bewegen, machte er hiervon nur selten Gebrauch und ließ sich eine Schnabeltasse o. ä. reichen. Da er nicht ausreichend trank, erhielt er am Tag seiner Entlassung eine Infusion. In den Entlassungsberichten der genannten Kliniken vom 23.07.2003 und 10.09.2003 finden sich die Diagnosen "psychischer Ausnahmezustand bei akuter Belastungssituation (Ausweisung)" bzw. "akute Belastungsreaktion mit dissoziativen Symptomen". Am 24.07.2003 wurde er mit einem Krankenwagen in das Krankenhaus vom R. in S. überführt, auf dessen Innerer Abteilung er bis 30.07.2003 wegen einer akuten Belastungsreaktion und Exsikkose behandelt wurde (Entlassungsbericht vom 26.08.2003). Am 25.07.2003 wurde der Kläger konsiliarisch von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dr. B. untersucht, welche einen Schock und eine akute Belastungsreaktion mit dissoziativer Symptomatik bestätigte und eine weitere Abklärung und Behandlung in einer psychiatrischen Klinik empfahl (Arztbrief vom 25.07.2003). Daraufhin wurde der Kläger vom 30.07. bis 15.08.2003 in der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums am W. in W. wegen dissoziativer, kombinierter Störungen und eines Zustands nach dissoziativem Stupor und dissoziativen Bewegungsstörungen (Arztbrief vom 15.08.2003) und vom 24.09. bis 21.10.2003 in der Psychosomatischen Klinik Bad N. (Entlassungsbericht vom 06.11.2003 mit den Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung und dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen) stationär behandelt.
Am 06.07.2006 beantragte der Kläger bei dem damaligen Versorgungsamt H. die Gewährung von Versorgung nach dem OEG. Er trug vor, bei dem Abschiebeversuch sei es am F. Flughafen zu tätlichen Übergriffen seitens der Vollzugsbeamten gekommen. So habe man ihm über einen langen Zeitraum kein Wasser zu trinken gegeben, worauf er umgekippt sei und sich nicht mehr habe bewegen können. Die Vollzugsbeamten hätten ihm dies nicht abgenommen, ihn am Boden geschleift, an den Haaren gezogen und geschlagen. In der Psychiatrischen Klinik in F. sei er ständig von der Polizei überwacht worden, habe nichts zu trinken und zu essen bekommen und sei ständig beleidigt worden. Auch sei er von der Polizeiärztin geschlagen worden. Seit diesem Vorfall leide er unter schweren psychischen und physischen Schäden, u. a. unter einer Innenohrschwerhörigkeit mit beidseitigem Tinnitus. Er legte u. a. den Arztbrief der Universitäts-HNO-Klink H. vom 16.06.2004 (Innenohrschwerhörigkeit beidseits), das undatierte Attest der HNO-Ärztin B. (Behandlung wegen Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus seit 19.11.2003) und die Atteste der behandelnden Ärztin für Psychiatrie und Neurologie E. vom 03.09.2004 und 29.11.2005 (seit 30.10.2003 Behandlung wegen einer posttraumatischen Belastungsreaktion und einer chronischen, schwer behandelbaren Depression) vor. Auf die Anfrage, warum er keine Strafanzeige gestellt habe, antwortete der Kläger unter dem 24.08.2006, er sei nach dem Vorfall vom 22.07.2003 massiv eingeschüchtert worden. Zwei Polizisten hätten ihm bei der Fahrt von F. nach Bad C. wörtlich erklärt: " Wenn du ein Wort darüber sagst, was hier passiert ist, bekommst du zehnmal mehr!".
Das zuständige Hessische Amt für Versorgung und Soziales F. (VA) trat in Ermittlungen ein. Auf Anfrage gab Polizeirat W. vom Bundespolizeiamt Flughafen F. unter dem 23.10.2006 an, die Sachverhaltsdarstellung des Klägers hinsichtlich seiner auf den 22.07.2003 anberaumten Rückführung entspreche nicht den Tatsachen. Wegen des Schwächeanfalls sei die Maßnahme abgebrochen, der Kläger dem Bundespolizeiarzt vorgestellt und nach dessen ärztlicher Erstversorgung gegen 13 Uhr rücküberstellt worden. A. H., eine Cousine des Klägers, gab unter dem 03.11.2006 an, der Bruder des Klägers M. I. und sie hätten den Kläger am Abend des 22.07.2003 in der Klinik in F.-H. besucht. Obwohl er bewusstlos im Bett gelegen sei, sei er von zwei bewaffneten Polizisten wie ein Schwerverbrecher bewacht worden. Obwohl sie ihn mehrmals angesprochen habe, habe er darauf nicht reagiert, sondern nur immer wieder nach seiner Mutter gerufen. M. I. gab unter dem 02.11.2006 an, am 22.07.2003 seien früh morgens zwischen 4 und 5 Uhr zwei Polizeibeamte in ihrer gemeinsamen Wohnung erschienen und hätten erklärt, dass sein Bruder gleich mit ihnen mitkommen müsse, weil er Deutschland verlassen müsse. Die Beamten hätten seinen Bruder, der einen Schlafanzug und Hausschuhe angehabt habe, gepackt, hätten ihm Handschellen angelegt und ihn zum Auto geführt. Einer der Beamten sei zurückgekommen, um mit ihm eine Reisetasche mit den nötigsten Sachen und 1.000 Euro zusammenzupacken. Er habe seinem Bruder auf dessen Angabe, sein Mund sei sehr trocken, eine Flasche Wasser ins Auto gebracht. Bei seinem Besuch am Abend des 22.07.2003 in der Klinik F.-H. sei es ihm nicht gelungen, mit seinem Bruder zu sprechen, der regungslos auf dem Bett gelegen sei. Seine Unterhosen seien bis zu den Knien heruntergezogen gewesen. Bei einem späteren Gespräch habe ihm ein Arzt erklärt, man könne den Vorfall vom F. Flughafen mit Hilfe einer Videoaufzeichnung beweisen. Außerdem habe er von Ärzten in Bad C. erfahren, dass eine Ärztin der Polizei, die seinen Bruder dort erwartet habe, diesen geschlagen und malträtiert habe. Dies könne der Notarzt, der seinen Bruder ins Krankenhaus vom R. in Bad C. eingeliefert habe, bezeugen. Unter dem 12.11.2006 ergänzte M. I., auf Videoaufzeichnungen vom Noteinlieferungsbereich des Krankenhauses in Bad C. müsse zu erkennen sein, welcher Arzt seinen Bruder dort eingeliefert habe. Polizeioberrat M. vom Bundespolizeiamt Flughafen F. teilte dem VA mit Schreiben vom 04.12.2006 mit, zu den vom Kläger behaupteten Übergriffen der seinerzeit amtshandelnden Polizeibeamten auf dem F. Flughafen lägen keine Erkenntnisse vor. Der Kläger sei um 14 Uhr stationär in der Klinik in F.-H. aufgenommen worden und dort am 24.07.2003 um 16:30 Uhr wieder entlassen worden. Eine Polizeiärztin sei bei der dortigen Bundespolizeibehörde nicht beschäftigt (gewesen). Da der vom Kläger geschilderte Sachverhalt den Anfangsverdacht einer Straftat gemäß § 340 des Strafgesetzbuchs (StGB) impliziere, werde er den Vorgang der hierfür zuständigen Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht F. vorlegen.
Mit Bescheid vom 15.02.2007 lehnte es das VA ab, dem Kläger Versorgung nach dem OEG zu gewähren. Nach dem Ergebnis der Sachaufklärung seien Schläge durch Polizisten während der Abschiebung nicht nachweisbar.
Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, er habe während seines Aufenthalts in der Abschiebeabteilung des F. Flughafens über Kopf- und Bauchschmerzen geklagt und dem wachhabenden Polizisten zu verstehen gegeben, er brauche unbedingt einen Arzt. Eine Reaktion darauf sei nicht erfolgt. Letztendlich sei er zusammengebrochen und es sei ihm immer schlechter gegangen. Sechs Polizisten hätten ihn daraufhin zu Boden geworfen, durch den Flughafen geschleppt, geschlagen, in den Arm gezwickt, an den Haaren gezogen, ihn hochgehoben und einfach wieder fallen gelassen. Anschließend sei er im Krankenhaus ebenfalls menschenunwürdig behandelt worden. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 08.01.2008).
Hiergegen erhob der Kläger am 23.01.2008 Klage bei dem Sozialgericht Heilbronn (SG). Er nahm auf die Begründung seines Widerspruchs Bezug und trug weiter vor, er sei vom Notarzt eine Stunde untersucht worden, obwohl er in Ohnmacht gelegen sei. Erst um 12:44 Uhr habe die Polizei einen Notarztwagen gerufen, der 12:51 Uhr gekommen sei. Erst um 13:13 Uhr sei erlaubt worden, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Dadurch seien seine Menschenrechte und seine Patientenrechte verletzt worden. Der Kläger legte zahlreiche Kopien von Schriftstücken aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft F. und von ärztlichen Unterlagen vor.
Der Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.04.2008 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem OEG, weil es am Nachweis einer Schädigung fehle.
