Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 1822/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5994/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. November 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 30. Januar 2007.
Die Klägerin ist am 1969 geboren. Sie beantragte am 15. April 1999 bei der damaligen IKK Baden-Württemberg eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation, die auf Kosten der Krankenkasse vom 02. bis 23. September 1999 in der Klinik N. in N.-N. durchgeführt wurde. Bei der Beklagten beantragte sie am 14. Mai 2001 formlos Rente wegen Erwerbsminderung (Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten, eines Rentenberaters, vom 10. Mai 2001). Diesem Schreiben war eine von der Klägerin unterschriebene und mit dem Datum vom 09. Mai 2001 versehene Vollmachtsurkunde beigefügt. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 24. Februar 2003 und Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Mai 2001 bis 31. März 2004. Während des anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens (Sozialgericht Freiburg [SG], S 4 R 682/04) bewilligte ihr die Beklagte aufgrund des Teilanerkenntnisses vom 20. Juli 2005 mit Bescheid vom 27. Juli 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. März 2004 hinaus auf unbestimmte Zeit. Das SG verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 25. August 2006 über das Teilanerkenntnis hinaus, der Klägerin bereits ab 24. September 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer zu gewähren. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2006 führte die Beklagte dieses Urteil aus. Widerspruch, Klage (Urteil des SG vom 10. Dezember 2007, S 6 R 1192/07) und Berufung der Klägerin (Beschluss des Senats vom 14. Mai 2009, L 4 R 4000/08) gegen diesen Ausführungsbescheid wegen der Zinsberechnung blieben erfolglos.
Mit dem hier streitigen Bescheid vom 30. Januar 2007 gewährte die Beklagte der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits ab 01. April 1999, weil die Klägerin während der auf Kosten der IKK durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme, die sie bei dieser am 15. April 1999 beantragt hatte, keinen Anspruch auf Übergangsgeld gehabt habe, und berechnete die Rente neu. Für die Zeit vom 01. April bis 23. September 1999 ergab sich eine weitere Nachzahlung von insgesamt EUR 5.522,03 einschließlich Zinsen in Höhe von vier v.H. ab Dezember 2001 (EUR 945,50). Die monatliche Rente stellte die Beklagte ab 01. März 2007 - unverändert - mit EUR 928,76 brutto und EUR 841,46 netto fest. Eine Änderung des Zugangsfaktors von 1,0 erfolgte nicht. In dem Bescheid führte die Beklagte auch aus, die Rente werde neu berechnet, weil sich der zu berücksichtigende Anteil an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung geändert habe, der Betrag der Monatsrente neu zu ermitteln gewesen sei, sich die mit der Rente zusammentreffenden anderen Ansprüche geändert hätten, ein anderer Beitragssatz zur Krankenversicherung maßgebend sei und Pflegeversicherungsbeiträge aus der Rente in anderer Höhe einzubehalten seien. Den gegen diesen Bescheid von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2008 zurück. Die Klägerin begehre eine höhere Rente, ohne konkret darzulegen, dass die Rentenberechnung dem geltenden Recht widerspreche. Den Widerspruch habe sie nach der Erläuterung durch das Schreiben vom 03. April 2007 nicht weiter begründet.
Am 11. April 2008 erhob die Klägerin Klage zum SG.
Unter dem 16. April 2008 und dem 21. Juli 2008 forderte das SG den Bevollmächtigten der Klägerin auf, eine schriftliche Vollmacht vorzulegen. Unter dem 10. September 2008 wies das SG darauf hin, dass die Klage unzulässig sei, weil bislang weder ein Antrag gestellt noch eine Begründung gegeben noch eine Prozessvollmacht eingereicht sei. Ferner teilte es mit, dass Sachvortrag, der nach dem 02. Oktober 2008 eingehe, unter den Voraussetzungen des § 106a Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), nämlich Verzögerung des Rechtsstreits bei Zulassung des Vorbringens, keine genügende Entschuldigung für die Verspätung des Vorbringens und Belehrung über die Folgen der Fristversäumung, zurückgewiesen werden könne und dass Erklärungen und Beweismittel, die das SG zu Recht zurückgewiesen habe, nach § 157a Abs. 2 SGG auch im Berufungsverfahren ausgeschlossen blieben. Zugleich kündigte das SG an, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen. Dieser Hinweis wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 15. September 2008 zugestellt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erwiderte, die Vollmacht aus dem Verwaltungsverfahren erstrecke sich auf alle Folgeverfahren, weitere Instanzen und Nebenverfahren aller Art. Die Regelung in § 106a SGG sei ohnehin rechtsstaatswidrig, weil es im Gegenzug keine Norm gebe, die den Klägern Rechte einräume, wenn bei Gericht oder Behörden Verfahren nicht betrieben würden. Grund für die Verzögerung sei die Komplexität der Sache. Die Rentenberechnungen müssten überprüft werden.
