L 4 R 1764/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 6785/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1764/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. März 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 7.618,47 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das klagende Land (im Folgenden: Kläger) Nachversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu Gunsten der zwischenzeitlich verstorbenen B. I. L. (im Folgenden: Versicherte) an die Beklagte zu entrichten hat.

Die Versicherte wurde am 1943 geboren. Mit Urkunde vom 09. Dezember 1974 ernannte sie der Kläger ab dem 13. Januar 1975 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Studienreferendarin. Mit Ablauf des 29. Juni 1976 schied sie aus diesem Beamtenverhältnis aus. Ab dem 16. August 1976 beschäftigte sie der Kläger als angestellte Lehrerin. Mit Urkunde vom 10. Oktober 1978 ernannte sie der Kläger ab dem 18. Oktober 1978 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Studienassessorin. Ab dem 14. Januar 1980 war sie als Studienrätin Beamtin auf Lebenszeit. Ab dem 01. August 2007 befand sie sich im Ruhestand und erhielt Versorgungsbezüge nach einem Ruhegehaltssatz von 74,58 v.H.

Am 10. Februar 2008 beantragte die Versicherte Altersrente bei der Beklagten. Im Rahmen dieses Verfahrens forderte die Beklagte mit Schreiben vom 09. Juli 2008 den Kläger auf, eine Nachversicherung der Versicherten für die Zeit vom 13. Januar 1975 bis zum 29. Juni 1976 zu prüfen, die Nachversicherungsbeiträge zu berechnen und an sie (die Beklagte) zu überweisen sowie eine Nachversicherungsbescheinigung zu erstellen. Mit Schreiben vom 05. August 2008 an die Beklagte erhob der Kläger die Einrede der Verjährung. Die Beklagte erließ daraufhin den Bescheid vom 09. September 2008, mit dem sie von dem Kläger die Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen für die Versicherte für die Zeit vom 13. Januar 1975 bis zum 29. Juni 1976 forderte. Die Erhebung der Verjährungseinrede verstoße gegen Treu und Glauben und stelle unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht aus dem Beamtenverhältnis eine unzulässige Rechtsausübung dar.

Am 09. Oktober 2008 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 09. September 2008 aufzuheben. Die Versicherte sei mit Ablauf des 29. Juni 1976 ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen sei die Nachversicherung unterblieben. Die Ansprüche auf Nachversicherungsbeiträge seien verjährt. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei nicht rechtsmissbräuchlich. Ein solcher Einwand sei nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben statthaft. Das vorsatzlose Nichtdurchführen der Nachversicherung sei kein solcher grober Verstoß. Es liege auch kein Verstoß gegen beamtenrechtliche Fürsorgepflichten vor. Die Versicherte sei kurz nach ihrem unversorgten Ausscheiden wieder in das Beamtenverhältnis übernommen worden. Eine höhere Rente würde sich nicht zu ihren Gunsten auswirken, da ihre Versorgungsbezüge entsprechend zu kürzen seien. Eine Nachversicherung diene allein dem finanziellen Interesse der Beklagten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Es sei unbestritten, dass die Forderung auf Zahlung der Nachversicherungsbeiträge verjährt sei, da die Fälligkeit länger als 30 Jahre zurückliege. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei jedoch unbeachtlich. Die Verjährungseinrede werde rechtsmissbräuchlich erhoben, wenn der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten habe. Dies sei dann der Fall, wenn der Schuldner der Nachversicherung innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist weder eine Aufschub- noch eine Nachversicherungsbescheinigung erteilt habe, er also den Rentenversicherungsträger nicht über das unversorgte Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis unterrichtet und ihn so von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten habe.

Das SG lud mit Beschluss vom 13. März 2009 die Versicherte bei, wobei nicht bekannt war, dass diese am 01. März 2009 verstorben war.

Mit Urteil vom 16. März 2009 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 09. September 2008 auf und verpflichtete die Beklagte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Geltendmachung der Nachversicherungsansprüche sei ausgeschlossen, weil sie verjährt seien. Solche Ansprüche verjährten regelmäßig in vier Jahren nach Ablauf des Fälligkeitsjahrs, bei einer vorsätzlichen Vorenthaltung gelte eine 30-jährige Frist. Beide Fristen seien bei der Geltendmachung der Beiträge mit Bescheid vom 09. September 2008 abgelaufen gewesen. Die Berufung auf die Verjährung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Verjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs. Dieser Zweck gebiete es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur bei einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen. Dies könne angenommen werden, wenn der Verpflichtete den Berechtigten, wenn auch unabsichtlich, durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten habe, wenn also der Gläubiger im Vertrauen auf ein konkretes, ihm gegenüber an den Tag gelegtes Verhalten des Schuldners die Ansprüche nicht innerhalb der Verjährungsfrist verfolgt hat. Bei Beitragsschulden müsse sich dieser Vertrauenstatbestand aus diesem öffentlich-sozialversicherungsrechtlichen Verhältnis ergeben. Ein Verhalten des Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer oder eine Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht seien für die Rechtsmissbräuchlichkeit der Verjährungseinrede gegenüber Beitragsansprüchen der Einzugsstelle unerheblich. Bezogen auf dieses Durchführungsverhältnis seien keine Gründe zu erkennen und würden von der Beklagten auch nicht geltend gemacht, welche die Einrede der Verjährung ausschließen könnten. Gegebenenfalls könne die Versicherte den Kläger als ihren ehemaligen Dienstherrn auf Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge in Anspruch nehmen.