Hiergegen hat der Kläger am 08.04.2008 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er trägt vor, das SG hätte nicht am 01.04.2008 durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen, weil im Ankündigungsschreiben vom 26.03.2008 versichert worden sei, eine Entscheidung werde nicht vor dem 15.04.2008 ergehen. Aus dem Arztbrief des Klinikums am W. W. vom 15.08.2003 ergebe sich, dass man ihn malträtiert habe. Im Brief der Bundespolizei vom 31.01.2007 werde bestätigt, welche Polizisten ihn aus dem Aufenthaltsraum abgeführt und bis zur Bewusstlosigkeit malträtiert hätten. Aus dem Rettungsprotokoll sei ersichtlich, dass er sich im Terminal 2 Bereich E zum Zeitpunkt des Notrufs aufgehalten habe. Aus den Ermittlungsakten könne man jedoch klar erkennen, dass er sich eigentlich im Terminal 1, Halle B hätte aufhalten müssen. Durch das Rettungsprotokoll werde damit bestätigt, dass die Aussage des Notarztes nicht stimme, der behauptet hatte, ihn im Aufenthaltsraum vorgefunden zu haben. Außerdem beweise dies ebenfalls, dass ihn die Polizei aus dem Aufenthaltsraum herausgeholt und bis zur Bewusstlosigkeit malträtiert habe. Dem Schreiben der Wache D590 vom 22.07.2003 sei zu entnehmen, dass er nicht transportfähig gewesen sei. Dies sei ihm am 23.07.2003 außerdem von einem Arzt bestätigt worden. Im Arztbrief des Krankenhauses F.-H. vom 10.09.2003 werde bestätigt, dass er seine Extremitäten nicht mehr habe bewegen können. Er habe deshalb weder essen noch trinken können. Auch die bewachenden Polizisten hätten ihm absichtlich nichts zum Essen und zum Trinken gegeben. Durch den Abschiebungsversuch sei er ferner Opfer einer Freiheitsberaubung geworden. Wie sich aus den Schreiben des Verwaltungsgerichts S. vom 06.10.2003 ergebe, sei das Regierungspräsidium Stuttgart nämlich nicht zuständig gewesen. Außerdem sei in seinem Pass eine Duldung bis 17.09.2003 eingetragen gewesen. Nachdem die Staatsanwaltschaft F. am Main das Ermittlungsverfahren gegen MedRat z.A. M., S. B., M. M., V. E. und T. G. mit Bescheid vom 28.07.2009 eingestellt hatte, hat der Kläger zuletzt vorgetragen, aus mehreren Arztbriefen seiner behandelnden Ärzte ergebe sich, dass er schon im Juli bzw. August 2003 Anzeige erstattet habe. Aus Widersprüchen betreffs der Frage, ob er einen Schwächeanfall erlitten oder eingeschlafen sei sowie des Zeitpunkts des Eintreffens im Klinikum H. ergebe sich, dass die Polizei nicht die Wahrheit gesagt habe. Auch der Arzt M. habe nicht die Wahrheit gesagt. Aus seinen Angaben vom 04.04.2007 sei klar ersichtlich, dass er nicht im Rückführungsbereich, sondern auf einem Flur misshandelt worden sei. Es gebe auf einem Flughafen keinen einzigen Flur, der nicht videoüberwacht sei. Die Polizistin B. habe ihn beim Eingang des Krankenhauses in Bad C. geschlagen und malträtiert. Eine Krankenschwester habe diesen Vorfall seinem Bruder und seiner Cousine erzählt. Der Kläger hat weitere ärztliche Unterlagen, u. a. das Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 22.09.2008 und das Schreiben des Allgemeinarztes T. an die Abschiebegruppe L. vom 24.07.2003 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 01.04.2008 und den Bescheid vom 15.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2008 aufzuheben, festzustellen, dass bei ihm eine beidseitige Schwerhörigkeit mit Tinnitus sowie eine posttraumatische Belastungsstörung Folgen eines tätlichen Angriffs im Sinne des OEG sind und den Beklagten zu verurteilen, ihm Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 60 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die frühere Berichterstatterin hat den Kläger am 24.09.2008 angehört. Polizeioberkommissar (POK) P. hat dem Senat auf Anfrage unter dem 08.10.2008 mitgeteilt, der Rückführungsbereich der Bundespolizeidirektion Flughafen F. sei weder am 22.07.2003 noch danach videoüberwacht worden. Frau T. vom Krankenhaus vom R. Bad C. hat am 23.10.2008 telefonisch mitgeteilt, dass die Notaufnahme dieses Krankenhauses nicht videoüberwacht ist. POK P. hat am 27.11.2008 telefonisch angegeben, nach seinen Ermittlungen würden die Eingänge im Krankenhaus F.-H. videoüberwacht, die Aufzeichnungen jedoch nach 48 Stunden gelöscht. Am 28.11.2008 hat POK P. seine Angaben dahingehend berichtigt, beim Krankenhaus Bad C. würden alle Eingänge überwacht, jedoch nach 48 Stunden automatisch gelöscht. Beim Krankenhaus H. werde nichts auf Video aufgezeichnet mit Ausnahme der Ausnüchterungsräumlichkeiten.
Der Senat hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft F. 3465 Js 206718/08 PZ zum Rechtsstreit beigezogen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Akten sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Zwar hätte das SG die Klage nicht am 01.04.2008 mit Gerichtsbescheid abweisen dürfen. In seinem Ankündigungsschreiben vom 26.03.2008 hat das SG dem Kläger nämlich mitgeteilt, die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid werde nicht vor dem 15.04.2008 ergehen. Dass der Kläger die ihm eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme am 31.03.2008 durch eine persönliche Vorsprache und Vorlage von Kopien aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten genutzt hat, berechtigte das SG nicht, schon tags darauf den Gerichtsbescheid zu erlassen. Der Kläger hat nämlich am 31.03.2008 erklärt, er sei mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden und beabsichtige noch weitere Unterlagen vorzulegen. Unter diesen Umständen konnte der Kläger damit rechnen, dass vor dem 15.04.2008 kein Gerichtsbescheid ergehen würde. Da ihm die Möglichkeit genommen wurde, die verbleibende Frist zur Vorlage von weiteren Unterlagen zu nutzen, wurde sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Das Verfahren des SG leidet deshalb an einem wesentlichen Mangel, der das LSG gemäß § 151 Abs. 1 Nr. 2 SGG berechtigt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Streitsache an das SG zurückzuverweisen. Im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens hat der Senat jedoch hiervon angesehen. Er hat dabei berücksichtigt, dass die Berufungsinstanz in vollem Umfang als zweite Tatsacheninstanz ausgestattet ist und dass prozessökonomischen Gesichtspunkten hierbei eine erheblich Bedeutung zukommt. Ferner hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger selbst immer wieder auf eine zügige Erledigung seines Rechtsstreits gedrängt hat.
Im Ergebnis ist der angefochtene Gerichtsbescheid aber nicht zu beanstanden. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid des Beklagten vom 15.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von Schädigungsfolgen nach dem OEG und auf die Gewährung von Beschädigtenrente.
Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält, wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Danach müssen u.a. die Gewalttat und die dadurch eingetretene gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhenden Gesundheitsstörungen (Schädigungsfolgen) erwiesen sein, während für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 45, 1, 9/10; 60, 58, 59). Für den vollen Nachweis ist ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, d.h. erforderlich ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, die ernste, vernünftige Zweifel ausschließt (ständige H.richterliche Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSGE 60, 58, 59 m.w.N. ; BSG SozR 3 3100 § 38 BVG Nr. 2). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSGE 19, 52,53; 30, 121, 123; 43, 110, 112 ).
Nach diesen Grundsätzen kommt der Senat ebenso wie das SG zu dem Ergebnis, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne von § 1 OEG nicht erwiesen ist.
Der Vortrag des Klägers, zwei Polizisten, die ihn im Krankenhaus in F.-H. bewacht hätten, hätten ihm die Unterhosen nach unten gezogen, um ihn dadurch zu veranlassen, die Unterhose selbst wieder hochzuziehen, ist unschlüssig, weil er das Begehren nicht stützt. Dies würde nämlich keinen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG darstellen. Auch nach dem Vortrag des Klägers zielte diese Handlung nicht unmittelbar auf seine körperliche Integrität. Denkbar erscheint vielmehr, dass der Kläger hierdurch veranlasst werden sollte, die von ihm demonstrierte Bewegungsunfähigkeit der oberen Extremitäten aufzugeben. Der Kläger selbst sah auch eine Absicht, ihn bloßzustellen, insbesondere deshalb, weil ihm die Polizisten gedroht hätten, die Krankenschwester ins Zimmer zu rufen. Ein derartiges Verhalten mag den Tatbestand der Beleidigung(§ 185 StGB), ggf. auch der versuchten Nötigung (§ 240 StGB) erfüllen. Es beinhaltet jedoch keine Körperverletzung. Beleidigende Vorgänge fallen auch dann nicht unter den Begriff des tätlichen Angriffs, wenn das dadurch missachtete, herabgesetzte, sozial ausgegrenzte oder gar geächtete Opfer psychisch erkrankt. Denn für die Anwendung des OEG ist von seinem Grundgedanken auszugehen, dass nur Opfer von Gewalttaten entschädigt werden sollen. Das OEG deckt mithin nicht alle - sonstigen - aus dem Gesellschaftsleben folgenden Verletzungsrisiken ab. Auch die Opfer von Straftaten werden nicht ausnahmslos, sondern nur als Betroffene einer mit Gewaltanwendung verbundenen Straftat entschädigt. Da eine solche ausgehend von dem Vortrag des Klägers nicht vorläge, kann offen bleiben, ob seine dementsprechenden Behauptungen, für die er sich auf das Zeugnis seines Bruder M. I. berufen hat, wahr sind oder nicht.
