Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 1470/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2120/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Vermögen in Form von Unternehmensanteilen ist bei der Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Arbeitslosenhilfe mit dem aktuellen Wert zu berücksichtigen. Anteile an der islamischen Holding-Gesellschaft Kombassan sind zumindest ab Anfang 2002 als wertlos anzusehen.
Die Bundesagentur ist nach § 335 Abs. 1 und 5 SGB III auch im Falle einer nach dem 1. Januar 2005 erfolgten Aufhebung oder Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe zur Geltendmachung der Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung berechtigt. Der Senat gibt im Anschluss an BSG, Urteile vom 7. Oktober 2009 (B 11 AL 31/08 R; B 11 AL 32/08 R) seine bisherige, hiervon abweichende Rechtsprechung auf.
Die Bundesagentur ist nach § 335 Abs. 1 und 5 SGB III auch im Falle einer nach dem 1. Januar 2005 erfolgten Aufhebung oder Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe zur Geltendmachung der Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung berechtigt. Der Senat gibt im Anschluss an BSG, Urteile vom 7. Oktober 2009 (B 11 AL 31/08 R; B 11 AL 32/08 R) seine bisherige, hiervon abweichende Rechtsprechung auf.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. April 2009 wird abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2008 aufgehoben, soweit er die Zeiträume vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 betrifft.
Die Beklagte erstattet die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
(Der Tenor des Urteils vom 20. November 2009 berichtigt gem. Beschluss vom 26.11.2009. Stuttgart, den 30.11.2009 Angestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle)
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) in der Zeit vom 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 und vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 sowie gegen die Rückforderung von in diesem Zeitraum überzahlten Leistungen und gegen die Erstattung der von der Beklagten gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung von insgesamt 30.950,62 EUR.
Der 1960 geborene Kläger beantragte nach dem Bezug von Arbeitslosengeld am 3. Dezember 1998 die Gewährung von Alhi. Die in dem Antragsformular gestellte Frage nach Vermögen verneinte der Kläger. Die Beklagte bewilligte Alhi ab 9. Dezember 1998. In seinem Fortzahlungsantrag vom 6. Dezember 1999 verneinte der Kläger ebenfalls das Vorhandensein von Vermögen. Die Beklagte bewilligte erneut Alhi ab 9. Dezember 1999 und hob diese Bewilligung wegen Arbeitsaufnahme des Klägers ab 25. April 2000 auf. Im Zeitraum 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 zahlte die Beklagte insgesamt 24.150,42 DM Alhi.
Am 9. Januar 2002 beantrage der Kläger erneut Alhi und gab wiederum kein Vermögen an. Die Beklagte bewilligte die Leistung ab 9. Januar 2002. Entsprechende Angaben machte der Kläger in seinen Fortzahlungsanträgen vom 30. September 2002 und 8. Januar 2003. Insgesamt gewährte die Beklagte Alhi vom 9. Januar 2002 bis 19. Juni 2003 mit Ausnahme einer Sperrzeit vom 18. Juli bis 9. Oktober 2002. Insgesamt zahlte sie 6.405,01 EUR Alhi an den Kläger. Ab 20. Juni 2003 ging der Kläger einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Am 14. Januar 2004 beantragte er erneut Alhi und gab hierbei wiederum an, er und seine Ehefrau verfügten über kein Vermögen. Die Beklagte bewilligte Alhi für die Zeit vom 14. Januar bis 31. Dezember 2004 und zahlte insgesamt 5.679,77 EUR aus.
Im Juli 2007 teilte die Ermittlungsgruppe "H." der zuständigen Polizeidirektion der Beklagten mit, sie habe bei einer Durchsuchung der Dresdner Bank in F. im Jahr 2002 u.a. Belege über hohe Einzahlungen des Klägers und seiner Ehefrau auf Konten der türkischen Nationalbank (TCMB) sicher gestellt, nämlich über 30.000 DM am 30. Juni 1995, 120.000 DM am 17. Mai 1996 und 50.000 DM am 1. September 1996. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Betrugs stellte die Staatsanwaltschaft K. mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung ein (130 Js 39355/07), weil nicht nachweisbar sei, dass das Vermögen des Klägers bei Stellung der Alhi-Anträge noch vorhanden gewesen sei.
Mit Schreiben vom 2. August 2007 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung von Alhi ab 9. Dezember 1998 an. Nachdem zunächst die Ehefrau des Klägers eine Fristverlängerung beantragt hatte, legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers, gab jedoch keine Stellungnahme ab. Am 17. Dezember 2007 erließ die Beklagte zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide über die Alhi- Bewilligungen vom 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 (Rückforderung Alhi 12.347,93 EUR und Sozialversicherungsbeiträge 3.680,28 EUR) und vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 (Alhi 12.084,78 EUR und Sozialversicherungsbeiträge 2.837,63 EUR). Die Bescheide waren an den Kläger persönlich adressiert.
Nachdem der Kläger eine Zahlungsaufforderung der Einzugsstelle erhalten hatte, erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 14. Februar 2008 Widerspruch. Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 wies die Beklagte den Bevollmächtigten darauf hin, dass mit den beiden Bescheiden vom 17. Dezember 2007 die Entscheidungen über die Bewilligung von Alhi ab 9. Dezember 1998 bzw. ab 9. Januar 2002 ganz zurückgenommen worden seien und die zu Unrecht gezahlte Alhi einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten sei. Die Bescheide seien bestandskräftig geworden, bei der Mahnung handele es sich um keinen Verwaltungsakt. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2008 verwarf die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 17. Dezember 2007 als unzulässig.
Am 3. April 2008 hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen, er habe die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nicht erhalten.
Das SG hat den Kläger ab 15. Oktober 2008 mehrfach formlos nach dem Vermögen befragt und ihm am 4. März 2009 unter Fristsetzung zum 12. April 2009 nach § 106a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgegeben, dazu vorzutragen, was mit den Vermögenswerten auf den Konten bis zur Antragstellung 1998 geschehen sei. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Fristablauf vorgebracht würden, werde das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn die Zulassung der Mittel die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung nicht genügend entschuldigt sei. Weiter wurde eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid angekündigt. Der Kläger hat hierauf nicht reagiert.