Die Beklagte äußerte sich nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. November 2008 wies das SG die Klage (als unzulässig) ab. Es könne dahinstehen, ob der Bevollmächtigte der Klägerin eine Vollmacht habe. Er habe sich zwar auf eine Vollmacht bei den Verwaltungsakten berufen, die auch das Klagverfahren mit umfassen solle. Das Gericht habe jedoch keine solche Vollmacht feststellen können. Unabhängig davon sei die Klage unzulässig, weil der Klägerin die Klagebefugnis fehle. Sie habe nicht behauptet, durch den angegriffenen Bescheid in eigenen Rechten verletzt zu sein. Da sie zudem keinen Antrag gestellt habe, sei auch kein Rechtsschutzbedürfnis erkennbar. Die Kammer verkenne nicht, dass die gesamte Angelegenheit - auch durch eine Vielzahl häufig unbestimmter und nicht in jedem Einzelfalle sachdienlicher Anträge der Klägerin - inzwischen einen nicht unerheblichen Umfang erlangt habe. Maßgeblich sei jedoch, dass die rechtskundig vertretene Klägerin auf das Hinweisschreiben der Beklagten vom 03. April 2007 binnen mehr als eineinhalb Jahren keinen Anhaltspunkt vorgetragen habe, aus dem der angegriffene Bescheid nunmehr noch rechtswidrig sein solle, und auch nicht benannt habe, was sie statt der Entscheidung der Beklagten wirklich wolle. Es sei nicht Aufgabe eines Gerichts, Verwaltungsakte aufs Geratewohl zu überprüfen. Dieser Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28. November 2008 zugestellt.
Am 22. Dezember 2008 hat die Klägerin Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Eine Begründung in der Sache ist nicht erfolgt. Zur Frage der Bevollmächtigung trägt sie vor, in den Verwaltungsakten der Beklagte befinde sich eine ordnungsgemäße Vollmacht; diese erstrecke sich auf das Berufungsverfahren. Auch seien diverse Vollmachten in anderen Gerichtsverfahren übersandt worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. November 2008 aufzuheben, den Bescheid vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat den Bevollmächtigten der Klägerin unter dem 08. Mai 2009 um die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht für das Berufungsverfahren gebeten und mitgeteilt, dass die Berufung als unzulässig verworfen werden müsse, wenn keine Vollmachtsurkunde vorgelegt werde, dies erneut unter dem 02. Juni 2009 mit Setzung einer Frist bis 30. Juni 2009.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte zwar keine schriftliche Prozessvollmacht vorgelegt. Allerdings ist die Aufforderung mit Fristsetzung ihm nicht zugestellt worden, so dass die Frist nicht zu laufen begonnen hat. Der Senat hat deshalb von einer Verwerfung der Berufung als unzulässig abgesehen.
Nach § 151 Abs. 1 SGG gelten für das Verfahren vor den Landessozialgerichten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 SGG entsprechend. Nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG - auch im Folgenden in der seit 01. Juli 2008 geltenden Fassung des Art. 12 Nr. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2840) - können sich Beteiligte vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht durch einen Rentenberater vertreten lassen. § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG bestimmt - zwingend -, dass die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen ist. Allerdings kann sie nachgereicht werden, hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen (§ 73 Abs. 6 Satz 2 SGG). Nach § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Reicht ein Bevollmächtigter trotz Fristsetzung durch das Gericht entgegen diesen Vorschriften keine schriftliche Vollmacht zu den Gerichtsakten, so können seine Prozesshandlungen dem Kläger nicht zugerechnet werden.