Am 16. April 2009 hat die Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie vertieft ihre Argumentation. Ein Nachversicherungsschuldner halte den Gläubiger auch dann von der Unterbrechung der Verjährung ab, wenn der Rentenversicherungsträger nichts von der Nachversicherungspflicht des Versicherten wisse, da der Dienstherr insbesondere keine Aufschubbescheinigung erteilt habe. Es spiele auch keine Rolle, ob ex post betrachtet der Versicherte von der Nachversicherung profitieren würde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angegriffene Urteil. Bloßes Schweigen und Untätigkeit (eines Schuldners) rechtfertigten das Unwerturteil einer unzulässigen Rechtsausübung regelmäßig nicht. Auf Nachfrage des Berichterstatters hat der Kläger mitgeteilt, für die Zeit vor 1985 lägen bei ihm keine Unterlagen oder Verfügungen/Weisungen zur Praxis der Nachversicherung mehr vor.

Der mit Urkunde vom 09. März 2009 bestallte Nachlasspfleger für die von dem Beiladungsbeschluss betroffenen, unbekannten Erben der Versicherte hat keinen Antrag gestellt.

Alle Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt und auch sonst zulässig; insbesondere war sie angesichts des Wertes des Berufungsgegenstandes von EUR 7.618,47 (Höhe der fiktiven Nachversicherungsbeiträge nach einer Probeberechnung des Klägers) nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungspflichtig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG der Anfechtungsklage des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) stattgegeben. Die Klage war zulässig - eines Vorverfahrens bedurfte es nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG nicht -, und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 09. September 2008 war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten.

1. Der Kläger ist dem Grunde nach verpflichtet, für die Tätigkeit der Versicherten als Studienreferendarin vom 13. Januar 1975 bis zum 29. Juni 1976 Nachversicherungsbeiträge an die Beklagte zu entrichten. Der Anspruch folgt heute aus §§ 181 Abs. 5 Satz 1, § 185 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI). Zur Zeit der Referendartätigkeit der Versicherten folgte diese Verpflichtung aus § 124 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) bzw. - für Arbeiter - aus § 1402 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1232 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Ebenso ist der Kläger zur Erteilung einer Bescheinigung über die - durchgeführte - Nachversicherung an die Beklagte (und auch an die frühere Beigeladene) verpflichtet (§ 185 Abs. 3 SGB VI, § 124 Abs. 6 Satz 1 AVG, § 1402 Abs. 6 Satz 1 RVO). Voraussetzung einer Nachversicherung ist, dass der Beschäftigte aus der versicherungsfreien Tätigkeit ausscheidet, ohne dass ihm nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen ein Anspruch oder eine Anwartschaft auf eine lebenslängliche Versorgung erwachsen ist. Die Versicherte war zum 29. Juni 1976 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ausgeschieden. Eine beamtenrechtliche Versorgung hatte sie nicht erworben, weil sie in dem Beamtenverhältnis nicht die nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) erforderliche Dienstzeit von fünf Jahren zurückgelegt hatte.

2. Jedoch kann dieser Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden, ihm steht die dauernde Einrede der Verjährung nach § 25 Abs. 2 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) i.V.m. § 214 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entgegen.

a) Der Anspruch ist verjährt. Darin sind sich die Beteiligten auch einig:

Ansprüche auf Beiträge, zu denen auch Nachversicherungsbeiträge gehören, verjähren nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Wurden die Beiträge vorsätzlich vorenthalten, verjährt der Anspruch auf sie nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in dreißig Jahren nach Ablauf des Fälligkeitsjahrs.