Ebenso wenig führt der Vortrag des Klägers, er sei Opfer einer Freiheitsberaubung geworden, zum Erfolg. Zwar hat das BSG, dem der Senat darin folgt, mit Urteil vom 30.11.2006 - B 9a VG 4/05 R (SozR 4 - 3800 § 1 Nr. 10) entschieden, dass eine Freiheitsberaubung jedenfalls dann ein tätlicher Angriff ist, wenn sie auch durch den Einsatz körperlicher Gewalt erfolgt. Die Beamten, die den Kläger am Morgen des 22.07.2003 in H. festgenommen und nach F. verbracht haben, haben jedoch ebenso wenig rechtswidrig gehandelt, wie die übrigen Beamten, die den Kläger während und nach dem Abschiebeversuch vom 22.07.2003 bewacht haben. Sie haben ausschließlich Anweisungen befolgt, die ihnen als Vollzugsbeamte erteilt waren. Bei Befehls- oder Auftragsverhältnissen wird es für einen rechtmäßigen Eingriff als ausreichend angesehen, wenn der Amtsträger eine für ihn verbindliche Weisung im Vertrauen auf deren Rechtmäßigkeit befolgt hat (sog. strafrechtlicher Rechtmäßigkeitsbegriff, vgl. Leipziger Komm. zum StGB, Vorbemerkung 235 zu §§ 32 ff. StGB und Rdz. 34-40 zu § 113 StGB, BGHSt 4, 161, 164; KG NJW 1972, 781). Selbst wenn die den Beamten erteilten Anweisungen rechtswidrig gewesen wären, wären die Beamten nicht berechtigt gewesen, ihnen nicht Folge zu leisten (vgl. etwa § 75 Abs. 2 des baden-württembergischen Landesbeamtengesetzes). Außerdem haben sie erkennbar weder in feindlicher Willensrichtung noch in rechtsfeindlicher Weise gehandelt. Es ist deshalb im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, ob das Regierungspräsidium Stuttgart für die Anordnung der Abschiebungsmaßnahme am 22.07.2003 zuständig war oder nicht und ob ihr etwa eine bis 17.09.2003 erteilte Duldung entgegenstand.
Soweit der Kläger vorgetragen hat, die ihn bewachenden Vollzugsbeamten hätten ihm auf dem F. Flughafen über einen langen Zeitraum kein Wasser zu trinken gegeben, worauf er umgekippt sei, kann hierin ein "tätlicher Angriff" nur dann gesehen werden, wenn bei Vorliegen einer sogenannten Garantenstellung ein Unterlassen hierfür ausreicht. Einigkeit besteht bisher lediglich darüber, dass echte Unterlassungsdelikte wie z.B. die unterlassene Hilfeleistung im Sinne des § 323 c StGB die Annahme eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht rechtfertigen können. Nicht geklärt ist dagegen, ob ein Unterlassen, das beispielsweise zu einer Körperverletzung geführt hat, anspruchsbegründend sein kann. Das BSG hat diese Frage bisher offen gelassen (vgl. die Nachweise bei Heinz, OEG, 2007, Randziffer 107 bis 109 zu § 1 sowie LSG Niedersachen-Bremen vom 14.12.2005 - L 5 VG 1/03, zitiert nach Juris). Auch der Senat kann diese Frage offen lassen, weil nicht nachgewiesen ist, dass die Vollzugsbeamten dem Kläger trotz entsprechender Bitten kein Wasser zu trinken gegeben haben. Die an der Bewachung im Flughafen beteiligten Bundespolizeibeamten Polizeihauptmeister (PHM) M. und PHM G. haben gegenüber der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Flughafen F. am 14. bzw. 15.05.2008 - auch nach Vorhalt der Fotokopie eines Lichtbildes des Klägers aus dem Jahr 2003 - erklärt, sie könnten sich an den Abschiebevorgang nicht mehr erinnern. Im Hinblick auf die verstrichene Zeit von fast fünf Jahren und dem Umstand, dass seit dem Jahr 2003 auf dem F. Flughafen über 40000 Rückführungen durchgeführt worden sind, erscheint dies glaubhaft.
Ebenso wenig ist nachgewiesen, dass der Kläger im Bereich des F. Flughafens geschlagen, in den Arm gezwickt, an den Haaren gezogen, hochgehoben und einfach wieder fallen gelassen worden ist. PHM M. und PHM G. haben entsprechende Vorwürfe bei ihrer Vernehmung durch die Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Flughafen F. am 14. bzw. 15.05.2008 mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Dies ist nicht etwa deshalb unglaubhaft, weil die Beamten - wie ausgeführt - in diesem Zusammenhang erklärt haben, sie könnten sich an den Abschiebevorgang nicht erinnern. Denn dem Vorbringen des Klägers entsprechende Handlungen wären aufgrund ihres Ausnahmecharakters in einem Maße einschneidend, dass eine Erinnerung der Beamten zu erwarten wäre. Ein Nachweis durch Videoaufnahmen ist nicht möglich, weil der Rückführungsbereich der Bundespolizeidirektion Flughafen F. weder am 22.07.2003 noch danach videoüberwacht worden ist. Der Senat hat keinen Anlass, an der entsprechenden Mitteilung von POK P. zu zweifeln. Davon abgesehen wären entsprechende Aufnahmen heute aus Gründen des Datenschutzes längst gelöscht. Zutreffend hat im Übrigen die Staatsanwaltschaft F. darauf hingewiesen, der Kläger habe die heute nur noch beschränkt möglichen Ermittlungsmöglichkeiten durch sein langes Zuwarten selbst zu vertreten. Soweit der Kläger dies damit erklärt hat, er sei von zwei Polizisten bei der Rückfahrt von F. nach Bad C. am 24.07.2003 massiv eingeschüchtert worden, überzeugt den Senat dies als Begründung nicht. Denn er musste sich klar sein, dass auch noch sein im Juli 2006 gestellter Antrag auf Versorgung nach dem OEG Anlass für Ermittlungen geben würde.
Soweit der Kläger vorgetragen hat, aus der Krankentransportmeldung ("Rettungsprotokoll") vom 22.07.2003 ergebe sich, dass er im Terminal 2 im Bereich E abgeholt worden sei, während er sich eigentlich im Terminal 1, Halle B hätte aufhalten müssen, ist diese Argumentation in Bezug auf den vom Kläger behaupteten tätlichen Angriff unschlüssig. Dem Schreiben des Regierungspräsidiums Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - an den Bundesgrenzschutz Flughafen F. vom 08.07.2003 ist lediglich zu entnehmen, dass die Reisedokumente des Klägers bei Airline-Schalter L. Citycenter in Terminal 1, Halle B, Schalter 311-312 hinterlegt seien. Dass er sich am 22.07.2003 tatsächlich in Terminal 1 aufgehalten hat, geht daraus nicht hervor. Aus einem etwaigen Wechsel des Aufenthaltsortes könnte im Übrigen kein Schluss auf stattgehabte Misshandlungen gezogen werden. Soweit im ärztlichen Befundbericht des MedR z.A. M. vom 22.07.2003 ausgeführt wird, der Kläger sei im Aufenthaltsraum schlafend vorgefunden worden, stimmt dies mit der Rückführungsdokumentation Teil II Bl. 15 der StA-Akten überein, in der als Ort des polizeilichen Gewahrsams Raum "AHR I" angegeben wird. Die vom Kläger aufgestellte Behauptung, MedR z.A. M. habe in seinem Bericht den Aufenthaltsort falsch angegeben, erweist sich damit als haltlos.
Der Vortrag des Klägers, er habe auch in der Psychiatrischen Klinik in F. H. nichts zu trinken und zu essen bekommen, wird durch den Inhalt des Entlassungsberichts dieser Klinik vom 10.09.2003 widerlegt. Daraus geht zunächst hervor, dass während der stationären Behandlung vom 22. bis 23.07.2003 in der Klink für Innere Medizin der Städtischen Kliniken F. am Main-H. durch die dort durchgeführten kardiologischen Untersuchungen keine organische Ursache der vom Kläger gezeigten Symptomatik gefunden werden konnte. In der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie desselben Krankenhauses wurde festgestellt, dass der Kläger durchaus in der Lage war, seine Extremitäten zu bewegen, jedoch nur selten davon Gebrauch machte. Er ließ sich zwar eine Schnabeltasse o. ä. reichen, versorgte sich jedoch nicht ausreichend mit Flüssigkeit. Dies nahm die Klinik zum Anlass, ihm Infusionen zu verabreichen.