Da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin kein Rechtsanwalt, sondern ein Rentenberater ist, ist die Vorlage einer schriftlichen Prozessvollmacht erforderlich. Eine solche hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht vorgelegt. Zwar hat der Berichterstatter für die Vorlage der schriftlichen Prozessvollmacht im Schreiben vom 02. Juni 2009 eine Frist bis 30. Juni 2009 gesetzt, allerdings dieses Schreiben nicht zugestellt (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG), so dass die Frist nicht zu laufen begann. Der Prozessbevollmächtigte Klägerin hat das Schreiben vom 02. Juni 2009 zwar erhalten. Denn er hat hierzu Stellung genommen. Dies führte gleichwohl nicht nach §§ 63 Abs. 2 SGG, 189 der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Heilung des Zustellungsmangels. Eine Zustellung, deren Mängel durch tatsächlichen Zugang des Schriftstücks geheilt werden könnten, ist nur dann anzunehmen, wenn das Gericht mit Zustellungswillen gehandelt hat (BGH Beschluss vom 26. November 2002 - VI ZB 41/02 -, veröffentlicht u.a. in juris). Ein Zustellungswille lag nicht vor, weil eine Zustellung nicht verfügt wurde.
Da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wegen der fehlenden schriftlichen Prozessvollmacht als vollmachtloser Vertreter anzusehen ist, hat der Senat das Urteil auch der Klägerin selbst zugestellt (vgl. Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 12. August 1981 - I B 72/80 -, veröffentlicht in juris).
2. Die zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat auch beim SG trotz Aufforderung mit Fristsetzung, die ihm am 15. September 2008 zugestellt worden ist, keine schriftliche Prozessvollmacht vorgelegt.
Die Notwendigkeit der Vorlage einer schriftlichen Prozessvollmacht ergibt sich aus den oben genannten Regelungen des § 73 SGG. Eine Bezugnahme auf eine im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren eingereichte Vollmacht reicht nicht aus, wenn diese nicht zweifelsfrei deutlich macht, dass sie auch in dem anschließenden Rechtsstreit gelten soll (BSG SozR 3-1500 § 73 Nrn. 2 und 9). Allein eine Vollmacht in den beigezogenen Verwaltungsakten, die auch - abstrakt - zur "Einlegung von Rechtsmitteln" berechtigt, reicht nicht aus (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73 Rn. 64 m.w.N.). Ebenso wirkt eine in einem gerichtlichen Verfahren vorgelegte Vollmacht nur für dieses Verfahren, also bis zur formellen Rechtskraft einer Entscheidung oder der sonstigen endgültigen Erledigung des Rechtsstreits (Leitherer, a.a.O., Rn. 74). Für ein neues Gerichtsverfahren ist eine neue Vollmachtsurkunde vorzulegen. Die Prozesshandlungen eines ohne Vollmacht auftretenden Prozessbevollmächtigten sind unzulässig. Dies gilt gleichermaßen für eine Klagerhebung sowie für die Einlegung eines Rechtsmittels wie die Berufung (Leitherer, a.a.O., Rn. 66 mit Hinweis auf BSG SozR 3-1500 § 158 Nr. 2).
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat eine schriftliche Vollmacht für das Klageverfahren trotz der Aufforderung durch den Kammervorsitzenden des SG in der Verfügung vom 10. September 2008 mit Fristsetzung bis 02. Oktober 2008 nicht vorgelegt.
Bei den Verwaltungsakten der Beklagten konnte eine schriftliche Vollmacht, die auch den hier streitigen Bescheid vom 30. Januar 2007 betrifft, nicht aufgefunden werden. Die einzige dort vorhandene Vollmachtsurkunde (ein gelbes Blatt, lose in der Tasche zu Beginn des Aktenbandes I) datiert vom 09. Mai 2001 und betraf offensichtlich den erstmaligen Rentenantrag bei der Beklagten vom 14. Mai 2001, den die Klägerin unter Einschaltung ihres Bevollmächtigten gestellt hatte. Diese Vollmacht erstreckt sich nicht mehr auf den jetzigen Streitgegenstand, die Anfechtung eines Neufeststellungsbescheids im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) und erst recht nicht auf ein Klag- oder ein Berufungsverfahren über einen derartigen, anderen Streitgegenstand.
Bei den hier vorhandenen Gerichtsakten konnte eine Vollmachtsurkunde der Klägerin für ihren Prozessbevollmächtigten nur in dem Klagverfahren S 6 R 1192/07 betreffend den Beginn der Verzinsung der Rentennachzahlung im Bescheid vom 25. Oktober 2006 gefunden werden. Diese betraf ein anderes gerichtliches Verfahren.
Der Mangel der Vollmacht hat sich mit dem Erlass des angefochtenen Gerichtsbescheids des SG vom 24. November 2008 endgültig und irreparabel realisiert und ist im Berufungsverfahren nicht mehr heilbar (vgl. BSG SozR 3-1500 § 73 Nr. 9).
Ob die Klage aus den weiteren vom SG genannten Gründen unzulässig ist, lässt der Senat dahingestellt.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 30. Januar 2007.
