L 6 U 3670/09 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 4984/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3670/09 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 24.07.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger erhob vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) Klage und begehrt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höherem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Vorgelegt wurde die vom Kläger für die F. V. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (V-GmbH) unterschriebene Vollmacht. Am 24.10.2008 beantragte der Kläger Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss vom 24.07.2009 bewilligte das SG Prozesskostenhilfe und ordnete Rechtsanwalt F. V. (RA V) bei. Am 31.07.2009 hat der Kläger beim SG beantragt, ihm im Wege einer Abhilfeentscheidung die V-GmbH anstelle des RA V beizuordnen. Das SG hat diesen Antrag dem LSG zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Der Senat legt den Antrag des Klägers als Beschwerde aus. Denn mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 wurde § 174 SGG, der eine Abhilfemöglichkeit durch das Sozialgericht vorsah, aufgehoben. Das SGG sieht daher eine Abhilfemöglichkeit des SG nicht mehr vor. Mithin kommt als Rechtsbehelf gegen den angegriffenen Beschluss des SG grundsätzlich nur die Beschwerde in Betracht.

Zwar kann von einem Kläger gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 2 und 3 Zivilprozessordnung (ZPO) gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich keine Beschwerde erhoben werden. Vorliegend kann aber in der Beiordnung des RA V zugleich die Ablehnung einer Beiordnung der V-GmbH gesehen werden, so dass die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 1 SGG insoweit als statthaft angesehen wird. Die Beschwerde ist auch form- sowie fristgerecht im Sinne des § 173 SGG eingelegt und mithin zulässig.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

Dem Antrag des Klägers auf Beiordnung der V-RA-GmbH anstelle des RA V ist nicht zu entsprechen.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Abs. 1 ZPO wird der Partei, wenn - was vorliegend aber nicht der Fall ist - eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben ist, ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO wird der Partei, wenn - was vorliegend der Fall ist - eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. Gleiches regelt § 73 a Abs. 1 Satz 2 SGG für den gesonderten Fall, dass der Beteiligte von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch macht. Damit lässt der derzeitige Wortlaut dieser gesetzlichen Vorschriften die Beiordnung einer Rechtsanwaltsgesellschaft im Sinne des § 59 c Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), einer Partnerschaftsgesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 4 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) oder einer Anwaltssozietät nicht zu.

Trotz der Neuregelung der §§ 59 c ff. BRAO hat der Gesetzgeber die Regelung des § 121 ZPO, demzufolge nur ein Rechtsanwalt die Vertretung der Partei übernehmen kann, nicht geändert, so dass daran festzuhalten ist, dass nur ein Rechtsanwalt als natürliche Person beigeordnet werden kann (Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.07.2006 - L 15 B 44/03 R KO; OLG Celle, Beschluss vom 02.05.2003 - 7 U 11/03).

Zwar ist der BGH in seinem Beschluss vom 17.09.2008 (IV ZR 343/07), auf den sich der Kläger zur Stützung seines Antrages beruft, im Wege einer seiner Auffassung nach gebotenen verfassungskonformen Auslegung zu dem Ergebnis gekommen, dass § 121 Abs. 1 ZPO nicht nur die persönliche Beiordnung eines einzelnen Rechtsanwalts zulässt (im Ergebnis ebenso: OLG Nürnberg, Beschluss vom 01.07.2002 - 10 WF 1088/02). Der Senat folgt aber dieser Entscheidung nicht.

Ob eine solche verfassungskonforme Auslegung angesichts des mit Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 31.08.1998 (BGBl. I 2600) mit Wirkung vom 01.03.1999 geschaffenen § 59 c BRAO beziehungsweise des mit Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 19.12.2000 (BGBl. I 1757) mit Wirkung vom 01.01.2001 geschaffenen § 7 Abs. 4 PartGG und der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung, wonach eine in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene Anwaltssozietät rechtsfähig und parteifähig ist (BGH, Urteil vom 29.01.2001 - II ZR 331/00), im Lichte der Grundrechte auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG notwendig ist oder sich die Beiordnung einer Rechtsanwaltssozietät angesichts des Wortlauts des § 121 ZPO verbietet, ist hier mit Blick auf die Grundsätze des sozialgerichtlichen Verfahrens zu entscheiden. Eine über den Wortlaut hinausgehende verfassungskonforme Auslegung zur Zulässigkeit der Beiordnung einer Anwaltssozietät ist danach rechtlich nicht geboten (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.09.2009 - L 8 U 5402/08 PKH-A).