Der Vortrag des Klägers, er sei von MedR z.A. M. eine Stunde lang untersucht worden, obwohl er in Ohnmacht gelegen sei; der Notarztwagen sei zu spät angefordert worden, ist unschlüssig. Dasselbe gilt für den Vortrag des Klägers, er hätte am 24.07.2003 nicht von F. H. nach S. transportiert werden dürfen, weil er nicht transportfähig gewesen sei. Der Kläger selbst macht insoweit auch keinen tätlichen Angriff, sondern nur eine Verletzung seiner "Menschenrechte" und seiner "Patientenrechte" geltend. Der Senat vermag derartige Verletzungen nicht zu erkennen. Davon abgesehen kommt es im vorliegenden Verfahren wegen Entschädigung nach dem OEG ausschließlich darauf an, ob der Kläger Opfer eines tätlichen Angriffs i. S. des § 1 Abs. 1 OEG geworden ist. Hierzu hat das BSG zunächst ausgeführt, erforderlich sei eine feindliche, auf Rechtsbruch abzielende Einstellung, weshalb unter einem tätlichen Angriff ein gewaltsames, handgreifliches Vorgehen gegen eine Person in kämpferischer, feindseliger Absicht zu verstehen sei (vgl. etwa BSGE 59, 46). In späteren Entscheidungen wurde zwar die sogenannte "feindliche Willensrichtung" aufgegeben, jedoch stattdessen das Merkmal der "Rechtsfeindlichkeit" gefordert (vgl. Heinz, a. a. O, Randziffer 72 zu § 1 OEG mN.). Weder durch die Untersuchung durch MedR z. A. M. noch durch die Entscheidung über den Transport von F. nach S. wurde jedoch gewaltsam gegen die Integrität des Klägers vorgegangen. Auch fehlt eine rechtsfeindliche Absicht. Im Übrigen hat die behandelnde Ärztin Dr. W.-T., wie sich aus dem Bericht der Direktion Sonderdienste des Polizeipräsidiums F. vom 24.07.2003 ergibt, einem Liegendtransport am 24.07.2003 zugestimmt, obwohl sie den Kläger am 23.07.2003 ausweislich der Stellungnahme Blatt 13 der StA-Akten noch nicht für transportfähig gehalten hatte.
Dass eine Polizeiärztin den Kläger in den Kliniken F.-H. und/oder beim Eintreffen in der Klinik vom R. in Bad C. geschlagen hat, ist ebenfalls nicht erwiesen. Die Ermittlungen der StA haben nämlich ergeben, dass bei der Bundespolizei zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt keine Polizeiärztin beschäftigt war. Soweit der Kläger am 02.12.2008 vorgetragen hat, möglicherweise sei er auch von einer Polizistin in der Notaufnahme des Krankenhauses vom R. in Bad C. geschlagen worden, hält der Senat die entsprechenden Angaben des Klägers wegen zahlreicher Widersprüche nicht für glaubhaft. Im Antragsschreiben der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 03.07.2006 ist noch nicht davon die Rede, der Kläger sei (auch) beim Eintreffen in der Klinik in Bad C. geschlagen worden. Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 04.04.2007 hat der Kläger dann gegenüber POK P. vom Polizeiposten Untergruppenbach angegeben, am Eingang des Krankenhauses in Bad C. sei er von einer jüngeren Frau mit lockigen Haaren in Zivil empfangen worden, die ihn gefragt habe, ob er Herr I. sei. Als er dies bejaht habe, habe sie ihn geschlagen. Zuletzt hat der Kläger mit seiner Beschwerde vom 13.08.2009 gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft F. vom 28.07.2009 vorgetragen, Frau B. habe ihn beim Eingang des Krankenhauses in Bad C. geschlagen und malträtiert vor den Augen einer (nicht benannten) Krankenschwester. S. B. hatte den Kläger jedoch ebenso wie M. St. auf dem Transport von F.-H. nach Stuttgart Bad C. bewacht, wobei offen bleiben kann, ob die Polizisten B. und St. den Kläger im Streifenwagen begleitet haben oder im Krankenwagen mitgefahren sind, woran sich M. St. bei seiner Vernehmung am 18.06.2008 durch die Bundespolizeidirektion Flughafen F. nicht mehr erinnern konnte. Jedenfalls war S. B. dem Kläger vor der Ankunft in Bad C. als ihn während des Transports bewachende Polizistin bekannt. Dies hat der Kläger in seiner Erklärung vom 02.12.2008 auf der Gemeindeverwaltung F. klar zum Ausdruck gebracht, in der er selbst ausgeführt hat, Frau B. habe ihn von F. nach Stuttgart begleitet. Damals hat er noch angegeben, eine "Ärztin oder Beamtin" habe ihm nach der Ankunft im Krankenhaus in Bad C. Schläge gegen die Brust versetzt. Soweit der Kläger am 02.12.2008 weiter angegeben hat, Frau B. habe ihn "nach polizeilicher Art" untersuchen wollen, erscheint dies ungereimt.
Ein Nachweis durch Videoaufzeichnungen ist heute nicht mehr möglich. Zwar werden bei dem Krankenhaus vom R. in Bad C. ausweislich der Ermittlungen von POK P. sämtliche Eingänge videoüberwacht, die Aufzeichnungen jedoch nach 48 Stunden automatisch gelöscht. Da der Kläger erst drei Jahre nach den angeschuldigten Vorfällen Versorgung nach dem OEG beantragt hat, bestanden keinerlei Möglichkeiten mehr, Videoaufzeichnungen beizuziehen.
Gegen die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, er habe mehrfach Schläge erhalten und sei "malträtiert" worden, spricht auch der Umstand, dass in keinem der aktenkundigen Arztbriefe, Atteste und Entlassungsberichte äußerlich sichtbare Spuren von Misshandlungen beschrieben werden. Insbesondere im "Ärztlichen Befundbericht" des MedR z. A. M. vom 22.07.2003 und im Arztbrief der Klinik für Innere Medizin der Städtischen Kliniken F.-H. vom 23.07.2003 (Blatt 132 LSG-Akte), wo der Kläger noch am 22.07.2003 untersucht worden ist, wäre dann die Beschreibung von Rötungen, Striemen, Blutergüssen, Schürfungen oder Schwellungen zu erwarten gewesen. Nichts dergleichen findet sich in den aktenkundigen medizinischen Unterlagen.
Für widerlegt hält der Senat auch die Behauptung des Klägers vom 04.04.2007, er sei nach den Misshandlungen durch die bewachenden Polizeibeamten im F. Flughafen bewusstlos geworden und erst wieder im Krankenhaus - bei dem es sich nur um die Städtischen Kliniken F.-H. handeln kann - aufgewacht (Bl. 31 StA-Akte). Dagegen sprechen nämlich die im Bericht von MedR z. A. M. vom 22.07.2003 wiedergegebenen Befunde. Wenn der Kläger dort als "schwer erweckbar" bezeichnet wurde, heißt dies, dass er - zwar erst nach längerer Zeit, aber immerhin - zum Bewusstsein gekommen ist. Anders wäre auch nicht zu erklären, dass MedR z. A. M. die Vitalfunktionen, die sich als intakt erwiesen, und die Pupillenreaktion prüfen konnte, die sich als seitengleich erwies. Unter diesen Umständen sieht der Senat auch keinen Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, die MedR z. A. M. am 03.06.2008 gegenüber der Bundespolizeidirektion Flughafen F. (Bl. 175 bis 177 StA-Akte) gemacht hat, wonach der Kläger zum Zeitpunkt seiner Untersuchung ansprechbar war. Gegen die Verlässlichkeit dieser Aussage spricht auch nicht, dass MedR z. A. M. zunächst angegeben hat, er erinnere sich bei der Vielzahl der jedes Jahr vorkommenden Untersuchungen nicht an die Untersuchung des Klägers vom Juli 2003. Denn seine folgenden Angaben hat er nach Vorhalt seines Befundberichts vom 22.07.2003 gemacht, der als Gedächtnisstütze diente und Schlussfolgerungen aus dem beschriebenen Befund zuließ.
Soweit der Kläger vorgetragen hat, aus mehreren Arztbriefen und Attesten ergebe sich, dass er geschlagen und misshandelt worden sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass in keiner der aktenkundigen medizinischen Unterlagen Verletzungsfolgen beschrieben werden und von Schlägen oder sonstigen Misshandlungen nur im Rahmen der anamnestischen Angaben des Klägers die Rede ist. Beispielsweise werden diese Angaben im "Kurzbrief" des Klinikums am W. vom 15.08.2003 ausführlich in indirekter Rede wiedergegeben.