Die Klägerin ist am 1969 geboren. Sie beantragte am 15. April 1999 bei der damaligen IKK Baden-Württemberg eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation, die auf Kosten der Krankenkasse vom 02. bis 23. September 1999 in der Klinik N. in N.-N. durchgeführt wurde. Bei der Beklagten beantragte sie am 14. Mai 2001 formlos Rente wegen Erwerbsminderung (Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten, eines Rentenberaters, vom 10. Mai 2001). Diesem Schreiben war eine von der Klägerin unterschriebene und mit dem Datum vom 09. Mai 2001 versehene Vollmachtsurkunde beigefügt. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 24. Februar 2003 und Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Mai 2001 bis 31. März 2004. Während des anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens (Sozialgericht Freiburg [SG], S 4 R 682/04) bewilligte ihr die Beklagte aufgrund des Teilanerkenntnisses vom 20. Juli 2005 mit Bescheid vom 27. Juli 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. März 2004 hinaus auf unbestimmte Zeit. Das SG verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 25. August 2006 über das Teilanerkenntnis hinaus, der Klägerin bereits ab 24. September 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer zu gewähren. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2006 führte die Beklagte dieses Urteil aus. Widerspruch, Klage (Urteil des SG vom 10. Dezember 2007, S 6 R 1192/07) und Berufung der Klägerin (Beschluss des Senats vom 14. Mai 2009, L 4 R 4000/08) gegen diesen Ausführungsbescheid wegen der Zinsberechnung blieben erfolglos.
Mit dem hier streitigen Bescheid vom 30. Januar 2007 gewährte die Beklagte der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits ab 01. April 1999, weil die Klägerin während der auf Kosten der IKK durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme, die sie bei dieser am 15. April 1999 beantragt hatte, keinen Anspruch auf Übergangsgeld gehabt habe, und berechnete die Rente neu. Für die Zeit vom 01. April bis 23. September 1999 ergab sich eine weitere Nachzahlung von insgesamt EUR 5.522,03 einschließlich Zinsen in Höhe von vier v.H. ab Dezember 2001 (EUR 945,50). Die monatliche Rente stellte die Beklagte ab 01. März 2007 - unverändert - mit EUR 928,76 brutto und EUR 841,46 netto fest. Eine Änderung des Zugangsfaktors von 1,0 erfolgte nicht. In dem Bescheid führte die Beklagte auch aus, die Rente werde neu berechnet, weil sich der zu berücksichtigende Anteil an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung geändert habe, der Betrag der Monatsrente neu zu ermitteln gewesen sei, sich die mit der Rente zusammentreffenden anderen Ansprüche geändert hätten, ein anderer Beitragssatz zur Krankenversicherung maßgebend sei und Pflegeversicherungsbeiträge aus der Rente in anderer Höhe einzubehalten seien. Den gegen diesen Bescheid von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2008 zurück. Die Klägerin begehre eine höhere Rente, ohne konkret darzulegen, dass die Rentenberechnung dem geltenden Recht widerspreche. Den Widerspruch habe sie nach der Erläuterung durch das Schreiben vom 03. April 2007 nicht weiter begründet.
Am 11. April 2008 erhob die Klägerin Klage zum SG.
Unter dem 16. April 2008 und dem 21. Juli 2008 forderte das SG den Bevollmächtigten der Klägerin auf, eine schriftliche Vollmacht vorzulegen. Unter dem 10. September 2008 wies das SG darauf hin, dass die Klage unzulässig sei, weil bislang weder ein Antrag gestellt noch eine Begründung gegeben noch eine Prozessvollmacht eingereicht sei. Ferner teilte es mit, dass Sachvortrag, der nach dem 02. Oktober 2008 eingehe, unter den Voraussetzungen des § 106a Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), nämlich Verzögerung des Rechtsstreits bei Zulassung des Vorbringens, keine genügende Entschuldigung für die Verspätung des Vorbringens und Belehrung über die Folgen der Fristversäumung, zurückgewiesen werden könne und dass Erklärungen und Beweismittel, die das SG zu Recht zurückgewiesen habe, nach § 157a Abs. 2 SGG auch im Berufungsverfahren ausgeschlossen blieben. Zugleich kündigte das SG an, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen. Dieser Hinweis wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 15. September 2008 zugestellt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erwiderte, die Vollmacht aus dem Verwaltungsverfahren erstrecke sich auf alle Folgeverfahren, weitere Instanzen und Nebenverfahren aller Art. Die Regelung in § 106a SGG sei ohnehin rechtsstaatswidrig, weil es im Gegenzug keine Norm gebe, die den Klägern Rechte einräume, wenn bei Gericht oder Behörden Verfahren nicht betrieben würden. Grund für die Verzögerung sei die Komplexität der Sache. Die Rentenberechnungen müssten überprüft werden.