Mit Gerichtsbescheid vom 15. April 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die Klage bereits unbegründet sei, weil die angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide bestandskräftig seien. Zwar habe die Beklagte die Bescheide dem Kläger persönlich schicken dürfen, obwohl sich zuvor ein Anwalt legitimiert habe, es fehle jedoch ein Nachweis für die Bekanntgabe, da der Kläger den Erhalt der Bescheide bestritten habe. In der Verwaltungsakte sei nicht einmal ein Absendevermerk vorhanden, so dass jeder Nachweis dafür fehle, dass die Bescheide überhaupt zur Post gegeben worden seien. Die angegriffenen Bescheide, die dem Kläger spätestens im Widerspruchsverfahren bekannt gegeben worden seien, seien jedoch inhaltlich rechtmäßig. Die Beklagte habe die Alhi-Bewilligungen seit Dezember 1998 nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) rückwirkend zurücknehmen dürfen. Die Bewilligungen seien rechtswidrig. Der Kläger habe während der gesamten Bewilligungszeiträume keinen Anspruch auf Alhi gehabt. Sein Anspruch sei nach § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III a. F. ausgeschlossen, da er nicht bedürftig gewesen sei. Er habe nämlich über ein Vermögen verfügt, das nach § 193 Abs. 2 SGB III a. F. seinen Anspruch ausgeschlossen habe. Zur Zeit der Anträge und während des gesamten Leistungsbezugs hätten auf den Konten des Klägers bei der TCMB insgesamt 200.000 DM (102.101,50 EUR) gelegen. Dieses Geld habe der Kläger auch nicht bis 1998 verbraucht. Einen solchen Verbrauch habe er nicht behauptet und insbesondere nicht unter Beweis gestellt, obwohl ihn das Gericht mit präkludierender Fristsetzung hierzu aufgefordert habe. Da das Schicksal des Geldes ohne Angaben des Klägers nicht überprüft werden könne, könne und müsse das Gericht davon ausgehen, dass es noch vorhanden gewesen sei. Das vorhandene Vermögen habe durchgängig über den Vermögensfreibeträgen gelegen. Der Rücknahme habe kein schutzwürdiges Vertrauen gegenüber gestanden, weil der Kläger vorsätzlich falsche Angaben bei der Antragstellung gemacht habe. Die Rücknahmefristen seien bei Erlass der Aufhebungsbescheide nicht abgelaufen gewesen. Ermessenserwägungen habe die Beklagte nicht anstellen müssen, da es sich nach § 330 Abs. 2 SGB III um eine gebundene Entscheidung handele. Auch der Rückforderungsbetrag sei nicht zu beanstanden. Die bewilligte Alhi von 24.432,71 EUR müsse der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzahlen, nachdem die Bewilligungen wirksam aufgehoben worden seien. Die weiteren 6.517,91 EUR als Aufwendungen der Beklagten für die Kranken- und Pflegeversicherung während des Leistungsbezugs müsse der Kläger nach § 335 Abs. 1 SGB III zurückzahlen. Zwar stelle diese Norm zu der Zeit, als die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide erlassen worden seien, nur auf die Bezieher von "Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld" ab. Der Bezug von Alhi sei mit der Änderung der Vorschrift der Abschaffung der Alhi Ende 2004 durch das 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV) gestrichen worden. Die Streichung des Wortes Alhi durch den Gesetzgeber sei ein offensichtliches Versehen gewesen. Es liege daher eine unbewusste, planwidrige Regelungslücke vor, welche im Wege der Analogie gefüllt werden könne, indem die in § 335 Abs. 1 SGB III genannten Leistungen um die Alhi ergänzt würden.
Hiergegen wendet sich die am 15. April 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt nunmehr vor, zum Zeitpunkt des Antrags auf Kinderzuschlag (28. Dezember 2004) kein Vermögen mehr gehabt zu haben. Er habe sämtliches Geld bei der M. Bank abgehoben und nach seiner Erinnerung bereits im Jahr 1999 für 60.750 DM für seine Ehefrau und 157.950 DM für sich Anteilsscheine bei K. erworben. Hierüber hat er "Bestätigungen über den Teilhaberschaftsstatus" von K. vom 30. März 2000 vorgelegt sowie entsprechende Coupons der Aktien. Mittlerweile sei bestätigt worden, dass K. sehr viele türkische Mitbürger betrogen habe. Die Anteilsscheine seien wertlos. Es liefen verschiedene Strafverfahren in Deutschland und in der Türkei. Die Scheine seien wertlos und würden auch von keinem käuflich erworben. Die Gerichte in der Türkei sähen auch keine Haftungsmöglichkeit bei den Inhabern; dies sei höchstrichterlich festgestellt worden. Die Bescheide der Beklagten seien daher rechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. April 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 17. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass der Kläger insgesamt 200.000 DM auf Konten der TCMB eingezahlt habe, so dass zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Alhi Bedürftigkeit nicht vorgelegen habe. Dass der Kläger für dieses Geld im Jahr 2000 Anteilsscheine erworben habe und diese heute wertlos seien, sei hierbei rechtsunerheblich. Maßgeblich seien die bestehenden Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 1998.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist auch begründet, soweit die Beklagte für die Zeit vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 die Bewilligung von Alhi aufgehoben und die erbrachten Leistungen zurückgefordert hat. Hinsichtlich der Aufhebung und Rückforderung betreffend den Zeitraum 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 ist die Entscheidung der Beklagten und der angefochtene Gerichtsbescheid des SG dagegen nicht zu beanstanden, so dass die Berufung des Klägers im Übrigen zurückzuweisen ist.
Verfahrensrechtliche Grundlage der Rücknahme der Bewilligungen ist mit Blick auf die von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheide die Bestimmung des § 45 SGB X in der Modifikation durch § 330 Abs. 2 SGB III. Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach den tatsächlichen und materiell rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Nach § 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Absätze 2 und 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Bescheids (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1300 § 45 Nr. 24 S. 82; SozR a.a.O. Nr. 39 S. 127).
Die vorgenannten Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bescheide liegen für die Zeit vom 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 vor. Die Bewilligungsbescheide für diese Zeiträume waren rechtswidrig, weil der Kläger wegen seines bei der TCMB angelegten Vermögens keinen Anspruch auf Alhi hatte. Einen entsprechenden Anspruch hatte er dagegen für die Zeit vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004, so dass insoweit die Rücknahme der Bewilligungen rechtswidrig war.
Nach § 190 Abs. 1 SGB III (in den jeweiligen Fassungen bis 31. Dezember 2004 - a.F.) sind Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi (1.) Arbeitslosigkeit, (2.) Arbeitslosmeldung, (3.) fehlender Arbeitslosengeldanspruch, (4.) Vorbezug von Arbeitslosengeld und (5.) Bedürftigkeit. Nach § 193 Abs. 2 SGB III a.F. ist ein Arbeitsloser nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von Alhi mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse nicht gerechtfertigt ist, hat das SGB III der Regelung durch Rechtsverordnung überlassen (§ 206 Nr. 1 SGB III a.F.). Für die Zeit bis 31. Dezember 2001 ist die Arbeitslosenhilfeverordnung (Alhi-V) gem. Art. 81 Arbeitsförderungs- Reformgesetz (BGBl. I 1997 S. 594) noch in der Fassung vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1929; in der Fassung des Art. 2 Gesetz vom 24. Juni 1996, BGBl. I S. 878 - (Alhi-V 1974)) maßgeblich. Nach § 6 Abs. 1 Alhi-V 1974 ist Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens für den Kläger und seine Ehefrau jeweils 8.000 DM übersteigt. Vermögen ist nach § 6 Abs. 2 Alhi-V 1974 insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Es ist nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann. Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens- und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann (§ 6 Abs. 3 S. 1 Alhi-V 1974). Nach § 9 Alhi-V 1974 besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet (Verbot der Mehrfachanrechnung von Vermögen, vgl. hierzu BSGE 88, 252 ff. = SozR 3-4300 § 193 Nr. 2; ferner BSG, Urteil vom 17. März 2005 - B 7a/7 AL 38/04 R- (juris)).
Das in der Türkei bei der TCMB angelegte Vermögen des Klägers über 200.000 DM ist verwertbares Vermögen im Sinne dieser Vorschriften, es sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, welche Zweifel an der Zumutbarkeit der Verwertung wecken könnten. Der Kläger hat zwischenzeitlich eingeräumt, dass das Vermögen bei der Erstantragstellung noch vorhanden war. Allerdings ist die Bedürftigkeitsprüfung nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt begrenzt. Vielmehr kann die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit während der Dauer der Arbeitslosigkeit wegfallen oder neu eintreten mit der Folge, dass die Änderung vom Zeitpunkt ihres Eintritts an zu berücksichtigen ist (vgl. BSG SozR 4100 § 134 Nr. 16; BSGE 84, 48 = SozR 3-4220 § 6 Nr. 7; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 126/01 R - (juris)). Nach dem eigenen Vortrag des Klägers, welchen er durch die Vorlage von Anteilsscheinen belegt hat, hat er jedenfalls spätestens am 3. März 2000 - ein früherer Zeitpunkt lässt sich nicht feststellen - das gesamte bei der TCMB angelegte Vermögen für den Kauf von Anteilen der K.-H. verwendet. Der Kläger ist mit diesem Vortrag nicht präkludiert. Nach § 106a Abs. 3 Satz 1 SGG kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, unter näher genannten Voraussetzungen zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. Da das SG ausdrücklich nur verlangt hat, zu erklären und zu belegen, was mit dem bei der TCMB angelegten Geld bis zur erstmaligen Antragstellung im Jahr 1998 geschehen sei und Mitteilungen über Vermögensverfügungen zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausdrücklich gefordert hat, kann schon deshalb der Kläger mit seinem jetzigen Vorbringen nicht ausgeschlossen sein.
Bei der K.-H. handelte es sich um einen Bestandteil der türkischen K. Unternehmensgruppe, die unter türkischstämmigen Bürgern in Europa Anteile vertrieb und insbesondere damit warb, dass es sich um ein mit dem Zinsverbot des Islam k. I. handele und Erträge von 10 bis 20% zu erwarten seien. Da die K.-H. zumindest anfangs noch erfolgreich war und auch Gewinne gutschrieb, ist nicht erwiesen, dass bereits mit dem Erwerb der Anteilsscheine das Vermögen verloren war, denn diese hätten zum damaligen Zeitpunkt möglicherweise noch verkauft werden können. Angesichts des maßgeblichen wöchentlichen Bemessungsentgelts von 950,00 DM ergibt sich bei verwertbarem Vermögen nach Abzug der Freibeträge in Höhe von 184.000 DM ein Ausschluss der Bedürftigkeit für 193 Wochen. Der Kläger war demnach jedenfalls für die Zeit vom 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 nicht bedürftig.