Hier kann offen bleiben, ob der Kläger die Nachversicherungsbeiträge nach dem Ausscheiden der Versicherten zum 29. Juni 1976 vorsätzlich vorenthalten hat, wodurch sich die Verjährungsfrist von vier Jahren (abgelaufen am 31. Dezember 1980) auf 30 Jahre verlängert hätte. Selbst die 30-jährige Verjährungsfrist wäre dann am 31. Dezember 2006 abgelaufen, also vor der Geltendmachung der Nachversicherungsbeiträge durch den Bescheid vom 09. September 2008, der eine noch laufende Verjährungsfrist gehemmt hätte (§ 52 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB X).

Da beide Verjährungsfristen abgelaufen sind, kann hier auch offen bleiben, ob dem Kläger wegen der Nichtdurchführung der Nachversicherung ein Organisationsverschulden vorzuwerfen ist, wie es unter Umständen zur Bejahung eines vorsätzlichen Verhaltens ausreichen würde (vgl. das von der Beklagten genannte Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2003, L 3 R 3/05, veröffentlicht in Juris, Rn. 31, 32; zum Organisationsverschulden in der Besoldungsstelle des Klägers konkret LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. November 2007, L 4 R 2218/05, veröffentlicht in Juris, Rn. 23).

b) Der Kläger hat die Verjährungseinrede auch erhoben.

c) Die Erhebung dieser Verjährungseinrede ist auch nicht nach § 242 BGB wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben unbeachtlich.

aa) Der Kläger hat die Verjährungseinrede nicht wegen widersprüchlichen Verhaltens verwirkt.

Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG SozR 2200 § 1399 Nr. 11 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6; SozR 4-2400 § 22 Nr. 2). Bloßes Nichtstun des Berechtigten reicht nicht aus. Ein solches Nichtstun führt nach der gesetzlichen Wertung (§ 25 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IV) allenfalls zur Verlängerung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre, wenn Vorsatz vorliegt. Gerade diese Regelung zeigt, dass in diesen Fällen die Verjährungseinrede nicht für alle Zeiten ausgeschlossen sein soll. Vielmehr muss ein Handeln des Berechtigten hinzukommen, das bei dem Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. zu allem LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08. Februar 2008 - L 4 KR 1913/06 -, nicht veröffentlicht). Bloße Nichtgeltendmachung eines vermeintlichen Anspruchs führt allein zur Verjährung, sobald die Verjährungsfristen abgelaufen sind und die Einrede erhoben wird. Nachdem auch das BSG in ständiger Rechtsprechung ein "konkretes" Verhalten des Berechtigten, das Recht nicht auszuüben, verlangt (SozR 3-2400 § 25 Nr. 6), kann dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2006 (L 3 R 3/05, veröffentlicht in Juris, Rn. 38) nicht gefolgt werden, sollte darin ein bloßes Unterlassen als Verwirkungstatbestand für ausreichend gehalten werden.

Ein solches aktives - sei es ausdrückliches, sei es konkludentes - Verhalten des Klägers, das die Beklagte davon abgehalten haben könnte, die Geltendmachung der Nachversicherungsbeiträge zu unterlassen, ist nicht erkennbar. Vielmehr hat es während des gesamten Zeitraums seit 1976 keinerlei Kontakt zwischen Kläger und Beklagter gegeben.

Dass der Kläger unmittelbar nach dem Ausscheiden der Versicherten und auch in der regulären vierjährigen Verjährungsfrist danach weder die Beklagte noch die Versicherte darüber unterrichtet hat, dass er keine Nachversicherung durchführt, und auch keine Aufschubbescheinigung erteilt hat, führt nicht zu einer Verwirkung. Selbst wenn dieses Verhalten gegenüber der Versicherten oder gegenüber der Beklagten - in dem Beitragsrechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter kommt es allerdings nur auf das Verhalten gegenüber der Beklagten an (BSG, SozR 2200 § 182 Nr. 133; BSG, SozR 3-2400 § 25 Nr. 6) - pflichtwidrig gewesen sein sollte, so handelt es sich doch durchgängig um ein Nichtstun, nicht aber um ein aktives Verhalten, das auf der Gegenseite einen Vertrauenstatbestand hätte hervorrufen können.

bb) Weiterhin hat der Kläger die Verjährungseinrede nicht wegen der Verletzung eigener Pflichten verloren.