Unter diesen Umständen, insbesondere unter Würdigung der widerspruchsvollen und insgesamt wenig glaubhaften Angaben des Klägers, sieht der Senat keinen Anlass für weitere Ermittlungen, die außerdem schon wegen der seit dem Abschiebeversuch vergangenen Zeit von mehr als sechs Jahren kaum Erfolg versprechen. Entsprechende Ermittlungen hat der Kläger im Übrigen weder angeregt, noch beantragt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Strittig ist die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Der 1960 geborene Kläger ist bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger. Mit Schreiben vom 08.07.2003 wies das Regierungspräsidium S. - Bezirksstelle für Asyl - die Polizeidirektion H. an, den Kläger am 22.07.2003 in seiner Wohnung in H. festzunehmen, zum Flughafen F. zu verbringen und dort dem Bundesgrenzschutz zu überstellen. Der Kläger sei gemäß vollziehbarer Abschiebungsandrohung seit 31.12.1998 zur Ausreise verpflichtet. Abflugzeit sei 12:05 Uhr. Dem entsprechend wurde der Kläger in den frühen Morgenstunden des 22.07.2003 durch Kräfte der Abschiebegruppe L. in seiner Wohnung abgeholt, nach F. verbracht und gegen 9:10 Uhr durch Beamte der Zentralen Rückführungsgruppe der Bundespolizei übernommen. Als er gegen 11:20 Uhr zum bereitgestellten Flugzeug verbracht werden sollte, entstand bei den bewachenden Beamten der Eindruck, der Kläger habe einen Schwächeanfall erlitten. Er wurde deshalb dem Medizinalrat (MedR) z.A. M. vom Ärztlichen Dienst des Bundesgrenzschutzamts vorgestellt. Ausweislich von dessen ärztlichem Befundbericht vom 22.07.2003 dauerte die Untersuchung von 11:15 Uhr bis 12:15 Uhr. Zum Befund wird ausgeführt, der Kläger sei anlässlich der bevorstehenden Abschiebemaßnahme schlafend im Aufenthaltsraum vorgefunden worden. Bei seiner Untersuchung sei er nur schwer erweckbar gewesen. Die Vitalfunktionen seien intakt gewesen. Zum Ausschluss einer Intoxikation erbat MedR M. eine stationäre Überwachung. Um 13:13 Uhr wurde der Kläger ausweislich der vorliegenden Krankentransportmeldung mit dem Rettungswagen zum Krankenhaus F.-H. abtransportiert. Dort befand er sich vom 22. bis 23.07.2003 in stationärer Behandlung der Klinik für Innere Medizin, Abteilung 1 und vom 23. bis 24.07.2003 in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Städtischen Kliniken F. Nach seiner Einlieferung in der Klinik für Innere Medizin war er zunächst nicht ansprechbar und bewegte die Extremitäten nicht. Eine organische Ursache dieser Symptomatik konnte nicht eruiert werden. Die kardiologische Untersuchung und ein craniales Computertomogramm waren unauffällig. Nach konsiliarärztlicher Untersuchung wurde der Kläger deshalb in die Klink für Psychiatrie und Psychotherapie desselben Krankenhauses verlegt. Obwohl er in der Lage war, seine Extremitäten zu bewegen, machte er hiervon nur selten Gebrauch und ließ sich eine Schnabeltasse o. ä. reichen. Da er nicht ausreichend trank, erhielt er am Tag seiner Entlassung eine Infusion. In den Entlassungsberichten der genannten Kliniken vom 23.07.2003 und 10.09.2003 finden sich die Diagnosen "psychischer Ausnahmezustand bei akuter Belastungssituation (Ausweisung)" bzw. "akute Belastungsreaktion mit dissoziativen Symptomen". Am 24.07.2003 wurde er mit einem Krankenwagen in das Krankenhaus vom R. in S. überführt, auf dessen Innerer Abteilung er bis 30.07.2003 wegen einer akuten Belastungsreaktion und Exsikkose behandelt wurde (Entlassungsbericht vom 26.08.2003). Am 25.07.2003 wurde der Kläger konsiliarisch von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dr. B. untersucht, welche einen Schock und eine akute Belastungsreaktion mit dissoziativer Symptomatik bestätigte und eine weitere Abklärung und Behandlung in einer psychiatrischen Klinik empfahl (Arztbrief vom 25.07.2003). Daraufhin wurde der Kläger vom 30.07. bis 15.08.2003 in der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums am W. in W. wegen dissoziativer, kombinierter Störungen und eines Zustands nach dissoziativem Stupor und dissoziativen Bewegungsstörungen (Arztbrief vom 15.08.2003) und vom 24.09. bis 21.10.2003 in der Psychosomatischen Klinik Bad N. (Entlassungsbericht vom 06.11.2003 mit den Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung und dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen) stationär behandelt.
Am 06.07.2006 beantragte der Kläger bei dem damaligen Versorgungsamt H. die Gewährung von Versorgung nach dem OEG. Er trug vor, bei dem Abschiebeversuch sei es am F. Flughafen zu tätlichen Übergriffen seitens der Vollzugsbeamten gekommen. So habe man ihm über einen langen Zeitraum kein Wasser zu trinken gegeben, worauf er umgekippt sei und sich nicht mehr habe bewegen können. Die Vollzugsbeamten hätten ihm dies nicht abgenommen, ihn am Boden geschleift, an den Haaren gezogen und geschlagen. In der Psychiatrischen Klinik in F. sei er ständig von der Polizei überwacht worden, habe nichts zu trinken und zu essen bekommen und sei ständig beleidigt worden. Auch sei er von der Polizeiärztin geschlagen worden. Seit diesem Vorfall leide er unter schweren psychischen und physischen Schäden, u. a. unter einer Innenohrschwerhörigkeit mit beidseitigem Tinnitus. Er legte u. a. den Arztbrief der Universitäts-HNO-Klink H. vom 16.06.2004 (Innenohrschwerhörigkeit beidseits), das undatierte Attest der HNO-Ärztin B. (Behandlung wegen Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus seit 19.11.2003) und die Atteste der behandelnden Ärztin für Psychiatrie und Neurologie E. vom 03.09.2004 und 29.11.2005 (seit 30.10.2003 Behandlung wegen einer posttraumatischen Belastungsreaktion und einer chronischen, schwer behandelbaren Depression) vor. Auf die Anfrage, warum er keine Strafanzeige gestellt habe, antwortete der Kläger unter dem 24.08.2006, er sei nach dem Vorfall vom 22.07.2003 massiv eingeschüchtert worden. Zwei Polizisten hätten ihm bei der Fahrt von F. nach Bad C. wörtlich erklärt: " Wenn du ein Wort darüber sagst, was hier passiert ist, bekommst du zehnmal mehr!".
Das zuständige Hessische Amt für Versorgung und Soziales F. (VA) trat in Ermittlungen ein. Auf Anfrage gab Polizeirat W. vom Bundespolizeiamt Flughafen F. unter dem 23.10.2006 an, die Sachverhaltsdarstellung des Klägers hinsichtlich seiner auf den 22.07.2003 anberaumten Rückführung entspreche nicht den Tatsachen. Wegen des Schwächeanfalls sei die Maßnahme abgebrochen, der Kläger dem Bundespolizeiarzt vorgestellt und nach dessen ärztlicher Erstversorgung gegen 13 Uhr rücküberstellt worden. A. H., eine Cousine des Klägers, gab unter dem 03.11.2006 an, der Bruder des Klägers M. I. und sie hätten den Kläger am Abend des 22.07.2003 in der Klinik in F.-H. besucht. Obwohl er bewusstlos im Bett gelegen sei, sei er von zwei bewaffneten Polizisten wie ein Schwerverbrecher bewacht worden. Obwohl sie ihn mehrmals angesprochen habe, habe er darauf nicht reagiert, sondern nur immer wieder nach seiner Mutter gerufen. M. I. gab unter dem 02.11.2006 an, am 22.07.2003 seien früh morgens zwischen 4 und 5 Uhr zwei Polizeibeamte in ihrer gemeinsamen Wohnung erschienen und hätten erklärt, dass sein Bruder gleich mit ihnen mitkommen müsse, weil er Deutschland verlassen müsse. Die Beamten hätten seinen Bruder, der einen Schlafanzug und Hausschuhe angehabt habe, gepackt, hätten ihm Handschellen angelegt und ihn zum Auto geführt. Einer der Beamten sei zurückgekommen, um mit ihm eine Reisetasche mit den nötigsten Sachen und 1.000 Euro zusammenzupacken. Er habe seinem Bruder auf dessen Angabe, sein Mund sei sehr trocken, eine Flasche Wasser ins Auto gebracht. Bei seinem Besuch am Abend des 22.07.2003 in der Klinik F.-H. sei es ihm nicht gelungen, mit seinem Bruder zu sprechen, der regungslos auf dem Bett gelegen sei. Seine Unterhosen seien bis zu den Knien heruntergezogen gewesen. Bei einem späteren Gespräch habe ihm ein Arzt erklärt, man könne den Vorfall vom F. Flughafen mit Hilfe einer Videoaufzeichnung beweisen. Außerdem habe er von Ärzten in Bad C. erfahren, dass eine Ärztin der Polizei, die seinen Bruder dort erwartet habe, diesen geschlagen und malträtiert habe. Dies könne der Notarzt, der seinen Bruder ins Krankenhaus vom R. in Bad C. eingeliefert habe, bezeugen. Unter dem 12.11.2006 ergänzte M. I., auf Videoaufzeichnungen vom Noteinlieferungsbereich des Krankenhauses in Bad C. müsse zu erkennen sein, welcher Arzt seinen Bruder dort eingeliefert habe. Polizeioberrat M. vom Bundespolizeiamt Flughafen F. teilte dem VA mit Schreiben vom 04.12.2006 mit, zu den vom Kläger behaupteten Übergriffen der seinerzeit amtshandelnden Polizeibeamten auf dem F. Flughafen lägen keine Erkenntnisse vor. Der Kläger sei um 14 Uhr stationär in der Klinik in F.-H. aufgenommen worden und dort am 24.07.2003 um 16:30 Uhr wieder entlassen worden. Eine Polizeiärztin sei bei der dortigen Bundespolizeibehörde nicht beschäftigt (gewesen). Da der vom Kläger geschilderte Sachverhalt den Anfangsverdacht einer Straftat gemäß § 340 des Strafgesetzbuchs (StGB) impliziere, werde er den Vorgang der hierfür zuständigen Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht F. vorlegen.
Mit Bescheid vom 15.02.2007 lehnte es das VA ab, dem Kläger Versorgung nach dem OEG zu gewähren. Nach dem Ergebnis der Sachaufklärung seien Schläge durch Polizisten während der Abschiebung nicht nachweisbar.
Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, er habe während seines Aufenthalts in der Abschiebeabteilung des F. Flughafens über Kopf- und Bauchschmerzen geklagt und dem wachhabenden Polizisten zu verstehen gegeben, er brauche unbedingt einen Arzt. Eine Reaktion darauf sei nicht erfolgt. Letztendlich sei er zusammengebrochen und es sei ihm immer schlechter gegangen. Sechs Polizisten hätten ihn daraufhin zu Boden geworfen, durch den Flughafen geschleppt, geschlagen, in den Arm gezwickt, an den Haaren gezogen, ihn hochgehoben und einfach wieder fallen gelassen. Anschließend sei er im Krankenhaus ebenfalls menschenunwürdig behandelt worden. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 08.01.2008).
Hiergegen erhob der Kläger am 23.01.2008 Klage bei dem Sozialgericht Heilbronn (SG). Er nahm auf die Begründung seines Widerspruchs Bezug und trug weiter vor, er sei vom Notarzt eine Stunde untersucht worden, obwohl er in Ohnmacht gelegen sei. Erst um 12:44 Uhr habe die Polizei einen Notarztwagen gerufen, der 12:51 Uhr gekommen sei. Erst um 13:13 Uhr sei erlaubt worden, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Dadurch seien seine Menschenrechte und seine Patientenrechte verletzt worden. Der Kläger legte zahlreiche Kopien von Schriftstücken aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft F. und von ärztlichen Unterlagen vor.
Der Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.04.2008 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem OEG, weil es am Nachweis einer Schädigung fehle.
Hiergegen hat der Kläger am 08.04.2008 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er trägt vor, das SG hätte nicht am 01.04.2008 durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen, weil im Ankündigungsschreiben vom 26.03.2008 versichert worden sei, eine Entscheidung werde nicht vor dem 15.04.2008 ergehen. Aus dem Arztbrief des Klinikums am W. W. vom 15.08.2003 ergebe sich, dass man ihn malträtiert habe. Im Brief der Bundespolizei vom 31.01.2007 werde bestätigt, welche Polizisten ihn aus dem Aufenthaltsraum abgeführt und bis zur Bewusstlosigkeit malträtiert hätten. Aus dem Rettungsprotokoll sei ersichtlich, dass er sich im Terminal 2 Bereich E zum Zeitpunkt des Notrufs aufgehalten habe. Aus den Ermittlungsakten könne man jedoch klar erkennen, dass er sich eigentlich im Terminal 1, Halle B hätte aufhalten müssen. Durch das Rettungsprotokoll werde damit bestätigt, dass die Aussage des Notarztes nicht stimme, der behauptet hatte, ihn im Aufenthaltsraum vorgefunden zu haben. Außerdem beweise dies ebenfalls, dass ihn die Polizei aus dem Aufenthaltsraum herausgeholt und bis zur Bewusstlosigkeit malträtiert habe. Dem Schreiben der Wache D590 vom 22.07.2003 sei zu entnehmen, dass er nicht transportfähig gewesen sei. Dies sei ihm am 23.07.2003 außerdem von einem Arzt bestätigt worden. Im Arztbrief des Krankenhauses F.-H. vom 10.09.2003 werde bestätigt, dass er seine Extremitäten nicht mehr habe bewegen können. Er habe deshalb weder essen noch trinken können. Auch die bewachenden Polizisten hätten ihm absichtlich nichts zum Essen und zum Trinken gegeben. Durch den Abschiebungsversuch sei er ferner Opfer einer Freiheitsberaubung geworden. Wie sich aus den Schreiben des Verwaltungsgerichts S. vom 06.10.2003 ergebe, sei das Regierungspräsidium Stuttgart nämlich nicht zuständig gewesen. Außerdem sei in seinem Pass eine Duldung bis 17.09.2003 eingetragen gewesen. Nachdem die Staatsanwaltschaft F. am Main das Ermittlungsverfahren gegen MedRat z.A. M., S. B., M. M., V. E. und T. G. mit Bescheid vom 28.07.2009 eingestellt hatte, hat der Kläger zuletzt vorgetragen, aus mehreren Arztbriefen seiner behandelnden Ärzte ergebe sich, dass er schon im Juli bzw. August 2003 Anzeige erstattet habe. Aus Widersprüchen betreffs der Frage, ob er einen Schwächeanfall erlitten oder eingeschlafen sei sowie des Zeitpunkts des Eintreffens im Klinikum H. ergebe sich, dass die Polizei nicht die Wahrheit gesagt habe. Auch der Arzt M. habe nicht die Wahrheit gesagt. Aus seinen Angaben vom 04.04.2007 sei klar ersichtlich, dass er nicht im Rückführungsbereich, sondern auf einem Flur misshandelt worden sei. Es gebe auf einem Flughafen keinen einzigen Flur, der nicht videoüberwacht sei. Die Polizistin B. habe ihn beim Eingang des Krankenhauses in Bad C. geschlagen und malträtiert. Eine Krankenschwester habe diesen Vorfall seinem Bruder und seiner Cousine erzählt. Der Kläger hat weitere ärztliche Unterlagen, u. a. das Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 22.09.2008 und das Schreiben des Allgemeinarztes T. an die Abschiebegruppe L. vom 24.07.2003 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 01.04.2008 und den Bescheid vom 15.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2008 aufzuheben, festzustellen, dass bei ihm eine beidseitige Schwerhörigkeit mit Tinnitus sowie eine posttraumatische Belastungsstörung Folgen eines tätlichen Angriffs im Sinne des OEG sind und den Beklagten zu verurteilen, ihm Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 60 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die frühere Berichterstatterin hat den Kläger am 24.09.2008 angehört. Polizeioberkommissar (POK) P. hat dem Senat auf Anfrage unter dem 08.10.2008 mitgeteilt, der Rückführungsbereich der Bundespolizeidirektion Flughafen F. sei weder am 22.07.2003 noch danach videoüberwacht worden. Frau T. vom Krankenhaus vom R. Bad C. hat am 23.10.2008 telefonisch mitgeteilt, dass die Notaufnahme dieses Krankenhauses nicht videoüberwacht ist. POK P. hat am 27.11.2008 telefonisch angegeben, nach seinen Ermittlungen würden die Eingänge im Krankenhaus F.-H. videoüberwacht, die Aufzeichnungen jedoch nach 48 Stunden gelöscht. Am 28.11.2008 hat POK P. seine Angaben dahingehend berichtigt, beim Krankenhaus Bad C. würden alle Eingänge überwacht, jedoch nach 48 Stunden automatisch gelöscht. Beim Krankenhaus H. werde nichts auf Video aufgezeichnet mit Ausnahme der Ausnüchterungsräumlichkeiten.
Der Senat hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft F. 3465 Js 206718/08 PZ zum Rechtsstreit beigezogen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Akten sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Zwar hätte das SG die Klage nicht am 01.04.2008 mit Gerichtsbescheid abweisen dürfen. In seinem Ankündigungsschreiben vom 26.03.2008 hat das SG dem Kläger nämlich mitgeteilt, die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid werde nicht vor dem 15.04.2008 ergehen. Dass der Kläger die ihm eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme am 31.03.2008 durch eine persönliche Vorsprache und Vorlage von Kopien aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten genutzt hat, berechtigte das SG nicht, schon tags darauf den Gerichtsbescheid zu erlassen. Der Kläger hat nämlich am 31.03.2008 erklärt, er sei mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden und beabsichtige noch weitere Unterlagen vorzulegen. Unter diesen Umständen konnte der Kläger damit rechnen, dass vor dem 15.04.2008 kein Gerichtsbescheid ergehen würde. Da ihm die Möglichkeit genommen wurde, die verbleibende Frist zur Vorlage von weiteren Unterlagen zu nutzen, wurde sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Das Verfahren des SG leidet deshalb an einem wesentlichen Mangel, der das LSG gemäß § 151 Abs. 1 Nr. 2 SGG berechtigt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Streitsache an das SG zurückzuverweisen. Im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens hat der Senat jedoch hiervon angesehen. Er hat dabei berücksichtigt, dass die Berufungsinstanz in vollem Umfang als zweite Tatsacheninstanz ausgestattet ist und dass prozessökonomischen Gesichtspunkten hierbei eine erheblich Bedeutung zukommt. Ferner hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger selbst immer wieder auf eine zügige Erledigung seines Rechtsstreits gedrängt hat.
Im Ergebnis ist der angefochtene Gerichtsbescheid aber nicht zu beanstanden. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid des Beklagten vom 15.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von Schädigungsfolgen nach dem OEG und auf die Gewährung von Beschädigtenrente.
Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält, wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Danach müssen u.a. die Gewalttat und die dadurch eingetretene gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhenden Gesundheitsstörungen (Schädigungsfolgen) erwiesen sein, während für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 45, 1, 9/10; 60, 58, 59). Für den vollen Nachweis ist ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, d.h. erforderlich ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, die ernste, vernünftige Zweifel ausschließt (ständige H.richterliche Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSGE 60, 58, 59 m.w.N. ; BSG SozR 3 3100 § 38 BVG Nr. 2). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSGE 19, 52,53; 30, 121, 123; 43, 110, 112 ).
Nach diesen Grundsätzen kommt der Senat ebenso wie das SG zu dem Ergebnis, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne von § 1 OEG nicht erwiesen ist.