Der vom BGH erwähnte und zur Vermeidung von den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG berührenden Benachteiligungen hervorgehobene Gesichtspunkt des dem Prozesskostenhilferecht immanenten Grundsatzes der Waffengleichheit, ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in vergleichbarer Weise tangiert wie in den kontradiktorischen Zivilrechtsstreitigkeiten. Die Beklagten im sozialgerichtlichen Verfahren, in der Regel juristische Personen des öffentlichen Rechts, werden nämlich regelmäßig nicht von Rechtsanwälten, sondern von eigenen Beamten oder Angestellten vertreten. Dass einerseits eine vermögende Partei in der Lage ist, für sich eine Anwaltssozietät mit den aus deren Arbeitsteilung erwachsenden Vorteilen zu verpflichten, anderseits aber die auf Prozesskostenhilfe angewiesene Partei jeweils auf die Vertretung durch einen einzelnen Rechtsanwalt beschränkt ist, lässt sich deshalb auf das sozialgerichtliche Verfahren nicht ohne Weiteres übertragen. Zwar kann auch die Behörde unter Umständen auf sachkundige Angehörige einzelner Fachabteilungen, organisatorisch vergleichbar mit einer Rechtsanwaltskanzlei unterschiedlich spezialisierter Anwälte, zurückgreifen. Jedoch ist die Behörde nach § 17 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben der Objektivität verpflichtet und unterliegt nach § 20 SGB X dem Amtsermittlungsgrundsatz. Sie hat daher das Begehren des Prozessgegners stützende Umstände, die sich gegebenenfalls erst im Rechtsbehelfsverfahren ergeben, von sich aus zu berücksichtigen, weshalb etwaige Erkenntnisse aus Spezialwissen der Behörde dem Prozessgegner auch zugute kommen können. Eine gänzliche Versagung der Beiordnung unter Hinweis auf den Amtsermittlungsgrundsatz ist zwar nicht gerechtfertigt. Doch aus Gründen der Waffengleichheit ist der beantragte Umfang der Beiordnung nicht geboten. Eine Beschränkung der Anwaltssozietät in ihrem von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Recht auf Berufsausübung ergibt sich durch die am Wortlaut des § 121 ZPO orientierte Normanwendung nicht. Eine Schlechterstellung der Anwaltssozietät gegenüber der genannten Rechtsanwaltsgesellschaft und Partnerschaftsgesellschaft liegt nach dieser auf alle Organisationsformen anwendbaren Auslegung der Vorschriften nicht vor. Außerdem ist durch die Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwaltes nicht ausgeschlossen, dass dieser durch einen der Gesellschaft angehörenden anderen Kollegen, der die gesetzlichen Voraussetzungen für das Auftreten vor dem angerufenen Gericht erfüllt, - wenn auch nur zu den Bedingungen des konkret beigeordneten Rechtsanwaltes - in Untervollmacht vertreten werden kann (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.09.2009 - L 8 U 5402/08 PKH-A). Für die Beiordnung eines individualisierten Rechtsanwaltes spricht auch, dass hierdurch vermieden wird, dass bei einer überörtlich tätigen Gesellschaft zusätzliche Kosten entstehen könnten, weil ein Rechtsanwalt für die Gesellschaft tätig wird, in dessen Person zwar die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen vorliegen, der aber einer entfernten Niederlassung angehört. Durch die Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwaltes hingegen ist klargestellt, dass dieser zwar durch einen der Gesellschaft angehörenden anderen Kollegen, der die gesetzlichen Voraussetzungen für das Auftreten vor dem angerufenen Gericht erfüllt, vertreten werden kann, jedoch nur zu den Bedingungen des konkret beigeordneten Rechtsanwaltes (Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.07.2006 - L 15 B 44/03 R KO; OLG Celle, Beschluss vom 02.05.2003 - 7 U 11/03).

Hinzu kommt, dass das GG für die Prozesskostenhilfe, die eine Sozialhilfeleistung für besondere Lebenslagen darstellt, keine vollständige Chancen- und Waffengleichheit, sondern nur eine Effektuierung des Gleichheitsgebots im Bereich der Rechtspflege im Sinne einer weitgehenden Angleichung der prozessualen Stellung von Bemittelten und Unbemittelten, fordert. Die vom BGH für erforderlich gehaltene verfassungskonforme Auslegung des nach seinem Wortlaut nur die Beiordnung eines einzelnen Rechtsanwalts zulassenden § 121 ZPO ist daher - jedenfalls für den Bereich des sozialgerichtlichen Verfahrens - nicht geboten. Es soll letztlich dem Gesetzgeber überlassen werden, ob § 121 ZPO an die Entwicklungen im anwaltlichen Berufsrecht anzupassen ist oder nicht (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.09.2009 - L 8 U 5402/08 PKH-A).

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved