L 12 AS 3522/09 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 922/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3522/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum April bis September 2008.

Der 1954 geborene Kläger lebt seit April 2006 von seiner Ehefrau getrennt, die gemeinsamen sechs Kinder verblieben zunächst bei der Mutter. Seit Dezember 2006 bezieht der Kläger vom Beklagten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Nachdem der Vermieter wegen Eigenbedarf die bisherige, 45qm große Wohnung des Klägers gekündigt und zugleich eine im gleichen Wohnhaus befindliche Dreizimmerwohnung mit 68 qm Wohnfläche angeboten hatte, schloss der Kläger am 9. Januar 2008 den Mietvertrag ab über die ihm angebotene Wohnung zu einer Kaltmiete von 380 EUR zuzüglich 120 EUR Nebenkosten.

Am 29. Februar 2008 teilte er dem Beklagten mit, er benötige die größere Wohnung zur Ausübung seines Umgangsrechts mit den Kindern und verwies hierzu auf den Beschluss des Familiengerichts H. vom 21. Januar 2008 (10 F 2073/07). Mit Beschluss vom 27. Mai 2008 erweiterte das Oberlandesgericht S. (OLG) auf die Beschwerde des Klägers das Umgangsrecht, so dass dem Kläger das Recht eingeräumt wurde, die Töchter A. (geb. 1994) und L. (geb. 1996) an jedem ersten und dritten Wochenende jedes Monats von Samstag 9:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr und in der zweiten Hälfte jeder Ferien sowie den Sohn L. (geb. 1996) an jedem zweiten Wochenende und in der ersten Wochenhälfte einwöchiger Ferien zu sich zu nehmen.

Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 31. März 2008 dem Kläger für den Leistungszeitraum April bis September 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung in der für eine Person angemessen erachteten Höhe von 345 EUR (Kaltmiete 261 EUR, Nebenkosten 36 EUR, Heizkosten 48 EUR). Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.

Vom 24. Juli bis 17. August 2008 hielten sich A., L. und L. gemeinsam beim Kläger auf, seit dem 26. August 2008 wohnt die Tochter A., die Klägerin, bei ihrem Vater. Mit Änderungsbescheid vom 4. September 2009 bewilligte der Beklagte daraufhin den Klägern für August 2008 Leistungen in Höhe von 359,33 EUR und für September 2008 in Höhe von 431 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Ab 26. August 2008 sei der angemessene Bedarf für einen Zweipersonenhaushalt bewilligt worden. Vorher stehe dem Kläger nur der Wohnraumbedarf für eine Person zu, denn drei seiner Kinder hätten ihn lediglich einmal gemeinsam für drei Wochen besucht, weitere regelmäßige Aufenthalte von Kindern seien nicht nachgewiesen worden. Ein einmaliger Besuch rechtfertige nicht die Anerkennung eines höheren Wohnbedarfs.

Mit Urteil vom 24. Juni 2009 hat das Sozialgericht Mannheim (SG) auf die Klage der Kläger entschieden, dass im Zeitraum Juni bis September 2008 monatlich 480 EUR für Unterkunft und Heizung zu gewähren seien (zunächst an den Kläger allein, ab 26. August 2008 an die Kläger je zur Hälfte) und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der Entscheidung des OLG habe sich das Umgangsrecht des Klägers so erweitert, dass es in einer Wohnung, die einem Einpersonenhaushalt entspreche, nicht mehr familiengerecht hätte wahrgenommen werden können. Eine Übernachtung der beiden Töchter in einem Raum mit dem Kläger sei anlässlich einer Übernachtung einmal im Monat zumutbar gewesen, nicht mehr jedoch angesichts der regelmäßigen Aufenthalte nach Wirksamwerden des Beschlusses des OLG ab Juni 2008. Die tatsächlichen Unterkunftskosten betrügen 480 EUR (unter Abzug von 10 EUR für den Nutzwert der Einbauküche und eines Warmwasserabschlags von pauschal 10 EUR), dieser Betrag liege im Bereich angemessener Wohnkosten für einen Zweipersonenhaushalt von bis zu 485 EUR (Kaltmiete 348 EUR, Nebenkosten 84 EUR, Heizung 53 EUR).

Gegen das am 2. Juli 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. August 2009 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde. Zur Begründung trägt der Kläger vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, da es um die Bewertung der Wohnungsgröße und -kosten bei Alg-2-Beziehern gehe, die Umgangsrechte und -pflichten gegenüber mehreren Kindern hätten, und es gehe um die (Grund-)Rechte der betroffenen Kinder. Zudem weiche das Urteil (möglicherweise) von den Entscheidungen höherer Gerichte ab.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 145 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist zwar zulässig (§ 145 Abs. 1 SGG), jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 a.a.O.). Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben; weder stehen wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit, noch ist die erforderliche Berufungssumme in Anbetracht des Beschwerdewerts von insgesamt 370 EUR erreicht. Das SG hat die Berufung im angefochtenen Urteil auch nicht zugelassen, sodass sie der Zulassung durch das LSG bedurft hätte. Eine solche Zulassung kommt vorliegend nicht in Betracht.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1.) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 129, 132). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 60; SozR 3-1500 § 160a Nr. 16; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnrn. 28 f.; § 160 Rdnrn. 6 ff. (jeweils m.w.N.)). Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss die abstrakte Klärungsfähigkeit, d.h. die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, und die konkrete Klärungsfähigkeit, d.h. die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage hinzutreten (vgl. dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr. 53; SozR 1500 § 160a Nr. 54). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7).

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich hier konkret nicht. Soweit auf den Zusammenhang zwischen Umgangsrecht des Hilfebedürftigen und Größe des nach dem SGB II als angemessen anzusehenden Wohnraums verwiesen wird, stellen sich für den Zeitraum April und Mai 2008 hiermit zusammenhängende Rechtsfragen nicht, da angesichts der vom Familiengericht nur vorgesehenen einmaligen Übernachtung im Monat (einmal Arlene und Linnea, einmal Leander) nur derart seltene Besuche vorgesehen waren, dass insoweit zur Wahrnehmung des Umgangsrechts schon keine größere Wohnung erforderlich war. Für den Zeitraum Juni und September 2008 hat das SG die tatsächlichen Wohnkosten zugesprochen, wobei die Abzüge von 20 EUR monatlich in keinem Zusammenhang mit Fragen der Wahrnehmung des Umgangsrechts stehen. In einem von den Klägern geführten Berufungsverfahren wären hiermit zusammenhängende Fragen nach alledem nicht entscheidungserheblich.

(2.) Eine Abweichung der Entscheidung des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte liegt nicht vor. Eine solche setzt die Aufstellung eines abstrakten Rechtssatzes voraus, der von einem von den genannten Gerichten aufgestellten objektiv abweicht. Ein abstrakter Rechtssatz liegt nur vor bei fallübergreifender, nicht lediglich auf Würdigung des Einzelfalls bezogener rechtlicher Aussage (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 160 Rdnr. 13 m.w.N.). Die Aufstellung eines derartigen, die Entscheidung tragenden Rechtssatzes durch das SG in Widerspruch zu den genannten Gerichten ist nicht ersichtlich und wird von den Klägern konkret auch nicht geltend gemacht.

(3.) Ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist weder dargetan noch erkennbar.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das angefochtene Urteil vom 24. Juni 2009 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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