Diese Fallgruppe unzulässiger Rechtsausübung aus § 242 BGB setzt voraus, dass derjenigen Partei des Rechtsverhältnisses, die ein Recht geltend macht, eine Pflichtverletzung zur Last liegt. Diese muss zwar nicht kausal zu der Rechtsposition geführt haben, die der Inhaber jetzt geltend macht. So tritt Verjährung kraft gesetzlich geregelter Fristen ein, eine Verjährungseinrede ließe sich nur ausnahmsweise durch pflichtwidriges Verhalten erlangen. Jedoch muss die Pflichtverletzung mit der nun geltend gemachten Rechtsposition oder zumindest mit dem Rechtsverhältnis, in dem die Position erwachsen ist, zusammenhängen. So hat das BSG (SozR 3-2400 § 25 Nr. 6) gerade für das Beitragsrechtsverhältnis zwischen dem Rentenversicherungsträger oder der Einzugsstelle und dem Arbeitgeber bzw. Beschäftigungsgeber als Beitragsschuldner entschieden, dass nur eine Pflichtverletzung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger genügt, während ein Verhalten gegenüber dem Beschäftigten als Versichertem für die Frage des Rechtsmissbrauchs der Einrede der Verjährung gegenüber Beitragsansprüchen unerheblich ist, weil es für eine Berücksichtigung dieser internen Verpflichtungen im Beitragsverhältnis keine Rechtsgrundlage gibt.

Eine solche Pflichtverletzung des Klägers gegenüber der Beklagten mit einem ausreichenden Bezug zur Verjährung des Anspruchs ist nicht ersichtlich. Zwar war der Kläger auch gegenüber der Beklagten zur Durchführung der Nachversicherung, nämlich zur Berechnung und Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge und zur Ausstellung der Nachversicherungsbescheinigung, verpflichtet. Diese Pflicht hat er - aus nicht mehr aufzuklärenden Gründen - objektiv verletzt. Diese Pflichtverletzung betraf jedoch nur die Nachversicherung selbst, also das Primärverhältnis zwischen den Beteiligten. Eine weitere Pflichtverletzung des Klägers auf Sekundärebene, die ihm die Erhebung der Verjährungseinrede ermöglicht oder erleichtert hätte, liegt nicht vor.

Selbst wenn bei dieser Frage doch eine Pflichtverletzung gegenüber dem nachzuversichernden Beschäftigten ausreichen würde, um die Verjährungseinrede als treuwidrig erscheinen zu lassen (so das LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Januar 2007, L 13 R 117/05, veröffentlicht in Juris Rn. 42), so läge eine solche hier nicht vor. Zwar war der Kläger auch gegenüber der Versicherten zur Durchführung der Nachversicherung verpflichtet. Eine Nachversicherung zu unterlassen kann einen Verstoß gegen die (fortwirkende) beamtenrechtliche Fürsorgepflicht darstellen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 13. Februar 2007, 14 ZB 06.3282, veröffentlicht in Juris). Dies gilt jedoch nur dann, wenn dem Versicherten aus dem Unterbleiben der Nachversicherung Nachteile entstehen, weil zum Beispiel seine Rente geringer ausfällt. Bei der Versicherten bestanden solche Nachteile nicht. Hätte ihr die Beklagte nach Durchführung der Nachversicherung höhere Altersrente bewilligt, so wäre ihr Ruhegehalt entsprechend gekürzt worden, denn da die Versicherte ein Ruhegehalt nach einem Ruhegehaltssatz von 74,58 v.H. und damit über der heute geltenden Höchstgrenze von 71,75 v.H. (§§ 106 Abs. 4 des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg (LBG), 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) bezogen hatte, wäre zusammen mit der Rente die Höchstgrenze des § 55 Abs. 2 BeamtVG überschritten gewesen.

3. Allerdings war der Kostentenor des Urteils des SG von Amts wegen zu korrigieren. Das SG hat nur über die außergerichtlichen Kosten entschieden (§ 193 SGG), nicht jedoch über die Gerichtskosten, weil es zunächst annahm, das Verfahren sei nach § 183 SGG gerichtskostenfrei. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn weder der Kläger noch die Beklagte in diesem Verfahren sind Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I). Da die Monatsfrist des § 140 SGG abgelaufen ist, kann das Urteil des SG nicht ergänzt werden. Die unterbliebene Entscheidung über die Gerichtskosten erster Instanz kann durch den Senat nachgeholt werden (vgl. BSG SozR 3-1500 § 140 Nr. 2). In der Sache sind der Beklagten auch die Gerichtskosten der ersten Instanz aufzuerlegen, weil sie unterlegen war (§ 197a Abs. 1 SGG und §§ 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Hierbei entsprach es der Billigkeit, von einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen abzusehen, nachdem diese keine Anträge gestellt und sich auch inhaltlich nicht am Verfahren beteiligt haben (§ 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO).

4. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 SGG.

5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

6. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 63 Abs. 2 und 3, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 GKG. Dieser ergibt sich aus der Höhe der streitigen Nachversicherungsbeiträge von EUR 7.618,47. Für das Klagverfahren war kein Streitwert mehr festzusetzen, nachdem das SG dies in zuvor genannter Höhe mit Beschluss vom 24. April 2009 getan hat.
Rechtskraft
Aus
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