Die Beklagte äußerte sich nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. November 2008 wies das SG die Klage (als unzulässig) ab. Es könne dahinstehen, ob der Bevollmächtigte der Klägerin eine Vollmacht habe. Er habe sich zwar auf eine Vollmacht bei den Verwaltungsakten berufen, die auch das Klagverfahren mit umfassen solle. Das Gericht habe jedoch keine solche Vollmacht feststellen können. Unabhängig davon sei die Klage unzulässig, weil der Klägerin die Klagebefugnis fehle. Sie habe nicht behauptet, durch den angegriffenen Bescheid in eigenen Rechten verletzt zu sein. Da sie zudem keinen Antrag gestellt habe, sei auch kein Rechtsschutzbedürfnis erkennbar. Die Kammer verkenne nicht, dass die gesamte Angelegenheit - auch durch eine Vielzahl häufig unbestimmter und nicht in jedem Einzelfalle sachdienlicher Anträge der Klägerin - inzwischen einen nicht unerheblichen Umfang erlangt habe. Maßgeblich sei jedoch, dass die rechtskundig vertretene Klägerin auf das Hinweisschreiben der Beklagten vom 03. April 2007 binnen mehr als eineinhalb Jahren keinen Anhaltspunkt vorgetragen habe, aus dem der angegriffene Bescheid nunmehr noch rechtswidrig sein solle, und auch nicht benannt habe, was sie statt der Entscheidung der Beklagten wirklich wolle. Es sei nicht Aufgabe eines Gerichts, Verwaltungsakte aufs Geratewohl zu überprüfen. Dieser Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28. November 2008 zugestellt.
Am 22. Dezember 2008 hat die Klägerin Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Eine Begründung in der Sache ist nicht erfolgt. Zur Frage der Bevollmächtigung trägt sie vor, in den Verwaltungsakten der Beklagte befinde sich eine ordnungsgemäße Vollmacht; diese erstrecke sich auf das Berufungsverfahren. Auch seien diverse Vollmachten in anderen Gerichtsverfahren übersandt worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. November 2008 aufzuheben, den Bescheid vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat den Bevollmächtigten der Klägerin unter dem 08. Mai 2009 um die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht für das Berufungsverfahren gebeten und mitgeteilt, dass die Berufung als unzulässig verworfen werden müsse, wenn keine Vollmachtsurkunde vorgelegt werde, dies erneut unter dem 02. Juni 2009 mit Setzung einer Frist bis 30. Juni 2009.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte zwar keine schriftliche Prozessvollmacht vorgelegt. Allerdings ist die Aufforderung mit Fristsetzung ihm nicht zugestellt worden, so dass die Frist nicht zu laufen begonnen hat. Der Senat hat deshalb von einer Verwerfung der Berufung als unzulässig abgesehen.
Nach § 151 Abs. 1 SGG gelten für das Verfahren vor den Landessozialgerichten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 SGG entsprechend. Nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG - auch im Folgenden in der seit 01. Juli 2008 geltenden Fassung des Art. 12 Nr. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2840) - können sich Beteiligte vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht durch einen Rentenberater vertreten lassen. § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG bestimmt - zwingend -, dass die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen ist. Allerdings kann sie nachgereicht werden, hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen (§ 73 Abs. 6 Satz 2 SGG). Nach § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Reicht ein Bevollmächtigter trotz Fristsetzung durch das Gericht entgegen diesen Vorschriften keine schriftliche Vollmacht zu den Gerichtsakten, so können seine Prozesshandlungen dem Kläger nicht zugerechnet werden.