Anders ist die Rechtslage hinsichtlich der Bewilligungen für den Zeitraum vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 zu beurteilen. Durch den Arbeitslosengeldbezug vom 26. Juli 2001 bis 8. Januar 2002 hatte der Kläger einen neuen Anspruch auf Alhi erworben. Am 1. Januar 2002 trat die Alhi-V 2002 in Kraft (Gesetz vom 13. Dezember 2001, BGBl. I S. 3734; vgl. BSG SozR 4-4200 § 1 Nr. 4 m.w.N.). Das in § 9 Alhi-V 1974 geregelte Verbot der Mehrfachanrechnung von Vermögen ist in der Alhi-V 2002 nicht mehr vorgesehen, vielmehr ist das tatsächlich vorhandene Vermögen maßgebend, welches, solange es vorhanden ist, der Bewilligung entgegen steht. Die Anteile bei der islamischen H. Gesellschaft K. sind im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung dabei mit ihrem aktuellen Verkehrswert zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 2008 - B 11 AL 25/07 R - (juris) zur Berücksichtigung von Aktienvermögen mit aktuellem Verkehrswert). Der Senat geht davon aus, dass diese Anteile jedenfalls im Jahr 2002 wertlos waren, so dass bei der erneuten Antragstellung am 9. Januar 2002 kein berücksichtigungsfähiges Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau mehr vorhanden war. Der Senat stützt sich insoweit auf entsprechende Presseberichte ("Allah ist immer dabei", taz 2. September 2000; "Neuer Markt auf Türkisch", Der Spiegel 26. Januar 2004, S. 36; "Der verlorene Schatz", Die Zeit 9. November 2006; "Muslime um ihr Erspartes geprellt", taz 10. November 2006; "Betrug an Deutschlands Türken", Spiegel-online 17. April 2007) sowie die Ergebnisse von Schadenersatzprozessen geprellter Anleger in Deutschland (vgl. Landgericht (LG) Bremen, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 2 O 37/06 - (juris)). Danach ist davon auszugehen, dass ab 2001 keine Gewinne mehr gutgeschrieben wurden (vgl. LG Bremen, a.a.O.), auch konnten die Anleger nicht die Auszahlung des auf ihren Anteil entfallenden Vermögensteils verlangen. Der Senat ist nach alledem davon überzeugt, dass das in Anteilen der K. H. angelegte Vermögen jedenfalls Anfang 2002 verloren war. Hilfebedürftigkeit des Klägers war demnach gegeben.
Da auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen (Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung, fehlender Arbeitslosengeldanspruch und Vorbezug von Arbeitslosengeld) im Zeitraum 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 unzweifelhaft vorliegen, war die Bewilligung von Alhi in diesem Zeitraum rechtmäßig, so dass eine Rücknahme nicht in Betracht kommt.
Für die Zeiträume 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 stehen die Bewilligungsbescheide, wie oben ausgeführt, indes nicht mit der materiellen Rechtslage in Einklang. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er bei der Antragstellung vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), denn er hat bei allen Anträgen das in der Türkei bei der TCMB angelegte Vermögen verschwiegen. Eine grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 SGB X anzunehmen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat. Verlangt wird eine Sorgfaltspflichtverletzung mit einem außergewöhnlich hohen Ausmaß, d.h. eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung; es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden seien, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR a.a.O. Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Missachtet der Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im Bescheid oder in einem Merkblatt, so begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96 - (juris)).
Hiervon ausgehend hat der Kläger schon entgegen der klaren und unmissverständlichen Fragestellungen in den jeweiligen Antragsformularen bzw. dem Zusatzblatt "Bedürftigkeitsprüfung" unrichtige Angaben bezüglich seiner Vermögensverhältnisse gemacht, indem er jeweils das Vorhandensein von Vermögen verneint hat. Dabei musste ihm - unter Zugrundelegung der eindeutigen Fragestellung - auch bei der ihm eingeräumten eigenen rechtlichen Wertung (vgl. BSGE 42, 184, 188 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 47, 28, 33; BSG SozR 4100 § 152 Nr. 6) ohne weitere Überlegung klar sein, was berücksichtigungsfähiges Vermögen ist bzw. dass zu den anzugebenden Vermögenswerten nicht nur die im Inland, sondern auch die im Ausland angelegten gehören. Nach alledem ist dem Kläger Fehlverhalten im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X anzulasten. Da § 330 Abs. 2 SGB III unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts zwingend vorschreibt, greifen Härtegesichtspunkte nicht ein. Der Gesetzgeber hat bewusst im Bereich des Arbeitsförderungsrechts im Hinblick auf die häufig kurzfristig zu erbringenden und ebenso kurzfristig zu beendenden Leistungen, bei denen Überzahlungen praktisch nicht zu vermeiden sind, anstelle einer Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung vorgesehen (vgl. BT-Drs. 12/5502 S. 37 zu Nr. 43 zur Vorgängerregelung des § 152 Arbeitsförderungsgesetz).
Die in § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen sind eingehalten. Nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorliegen. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit muss innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Der Einhaltung dieser Fristen steht nicht entgegen, dass der Kläger die ursprünglichen Rücknahmebescheide vom 17. Dezember 2007 möglicherweise gar nicht erhalten hat. Sowohl im Aufklärungsschreiben vom 18. Februar 2008 als auch im Widerspruchsbescheid vom 19. März 2008 hat die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers die mit Bescheiden vom 17. Dezember 2007 getroffenen Regelungen (vollständige Rücknahme der Bewilligungen von Alhi für die Zeit ab 9. Dezember 1998 und ab 9. Januar 2002) mitgeteilt. Damit hat die Behörde willentlich dem Bevollmächtigten des Klägers (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X) vom Inhalt der Bescheide Kenntnis verschafft, was für eine Bekanntgabe ausreichend ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), BVerwGE 22, 14 f.; 29, 321, 323). Angesichts der Alhi-Bewilligung im Dezember 1998 war die Zehnjahresfrist und hinsichtlich der erst mit Bescheiden vom 17. Dezember 2007 abgeschlossenen Anhörung zur Rücknahme (zur Maßgeblichkeit der Anhörung für die Kenntnis der Behörde i.S.v. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn. 27 und 42) war auch die Jahresfrist nach alledem noch nicht abgelaufen.
Der Kläger ist daher nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die im Zeitraum vom 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 überzahlte Alhi zu erstatten. Der Rückforderungsbetrag für diese Zeiträume ist von der Beklagten zutreffend mit 12.347,93 EUR festgesetzt worden. Über die Modalitäten der Rückzahlung ist vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. BSG SozR 1200 § 42 Nr. 4 S. 18; SozR 3-1300 § 48 Nr. 3 S. 84).
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der in diesem Zeitraum von der Beklagten geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Zwar wird in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III (Gesetz vom 24. Dezember 2003 - BGBl. I S. 2954) Alhi nicht mehr genannt, nach der neuesten Rechtsprechung des BSG ist die durch die versehentliche Streichung des Gesetzgebers entstandene planwidrige Gesetzeslücke im Rahmen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung dadurch zu schließen, dass die Bezieher von Alhi den sonstigen Leistungsbeziehern im Sinne des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III gleich zu stellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2009 - B 11 AL 31/08 R - (bisher nur als Pressemitteilung vorliegend)). Der Senat hält insoweit an seiner früheren Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 12. September 2008 - L 12 AL 1665/08 - (juris)) nicht mehr fest. Der Kläger ist daher auch zur Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 3.680,28 EUR verpflichtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Beklagte erstattet die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
(Der Tenor des Urteils vom 20. November 2009 berichtigt gem. Beschluss vom 26.11.2009. Stuttgart, den 30.11.2009 Angestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle)
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) in der Zeit vom 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 und vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 sowie gegen die Rückforderung von in diesem Zeitraum überzahlten Leistungen und gegen die Erstattung der von der Beklagten gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung von insgesamt 30.950,62 EUR.
Der 1960 geborene Kläger beantragte nach dem Bezug von Arbeitslosengeld am 3. Dezember 1998 die Gewährung von Alhi. Die in dem Antragsformular gestellte Frage nach Vermögen verneinte der Kläger. Die Beklagte bewilligte Alhi ab 9. Dezember 1998. In seinem Fortzahlungsantrag vom 6. Dezember 1999 verneinte der Kläger ebenfalls das Vorhandensein von Vermögen. Die Beklagte bewilligte erneut Alhi ab 9. Dezember 1999 und hob diese Bewilligung wegen Arbeitsaufnahme des Klägers ab 25. April 2000 auf. Im Zeitraum 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 zahlte die Beklagte insgesamt 24.150,42 DM Alhi.
Am 9. Januar 2002 beantrage der Kläger erneut Alhi und gab wiederum kein Vermögen an. Die Beklagte bewilligte die Leistung ab 9. Januar 2002. Entsprechende Angaben machte der Kläger in seinen Fortzahlungsanträgen vom 30. September 2002 und 8. Januar 2003. Insgesamt gewährte die Beklagte Alhi vom 9. Januar 2002 bis 19. Juni 2003 mit Ausnahme einer Sperrzeit vom 18. Juli bis 9. Oktober 2002. Insgesamt zahlte sie 6.405,01 EUR Alhi an den Kläger. Ab 20. Juni 2003 ging der Kläger einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Am 14. Januar 2004 beantragte er erneut Alhi und gab hierbei wiederum an, er und seine Ehefrau verfügten über kein Vermögen. Die Beklagte bewilligte Alhi für die Zeit vom 14. Januar bis 31. Dezember 2004 und zahlte insgesamt 5.679,77 EUR aus.
Im Juli 2007 teilte die Ermittlungsgruppe "H." der zuständigen Polizeidirektion der Beklagten mit, sie habe bei einer Durchsuchung der Dresdner Bank in F. im Jahr 2002 u.a. Belege über hohe Einzahlungen des Klägers und seiner Ehefrau auf Konten der türkischen Nationalbank (TCMB) sicher gestellt, nämlich über 30.000 DM am 30. Juni 1995, 120.000 DM am 17. Mai 1996 und 50.000 DM am 1. September 1996. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Betrugs stellte die Staatsanwaltschaft K. mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung ein (130 Js 39355/07), weil nicht nachweisbar sei, dass das Vermögen des Klägers bei Stellung der Alhi-Anträge noch vorhanden gewesen sei.
Mit Schreiben vom 2. August 2007 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung von Alhi ab 9. Dezember 1998 an. Nachdem zunächst die Ehefrau des Klägers eine Fristverlängerung beantragt hatte, legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers, gab jedoch keine Stellungnahme ab. Am 17. Dezember 2007 erließ die Beklagte zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide über die Alhi- Bewilligungen vom 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 (Rückforderung Alhi 12.347,93 EUR und Sozialversicherungsbeiträge 3.680,28 EUR) und vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 (Alhi 12.084,78 EUR und Sozialversicherungsbeiträge 2.837,63 EUR). Die Bescheide waren an den Kläger persönlich adressiert.
Nachdem der Kläger eine Zahlungsaufforderung der Einzugsstelle erhalten hatte, erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 14. Februar 2008 Widerspruch. Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 wies die Beklagte den Bevollmächtigten darauf hin, dass mit den beiden Bescheiden vom 17. Dezember 2007 die Entscheidungen über die Bewilligung von Alhi ab 9. Dezember 1998 bzw. ab 9. Januar 2002 ganz zurückgenommen worden seien und die zu Unrecht gezahlte Alhi einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten sei. Die Bescheide seien bestandskräftig geworden, bei der Mahnung handele es sich um keinen Verwaltungsakt. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2008 verwarf die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 17. Dezember 2007 als unzulässig.
Am 3. April 2008 hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen, er habe die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nicht erhalten.
Das SG hat den Kläger ab 15. Oktober 2008 mehrfach formlos nach dem Vermögen befragt und ihm am 4. März 2009 unter Fristsetzung zum 12. April 2009 nach § 106a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgegeben, dazu vorzutragen, was mit den Vermögenswerten auf den Konten bis zur Antragstellung 1998 geschehen sei. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Fristablauf vorgebracht würden, werde das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn die Zulassung der Mittel die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung nicht genügend entschuldigt sei. Weiter wurde eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid angekündigt. Der Kläger hat hierauf nicht reagiert.