Der Vortrag des Klägers, zwei Polizisten, die ihn im Krankenhaus in F.-H. bewacht hätten, hätten ihm die Unterhosen nach unten gezogen, um ihn dadurch zu veranlassen, die Unterhose selbst wieder hochzuziehen, ist unschlüssig, weil er das Begehren nicht stützt. Dies würde nämlich keinen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG darstellen. Auch nach dem Vortrag des Klägers zielte diese Handlung nicht unmittelbar auf seine körperliche Integrität. Denkbar erscheint vielmehr, dass der Kläger hierdurch veranlasst werden sollte, die von ihm demonstrierte Bewegungsunfähigkeit der oberen Extremitäten aufzugeben. Der Kläger selbst sah auch eine Absicht, ihn bloßzustellen, insbesondere deshalb, weil ihm die Polizisten gedroht hätten, die Krankenschwester ins Zimmer zu rufen. Ein derartiges Verhalten mag den Tatbestand der Beleidigung(§ 185 StGB), ggf. auch der versuchten Nötigung (§ 240 StGB) erfüllen. Es beinhaltet jedoch keine Körperverletzung. Beleidigende Vorgänge fallen auch dann nicht unter den Begriff des tätlichen Angriffs, wenn das dadurch missachtete, herabgesetzte, sozial ausgegrenzte oder gar geächtete Opfer psychisch erkrankt. Denn für die Anwendung des OEG ist von seinem Grundgedanken auszugehen, dass nur Opfer von Gewalttaten entschädigt werden sollen. Das OEG deckt mithin nicht alle - sonstigen - aus dem Gesellschaftsleben folgenden Verletzungsrisiken ab. Auch die Opfer von Straftaten werden nicht ausnahmslos, sondern nur als Betroffene einer mit Gewaltanwendung verbundenen Straftat entschädigt. Da eine solche ausgehend von dem Vortrag des Klägers nicht vorläge, kann offen bleiben, ob seine dementsprechenden Behauptungen, für die er sich auf das Zeugnis seines Bruder M. I. berufen hat, wahr sind oder nicht.
Ebenso wenig führt der Vortrag des Klägers, er sei Opfer einer Freiheitsberaubung geworden, zum Erfolg. Zwar hat das BSG, dem der Senat darin folgt, mit Urteil vom 30.11.2006 - B 9a VG 4/05 R (SozR 4 - 3800 § 1 Nr. 10) entschieden, dass eine Freiheitsberaubung jedenfalls dann ein tätlicher Angriff ist, wenn sie auch durch den Einsatz körperlicher Gewalt erfolgt. Die Beamten, die den Kläger am Morgen des 22.07.2003 in H. festgenommen und nach F. verbracht haben, haben jedoch ebenso wenig rechtswidrig gehandelt, wie die übrigen Beamten, die den Kläger während und nach dem Abschiebeversuch vom 22.07.2003 bewacht haben. Sie haben ausschließlich Anweisungen befolgt, die ihnen als Vollzugsbeamte erteilt waren. Bei Befehls- oder Auftragsverhältnissen wird es für einen rechtmäßigen Eingriff als ausreichend angesehen, wenn der Amtsträger eine für ihn verbindliche Weisung im Vertrauen auf deren Rechtmäßigkeit befolgt hat (sog. strafrechtlicher Rechtmäßigkeitsbegriff, vgl. Leipziger Komm. zum StGB, Vorbemerkung 235 zu §§ 32 ff. StGB und Rdz. 34-40 zu § 113 StGB, BGHSt 4, 161, 164; KG NJW 1972, 781). Selbst wenn die den Beamten erteilten Anweisungen rechtswidrig gewesen wären, wären die Beamten nicht berechtigt gewesen, ihnen nicht Folge zu leisten (vgl. etwa § 75 Abs. 2 des baden-württembergischen Landesbeamtengesetzes). Außerdem haben sie erkennbar weder in feindlicher Willensrichtung noch in rechtsfeindlicher Weise gehandelt. Es ist deshalb im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, ob das Regierungspräsidium Stuttgart für die Anordnung der Abschiebungsmaßnahme am 22.07.2003 zuständig war oder nicht und ob ihr etwa eine bis 17.09.2003 erteilte Duldung entgegenstand.
Soweit der Kläger vorgetragen hat, die ihn bewachenden Vollzugsbeamten hätten ihm auf dem F. Flughafen über einen langen Zeitraum kein Wasser zu trinken gegeben, worauf er umgekippt sei, kann hierin ein "tätlicher Angriff" nur dann gesehen werden, wenn bei Vorliegen einer sogenannten Garantenstellung ein Unterlassen hierfür ausreicht. Einigkeit besteht bisher lediglich darüber, dass echte Unterlassungsdelikte wie z.B. die unterlassene Hilfeleistung im Sinne des § 323 c StGB die Annahme eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht rechtfertigen können. Nicht geklärt ist dagegen, ob ein Unterlassen, das beispielsweise zu einer Körperverletzung geführt hat, anspruchsbegründend sein kann. Das BSG hat diese Frage bisher offen gelassen (vgl. die Nachweise bei Heinz, OEG, 2007, Randziffer 107 bis 109 zu § 1 sowie LSG Niedersachen-Bremen vom 14.12.2005 - L 5 VG 1/03, zitiert nach Juris). Auch der Senat kann diese Frage offen lassen, weil nicht nachgewiesen ist, dass die Vollzugsbeamten dem Kläger trotz entsprechender Bitten kein Wasser zu trinken gegeben haben. Die an der Bewachung im Flughafen beteiligten Bundespolizeibeamten Polizeihauptmeister (PHM) M. und PHM G. haben gegenüber der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Flughafen F. am 14. bzw. 15.05.2008 - auch nach Vorhalt der Fotokopie eines Lichtbildes des Klägers aus dem Jahr 2003 - erklärt, sie könnten sich an den Abschiebevorgang nicht mehr erinnern. Im Hinblick auf die verstrichene Zeit von fast fünf Jahren und dem Umstand, dass seit dem Jahr 2003 auf dem F. Flughafen über 40000 Rückführungen durchgeführt worden sind, erscheint dies glaubhaft.
Ebenso wenig ist nachgewiesen, dass der Kläger im Bereich des F. Flughafens geschlagen, in den Arm gezwickt, an den Haaren gezogen, hochgehoben und einfach wieder fallen gelassen worden ist. PHM M. und PHM G. haben entsprechende Vorwürfe bei ihrer Vernehmung durch die Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Flughafen F. am 14. bzw. 15.05.2008 mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Dies ist nicht etwa deshalb unglaubhaft, weil die Beamten - wie ausgeführt - in diesem Zusammenhang erklärt haben, sie könnten sich an den Abschiebevorgang nicht erinnern. Denn dem Vorbringen des Klägers entsprechende Handlungen wären aufgrund ihres Ausnahmecharakters in einem Maße einschneidend, dass eine Erinnerung der Beamten zu erwarten wäre. Ein Nachweis durch Videoaufnahmen ist nicht möglich, weil der Rückführungsbereich der Bundespolizeidirektion Flughafen F. weder am 22.07.2003 noch danach videoüberwacht worden ist. Der Senat hat keinen Anlass, an der entsprechenden Mitteilung von POK P. zu zweifeln. Davon abgesehen wären entsprechende Aufnahmen heute aus Gründen des Datenschutzes längst gelöscht. Zutreffend hat im Übrigen die Staatsanwaltschaft F. darauf hingewiesen, der Kläger habe die heute nur noch beschränkt möglichen Ermittlungsmöglichkeiten durch sein langes Zuwarten selbst zu vertreten. Soweit der Kläger dies damit erklärt hat, er sei von zwei Polizisten bei der Rückfahrt von F. nach Bad C. am 24.07.2003 massiv eingeschüchtert worden, überzeugt den Senat dies als Begründung nicht. Denn er musste sich klar sein, dass auch noch sein im Juli 2006 gestellter Antrag auf Versorgung nach dem OEG Anlass für Ermittlungen geben würde.
Soweit der Kläger vorgetragen hat, aus der Krankentransportmeldung ("Rettungsprotokoll") vom 22.07.2003 ergebe sich, dass er im Terminal 2 im Bereich E abgeholt worden sei, während er sich eigentlich im Terminal 1, Halle B hätte aufhalten müssen, ist diese Argumentation in Bezug auf den vom Kläger behaupteten tätlichen Angriff unschlüssig. Dem Schreiben des Regierungspräsidiums Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - an den Bundesgrenzschutz Flughafen F. vom 08.07.2003 ist lediglich zu entnehmen, dass die Reisedokumente des Klägers bei Airline-Schalter L. Citycenter in Terminal 1, Halle B, Schalter 311-312 hinterlegt seien. Dass er sich am 22.07.2003 tatsächlich in Terminal 1 aufgehalten hat, geht daraus nicht hervor. Aus einem etwaigen Wechsel des Aufenthaltsortes könnte im Übrigen kein Schluss auf stattgehabte Misshandlungen gezogen werden. Soweit im ärztlichen Befundbericht des MedR z.A. M. vom 22.07.2003 ausgeführt wird, der Kläger sei im Aufenthaltsraum schlafend vorgefunden worden, stimmt dies mit der Rückführungsdokumentation Teil II Bl. 15 der StA-Akten überein, in der als Ort des polizeilichen Gewahrsams Raum "AHR I" angegeben wird. Die vom Kläger aufgestellte Behauptung, MedR z.A. M. habe in seinem Bericht den Aufenthaltsort falsch angegeben, erweist sich damit als haltlos.
Der Vortrag des Klägers, er habe auch in der Psychiatrischen Klinik in F. H. nichts zu trinken und zu essen bekommen, wird durch den Inhalt des Entlassungsberichts dieser Klinik vom 10.09.2003 widerlegt. Daraus geht zunächst hervor, dass während der stationären Behandlung vom 22. bis 23.07.2003 in der Klink für Innere Medizin der Städtischen Kliniken F. am Main-H. durch die dort durchgeführten kardiologischen Untersuchungen keine organische Ursache der vom Kläger gezeigten Symptomatik gefunden werden konnte. In der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie desselben Krankenhauses wurde festgestellt, dass der Kläger durchaus in der Lage war, seine Extremitäten zu bewegen, jedoch nur selten davon Gebrauch machte. Er ließ sich zwar eine Schnabeltasse o. ä. reichen, versorgte sich jedoch nicht ausreichend mit Flüssigkeit. Dies nahm die Klinik zum Anlass, ihm Infusionen zu verabreichen.
