L 3 SB 2024/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2613/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2024/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).

Bei der 1948 geborenen Klägerin wurde mit Bescheid vom 20.07.2005 in Ausführung des Ge-richtsbescheids des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 23.06.2005 ein GdB von 30 seit 17.11.2003 festgestellt aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen: "Seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden (Teil-GdB 30), "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" (Teil-GdB 10) und "Bluthochdruck" (Teil-GdB 10).

Am 13.12.2006 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag, mit dem sie die Erhöhung des GdB beantragte. Nach Beiziehung und Auswertung eines Befundberichtes des Arztes für Neuro-logie und Psychiatrie Dr. B. und des Entlassungsberichts über die stationäre Rehabilitationsbe-handlung der Klägerin in der M.-Klinik in der Zeit vom 05.09. bis 05.10.2006 (Diagnosen: Rezi-divierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode; arterielle Hypertonie) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30.03.2007 den Antrag auf Neufeststellung des GdB ab.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch, den die Klägerin darauf stützte, aus den medizinischen Unterlagen gehe hervor, dass die bei ihr vorliegende Depression bereits mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten sei, wies der Beklagte nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme der Ärztin K. mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2007 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 21.09.2007 Klage zum SG erhoben.

Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte Dr. T., Dr. S. und Dr. B. eingeholt.

Der Internist Dr. T. hat am 04.12.2007 unter Vorlage von Arztbriefen über die Behandlung einer Supraspinatussehnenruptur der Klägerin im Jahr 2007 mitgeteilt, er habe bei der Klägerin seit Oktober 2006 eine Periarthrosis humeroscapularis links, eine hypertensive Krankheit, eine Cephalgie, schwierge Arbeitsbedingungen, eine Seitenstrangangina, einen hochfieberhaften In-fekt, eine Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik, einen Reizmagen und eine Rotato-renmanschettenruptur diagnostiziert. Der Orthopäde Dr. S. hat am 22.01.2008 angegeben, bei der Klägerin sei im September 2007 eine Supraspinatussehnenruptur operiert worden. Bei der letzten Untersuchung am 09.01.2008 habe eine reizlose Narbe mit der Möglichkeit der Abduktion des linken Armes bis 140 ° be-standen.

Dr. B. hat unter dem 09.09.2008 ausgeführt, die Klägerin sei anhaltend depressiv herabgestimmt ohne rechten Schwung und Antrieb bei nachhaltiger Gereiztheit. Es fänden sich schwerwiegende eheliche Probleme und ein betrieblicher Druck. Hinzu träten körperliche Beschwerden, ins-besondere auch Schulterbeschwerden. Er gehe von einer mittelschweren sozialen Anpassungs-störung bei schwerwiegenden ehelichen Spannungen und verminderter beruflicher Einsatzfähigkeit aus. Den GdB schätze er auf 50.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es liege bei der Klägerin keine wesentliche Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustands vor, die die Zuerkennung eines höheren GdB rechtfertigen könnte. Bei ihr bestehe wei-terhin eine seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungs-fähigkeit, die mit einem GdB von 30 zu bewerten sei. Eine schwere Störung (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die einen GdB zwi-schen 50 und 70 zur Folge habe, liege bei der Klägerin noch nicht vor. Die degenerativen Ver-änderungen der Wirbelsäule und der Bluthochdruck mit einem GdB von je 10 wirkten sich nicht GdB-steigernd aus. Auch im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Operation einer Rotato-renmanschettenruptur im Bereich des linken Schultergelenkes komme eine Erhöhung des GdB nicht in Betracht. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die vier Monate nach der Operation vorhandene Einschränkung dauerhaft wäre, könnte dies lediglich zu einer weiteren Zuerkennung eines Einzel-GdB von 10 und somit nicht zu einem höheren Gesamt-GdB führen.

Gegen den am 01.04.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30.04.2009 gestützt auf ihr bisheriges Vorbringen Berufung eingelegt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W ... Dieser hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Fach-gutachten vom 07.07.2009 eine chronifizierte leichtgradige depressive Symptomatik im Sinne einer Dysthymie bei Arbeitsplatzkonflikt und Migrationshintergrund und außerhalb seines Fach-gebiets rezidivierende Zervikalgien ohne radikuläre Ausfälle, eine arterielle Hypertonie und Schultergelenkschmerzen links diagnostiziert. Der GdB für die seelische Störung sei mit maxi-mal 30 zu veranschlagen. Die Hypertonie und die Halswirbelsäulenproblematik seien mit einem GdB von jeweils 10 einzustufen. Der Gesamt-GdB verbleibe bei 30.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. März 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 30. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von mindes-tens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Vorprozessakte S 1 SB 1638/04 und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne münd-liche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständ-nis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung ei-nes höheren GdB als von 30.

Dies hat das SG unter Darlegung der Voraussetzungen für die Feststellung und Neufeststellung von Behinderungen und des GdB insbesondere auch unter Berücksichtigung der seit 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass sich eine wesentliche Verschlimmerung im Be-hinderungszustand der Klägerin seit der Erteilung des Bescheides vom 20.07.2005 auch nicht aus dem vom Senat eingeholten neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten von Dr. W. ergibt. Auch Dr. W. hat in seinem für den Senat schlüssig und nachvollziehbaren Gutachten ausgeführt, dass bei der Klägerin keine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand seit 2005 eingetreten ist. Bei ihr besteht eine chronifizierte depressive Symptomatik im Sinne einer Dysthymie mit intermittierender depressiver und gedrückter Stimmung, die auf keinen Fall mit einer schweren Zwangskrankheit oder aber auch einem schizophrenen Residualzustand mit mittelgradigen sozia-len Anpassungsschwierigkeiten vergleichbar ist, sodass, zumal die Klägerin nicht regelmäßig antidepressive Medikamente einnimmt, der GdB für die seelische Störung höchstens mit einem Teil-GdB von 30 bewertet werden kann.

Bezüglich der Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin hat Dr. W. festgestellt, dass die Kopf-beweglichkeit frei war. Bei der körperlich-neurologischen Untersuchung ergaben sich keinerlei Auffälligkeiten bezüglich Hirnnerven, Reflexe, Sensibilität, Motorik und Koordination. Es fan-den sich lediglich mittelgradige Myogelosen, sodass hierfür im Einklang mit der Einschätzung von Dr. W., gestützt auf die VMG Teil B Nr. 18.9 weiterhin ein GdB von 10 zu veranschlagen ist.

Ebenso verhält es sich im Hinblick auf die arterielle Hypertonie, nachdem weder aus den bei-gezogenen medizinischen Unterlagen noch aus dem Gutachten eine Organbeteiligung oder eine Leistungsbeeinträchtigung hervorgeht (VMG Teil B Nr. 9.3).

Ein abweichendes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass bei der Klägerin im Sep-tember 2007 eine Supraspinatussehnenruptur operiert wurde, nachdem die Narbe bei der Nach-untersuchung im Januar 2008 reizlos war und der Klägerin die Abduktion bereits wieder bis 140 ° gelang. Auch bei der Untersuchung durch Dr. W. war keine signifikante Bewegungsein-schränkung im Bereich der oberen Extremitäten erkennbar. Ein GdB ist hierfür nach VMG Teil B Nr. 18.13 noch nicht gerechtfertigt.

Hieraus resultiert ein Gesamt-GdB von 30. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, führen, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte (VMG Teil A Nr. 3c). Die Einschätzung des Gesamt-GdB mit 30 entspricht auch dem von Dr. W. er-statteten Gutachten.

Die Berufung der Klägerin konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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