Mit Gerichtsbescheid vom 15. April 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die Klage bereits unbegründet sei, weil die angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide bestandskräftig seien. Zwar habe die Beklagte die Bescheide dem Kläger persönlich schicken dürfen, obwohl sich zuvor ein Anwalt legitimiert habe, es fehle jedoch ein Nachweis für die Bekanntgabe, da der Kläger den Erhalt der Bescheide bestritten habe. In der Verwaltungsakte sei nicht einmal ein Absendevermerk vorhanden, so dass jeder Nachweis dafür fehle, dass die Bescheide überhaupt zur Post gegeben worden seien. Die angegriffenen Bescheide, die dem Kläger spätestens im Widerspruchsverfahren bekannt gegeben worden seien, seien jedoch inhaltlich rechtmäßig. Die Beklagte habe die Alhi-Bewilligungen seit Dezember 1998 nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) rückwirkend zurücknehmen dürfen. Die Bewilligungen seien rechtswidrig. Der Kläger habe während der gesamten Bewilligungszeiträume keinen Anspruch auf Alhi gehabt. Sein Anspruch sei nach § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III a. F. ausgeschlossen, da er nicht bedürftig gewesen sei. Er habe nämlich über ein Vermögen verfügt, das nach § 193 Abs. 2 SGB III a. F. seinen Anspruch ausgeschlossen habe. Zur Zeit der Anträge und während des gesamten Leistungsbezugs hätten auf den Konten des Klägers bei der TCMB insgesamt 200.000 DM (102.101,50 EUR) gelegen. Dieses Geld habe der Kläger auch nicht bis 1998 verbraucht. Einen solchen Verbrauch habe er nicht behauptet und insbesondere nicht unter Beweis gestellt, obwohl ihn das Gericht mit präkludierender Fristsetzung hierzu aufgefordert habe. Da das Schicksal des Geldes ohne Angaben des Klägers nicht überprüft werden könne, könne und müsse das Gericht davon ausgehen, dass es noch vorhanden gewesen sei. Das vorhandene Vermögen habe durchgängig über den Vermögensfreibeträgen gelegen. Der Rücknahme habe kein schutzwürdiges Vertrauen gegenüber gestanden, weil der Kläger vorsätzlich falsche Angaben bei der Antragstellung gemacht habe. Die Rücknahmefristen seien bei Erlass der Aufhebungsbescheide nicht abgelaufen gewesen. Ermessenserwägungen habe die Beklagte nicht anstellen müssen, da es sich nach § 330 Abs. 2 SGB III um eine gebundene Entscheidung handele. Auch der Rückforderungsbetrag sei nicht zu beanstanden. Die bewilligte Alhi von 24.432,71 EUR müsse der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzahlen, nachdem die Bewilligungen wirksam aufgehoben worden seien. Die weiteren 6.517,91 EUR als Aufwendungen der Beklagten für die Kranken- und Pflegeversicherung während des Leistungsbezugs müsse der Kläger nach § 335 Abs. 1 SGB III zurückzahlen. Zwar stelle diese Norm zu der Zeit, als die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide erlassen worden seien, nur auf die Bezieher von "Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld" ab. Der Bezug von Alhi sei mit der Änderung der Vorschrift der Abschaffung der Alhi Ende 2004 durch das 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV) gestrichen worden. Die Streichung des Wortes Alhi durch den Gesetzgeber sei ein offensichtliches Versehen gewesen. Es liege daher eine unbewusste, planwidrige Regelungslücke vor, welche im Wege der Analogie gefüllt werden könne, indem die in § 335 Abs. 1 SGB III genannten Leistungen um die Alhi ergänzt würden.
Hiergegen wendet sich die am 15. April 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt nunmehr vor, zum Zeitpunkt des Antrags auf Kinderzuschlag (28. Dezember 2004) kein Vermögen mehr gehabt zu haben. Er habe sämtliches Geld bei der M. Bank abgehoben und nach seiner Erinnerung bereits im Jahr 1999 für 60.750 DM für seine Ehefrau und 157.950 DM für sich Anteilsscheine bei K. erworben. Hierüber hat er "Bestätigungen über den Teilhaberschaftsstatus" von K. vom 30. März 2000 vorgelegt sowie entsprechende Coupons der Aktien. Mittlerweile sei bestätigt worden, dass K. sehr viele türkische Mitbürger betrogen habe. Die Anteilsscheine seien wertlos. Es liefen verschiedene Strafverfahren in Deutschland und in der Türkei. Die Scheine seien wertlos und würden auch von keinem käuflich erworben. Die Gerichte in der Türkei sähen auch keine Haftungsmöglichkeit bei den Inhabern; dies sei höchstrichterlich festgestellt worden. Die Bescheide der Beklagten seien daher rechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. April 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 17. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass der Kläger insgesamt 200.000 DM auf Konten der TCMB eingezahlt habe, so dass zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Alhi Bedürftigkeit nicht vorgelegen habe. Dass der Kläger für dieses Geld im Jahr 2000 Anteilsscheine erworben habe und diese heute wertlos seien, sei hierbei rechtsunerheblich. Maßgeblich seien die bestehenden Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 1998.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist auch begründet, soweit die Beklagte für die Zeit vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 die Bewilligung von Alhi aufgehoben und die erbrachten Leistungen zurückgefordert hat. Hinsichtlich der Aufhebung und Rückforderung betreffend den Zeitraum 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 ist die Entscheidung der Beklagten und der angefochtene Gerichtsbescheid des SG dagegen nicht zu beanstanden, so dass die Berufung des Klägers im Übrigen zurückzuweisen ist.
Verfahrensrechtliche Grundlage der Rücknahme der Bewilligungen ist mit Blick auf die von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheide die Bestimmung des § 45 SGB X in der Modifikation durch § 330 Abs. 2 SGB III. Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach den tatsächlichen und materiell rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Nach § 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Absätze 2 und 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Bescheids (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1300 § 45 Nr. 24 S. 82; SozR a.a.O. Nr. 39 S. 127).
Die vorgenannten Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bescheide liegen für die Zeit vom 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 vor. Die Bewilligungsbescheide für diese Zeiträume waren rechtswidrig, weil der Kläger wegen seines bei der TCMB angelegten Vermögens keinen Anspruch auf Alhi hatte. Einen entsprechenden Anspruch hatte er dagegen für die Zeit vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004, so dass insoweit die Rücknahme der Bewilligungen rechtswidrig war.