Der Vortrag des Klägers, er sei von MedR z.A. M. eine Stunde lang untersucht worden, obwohl er in Ohnmacht gelegen sei; der Notarztwagen sei zu spät angefordert worden, ist unschlüssig. Dasselbe gilt für den Vortrag des Klägers, er hätte am 24.07.2003 nicht von F. H. nach S. transportiert werden dürfen, weil er nicht transportfähig gewesen sei. Der Kläger selbst macht insoweit auch keinen tätlichen Angriff, sondern nur eine Verletzung seiner "Menschenrechte" und seiner "Patientenrechte" geltend. Der Senat vermag derartige Verletzungen nicht zu erkennen. Davon abgesehen kommt es im vorliegenden Verfahren wegen Entschädigung nach dem OEG ausschließlich darauf an, ob der Kläger Opfer eines tätlichen Angriffs i. S. des § 1 Abs. 1 OEG geworden ist. Hierzu hat das BSG zunächst ausgeführt, erforderlich sei eine feindliche, auf Rechtsbruch abzielende Einstellung, weshalb unter einem tätlichen Angriff ein gewaltsames, handgreifliches Vorgehen gegen eine Person in kämpferischer, feindseliger Absicht zu verstehen sei (vgl. etwa BSGE 59, 46). In späteren Entscheidungen wurde zwar die sogenannte "feindliche Willensrichtung" aufgegeben, jedoch stattdessen das Merkmal der "Rechtsfeindlichkeit" gefordert (vgl. Heinz, a. a. O, Randziffer 72 zu § 1 OEG mN.). Weder durch die Untersuchung durch MedR z. A. M. noch durch die Entscheidung über den Transport von F. nach S. wurde jedoch gewaltsam gegen die Integrität des Klägers vorgegangen. Auch fehlt eine rechtsfeindliche Absicht. Im Übrigen hat die behandelnde Ärztin Dr. W.-T., wie sich aus dem Bericht der Direktion Sonderdienste des Polizeipräsidiums F. vom 24.07.2003 ergibt, einem Liegendtransport am 24.07.2003 zugestimmt, obwohl sie den Kläger am 23.07.2003 ausweislich der Stellungnahme Blatt 13 der StA-Akten noch nicht für transportfähig gehalten hatte.
Dass eine Polizeiärztin den Kläger in den Kliniken F.-H. und/oder beim Eintreffen in der Klinik vom R. in Bad C. geschlagen hat, ist ebenfalls nicht erwiesen. Die Ermittlungen der StA haben nämlich ergeben, dass bei der Bundespolizei zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt keine Polizeiärztin beschäftigt war. Soweit der Kläger am 02.12.2008 vorgetragen hat, möglicherweise sei er auch von einer Polizistin in der Notaufnahme des Krankenhauses vom R. in Bad C. geschlagen worden, hält der Senat die entsprechenden Angaben des Klägers wegen zahlreicher Widersprüche nicht für glaubhaft. Im Antragsschreiben der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 03.07.2006 ist noch nicht davon die Rede, der Kläger sei (auch) beim Eintreffen in der Klinik in Bad C. geschlagen worden. Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 04.04.2007 hat der Kläger dann gegenüber POK P. vom Polizeiposten Untergruppenbach angegeben, am Eingang des Krankenhauses in Bad C. sei er von einer jüngeren Frau mit lockigen Haaren in Zivil empfangen worden, die ihn gefragt habe, ob er Herr I. sei. Als er dies bejaht habe, habe sie ihn geschlagen. Zuletzt hat der Kläger mit seiner Beschwerde vom 13.08.2009 gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft F. vom 28.07.2009 vorgetragen, Frau B. habe ihn beim Eingang des Krankenhauses in Bad C. geschlagen und malträtiert vor den Augen einer (nicht benannten) Krankenschwester. S. B. hatte den Kläger jedoch ebenso wie M. St. auf dem Transport von F.-H. nach Stuttgart Bad C. bewacht, wobei offen bleiben kann, ob die Polizisten B. und St. den Kläger im Streifenwagen begleitet haben oder im Krankenwagen mitgefahren sind, woran sich M. St. bei seiner Vernehmung am 18.06.2008 durch die Bundespolizeidirektion Flughafen F. nicht mehr erinnern konnte. Jedenfalls war S. B. dem Kläger vor der Ankunft in Bad C. als ihn während des Transports bewachende Polizistin bekannt. Dies hat der Kläger in seiner Erklärung vom 02.12.2008 auf der Gemeindeverwaltung F. klar zum Ausdruck gebracht, in der er selbst ausgeführt hat, Frau B. habe ihn von F. nach Stuttgart begleitet. Damals hat er noch angegeben, eine "Ärztin oder Beamtin" habe ihm nach der Ankunft im Krankenhaus in Bad C. Schläge gegen die Brust versetzt. Soweit der Kläger am 02.12.2008 weiter angegeben hat, Frau B. habe ihn "nach polizeilicher Art" untersuchen wollen, erscheint dies ungereimt.
Ein Nachweis durch Videoaufzeichnungen ist heute nicht mehr möglich. Zwar werden bei dem Krankenhaus vom R. in Bad C. ausweislich der Ermittlungen von POK P. sämtliche Eingänge videoüberwacht, die Aufzeichnungen jedoch nach 48 Stunden automatisch gelöscht. Da der Kläger erst drei Jahre nach den angeschuldigten Vorfällen Versorgung nach dem OEG beantragt hat, bestanden keinerlei Möglichkeiten mehr, Videoaufzeichnungen beizuziehen.
Gegen die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, er habe mehrfach Schläge erhalten und sei "malträtiert" worden, spricht auch der Umstand, dass in keinem der aktenkundigen Arztbriefe, Atteste und Entlassungsberichte äußerlich sichtbare Spuren von Misshandlungen beschrieben werden. Insbesondere im "Ärztlichen Befundbericht" des MedR z. A. M. vom 22.07.2003 und im Arztbrief der Klinik für Innere Medizin der Städtischen Kliniken F.-H. vom 23.07.2003 (Blatt 132 LSG-Akte), wo der Kläger noch am 22.07.2003 untersucht worden ist, wäre dann die Beschreibung von Rötungen, Striemen, Blutergüssen, Schürfungen oder Schwellungen zu erwarten gewesen. Nichts dergleichen findet sich in den aktenkundigen medizinischen Unterlagen.
Für widerlegt hält der Senat auch die Behauptung des Klägers vom 04.04.2007, er sei nach den Misshandlungen durch die bewachenden Polizeibeamten im F. Flughafen bewusstlos geworden und erst wieder im Krankenhaus - bei dem es sich nur um die Städtischen Kliniken F.-H. handeln kann - aufgewacht (Bl. 31 StA-Akte). Dagegen sprechen nämlich die im Bericht von MedR z. A. M. vom 22.07.2003 wiedergegebenen Befunde. Wenn der Kläger dort als "schwer erweckbar" bezeichnet wurde, heißt dies, dass er - zwar erst nach längerer Zeit, aber immerhin - zum Bewusstsein gekommen ist. Anders wäre auch nicht zu erklären, dass MedR z. A. M. die Vitalfunktionen, die sich als intakt erwiesen, und die Pupillenreaktion prüfen konnte, die sich als seitengleich erwies. Unter diesen Umständen sieht der Senat auch keinen Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, die MedR z. A. M. am 03.06.2008 gegenüber der Bundespolizeidirektion Flughafen F. (Bl. 175 bis 177 StA-Akte) gemacht hat, wonach der Kläger zum Zeitpunkt seiner Untersuchung ansprechbar war. Gegen die Verlässlichkeit dieser Aussage spricht auch nicht, dass MedR z. A. M. zunächst angegeben hat, er erinnere sich bei der Vielzahl der jedes Jahr vorkommenden Untersuchungen nicht an die Untersuchung des Klägers vom Juli 2003. Denn seine folgenden Angaben hat er nach Vorhalt seines Befundberichts vom 22.07.2003 gemacht, der als Gedächtnisstütze diente und Schlussfolgerungen aus dem beschriebenen Befund zuließ.
Soweit der Kläger vorgetragen hat, aus mehreren Arztbriefen und Attesten ergebe sich, dass er geschlagen und misshandelt worden sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass in keiner der aktenkundigen medizinischen Unterlagen Verletzungsfolgen beschrieben werden und von Schlägen oder sonstigen Misshandlungen nur im Rahmen der anamnestischen Angaben des Klägers die Rede ist. Beispielsweise werden diese Angaben im "Kurzbrief" des Klinikums am W. vom 15.08.2003 ausführlich in indirekter Rede wiedergegeben.
Unter diesen Umständen, insbesondere unter Würdigung der widerspruchsvollen und insgesamt wenig glaubhaften Angaben des Klägers, sieht der Senat keinen Anlass für weitere Ermittlungen, die außerdem schon wegen der seit dem Abschiebeversuch vergangenen Zeit von mehr als sechs Jahren kaum Erfolg versprechen. Entsprechende Ermittlungen hat der Kläger im Übrigen weder angeregt, noch beantragt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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