Da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin kein Rechtsanwalt, sondern ein Rentenberater ist, ist die Vorlage einer schriftlichen Prozessvollmacht erforderlich. Eine solche hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht vorgelegt. Zwar hat der Berichterstatter für die Vorlage der schriftlichen Prozessvollmacht im Schreiben vom 02. Juni 2009 eine Frist bis 30. Juni 2009 gesetzt, allerdings dieses Schreiben nicht zugestellt (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG), so dass die Frist nicht zu laufen begann. Der Prozessbevollmächtigte Klägerin hat das Schreiben vom 02. Juni 2009 zwar erhalten. Denn er hat hierzu Stellung genommen. Dies führte gleichwohl nicht nach §§ 63 Abs. 2 SGG, 189 der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Heilung des Zustellungsmangels. Eine Zustellung, deren Mängel durch tatsächlichen Zugang des Schriftstücks geheilt werden könnten, ist nur dann anzunehmen, wenn das Gericht mit Zustellungswillen gehandelt hat (BGH Beschluss vom 26. November 2002 - VI ZB 41/02 -, veröffentlicht u.a. in juris). Ein Zustellungswille lag nicht vor, weil eine Zustellung nicht verfügt wurde.
Da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wegen der fehlenden schriftlichen Prozessvollmacht als vollmachtloser Vertreter anzusehen ist, hat der Senat das Urteil auch der Klägerin selbst zugestellt (vgl. Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 12. August 1981 - I B 72/80 -, veröffentlicht in juris).
2. Die zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat auch beim SG trotz Aufforderung mit Fristsetzung, die ihm am 15. September 2008 zugestellt worden ist, keine schriftliche Prozessvollmacht vorgelegt.
Die Notwendigkeit der Vorlage einer schriftlichen Prozessvollmacht ergibt sich aus den oben genannten Regelungen des § 73 SGG. Eine Bezugnahme auf eine im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren eingereichte Vollmacht reicht nicht aus, wenn diese nicht zweifelsfrei deutlich macht, dass sie auch in dem anschließenden Rechtsstreit gelten soll (BSG SozR 3-1500 § 73 Nrn. 2 und 9). Allein eine Vollmacht in den beigezogenen Verwaltungsakten, die auch - abstrakt - zur "Einlegung von Rechtsmitteln" berechtigt, reicht nicht aus (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73 Rn. 64 m.w.N.). Ebenso wirkt eine in einem gerichtlichen Verfahren vorgelegte Vollmacht nur für dieses Verfahren, also bis zur formellen Rechtskraft einer Entscheidung oder der sonstigen endgültigen Erledigung des Rechtsstreits (Leitherer, a.a.O., Rn. 74). Für ein neues Gerichtsverfahren ist eine neue Vollmachtsurkunde vorzulegen. Die Prozesshandlungen eines ohne Vollmacht auftretenden Prozessbevollmächtigten sind unzulässig. Dies gilt gleichermaßen für eine Klagerhebung sowie für die Einlegung eines Rechtsmittels wie die Berufung (Leitherer, a.a.O., Rn. 66 mit Hinweis auf BSG SozR 3-1500 § 158 Nr. 2).
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat eine schriftliche Vollmacht für das Klageverfahren trotz der Aufforderung durch den Kammervorsitzenden des SG in der Verfügung vom 10. September 2008 mit Fristsetzung bis 02. Oktober 2008 nicht vorgelegt.
Bei den Verwaltungsakten der Beklagten konnte eine schriftliche Vollmacht, die auch den hier streitigen Bescheid vom 30. Januar 2007 betrifft, nicht aufgefunden werden. Die einzige dort vorhandene Vollmachtsurkunde (ein gelbes Blatt, lose in der Tasche zu Beginn des Aktenbandes I) datiert vom 09. Mai 2001 und betraf offensichtlich den erstmaligen Rentenantrag bei der Beklagten vom 14. Mai 2001, den die Klägerin unter Einschaltung ihres Bevollmächtigten gestellt hatte. Diese Vollmacht erstreckt sich nicht mehr auf den jetzigen Streitgegenstand, die Anfechtung eines Neufeststellungsbescheids im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) und erst recht nicht auf ein Klag- oder ein Berufungsverfahren über einen derartigen, anderen Streitgegenstand.
Bei den hier vorhandenen Gerichtsakten konnte eine Vollmachtsurkunde der Klägerin für ihren Prozessbevollmächtigten nur in dem Klagverfahren S 6 R 1192/07 betreffend den Beginn der Verzinsung der Rentennachzahlung im Bescheid vom 25. Oktober 2006 gefunden werden. Diese betraf ein anderes gerichtliches Verfahren.
Der Mangel der Vollmacht hat sich mit dem Erlass des angefochtenen Gerichtsbescheids des SG vom 24. November 2008 endgültig und irreparabel realisiert und ist im Berufungsverfahren nicht mehr heilbar (vgl. BSG SozR 3-1500 § 73 Nr. 9).
Ob die Klage aus den weiteren vom SG genannten Gründen unzulässig ist, lässt der Senat dahingestellt.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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