Nach § 190 Abs. 1 SGB III (in den jeweiligen Fassungen bis 31. Dezember 2004 - a.F.) sind Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi (1.) Arbeitslosigkeit, (2.) Arbeitslosmeldung, (3.) fehlender Arbeitslosengeldanspruch, (4.) Vorbezug von Arbeitslosengeld und (5.) Bedürftigkeit. Nach § 193 Abs. 2 SGB III a.F. ist ein Arbeitsloser nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von Alhi mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse nicht gerechtfertigt ist, hat das SGB III der Regelung durch Rechtsverordnung überlassen (§ 206 Nr. 1 SGB III a.F.). Für die Zeit bis 31. Dezember 2001 ist die Arbeitslosenhilfeverordnung (Alhi-V) gem. Art. 81 Arbeitsförderungs- Reformgesetz (BGBl. I 1997 S. 594) noch in der Fassung vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1929; in der Fassung des Art. 2 Gesetz vom 24. Juni 1996, BGBl. I S. 878 - (Alhi-V 1974)) maßgeblich. Nach § 6 Abs. 1 Alhi-V 1974 ist Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens für den Kläger und seine Ehefrau jeweils 8.000 DM übersteigt. Vermögen ist nach § 6 Abs. 2 Alhi-V 1974 insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Es ist nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann. Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens- und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann (§ 6 Abs. 3 S. 1 Alhi-V 1974). Nach § 9 Alhi-V 1974 besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet (Verbot der Mehrfachanrechnung von Vermögen, vgl. hierzu BSGE 88, 252 ff. = SozR 3-4300 § 193 Nr. 2; ferner BSG, Urteil vom 17. März 2005 - B 7a/7 AL 38/04 R- (juris)).
Das in der Türkei bei der TCMB angelegte Vermögen des Klägers über 200.000 DM ist verwertbares Vermögen im Sinne dieser Vorschriften, es sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, welche Zweifel an der Zumutbarkeit der Verwertung wecken könnten. Der Kläger hat zwischenzeitlich eingeräumt, dass das Vermögen bei der Erstantragstellung noch vorhanden war. Allerdings ist die Bedürftigkeitsprüfung nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt begrenzt. Vielmehr kann die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit während der Dauer der Arbeitslosigkeit wegfallen oder neu eintreten mit der Folge, dass die Änderung vom Zeitpunkt ihres Eintritts an zu berücksichtigen ist (vgl. BSG SozR 4100 § 134 Nr. 16; BSGE 84, 48 = SozR 3-4220 § 6 Nr. 7; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 126/01 R - (juris)). Nach dem eigenen Vortrag des Klägers, welchen er durch die Vorlage von Anteilsscheinen belegt hat, hat er jedenfalls spätestens am 3. März 2000 - ein früherer Zeitpunkt lässt sich nicht feststellen - das gesamte bei der TCMB angelegte Vermögen für den Kauf von Anteilen der K.-H. verwendet. Der Kläger ist mit diesem Vortrag nicht präkludiert. Nach § 106a Abs. 3 Satz 1 SGG kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, unter näher genannten Voraussetzungen zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. Da das SG ausdrücklich nur verlangt hat, zu erklären und zu belegen, was mit dem bei der TCMB angelegten Geld bis zur erstmaligen Antragstellung im Jahr 1998 geschehen sei und Mitteilungen über Vermögensverfügungen zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausdrücklich gefordert hat, kann schon deshalb der Kläger mit seinem jetzigen Vorbringen nicht ausgeschlossen sein.
Bei der K.-H. handelte es sich um einen Bestandteil der türkischen K. Unternehmensgruppe, die unter türkischstämmigen Bürgern in Europa Anteile vertrieb und insbesondere damit warb, dass es sich um ein mit dem Zinsverbot des Islam k. I. handele und Erträge von 10 bis 20% zu erwarten seien. Da die K.-H. zumindest anfangs noch erfolgreich war und auch Gewinne gutschrieb, ist nicht erwiesen, dass bereits mit dem Erwerb der Anteilsscheine das Vermögen verloren war, denn diese hätten zum damaligen Zeitpunkt möglicherweise noch verkauft werden können. Angesichts des maßgeblichen wöchentlichen Bemessungsentgelts von 950,00 DM ergibt sich bei verwertbarem Vermögen nach Abzug der Freibeträge in Höhe von 184.000 DM ein Ausschluss der Bedürftigkeit für 193 Wochen. Der Kläger war demnach jedenfalls für die Zeit vom 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 nicht bedürftig.
Anders ist die Rechtslage hinsichtlich der Bewilligungen für den Zeitraum vom 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 zu beurteilen. Durch den Arbeitslosengeldbezug vom 26. Juli 2001 bis 8. Januar 2002 hatte der Kläger einen neuen Anspruch auf Alhi erworben. Am 1. Januar 2002 trat die Alhi-V 2002 in Kraft (Gesetz vom 13. Dezember 2001, BGBl. I S. 3734; vgl. BSG SozR 4-4200 § 1 Nr. 4 m.w.N.). Das in § 9 Alhi-V 1974 geregelte Verbot der Mehrfachanrechnung von Vermögen ist in der Alhi-V 2002 nicht mehr vorgesehen, vielmehr ist das tatsächlich vorhandene Vermögen maßgebend, welches, solange es vorhanden ist, der Bewilligung entgegen steht. Die Anteile bei der islamischen H. Gesellschaft K. sind im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung dabei mit ihrem aktuellen Verkehrswert zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 2008 - B 11 AL 25/07 R - (juris) zur Berücksichtigung von Aktienvermögen mit aktuellem Verkehrswert). Der Senat geht davon aus, dass diese Anteile jedenfalls im Jahr 2002 wertlos waren, so dass bei der erneuten Antragstellung am 9. Januar 2002 kein berücksichtigungsfähiges Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau mehr vorhanden war. Der Senat stützt sich insoweit auf entsprechende Presseberichte ("Allah ist immer dabei", taz 2. September 2000; "Neuer Markt auf Türkisch", Der Spiegel 26. Januar 2004, S. 36; "Der verlorene Schatz", Die Zeit 9. November 2006; "Muslime um ihr Erspartes geprellt", taz 10. November 2006; "Betrug an Deutschlands Türken", Spiegel-online 17. April 2007) sowie die Ergebnisse von Schadenersatzprozessen geprellter Anleger in Deutschland (vgl. Landgericht (LG) Bremen, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 2 O 37/06 - (juris)). Danach ist davon auszugehen, dass ab 2001 keine Gewinne mehr gutgeschrieben wurden (vgl. LG Bremen, a.a.O.), auch konnten die Anleger nicht die Auszahlung des auf ihren Anteil entfallenden Vermögensteils verlangen. Der Senat ist nach alledem davon überzeugt, dass das in Anteilen der K. H. angelegte Vermögen jedenfalls Anfang 2002 verloren war. Hilfebedürftigkeit des Klägers war demnach gegeben.
Da auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen (Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung, fehlender Arbeitslosengeldanspruch und Vorbezug von Arbeitslosengeld) im Zeitraum 9. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 unzweifelhaft vorliegen, war die Bewilligung von Alhi in diesem Zeitraum rechtmäßig, so dass eine Rücknahme nicht in Betracht kommt.
Für die Zeiträume 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 stehen die Bewilligungsbescheide, wie oben ausgeführt, indes nicht mit der materiellen Rechtslage in Einklang. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er bei der Antragstellung vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), denn er hat bei allen Anträgen das in der Türkei bei der TCMB angelegte Vermögen verschwiegen. Eine grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 SGB X anzunehmen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat. Verlangt wird eine Sorgfaltspflichtverletzung mit einem außergewöhnlich hohen Ausmaß, d.h. eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung; es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden seien, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR a.a.O. Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Missachtet der Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im Bescheid oder in einem Merkblatt, so begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96 - (juris)).
Hiervon ausgehend hat der Kläger schon entgegen der klaren und unmissverständlichen Fragestellungen in den jeweiligen Antragsformularen bzw. dem Zusatzblatt "Bedürftigkeitsprüfung" unrichtige Angaben bezüglich seiner Vermögensverhältnisse gemacht, indem er jeweils das Vorhandensein von Vermögen verneint hat. Dabei musste ihm - unter Zugrundelegung der eindeutigen Fragestellung - auch bei der ihm eingeräumten eigenen rechtlichen Wertung (vgl. BSGE 42, 184, 188 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 47, 28, 33; BSG SozR 4100 § 152 Nr. 6) ohne weitere Überlegung klar sein, was berücksichtigungsfähiges Vermögen ist bzw. dass zu den anzugebenden Vermögenswerten nicht nur die im Inland, sondern auch die im Ausland angelegten gehören. Nach alledem ist dem Kläger Fehlverhalten im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X anzulasten. Da § 330 Abs. 2 SGB III unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts zwingend vorschreibt, greifen Härtegesichtspunkte nicht ein. Der Gesetzgeber hat bewusst im Bereich des Arbeitsförderungsrechts im Hinblick auf die häufig kurzfristig zu erbringenden und ebenso kurzfristig zu beendenden Leistungen, bei denen Überzahlungen praktisch nicht zu vermeiden sind, anstelle einer Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung vorgesehen (vgl. BT-Drs. 12/5502 S. 37 zu Nr. 43 zur Vorgängerregelung des § 152 Arbeitsförderungsgesetz).
Die in § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen sind eingehalten. Nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorliegen. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit muss innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Der Einhaltung dieser Fristen steht nicht entgegen, dass der Kläger die ursprünglichen Rücknahmebescheide vom 17. Dezember 2007 möglicherweise gar nicht erhalten hat. Sowohl im Aufklärungsschreiben vom 18. Februar 2008 als auch im Widerspruchsbescheid vom 19. März 2008 hat die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers die mit Bescheiden vom 17. Dezember 2007 getroffenen Regelungen (vollständige Rücknahme der Bewilligungen von Alhi für die Zeit ab 9. Dezember 1998 und ab 9. Januar 2002) mitgeteilt. Damit hat die Behörde willentlich dem Bevollmächtigten des Klägers (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X) vom Inhalt der Bescheide Kenntnis verschafft, was für eine Bekanntgabe ausreichend ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), BVerwGE 22, 14 f.; 29, 321, 323). Angesichts der Alhi-Bewilligung im Dezember 1998 war die Zehnjahresfrist und hinsichtlich der erst mit Bescheiden vom 17. Dezember 2007 abgeschlossenen Anhörung zur Rücknahme (zur Maßgeblichkeit der Anhörung für die Kenntnis der Behörde i.S.v. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn. 27 und 42) war auch die Jahresfrist nach alledem noch nicht abgelaufen.
Der Kläger ist daher nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die im Zeitraum vom 9. Dezember 1998 bis 24. April 2000 überzahlte Alhi zu erstatten. Der Rückforderungsbetrag für diese Zeiträume ist von der Beklagten zutreffend mit 12.347,93 EUR festgesetzt worden. Über die Modalitäten der Rückzahlung ist vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. BSG SozR 1200 § 42 Nr. 4 S. 18; SozR 3-1300 § 48 Nr. 3 S. 84).
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der in diesem Zeitraum von der Beklagten geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Zwar wird in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III (Gesetz vom 24. Dezember 2003 - BGBl. I S. 2954) Alhi nicht mehr genannt, nach der neuesten Rechtsprechung des BSG ist die durch die versehentliche Streichung des Gesetzgebers entstandene planwidrige Gesetzeslücke im Rahmen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung dadurch zu schließen, dass die Bezieher von Alhi den sonstigen Leistungsbeziehern im Sinne des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III gleich zu stellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2009 - B 11 AL 31/08 R - (bisher nur als Pressemitteilung vorliegend)). Der Senat hält insoweit an seiner früheren Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 12. September 2008 - L 12 AL 1665/08 - (juris)) nicht mehr fest. Der Kläger ist daher auch zur Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 3.680,28 EUR verpflichtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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